Vereinfachte Vorschriften oder »Säge frei«?

Das geplante Naturschutz-Änderungsgesetz und der Baumschutz in Radebeul

Noch ist es nicht soweit. Der Gesetzesentwurf der Staatregierung (CDU/FDP) wird derzeit noch im Landtag beraten. Aber auf Grund der Mehrheitsverhältnisse werden die Oppositionsfraktionen wohl kaum etwas dagegen ausrichten können. Schon im November könnte die Gesetzesänderung in Kraft treten, und die wird auch Auswirkungen auf die Gartenstadt Radebeul haben. Schließlich gibt es hier etwa 200.000 Bäume auf privaten Grundstücken und noch einmal etwa 13.000 Straßenbäume auf öffentlichem Gelände, da ist der Wald noch nicht mitgerechnet.

Vorgesehen ist, die sehr unterschiedlichen Vorgaben der bisherigen Kommunalen Baumschutzsatzungen sachsenweit aufzuheben und zu vereinheitlichen. In Zukunft sollen Obstbäume, Nadelgehölze, Pappeln, Birken, Weiden und abgestorbene Bäume auf bebauten Grundstücken nicht mehr geschützt sein und »sonstige Bäume« (wie Buchen, Eichen, Linden) auf bebauten Grundstücken mit einem Stammumfang bis zu einem Meter – gemessen in einer Stammhöhe von einem Meter – zum Abholzen freigegeben werden. Nur dicke, alte Bäume über einem Meter Umfang wären dann noch geschützt und dürften nur mit Genehmigung der jeweiligen Behörde gefällt werden. Nun streiten sich seit Monaten die Geister, ob das gut oder schlecht und wie überhaupt das Gesetz zu beurteilen ist.

Tino Günther, Landtagsabgeordneter der FDP, findet: »Die Vereinfachung der Fällgenehmigung ist ein weiterer Schritt der Entbürokratisierung.« Schließlich sei das schon Ziel seit der Einführung des Paragrafen-Prangers gewesen, dass nicht jeder Schritt und Schnitt von Privatpersonen gesetzlich geregelt ist. »Wir geben allen Grundstücksbesitzern und Kleingärtnern damit wieder mehr Freiheiten, über die Gestaltung ihrer Immobilie selbst zu entscheiden.«

Die CDU klingt nicht ganz so überzeugt. Andreas Heinz vom Arbeitskreis Ländlicher Raum, Umwelt und Landwirtschaft meint: »Der vorliegende Gesetzesentwurf ist ein guter Kompromiss. Sowohl die Forderungen der Bürger als auch der Kommunen konnten berücksichtigt werden.«

Die stärkste Oppositionsfraktion im Landtag, die LINKE, beurteilt den Gesetzesvorstoß als »verschlimmbesserte« Aufweichung der kommunalen Baumschutzsatzungen. »Das ist nicht die versprochene Baum-ab-Light-Version, sondern der Wegfall aller Schranken durch die Öffnung für sämtliche mit Gebäuden bebauten Grundstücke.« Daran ändere auch die »Sägegrenze« bei einem Meter Stammumfang nichts.

Wie zu erwarten, sind auch die GRÜNEN gegen die erleichterte Abholzung. Deren Abgeordneter Johannes Lichdi erwartet »fatale Folgen für Mensch und Umwelt«. Die Koalition versuche »schützenswerte Baumarten zu definieren« und der Entwurf enthalte »viele fachliche Ungereimtheiten«. Diese in einer erneuten Anhörung zu klären, hatte die Koalition abgelehnt. Teils verstoße das geplante Gesetz auch gegen den Arten- und Biotopschutz auf Bundesebene.

Abgesehen von den biologischen und juristischen Auswirkungen, hat die SPD auch die Finanzen im Blick: »Nach unserer Auffassung greift der neue Entwurf nicht nur in die Selbstverwaltung der Kommunen ein, sondern auch in ihre Finanzhoheit«. Auch dazu hätten die Kommunen angehört werden müssen.

In der Radebeuler Stadtverwaltung ist das zum Hoch- und Tiefbauamt gehörende Sachgebiet »Straßen und Stadtgrün« für den Baumschutz zuständig. Grundsätzlich sehen die beiden Mitarbeiterinnen, mit denen ich sprach, in dem überdurchschnittlich hohen Baumbestand Radebeuls »ein wertvolles Gut für das Klima, den Erlebniswert und die Attraktivität« unserer Stadt. Das neue Gesetz sehen sie nicht so pessimistisch.

»Bäume pflanzen und pflegen hat hier Tradition«, sagt Margit Schnitzer, die als Sachbearbeiterin tagtäglich mit Bäumen in der Stadt zu tun hat, »da werden Grundstücksbesitzer sich doch nicht selbst ihren Garten kahlschlagen!« Im Gegenteil, gerade in den letzten Jahren habe es Beispiele für private, vor allem Obst-Baumpflanzungen gegeben. Daraus schließt sie »ein gestiegenes Umwelt- bzw. Öko-Bewusstsein der Radebeuler Bürger.«

Auch Sachgebietsleiterin Marion Hartung setzt auf die Vernunft der Grundstücksbesitzer. Seit der DDR-Zeit und immer noch – zumindest in Radebeul – sind Bäume ab 30 cm Stammumfang geschützt, erklärt Frau Schnitzer. In anderen Orten (z.B. Görlitz) und im Westen der Republik sind Laubbäume erst ab 60 cm Umfang geschützt oder anders gesagt, bis zu dieser Grenze zum Fällen freigegeben.

Im Entwurf der Koalition sind zwar einige Baumarten aufgelistet, aber etliche fehlen auch. Sollten etwa Walnussbäume und Esskastanien so behandelt werden wie Obstbäume, da es sich auch um essbare Früchte handelt? Unklar ist auch, wie »bebaute Grundstücke« zu definieren sind. Wenn es nach dem sächsischen Baurecht geht, zählen auch Lauben dazu. Dann wären die Bäume auf den vielen privaten Grundstücken mit Gartenlauben auch in Gefahr. (Kleingärten rechnen extra, und Streuobstwiesen sind als Biotope geschützt.)

Pro und contra birgt das neue Verfahren auch in der Durchführung. Waren bisher die Genehmigungen gebührenpflichtig, so sollen sie in Zukunft kostenlos sein. Und Eile ist geboten in der Verwaltung. Denn wenn die zuständige Behörde einen Fällantrag nicht innerhalb von drei Wochen ablehnt, gilt die Genehmigung automatisch als erteilt – so sieht es der Entwurf vor. Das bedeutet aber auch für die Mitarbeiter in den Behörden: Hingehen, anschauen, prüfen und Stellungnahme abgeben. Wenn zukünftig alle erwähnten Bäume unter einem Meter Stammumfang nicht dazu zählen, weil sie für die Säge freigegeben sind, fällt diese Arbeit schon mal weg. Deshalb erwarten Ämter wie Grundstücksbesitzer eine bürokratische Erleichterung.

Die Stadtverwaltung rechnet damit, dass das Gesetz Ende dieses Jahres in Kraft tritt. Dann müssen die Radebeuler Stadträte der Satzungsänderung noch zustimmen. Tun sie das nicht, gibt es für die Bäume gar keinen Schutz mehr! (Fortsetzung folgt.)

Karin Funke

[V&R 8/2010, S. 19-21]

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