Ein Wagnerianer in Radebeul

Am 22.5.2013 jährt sich der Geburtstag Richard Wagners zum 200. Mal. Dieses Jubiläum nehme ich zum Anlass, um über unseren Urgroßvater zu berichten.

Als Wagnerianer – begeisterter Anhänger der Musik Richard Wagners – hat er sich selbst immer wieder bezeichnet: Charles Garke, der sich vor genau 100 Jahren eine Villa in Radebeul, damals noch Niederlößnitz, kaufte, die bis heute im Familienbesitz ist.

Charles Garke

Charles Garke


Charles Garke, 1860 in den USA als Sohn eines deutschen Zahnarztes geboren, kam schon im Kindesalter nach Deutschland zurück. Im Städtchen Blankenburg/Harz verbrachte er seine Jugend. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er:

„Als ich zu meinem Kantor Fischer in die Klavierstunde kam und diesen nicht antraf, entdeckte ich auf dem Flügel ein Buch mit Golddruck-Bezeichnung „Lohengrin, von Richard Wagner“.
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Da ich schon viel Schlechtes über seine so genannte Zukunftsmusik gehört hatte, stellte ich das Buch aufs Pult und begann, das Vorspiel vom Blatt zu spielen. Ich war begeistert von dieser Musik und wurde erst vom Eintritt des Kantors aus meiner Ergriffenheit gerissen. „Was spielst Du denn da für Zeug, mein Sohn,“ fauchte er mich an, „stecke Deine Nase in Clementi und Haydn und lass die Zukunftsmusik beiseite.“

Aber er lieh mir den Klavierauszug und zu Hause paukte ich auf dem Flügel den Lohengrin von vorne und hinten, so daß mein Vater schimpfte. Er war auch voreingenommen gegen Wagner und erkannte erst später durch mich die Schönheit dieser Musik.“

Die Enkelin von Charles Garke, Edith Rössner, soll im Dezember 1931 in einem Zeitungsbeitrag diese Episode geschildert haben, die im Kötzschenbrodaer General-Anzeiger veröffentlich wurde.

Charles Garke wurde Offizier in der sächsischen Armee und brachte es zum General-Leutnant. Die Musik, insbesondere die von Richard Wagner, hat ihn sein Leben lang begleitet.

Leider ist es ihm versagt geblieben, Wagner persönlich am Pult zu erleben. Ein Konzert in Braunschweig, das Wagner dirigieren sollte und für das Charles als Schüler Karten bekommen hatte, endete in einer großen Enttäuschung: Minuten vor Konzertbeginn wurde bekannt gemacht, dass Wagner leider verhindert sei und stattdessen ein Konzertmeister dirigieren würde.

1913 erwarb Charles Garke die Villa in der Niederlößnitz, Kaiserstr. 6. Nach dem ersten Weltkrieg, der große Trauer in die Familie gebracht hatte – der einzige Sohn war schon kurz nach Kriegsbeginn gefallen – nahm er seinen Abschied und widmete sich ganz der Musik. Er nahm Gesangstunden bei Professor Iffert und studierte Harmonie- und Kompositionslehre bei Professor Schreyer in Dresden.
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Zwischen 1923 und 1933 organisierte er jedes Jahr 4-5 Konzerte in der Region. Er rief die Reihe der so genannten „Kleinrentner-Konzerte“ ins Leben. Sein Bestreben war es, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nach der Inflation 1923 Musikgenuss in guter Qualität zu niedrigen Preisen zu ermöglichen.

Beim Durchsehen der Konzertprogramme wird immer wieder deutlich: Wagners Musik gehörte seine ganze Liebe. Die Aufführungsorte zogen sich durch die ganze Region: Dresden, Großenhain, Niederlößnitz und andere. Es gab Konzerte im Luthersaal der Friedenskirche, in der „Goldenen Weintraube“ und im „Heiteren Blick“.
In seinem Nachlass befinden sich etliche Konzertprogramme und die zugehörigen Rezensionen der örtlichen Presse. Auch eigene Kompositionen sind erhalten. Seine Lebenserinnerungen machen deutlich:

Er war ein wahrer Wagnerianer

Silke Engelke

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