Ein Baum für die Freiheit

Der Weichenheizungsmonteur Adolf Jeske geht an jenem November-Montag im Jahr 1989 wie gewohnt seiner Arbeit nach. Sein Weichenkontrollweg führt ihn entlang der Schienen vom alten Coswiger Bahnhof in Richtung Radebeul. Seine Gedanken schweifen jedoch dauernd wieder ab zu den unglaublichen Ereignissen des Wochenendes. Er kann immer noch nicht glauben, was er am Abend des 9. November mit eigenen Ohren hörte. Die Worte des SED-Politbüromitglieds Schabowski kreisen in seinem Kopf: „… ohne Vorliegen von Gründen … DDR-Bürger dürfen über Grenzübergangspunkte ausreisen … das gilt ab sofort, unverzüglich …“
Bedeutet das jetzt wirklich Freiheit, Freiheit zu reisen wohin man möchte? Für Jeske hat Freiheit eine besondere Dimension. 1957, mit 17 Jahren, wurde er von der Staatssicherheit der DDR wegen politischer Straftaten, die er nie begangen hatte, für drei Jahre inhaftiert.
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Plötzlich erregt ein unscheinbares grünes Pflänzchen, das sich im Gleisschotter behauptete, seine Aufmerksamkeit. Beim genaueren Betrachten sieht er, dass es ein winziger Sämling einer Eiche ist. Spontan kommt ihm der Gedanke, diesem zarten Pflänzchen eine Chance zum Überleben zu geben. Es ist wie ein Zeichen. So nimmt er die kleine Eiche mit und pflanzt sie vor das Wasserhaus des alten Bahnhofs, seinem Arbeitsplatz. Sie soll ihn stets an den denkwürdigen Tag der Maueröffnung erinnern. Jeske pflegt und hegt das kleine Bäumchen, das prächtig gedeiht. Auch nach 1992, als er eine Arbeitsstelle bei der Bahn in Dresden bekommt, kümmert er sich weiter um seinen Schützling. Damit nicht nur er um die Bewandtnis mit diesem Baum weiß, entschließt er sich im Jahr 2000 ein Schild mit einer Erklärung an den Stamm der Eiche anzubringen.
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Dem Dresdner Adolf Jeske ist es also zu danken, dass es neben den beiden Linden in Sörnewitz und Brockwitz, die zu Luthers Andenken gepflanzt wurden, und der Eiche auf dem Wettinplatz, die 1889 zu Ehren des Königshauses Wettin gepflanzt wurde, in Coswig auch einen Baum zur Erinnerung an den Mauerfall 1989 gibt.
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Bei ihrem prächtigen Blätterdach und dem Stammumfang von über einem Meter kann man kaum glauben, dass die Eiche erst 25 Jahre alt ist. Wenn sie ein Symbol für den Neubeginn 1989 darstellt, sollte uns um die Zukunft unseres Landes nicht bange sein – stetes Bemühen um sein Gedeihen vorausgesetzt!

Petra Hamann

Herzlichen Dank an Herrn Adolf Jeske, der mir seine Geschichte erzählte.

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