Ist das Kunst oder kann das weg?

Die Frage, was ist Kunst, bewegt seit Jahrhunderten die Gemüter. Freilich wird sie erst in unserer Zeit so radikal gestellt, was sicher noch auf andere Aspekte in der Entwicklung der Gesellschaft verweist. Und mit dieser Frage schwingt auch immer wieder der Vorwurf des Dilettantismus mit, wobei man heute diesem durchaus positive, befreiende Aspekte gegenüber dem Professionellen zuspricht.
Andererseits hält sich hartnäckig die allgemeine Meinung, dass Kunst eben von Können und nicht von Kunsthonig komme. Markus Lüpertz, ehemaliger Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie, pflegte darauf zu erwidern, dass es dann eben „keine Künstler, sonder Könner“ geben müsste.

Kunst kann man sicher nicht erlernen oder lehren, weder an Kunstschulen noch autodidaktisch. Sie ist einem gegeben und nicht zu verwechseln mit handwerklichem Vermögen. Erlernen kann man die Organisation dieser Prozesse. Was aber macht dann Kunst aus? Das Handwerk, wie es Schiller in der Zeit der Aufklärung forderte, ist es also nicht. Allein die naturgetreue Abbildung von Landschaften, das Zeichnen einer Person sind noch keine Kunst. Man erwirbt dadurch Anerkennung, aber keine Künstlerschaft.

Kunst definiert die Wissenschaft als etwas Kreatives, Neues, etwas Einmaliges und somit noch nie Dagewesenes. Es wird also im Idealfall mit ihr und durch sie eine andere Ebene, als die des Faktischen und Wirklichen erklommen. Mehr denken, mehr wagen, über das Erlaubte hinaus. Nicht von ungefähr galten und gelten große Künstler als Visionäre, Vorwegnehmer ihrer Zeit. So etwa wie Alfred Jarry, der 1893 den pervertierten Kleinbürger Udu literarisch zeichnete. Dieser Kleinbürger zog 22 Jahre später klingenden Spiels in den Ersten Weltkrieg. Oder etwa John Heartfields Fotomontage „Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen“ von 1932, der mit dieser Arbeit den kommenden Krieg vorhersah.

Grundsätzlich aber existiert kein feststehender Kunstbegriff. Ein Joseph Beuys hat diesen gehörig „durcheinander“ gebracht. Er griff den sich seit den 1920 Jahren entwickelten „erweiterten Kunstbegriff“ auf und setzte ihn mit der vorhandenen Kreativität eines jeden Menschen gleich. Dieses Verständnis tendiert zu der heute festzustellenden Auffassung, dass jeder den Anspruch erheben kann, zu definieren, was Kunst sei, ja, wie Kunst gemacht werden soll. Künstler ist, wer sich als solcher fühlt. Allgemeine Maßstäbe zur Kunst und zu Künstlern gehören somit längst der Vergangenheit an. Dies mag auch der Grund sein, warum die oft langatmigen
Ausstellungseröffnungen mit Reden von sogenannten Kunstexperten und musikalischen Darbietungen in den Galerien und Ausstellungstempeln immer seltener werden, warum aber auch andererseits die Betrachter immer verständnisloser vor den sogenannten Kunstwerken stehen. Der Zugang wird ihm verwehrt, weil den künstlerischen Äußerungen der allgemeinverständliche Ansatz, die Chiffre fehlt, an die der Betrachter oder Leser anknüpfen könnte. Die rein subjektive Kunstäußerung muss somit auf das subjektive Unverständnis stoßen, da der Zugang zur subjektiven Welt des Anderen verschlossen bleibt. Aus diesem Teufelskreis ist schwer zu entfliehen. Man kann sich zweifelsfrei Künstler dünken, ob dies aber auch der andere so sieht, ist nicht ausgemacht. Noch schwieriger aber wird es, wenn man Anspruch auf Öffentlichkeit einfordert. Denn auf der anderen Seite steht nicht nur der subjektive Betrachter, sondern auch der subjektive Verleger oder Galerist, der seinerseits subjektiv entscheidet, was in sein Verlagsprofil oder in seinen Kunsttempel passt.
Ein Recht darauf ausgestellt oder gedruckt zu werden, hat somit niemand, es sei denn, er schafft sich selbst die Möglichkeit.

kuBa

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