Albert Patitz – ein Radebeuler Architekt (Teil 2)

Zum 100. Geburtstag am 24. Mai 2006 (Fortsetzung aus Heft 6)
Als am Ende des Krieges die sowjetischen Truppen nach Ra­debeul drangen, mussten die Eltern wie die anderen Bewohner das Lämmel’sche Mehrfamilienhaus (Gabelsberger Str. 1, dann Straken 9, heute Eduard-Bilz-Str. 9) verlassen, ur­sprünglich sollte die Einquartierung nur zwei Tage dauern, daraus wurden dann mehr als zwei Monate. Nach der Rückkehr und der Beseitigung des Schmutzes und der Spuren des Vandalismus, versuchte Va­ter, das Architekturbüro wieder in Gang zu bringen und verzeichnete in seinen Rentenantragsunterlagen ei­nen Einsatz bei der neuen Stadtverwaltung. Dabei wurde er auch zu Planungen (Wohnungsneubau) für so­wjetische Dienststellen mehr oder weniger zwangsverpflichtet.
Vom 25. Januar 1946 datiert eine Mitgliedsbescheinigung der Landeskammer der bildenden Künstler Sachsens – Gruppe Dresden – die seine Anerkennung als freischaffender Künstler enthält und den Vermerk „Es stehen ihm deshalb Befreiungskarte, Arbeiterlebensmittelkarte so­wie Arbeitsräume und das dafür erforderliche Heizmaterial zu“. Vom 21. August 1946 gibt es ferner eine Bescheinigung des FDGB über die (wohl seit dem 1. Juli 1946) bestehende Mitgliedschaft in der Gewerkschaft 17, Sparte 7 Bildende Kunst, ebenfalls mit der Anerkenntnis als freischaffender Künstler und der Befürwortung der Berechtigungskarte bis zur Dauer von einem Jahr. Am 6. Juli 1946 wurde auch sein zweiter Sohn, der Verfasser dieses Artikels, geboren, der 1973 Radebeul verließ, um in Frankfurt (Oder) als Stadtplaner zu wirken.
Wohl schon 1946, mit Sicherheit ab 1947 ist Vater mit Planungen für Maßnahmen gemäß dem Neubauernprogramm betraut. In einem Schreiben des Landrates von Pirna vom 7. März 1947 erfolgt eine Bestätigung als „Bezirksarchitekt“ für neun Gemeinden im Raum Pirna / Sächsische Schweiz. hier entstanden zahlreiche Entwürfe für meist kleinere Bauten im ländlichen Raum. Laut einer Bescheinigung vom 4. März 1948 war er deshalb „als Kulturschaffender von anderweitigem Arbeitseinsatz befreit“.
Sein jüngster Bruder Rudolf Patitz, der damals in Pirna wohnte, scheint nicht unwesentlich bei der Vermittlung und Auftragserfüllung mitgeholfen zu haben und bildete mit Vater in dieser und der folgenden Zeit ab 1949 eine Arbeitsgemeinschaft (eine schriftliche Bestätigung datiert vom 10. Januar 1950). So ist Bruder Rudolf, wahrscheinlich auch durch Beziehungen zum Zellstoffwerk Heidenau, die Beschaffung eines größeren Auftrags, die Planung für das Zellstoffwerk Magdeburg-Rothensee (ab 15. Juni 1949), zu danken. Die Arbeitsgemeinschaft arbeite damals als „Sub“ für die Landesprojektierung Sachsen. Erwähnenswert aus dieser Zeit sind Planungen für die Schiffswerft Roßlau, verschiedene Bauten in Bernburg, die Sprungschanze in Altenberg / Geising und das Pionierlager in Papstdorf.
Vom 1. Januar 1951 bis zum 30. Mai 1951, die Selbständigkeit war wohl – auch angesichts der staatlich dekretierten Wertumfangbeschränkungen für Privatarchitekten auf Objekte bis, wenn ich mich recht erinnere, maximal 50 T DM Bauleistung, nicht mehr zu retten, wird Vaters Radebeuler Büro mit inzwischen etwa zwölf Be­schäftigten, eine Art Zweigstelle des VEB Industrieentwurf. Am 1. Juni 1951 erfolgte die endgültige Übernahme durch den VEB (Z) Projektierung – Entwurfsbüro für Hochbau Dresden I. Vater musste dann – mit eigenen Ausrüstungen, die er teilweise später zurückerhielt – mit der gesamten Mannschaft in die Tannenstraße nach Dresden ziehen und erhielt am 1. Oktober 1951 einen Einzelvertrag. In nur sieben Monaten wurde von ihm die Sportschule Neuländer Straße geplant und errichtet. Dafür wurde er am 13. Oktober 1952 zum ersten Mal als „Aktivist“ ausgezeichnet. Am 10. Dezember 1952 erhielt er eine Berufung als Brigadeleiter. Bereits seit dem 30. Juni liefen Planungen für die Wismut, Wohnungs- Kultur- und Sozialbauten in Johanngeorgenstadt und, ab 1. Oktober 1952 die Poliklinik in Aue. Dafür wurde Vater im Oktober 1953 zum zweiten Male Aktivist.
Seit Mitte 1953 entstanden auf den Zeichenbrettern schon die Planungen für die Dresdner Südvorstadt (im Rahmen eines Sonderbauprogramms für Arbeiter des Bergbaus mit etwa 1500 Wohnungen). Aufgrund eines Schreibens des Ministers für Aufbau vom 25.3.1954 erhielt Vater für das Projekt „331 Wohnungen in der Nürnberger Straße“ aus dem Ministerfonds eine persönliche Prämie in der für damalige Verhältnisse nicht geringen Höhe von 1500 DM. Die Südvorstadt muss ihn auch in den Folgejahren beschäftigt haben (u. a. Nebenstraßen der Nürnberger Straße, Würzburger Straße). 1954 tritt er dem, auch in der DDR wieder konstituierten Bund Deutscher Architekten zum zweiten Mal bei und hat die Mitgliedsnummer 275; denn die erste Mitgliedschaft aus dem Jahre 1932 währte nur bis Ende 1933. Am 15. Dezember 1933 wurde er – nach Auflösung des BDA – mehr oder weniger automatisch Mitglied der Reichskulturkammer als Vertretung der Architektenschaft; einen Abstammungsnachweis musste er allerdings erst 1938 erbringen. Vater legte immer sehr viel Wert auf die BDA-Mitgliedschaft und unterschrieb in der Regel mit „Architekt BDA“, auch dann noch, als der Bund am 5. Juli 1972 zum Bund der Architekten in der DDR (mit einer nunmehrigen Mitglieds-Nr. 03039) transformiert wurde.

