Interview mit Karen Koschnick und Dieter Beirich

Zur Ausstellung „Begegnung“ in der Radebeuler Stadtgalerie

Karen, Dieter, fangen wir mit einer provokanten Frage an. Was veranlasst einen 79-jährigen und eine 34-jährige gemeinsam auszustellen?

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Dieter Beirich und Karen Koschnick, zwei Maler

Karen Koschnick: Die Idee kam von der Radebeuler Galerie. Per Mail wurde angefragt, ob ich mir vorstellen könnte, gemeinsam mit Dieter Beirich auszustellen. Das fand ich ganz spannend, denn ich war ja acht Jahre lang in seinem Mal- und Zeichenzirkel.
Dieter Beirich: Wir waren mal Nachbarn in Radebeul-Ost. Dort konnte ich manchmal ein kleines Schulmädchen die Gellertstraße herunterlaufen sehen, wenn ich auf unserer Terrasse saß. Später kam dieses Mädchen auf Empfehlung ihrer Kunsterzieherin zu mir in den Zirkel. Das Erstaunliche war, dass sie sofort von sich aus anfing zu zeichnen. Als der Vorschlag kam, gemeinsam mit ihr auszustellen, war ich sofort dafür. Ich war gespannt, wie das zusammengeht, ein Alter mit einer Jungen. Einen künstlerischen Gegensatz gibt es nicht, wenn es um Grundsätzliches geht.

Wie ist das nach 16 Jahren wieder zusammenzutreffen?

Karen Koschnick: Es hat sich nichts verändert. So ganz haben wir uns ja auch nie aus den Augen verloren. Besonders wichtig war mir, dass man noch mal eine gemeinsame Zeit hat, um miteinander an etwas zu arbeiten.

Mit welchen drei Worten würdet ihr beschreiben, was euch als Künstler wichtig ist?

Karen Koschnick: Farbe – Form – Raum
Dieter Beirich: Malen – Malen – Malen

Beim flüchtigen Blick auf die Ausstellung könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Natur ein verbindendes Element zwischen euch Beiden ist. Deine Berg- und Waldbilder, Dieter, drücken Naturstimmungen mit einem hohen Grad der Abstraktion aus.

Dieter Beirich: Was ich ausdrücken will, sind eher innere Stimmungen, die bis in die Kindheit zurückgehen. Entscheidend ist, was ich über die Natur denke und fühle. Die Darstellung des Raumes ist keine Frage der Darstellung von Perspektive, sondern immer der Versuch gefühlsmäßige, persönliche und philosophische Sichten auszudrücken. Ich weiß vorher nicht wie ein Bild aussehen wird. Im Vorfeld entstehen viele kleine Skizzen. Die Skizzen ahnen voraus, was ich später machen werde. Der alte Maler Fraaß sagte immer: Werft nicht alle Skizzen weg, nur weil sie euch nicht gefallen!

Deine Bilder, Karen, haben einen relativ strengen Aufbau. Verspürst du in deinem Schaffen eine gewisse Affinität zur Architektur?

Karen Koschnick: Ja, ich baue meine Bilder. Aber Stimmungen sind für mich der Ausgangspunkt und damit auch sehr wichtig. Viele der Arbeiten entstehen vor Ort. Ich warte mitunter längere Zeit, bis sich eine bestimmte Stimmung einstellt. 2007 bin ich jeden Morgen immer zur selben Zeit an eine bestimmte Stelle gegangen. Das Landschaftsbild „Orange“ ist so eine Stimmung, die ich 2013 in Korea am Meer erlebt habe. Dabei kommt mir die Siebdrucktechnik sehr entgegen. Ich kann sowohl ganz feine Linien zeichnen als auch intensive Farbakzente setzen.

 

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Karen Koschnick: »Zypressen in Griechenland«, 2014, Öl auf Leinwand

Was ist es, was euch zur Auseinandersetzung mit bestimmten Themen zwingt – oder anders gefragt, was treibt euch künstlerisch an?

Dieter Beirich: Ich war in den letzten Jahrzehnten viel in den Bergen. Auf der Höhe ist man frei. Es gibt Dinge, die sind religiös, obwohl ich nicht religiös bin. Ab 1980 hat mich der Zerfall der DDR sehr bewegt. Das Malen in der Natur war so etwas wie Flucht.
Karen Koschnick: Es geht mir darum, etwas zu begreifen, etwas mit den Händen zu tun, um über das Tun etwas zu verstehen. Es ist eine ständige Auseinandersetzung mit dem, was mich umgibt.

Wie muss man sich eigentlich den künstlerischen Schaffensprozess vorstellen? Früher haftete dem häufig ein romantisch verklärter Mythos an.

