Mit Tom Tagtraum durch das Jahr 2016 – Teil 11

Du musst Träumen ihre Entstehung zulassen, denn nur so kann irgendwann ein Teil davon auch Wirklichkeit werden.

Das viertürmige Schloss zum Märchenfilm

In einem viertürmigen Schloss, das auf einer Insel inmitten eines Teichs steht und nur über eine Brücke von der Straße zu erreichen ist, findet eine Ausstellung statt. Nun, an sich ist das nichts Besonderes, denn in den meisten Schlossmuseen sind alte Möbel, Gemälde, Porzellan, Pferdekutschen und Jagdgeweihe zu bewundern. In unserem viertürmigen Schloss aber gibt es eine Ausstellung über einen Film. Es ist ein wundervoller Märchenfilm, der hier in der Gegend um das Schloss entstand. Das ist schon eine ganze Weile her, aber noch heute läuft dieser Märchenfilm vor allem in der Weihnachtszeit im Fernsehprogramm, ja sogar im Kino, begeistert immer wieder die Kinder von damals, die heute längst Eltern und Großeltern geworden sind. Und das Allerschönste ist, die nachgeborenen Generationen finden auch herzliches Gefallen an diesem Film. Wir können also ruhig annehmen, dass unser Märchenfilm damals vor allem mit viel Liebe und herzlicher Innigkeit entstand. Die Bilder des Filmes zaubern, denn die hastende Jetztzeit hält scheinbar vor ihnen inne. Tom ist, was auch sonst, unterwegs zu dem Ort, in dem das viertürmige Schloss mitten auf einer Insel in einem Fischteich steht. Und natürlich nicht irgendwie. Tom fährt in einem moosdunklen Schmalspurbahnwaggon, gezogen von einer kohlepechschwarzen kleinen Weißwolkendampfbimmeltutlokomotive. Gar nicht weit vom Startbahnhof heißen Häuser „Villa Bärenfett“ und „Villa Shatterhand“, lebte doch einst ein fantasiebegabter Schriftsteller dort unterhalb der Weinberge. Tom kniet auf dem Holzsitz, schaut aus dem Zugfenster, genießt die langsam bimmelnde Fahrt durch Gärten, Wiesen, einen Bach entlang in dunklem Grund. Und als ob das alles nicht genug ist: Bevor der Zug die kleine Stadt mit dem viertürmigen Schloss im Teich erreicht, tutet er in voller Dampffahrt mitten durch einen anderen Teich hindurch, sein Gleis führt nämlich über einen Damm mit drei Brücken. Kann es eine märchenhaftere Reise geben zu einem an sich schon märchenhaften Schloss, nun noch mit einer Ausstellung zu einem Märchenfilm dazu?
Auch der Märchenfilm begann als Traum. Oder als Idee? Was war zuerst da, die Idee oder der Traum? Gut, ein Buch gab es schon, aber die Idee zu einem Film? Der Traum, ein Film könnte aus einem Buch, aus einer Idee entstehen und Wirklichkeit werden? Ideen, Träume, die zu Gedankenfolgen werden, zu Gesprächen. Träume werden Ideen werden Gespräche, ein Anfang, ein Beginnen, ein Gestalten. Ein Werden, das ohne Glück nichts werden lässt und Glück, das nur aus Beginnen und Gestalten entstehen kann. Wie alt war wohl Tom, als er in der quietschgelben Straßenbahn fuhr und wie alt mag Tom jetzt sein, als er durch die Märchenfilmausstellung läuft, einen Moment verharrt, aus einem der Schlossfenster in die Ferne schaut und in seinem Gedankenkino Bilder dieser Zeit Revue passieren lässt?

All die bisher gelesenen Geschichten sind Episoden aus Träumen.
Träume, die ein Leben begleiten.
Ohne Träume ist jeder Mensch ärmer als der ärmste Bettler, der aber, träumen könnend, reicher als der reichste Mensch sein kann. Und ohne Träume und Märchen sollte kein Menschenkind groß werden müssen.

Das stolzweiße Ozeanschiff
Tom ist an einem Punkt seines Lebens angelangt, wo er flügge, also richtig erwachsen werden muss. Träume werden ihn bestimmt immer weiter begleiten, aber ein ganzes Leben nur als Tagträumer, als Traumtänzer…, das hieße, am Leben vorbei geträumt zu haben. Es begann eine Zeit, in der sich die Nachrichten überschlugen und die Welt sich in ihrem Inneren scheinbar mal nach da und dann wieder nach dort drehte. Zeit fließt eben, hüpft, springt, lässt sich nicht halten und ist sowieso unbegreiflich, wenn jemand daraus nichts machen kann. Und alles ändert sich ständig. Tom war fern aller Träume und genau an jenem Punkt angekommen, an dem es galt, für sich selbst Weichen zu stellen. Dunkelrote Züge fuhren jetzt überall und der Himmel war voller Flugzeuge in allen Größen und Farben. Reisebusse standen mehr denn je in Staus und viele der wundersamen Verkehrsmittel aus Toms Geschichten waren so einfach nicht mehr auffindbar. Tom musste selbst entscheiden und mit ein bisschen Glück fand er sich auf seinem Kurs ins Leben an Bord eines stolzweißen Ozeanschiffes wieder. Freilich, die Fahrt begann da erst und Klippen, Sandbänke, Untiefen, Stürme, Wellen, Strudel, Gewitter…, wer weiß das schon vornweg, wo und wann. Nur eines ist sicher: Bestimmt. Also durchstarten. Tom hat seinen Kurs festgelegt. Der lautet – geradeaus! Und zwar mit allen Träumen im Gepäck. Viel Glück auf dem Weg, Tom!

Tobias Märksch

 

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