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Entwurf für das Wohnhaus des Buchbinders K. L., 1936

Aufgrund fachlicher und politischer Differenzen mit einem neuen Betriebsdirektor wurde ihm, wohl Ende 1958, der Einzelvertrag gekündigt; ich kann nicht sagen, ob das auch einer generellen Kündigung gleichkam. Es gab jedenfalls sehr viel Aufregung zu Hause, und ich erinnere nur, dass damals der Direktor des Büros für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung aus der Altenzeller Straße in Dresden, der ihm persönlich sehr gewogen war, in unserer Wohnung vorstellig wurde und Vaters „Umsetzung“ zu diesem Büro vorschlug, was dann ab 1. Januar 1959 auch stattfand. Hier wurde er Leiter der Stadtplanungsgruppe II (zuständig für die Kreise Riesa, Meißen und Großenhain), seit dem 1. April 1963 nannte er sich Leiter der Komplexbrigade II (für den gleichen Arbeitsbereich), und es sind wohl besonders seine Bemühungen um die „Generelle Planung der Stadt Riesa“ und der städtebauliche Entwurf für den „Wohnkomplex Riesa-Weida“ (etwa 4000 Wohnungseinheiten) aus dieser Zeit hervorzuheben.
Zum 1. Januar 1965 wurde er in das neugegründete Büro für Territorialplanung beim Rat des Bezirkes Dresden, das sich aus Teilen der Mitarbeiterschaft des Büros für Gebiets-, Stadt- und Dorfplanung rekrutierte, übernommen. Es arbeitete auch in der Altenzeller Straße, wohingegen die verbleibenden Stadtplaner nun das neugeschaffene Büro des Be­zirksarchitekten (damals Peter Sniegon) bildeten. Die letzten Monate vor seinem Eintritt in die Altersrente im Mai 1971 wurde Vater zum sogenannten Bezirksenergiestab delegiert, trat aber dann Mitte August endgültig aus dem Beschäftigtenverhältnis. Bis zu seinem Tode am 6. August 1978 – er verstarb im Radebeuler Krankenhaus an den Folgen einer Operation – hatte er dann noch eine Fülle kleinerer Projekte, zumeist Um- und Ausbauten in Radebeul, gefertigt.
In seiner näheren Umgebung, insbesondere für die Belange der Schule Oberlößnitz hat sich Vater immer sehr engagiert eingesetzt. Für die Gestaltung des Festumzugs „600 Jahre Radebeul“ im Jahre 1953 hat er sich ebenso verantwortlich gefühlt wie für den anlässlich der 100-Jahr-Feier der Schule Oberlößnitz im Jahr darauf, für die er auch das langjährige Logo (mit Spitzhaus, Schulgebäude und einer Weintraube) unentgeltlich entwarf. Er war nach dem Kriege „Freund der neuen Schule“, viele Jahre Mitglied des Elternbeirates und oft Vorsitzender des Elternaktivs, da mein Bruder 1953 die Schule verließ und ich im gleichen Jahre eingeschult worden war. Maßgeblich hatte er, nachdem die sowjetischen Truppen Ende der 50er Jahre aus der Oberlößnitz abgezogenen waren, die Um­planung des Grundstücks der Villa Wach im Augustusweg als Schulerweiterung zusätzlich zum Altstandort geleistet und den Umbau mehrerer Gebäude, nebenbei zu seinen Dresdner Aufgaben, bis etwa 1961 geleitet. Sein größtes „Einfamilienhaus mit Privatlabor im Keller“, das er in jener Zeit privat – also neben seinen Dresdner Aufgaben im volkseignen Betrieb – entwarf, ist wohl das Wohngebäude im Augustusweg für den Kaufmann und Chemiker Gerhard Meyer, den Gründer und damaligen Direktor von Myraplast in der Gartenstraße, der dann aber irgendwann den Osten verließ.
1959 war Vater Mitglied der Auftragskommission des Kreises Dresden-Land geworden, 1960/61 Vorsitzender des Bauaktivs, dessen Mitglied er wohl schon seit 1955 war. Seit September 1961 war er (für den Kulturbund, in dem er schon viele Jahre in der Arbeitsgruppe Denkmalpflege und Stadtgeschichte mitgearbeitet hatte) Stadtverordneter, ich denke für eine Legislaturperiode und in diesem Zu­sammenhang Mitglied der Ständigen Kommission Bauwesen. 1962 wurde er zudem ehrenamtlicher „Denkmalpfleger“ für Radebeul. (Schluss)

Lutz Patitz

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