Dieter Beirich: Diese Frage möchte ich mit einem tibetischen Spruch beantworten, der auch auf unserer Einladungskarte steht: „Der Weg ist das Salz deiner Reise – nicht das Ziel.“ Zu DDR-Zeiten war das Ziel wichtiger als der Weg. Da gab es diese Losung von Lenin „Die Kunst gehört dem Volke“. Ich erschrecke manchmal vor meinen eigenen Arbeiten aus dieser Zeit. Zum Beispiel dachte ich bei einem Bild, auf dem ein Wismutkumpel dargestellt war, ziemlich empört, dass hat doch jemand übermalt, dann habe ich es mit einem alten Foto verglichen und tatsächlich, es war von mir.
Karen Koschnick: Meine Generation denkt sehr pragmatisch. Zur Wende war ich zehn Jahre alt. Alles veränderte sich, viele Menschen haben sich innerhalb kürzester Zeit um 180 Grad gedreht, die Eltern waren mit sich beschäftigt, die Mitschüler fehlten plötzlich samstags in der Schule, alles begann sich aufzulösen. Meine Generation hat keine starren Ideale, keine gesellschaftlichen Visionen. Jeder kämpft für sich. Möglichkeiten bzw. Chancen, die sich bieten werden genutzt.

Wenn man deine Vita anschaut, Karen, hat man den Eindruck, du bist permanent in Ausbildung.

Karen Koschnick: Ich wollte nie nur bei einer Person studieren. Nach Dieter Beirich gehörten an der Dresdner Kunsthochschule Günther Hornig, Siegfried Klotz, Elke Hopfe, Wolfram Hänsch und Hans Peter Adamski zu meinen Lehrern. Zwischendurch war ich Gaststudentin an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee bei Manfred Zoller und Hanns Schimansky. Nach dem Diplom machte ich ein Begleitstudium zu Regionalwissenschaften Lateinamerikas, studierte zwei Semester Biologie, war zum Studienaufenthalt in den USA und an der Staatsoper Hamburg Bühnen- und Regieassistentin. Als ich nach vier Jahren wieder an die Dresdner Hochschule zum Meisterstudium bei Elke Hopfe zurückkehrte, war alles ganz anders, die „Malschweine“ waren plötzlich weg. Schade eigentlich, dass gehörte doch zur Tradition dieser Schule. Was meine Ausbildung anbelangt, habe ich in diesem Jahr mit einem Promotionsstudium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg begonnen.

Dieter, bei dir hat man den Eindruck dass du in das Innere eindringen willst und davon wiederum nur das Wesentliche wiedergibst. Dazu braucht es den Blick nach außen nicht. Ist dir der Austausch dennoch wichtig?

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Dieter Beirich: »Weisser Abendberg«, 2012, Mischtechnik

Dieter Beirich: Sonst würde ich nicht mit Freude diese Ausstellung mit Karen Koschnick machen. In letzter Zeit habe ich u.a. gemeinsam mit Sophie Cau und Peter Graf ausgestellt. Kunstreisen sind auch sehr anregend, liefern Malerinformationen. Originale von Rembrandt, Goya oder Cezannes zu sehen, das ist mir wichtig.

Karen, du stellst u.a. in Strasbourg, Ohio und Hamburg aus. Ist die Ausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie als Abstieg in die Drittklassigkeit zu verstehen?

Karen Koschnick: Jede Ausstellung hat ihren Wert für sich. Seit 2006 beteilige ich mich an den Gemeinschaftsausstellungen der Stadtgalerie. Die Verbundenheit mit Radebeul ist mir wichtig. Hier bin ich aufgewachsen und hier habe ich eine Siebdruckwerkstatt. Die Lößnitz ist eine natursatte Gegend und für Maler sehr anregend. Mein Malatelier befindet sich in Berlin. Diese Stadt ist ein wenig chaotisch und hat wiederum einen ganz anderen Reiz. Es gibt mir größere gesellschaftliche Freiheiten. Angenehm finde ich auch, dass es vielen Berlinern wirtschaftlich zwar nicht so besonders gut geht, aber sie kaum jammern.
Dieter Beirich: Die Radebeuler Galerie ist nicht drittklassig. Wir Künstler haben damals sehr darum gekämpft, dass es diese Galerie überhaupt gibt und ich bin glücklich darüber, dass sie immer noch existiert.

Karen, das Thema „Tod“ hat dich viele Jahre beschäftigt, insbesondere die Gräberarchitektur. Ein großes Gemälde ist in der Ausstellung zu sehen.

