Was verbirgt sich hinter dem Meer… ?

Ausstellung "Lumiere - Licht" von Sophie Cau in der Stadtgalerie Radebeul, 2015

Foto: J. Oelker

 

Eine Ausstellung mit Malerei, Grafiken, Collagen und Objekten von Sophie Cau in der Stadtgalerie Radebeul

Transparentes Blau in reichen Nuancierungen durchflutet die frisch renovierte Stadtgalerie.  „Lumière – Licht“ nannte Sophie Cau ihre Ausstellung, mit der sie vor allem auf das Licht des Meeres anspielt. Doch Meer ist nicht gleich Meer. Und zwischen Atlantik, Mittelmeer und Pazifik liegen große Unterschiede, so wie eben Blau auch nicht gleich Blau ist.

Auf die Frage, warum sie sich als Künstlerin nun gerade in Radebeul mit dieser Thematik auseinander setzt, meinte sie, dass es die große Distanz sei, die ihre Sehnsucht weckt. Denn Sophie Cau wurde 1962 in der südfranzösischen Stadt Orange geboren und ist aufgewachsen am Meer, genauer gesagt in Royan an der Atlantikküste. In Bordeaux studierte sie zunächst Architektur, wechselte später an die „École Émile Cohl“ in Lyon, wo sie 1988 das Diplom für Illustration und Neue Medien erwarb. Danach war sie zum Broterwerb als Restauratorin, Grafikerin und Illustratorin tätig.

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Sophie Cau am Tag der Ausstellungseröffnung                 Foto:K. (Gerhardt) Baum

Im Jahr 1992 zog sie mit ihrem Mann ins beschauliche Radebeul. Es folgte von 1994 bis 1996 ein zweijähriger Aufenthalt in Kalifornien, wo sie auch ihr erstes Kind gebar. Direkt von San Francisco aus verschlug es sie 1997 schließlich wieder mit der Familie nach Radebeul ins ländlich abgelegene Lindenau. Einen größeren Kontrast kann man sich kaum vorstellen. So nach und nach wurde sie jedoch in Radebeul heimisch. Der Künstlerkollegin Constanze Schüttoff ist es zu verdanken, dass ein Kontakt zur Stadtgalerie geknüpft wurde. Sie selbst wäre von sich aus wohl niemals auf die Galerie zugegangen. Die Zusammenarbeit begann im Jahr 2008 mit der Gemeinschaftsausstellung „Radebeuler Künstler-Heute“. Seit dieser Zeit beteiligte sich Sophie Cau an weiteren Gemeinschaftsprojekten der Galerie, nicht zuletzt auch deshalb, weil ihr der fachliche und menschliche Austausch sehr wichtig ist.

Zum künstlerischen Durchbruch kam es im Jahr 2010 mit der ersten großen Personalausstellung im Französischen Kulturzentrum Dresden. Freunde hatten Sophie Cau ermutigt, ihre Arbeiten endlich auch einmal in der Öffentlichkeit zu zeigen. Vorausgegangen sind viele Jahre des stillen Experimentierens, in denen ihre Kunst ohne äußeren Druck reifen konnte, allein einer inneren Notwendigkeit folgend. Von der gegenständlichen bis zur freien Malerei war es ein weiter Weg, an dessen Anfang wohl das Sammeln und am Ende das Weglassen steht.

Sophie Cau reagiert auf ihr Umfeld sehr sensibel. Eindrücke werden in Form von Texten, Fotografien oder Skizzen gespeichert und tauchen als Fragmente in ihren collageartigen Bildern wieder auf. Der besondere Reiz der gegenwärtigen Ausstellung liegt in ihrer Musikalität, liegt im Rhythmus von kleinen und großen Formaten, von Verdichtung und Weite, von Konzentration und Entspannung. Angesprochen werden dabei alle Sinne.

„Vormittage, die singen“ heißt eine dreiteilige Objekt-Serie. Erinnerungsfetzen, gemalt mit Acrylfarbe auf Papier, sind all-ansichtig gefangen in kleinen Würfeln aus Glas. Die Poesie des Alltags lässt sich in vielen Werken von Sophie Cau entdecken. Vor allem die unbeschwerte Stimmung am Morgen genießt sie immer wieder aufs Neue. Sie schenkt ihr die Energie für den Rest des Tages. Denn die schweren Wolken kommen dann von ganz allein.

