30 Jahre Krapenberg – Ein Grund zum Feiern? (1. Teil)

30 Jahre Krapenberg – Ein Grund zum Feiern?

Vor 30 Jahren fand sich eine Hand voll Enthusiasten zusammen, um eine Karriere als Hobbywinzer zu beginnen. Die Motive waren wohl neben der Liebe zur Natur, die Aussicht auf Meißner Wein als sog. 3. Währung, mit der man in der DDR viel erreichen konnte, sei es ein schneller Termin in der Autowerkstatt oder als begehrtes Tauschobjekt für allerlei „Bückwaren“ einschließlich knapper Baumaterialien.
Hintergrund war auch, dass das damalige VEG Weinbau Radebeul den Krapenberg aufgegeben hatte und über die Winzergenossenschaft Meißen, der wir dann angehörten, Pächter für Weinbergsparzellen gesucht wurden. Die Aufgabe des Krapenberges war übrigens für viele erfahrene Winzer unverständlich, der Berg hat eine gute Lage und Erschließung. Das VEG wollte wohl in größere Flächen, wie in Weinböhla, investieren. Unssollte es recht sein.
Ich glaube, es war im Sommer, als wir das erste Mal einen Rundgang über das Gelände
machten und sich schon Wünsche über die Parzellierung herausstellten. Dann wurde es konkreter, die Parzellen entstanden, wir entschieden uns für ein Stück im oberen Teil.
Gemeinsam waren wir dann ca. 12 Hobbywinzer. Da teilweise noch schöne alte Stöcke vorhanden waren, konnte man diese erst mal in Obhut nehmen oder gleich mit der Rodung beginnen. Es wurde tief mit dem Pflug rigolt und die Fläche für die Pflanzung im Frühjahr vorbereitet. Die Reben konnten über die Weinbaugemeinschaft bestellt werden. Zur Sorten- und Unterlagenwahl wurden wir von Herrn Rühle und Oswald Häntsch beraten, der uns
im Übrigen immer ein treuer Begleiter war und uns auch im Rahmen der Schulungen der Weinbaugemeinschaft sein Fachwissen vermittelt hat.
Da in der 1980er Jahren im Elbtal ein sehr strenger Frost auftrat, welcher zum Totalausfall vieler Reben geführt hat, entschloss man sich in Berlin, wo der Meißner Wein sehr geschätzt wurde, die notwendigen Devisen zum Import von Pfropfreben aus Westdeutschland freizugeben. Für die Koordinierung der Rebenbestellung und –verteilung war meines Wissens Peter Höhne vom VEG zuständig. So erhielten auch wir dieses Pflanzmaterial. Alle Sorten und Unterlagskombinationen konnten nicht berücksichtigt werden. Wir erhielten z. B. neben Müller-Thurgau, Riesling und Scheurebe auch Schwarzriesling, der bei uns eigentlich nicht gepflanzt werden sollte. Aber da seinerzeit alle blauen Trauben in den sog. Seußlitzer Rotwein kamen, hat man das toleriert. Dieser Rotwein hat mir persönlich sehr gut geschmeckt, er war leicht und bekömmlich und noch nicht von der Nachahmung des südlichen Stiles geprägt.
In den ersten Jahren gab es für uns als Berggemeinschaft sehr viel zu tun. Der Zaun wurde in Stand gesetzt und vorher von Bäumen und Geäst befreit, Brombeerhecken mussten weichen usw. Neben den Reben wurden natürlich auch Pflanzstäbe, Drahtrahmen und Stützen benötigt. Jeder half sich so gut er konnte und mit dem, was aufzutreiben war. So standen neben Betonpfählen auch Metallrohre bzw. Walzen aus namhaften Radebeuler Betrieben, die von ihrer Standhaftigkeit wohl eher ins sog. 1000jährige Reich gepasst hätten.
Erdanker wurden selbst gefertigt oder Innenstützen bei den Betonendpfählen verwendet.
Kurz gesagt, wir waren eine fleißige, kreative Gemeinschaft. Heute sagt man Team, also hatten wir auch einen Teamleiter mit hoher sozialer Kompetenz. Dann nahm das Abenteuer seinen Lauf. Es wurde gehackt!, gedüngt, geackert, gegrubbert, gespritzt, geschnitten, gefachsimpelt, gelitten, gehofft und natürlich auch mal gefeiert. Da ich selbst im VEG im Materiallager gearbeitet habe aber von Weinbau keine Ahnung hatte, wurden natürlich die Kollegen von mir regelmäßig nach fachlichen Ratschlägen gelöchert. Als da wären z. B. Klaus Höhne, Inge Probocskai, Rainer Roßberg, Sabine Zimmer, Heike Mitzschke, Roland Schumann, Hans-Georg Uhlmann, Klaus Mehlig, Sabine Flierl, Engelhardt und viele andere. Sehr gefragt war auch Kurt Schrödel, wenn es mal einen Materialengpass gab. Erwähnen möchte ich unbedingt auch die Familie Donath. Sie bewirt-schaften in der Nähe am Zechstein ein Stück Weinberg und sind immer hilfsbereit.
In guter Erinnerung ist mir noch eine Episode mit einem der Lehmanns aus Seußlitz. Er durfte Verwandtschaft im Westen besuchen und erzählte mir, dass man dort Motorsensen zum Grashauen im Weinbau verwendet. Auf meine Frage, wie denn so etwas funktioniert, meinte er, die Pflanzen werden mit einem rotierenden Plastefaden abgeschlagen. Da bei mir der Groschen immer etwas später fällt, konnte ich mit auch mit großer Nachdenklichkeit nicht vorstellen, wie man mit einem Plastefaden Gras abschlagen kann. Bei uns wurde schwere Technik eingesetzt, z. B. die Motorwinde und der Sitzpflug, mit dem man auch die tiefe Winterfurche zog, bei der die Veredlungsstellen der Weinstöcke mit Erde als Winterschutz überdeckt wurden. Bei dem steinigen Untergrund war das nicht ungefährlich. In die Furche konnte man zweckmäßigerweise Humus für das Frühjahr einbringen. Ich habe mir dazu oft Federnabfälle von der Firma Sluka aus Coswig geholt. Standard für einen umtrie-bigen DDR Bürger war also der PKW mit „Hamsterkralle“, damit der Hänger für allerlei Beschaffungen befestigt werden konnte, z. B. auch zum Abtransport der Trauben in den allgegenwärtigen OGS (Obst, Gemüse, Speisekartoffeln) Holzkisten. War seinerzeit noch der „gekehrte Weinberg“ ohne Unterwuchs weit verbreitet, setzte sich später immer mehr die Erkenntis durch, dass eine gewisse Begrünung viele Vorteile hat. Heute sind wir über den Wandel dankbar, die ökologische Vielfalt hat im Weinberg wieder zugenommen. 1989 war es dann soweit, es gab die erste kleine Lese, die sog. Jungferntrauben, sie waren beim Müller-Thurgau prächtig anzusehen. Dafür gab es die ersehnte Lohnware zum Preis von 1,70 M?

Frank Michael

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