Karen Koschnick: Dass ich Friedhofsbilder male, ist dem Umstand geschuldet, dass ich einen Ort gesucht habe, an dem ich ungestört im Freien arbeiten kann. Der jüdische Friedhof in Berlin war damals noch sehr still und verwunschen. Er wirkte auf mich wie eine Stadt mit Straßen und Häusern. Was zunächst ganz pragmatische Gründe hatte, wurde später zu einer intensiven Auseinandersetzung. Mit meiner Doktorarbeit „Totenstätte und Städteleben“ greife ich diese Thematik noch einmal auf und vertiefe sie. Da die Entwicklung von Stadt und Friedhof Parallelen aufweist. Wir kopieren unser Weltbild und projizieren es aufs Totenreich. In Deutschland wird mir häufig die Frage gestellt, wie können sie sich als junge Frau mit Friedhöfen beschäftigen? In Amerika hat das niemand gefragt. Obwohl es sich dabei doch um ein klassisches, immer gültiges Thema handelt. Aber als Künstler ist man sich schon im Klaren, dass man nur einen kleinen Kreis anspricht.
2013 habe ich ein Friedhofsbild an eine Sammlerin verkauft. Es hängt in ihrem Wohnzimmer und ich hatte den Eindruck, dass sich die Besitzerin sehr stark damit identifiziert.

Dieter, es fällt auf, dass du häufig mit der Farbe schwarz arbeitest. In der Ausstellung gibt es sogar ein komplett schwarzes Bild. Steckt dahinter eine bestimmte Absicht?

Dieter Beirich: Es gab eine Zeit, da wurden meine Bilder immer dunkler. Man fragte mich: Warum malst du so dunkle Bilder, der Sozialismus ist doch nicht so?! Ich sagte darauf, dass es mein innerer Zustand ist. Der Zerfall einer scheinbar idealen Gesellschaft fand auch in mir statt. Aber auch die Erinnerungen an die Kindheit verbinden sich für mich mit Dunkelheit aus der einzelne Gegenstände wie Symbole farbig aufleuchten. Die Installation mit dem Rinderschädel, der von zwei quadratischen Bildern flankiert wird, habe ich „Langenhennersdorfer Stilleben oder das karge Jahr 46“ genannt. Und dann ist da noch jenes schwarze Bild, welches ich in dieser Ausstellung hängt. Es entstand 2007 in Erinnerung an eine Irlandreise. Dort hatte ich die Burren (Irischer Nationalpark) gesehen als gerade die Sonne schien und die zerklüftete Steinlandschaft wirkte schwarz. Das Bild mit dem reliefartigen Farbauftrag drückt Schwermut aus, was mit dem Wissen um die irische Geschichte zusammenhängt. Die goldfarbene Fassung soll die Kostbarkeit unterstreichen.

Wie haltet ihr euch als Berufskünstler über Wasser?

Dieter Beirich: Zu DDR-Zeiten hatte ich das Bedürfnis sowohl als Künstler als auch als Pädagoge zu arbeiten, was sich natürlich nicht immer miteinander vereinbaren ließ. Künstlerisch frei und unbeschwert arbeiten kann ich erst, seitdem ich Rentner bin. Ich male nicht, um zu verkaufen!
Karen Koschnick: Um das notwendige Geld für meinen Lebensunterhalt zu verdienen, arbeite ich auf Messen und in der Gastronomie. Ich bin zuversichtlich, dass sich immer wieder etwas ergibt, dass es immer irgendwie weitergeht. Aber viele Künstler verlieren sich auch im Geldverdienen und es fehlt dann an der notwendigen Energie für die künstlerische Arbeit. Im Vergleich mit Gleichaltrigen, die in Festanstellungen Karriere machen, fühlt man sich als freischaffender Künstler sozial manchmal schon ziemlich ausgeschlossen.

Was sind eure aktuellen Pläne?

Karen Koschnick: Ab 20. Mai bin ich für zwei Monate in Gangneung in Korea. Ich hatte mich dort um ein Privatstipendium beworben. Für einen Skulpturenpark werde ich zum Thema „Die Berge im Meer und das Meer in den Bergen“ Objekte gestalten. Erste Tests wurden bereits gestartet.
Dieter Beirich: Malen! Malen! Malen!

Welche Voraussetzungen sind notwendig, damit sich Künstler in einer Stadt ansiedeln?

Dieter Beirich: Die Vertreter aus Politik und Verwaltung als auch unsere Mitmenschen sollten sich aufgeschlossen dafür interessieren, was in den Bereichen Kunst und Kultur passiert.
Karen Koschnick: Junge Künstler gehen dorthin, wo es Möglichkeiten zur künstlerischen Betätigung und zum Austausch gibt. Dafür muss es erschwingliche Atelier-, Werkstatt-, Wohn- und Ausstellungsräume geben. Vor allem unsanierte Räume, die gerade für Künstler von großem Reiz sind, werden knapp. Stadtplaner sollten Mut zur Brache zeigen und für kommende Generationen Gestaltungsspielräume offen lassen.

Das Interview führten Karin (Gerhardt) Baum und Karl Uwe Baum.

Die Ausstellung wird bis zum 29. Juni 2014 gezeigt. Die Eröffnungsrede der Meißner Künstlerin Else Gold liegt in der Galerie aus. Ein Galeriegespräch mit Dieter Beirich findet am 13. Juni um 19.30 Uhr statt.

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