Das Erwachen des Tages spürt Sophie Cau besonders intensiv, wenn sie von Altkötzschenbroda aus, wo sie seit einiger Zeit wohnt, mit dem Fahrrad an der Elbe entlang in ihr Atelier fährt. Der Abstand zwischen Wohnung und Atelier ist der Künstlerin sehr wichtig und ermöglicht das konzentrierte Arbeiten, manchmal bis weit nach Mitternacht. Große Fenster lassen die Arbeitsräume hell und freundlich wirken. Der Blick schweift über Schienenstränge bis hin zu den Weinbergen. Das Atelier befindet sich in Radebeul-Ost auf der Gartenstraße in einer ehemaligen Schuhfabrik. Der weitläufige Gebäudekomplex beherbergt auch die Ateliers von anderen Künstlern wie Matthias Kistmacher, Dieter Beirich, Karen und Peter Graf, welche ebenfalls in der Radebeuler Stadtgalerie mit Personalausstellungen zu sehen waren.

Obwohl Sophie Cau von Natur aus ein zurückhaltender Mensch ist, kann sie auch sehr energisch und leidenschaftlich auftreten, wenn es um Kunst und Künstler geht. Beeindruckend war zum Beispiel, wie sie sich im Radebeuler Bildungs-, Kultur- und Sozialausschuss für den Aktionskünstler Reinhard Zabka und den Erhalt seines Lügenmuseums im Gasthof Serkowitz einsetzte und versuchte, unseren Stadträten den künstlerischen Wert von Installationen, Licht- und Klanginszenierungen zu erklären. So wie sie um Verständnis für die Kunst wirbt, bemüht sie sich auch seit vielen Jahren um einen lebendigen Austausch zwischen Franzosen und Deutschen. Diesbezügliche ausstellungsbegleitende Veranstaltungen führten bisher zu einem überwältigenden Besucheransturm.

Sophie Cau ist für die Radebeuler Kunstszene eine Bereicherung. Und es scheint so, als würde mit ihr eine frische Brise durch das enge Elbtal wehen. Zurück bleibt auf der Zunge ein leichter Salzgeschmack. Man spürt das Andersartige und fühlt sich angezogen von funkelnden Augen und einem magischen Blau, worin die Aufforderung liegt: Komm doch näher und lerne mich kennen!

Zugegeben, ein wenig fremd wirkt in der Lößnitz die Farbe Blau letztlich doch, dominieren bekanntlich und euphorisch beschrieben seit Generationen in der hiesigen Malerei satte Erdfarben. Blau lässt sich in dieser Intensität und Nuanciertheit wohl höchstens bei Paul Wilhelms Ritterspornen oder Karl Kröners Himmeln finden. Aber es könnte auch sein, dass ich mich irre und wir haben uns nur noch nie auf die Suche nach dem Radebeuler Blau begeben. Sophie Cau meinte hierzu lachend: Vielleicht müsste ich mal wieder eine Weile am Meer leben, dann hätte ich die nötige Distanz und male alle meine Bilder in Erdfarben. Mit den Sehnsuchtsorten ist das eben so eine Sache.

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“Licht” Aquarell auf Tusche und Papier 2014                                                             Foto: J. Oelker

Für Generationen, die im Elbtal aufgewachsen sind, war die Elbe ein Ort zum Träumen. Dahin, wo die Elbe fliest, würde man wohl niemals gelangen.
Auch eine Ausstellung wie diese, mit einer Künstlerin aus Frankreich, wäre wohl zu DDR-Zeiten in der Stadtgalerie kaum möglich gewesen und man fragt sich nach einem viertel Jahrhundert ein wenig irritiert – wo lag das Problem? Wovor hatte man eigentlich Angst im Staat der Arbeiter und Bauern?

Vielleicht liegt die Antwort schon allein darin, Fragen wie die des spanisch baskischen Bildhauers und Zeichners Eduardo Chillida überhaupt zuzulassen: „Was verbirgt sich hinter dem Meer und mir, der es anschaut?“

Die Ausstellung „Lumière – Licht“ ist bis zum 3. Mai zu sehen, jeweils DI, MI, DO, SO von 14 bis 18 Uhr.  Am letzten Ausstellungstag findet um 16 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin eine Sonderführung statt.

Karin (Gerhardt) Baum

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