Hobby: Winzer

Aus der Rede zur Ausstellungseröffnung in der Hoflößnitz am 1. Juli

»Wein und Hobby passen nicht zusammen«, stand im April letzten Jahres als große Überschrift in der Sächsischen Zeitung. (…) Dass der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende des Sächsischen Weinbauverbandes die Bezeichnung »Hobbywinzer« als nicht mehr zeitgemäß empfand, hatte mit dem sogenannten »Weinskandal« von 2016 zu tun und mit der übertriebenen Sorge davor, dass Hobby zu sehr nach »al gusto« klingt. Dabei meint der Anglizismus doch nichts anderes als, laut Duden, eine »Beschäftigung, der man aus Freude an der Sache und zum Ausgleich für die Berufsarbeit in seiner Freizeit nachgeht«. Der stattdessen präferierte Begriff »Nebenerwerbswinzer« mag besser in unsere Zeit passen, aber ohne Freude an der Sache und ihrem Ergebnis wird sich kaum einer der Kleinwinzer dieser anspruchsvollen Arbeit widmen, die sommers wie winters keinen Aufschub duldet und bei der auch der Amateur in gewissem Sinne Profi sein muss. Nebenerwerb und Hobby gehören also zusammen.

Sylvia Preißler mit Hobbywinzer Dietmar Krause bei der Ausstellungseröffnung
Foto: F. Andert


Für eine große Ausstellung über die Geschichte der Sächsischen Winzergenossenschaft haben wir hier im Museum gegenwärtig weder den Raum noch die Objekte. Außerdem ist gegenwärtig in der Weinerlebniswelt am Bennoweg 9 in Meißen-Zscheila, wo die Genossenschaft seit 1946 ihren Sitz hat, eine entsprechende Schau zu sehen. Zur Frühgeschichte nur einige wenige Fakten: Ihre Gründung fand am 9. Mai 1938 hier in der Hoflößnitz statt. (…) Die Basis war aber schon in den vorangegangenen 25 Jahren gelegt worden, als durch die Rebschul- bzw. Weinbauvereine zunächst in Meißen und der Lößnitz Schritt für Schritt an der Wiederaufrebung vieler infolge des Reblausbefalls brach liegender Weinberge gearbeitet wurde. Dass sich aus den hier geernteten Trauben hervorragende gebietstypische Weine erzeugen ließen, hatte Carl Pfeiffer seit den 20er Jahren demonstriert. Doch wenn man sich die Preislisten der großen Dresdner Weinhandlungen noch aus den 30er Jahren anschaut, sind sächsische Weine dort entweder gar nicht oder nur unter »ferner liefen« zu finden. Der Markt war besetzt und der Traubenverkauf für kleinere Erzeuger ohne eigene Kellerei schwierig und wenig lukrativ. In dieser Situation erschien es nur folgerichtig, auf das in anderen deutschen Anbaugebieten seit langem bewährte Rezept der genossenschaftlichen Organisation eines gemeinsamen Kellereibetriebes zurückzugreifen.

Aus der Presseberichterstattung über die Gründung der Sächsischen Winzergenossenschaft 1938 geht hervor, dass zumindest anfangs die Idee bestand, ihre Kellerei in der Hoflößnitz einzurichten, wo ausreichend große Keller aber noch gar nicht zur Verfügung standen. Mit Carl Pfeiffer als Geschäftsführer und Oberbürgermeister Severit als Aufsichtsratsvorsitzendem waren auch die Führungspositionen der Genossenschaft in den Anfangsjahren von Radebeulern besetzt. Aufgebaut wurde die Genossenschaftskellerei dann in der ehemals Bergeschen Weinhandlung in Radebeul-Zitzschewig. Die ersten Jahre waren neben dem Kriegsausbruch durch schlechte Ernten und zwei hochwasserbedingte Überflutungen der Kellereiräume überschattet, was 1942 zum Umzug nach Meißen führte. (…)

Blick in die aktuelle Fotoausstellung
Foto: F. Andert


Überleben konnte das defizitäre Projekt nur dadurch, dass sich die teils schon seit Jahrzehnten in Meißen, Radebeul, Seußlitz und Weinböhla bestehenden Weinbauvereine im Frühjahr 1943 auflösten und ihre Mitglieder geschlossen der Genossenschaft beitraten. Diese zweite Gründung, aus der genau heute vor 75 Jahren die »Weinbaugenossenschaft Sachsen« hervorging, hatte mit anfangs 345 Mitgliedern eine genügend breite Basis, um die Umbrüche der folgenden Jahre zu überstehen, und passte dann – unter anderen Vorzeichen – auch bestens zu der von der DDR-Führung seit den 50er Jahren propagierten Neuorganisation der gesamten Landwirtschaft nach genossenschaftlichem Modell. (…)

Die Gründergeneration der Genossenschaft bestand in der Tat hauptsächlich aus »Nebenerwerbswinzern«, die in schlechten Zeiten auf die wirtschaftliche Nutzung des ihnen zur Verfügung stehenden Landes angewiesen waren. Die Aktivitäten der vor dem Ersten Weltkrieg in der Lößnitz und in Meißen gegründeten Weinbauvereine und die Winzerlehrgänge, die Carl Pfeiffer seit Anfang der 20er Jahre regelmäßig hier in der Hoflößnitz veranstaltete, zielten ja in erster Linie darauf, dass sich die Mitglieder und Teilnehmer durch den Weinbau ein Zubrot verdienen konnten.

Als die Genossenschaft längst (…) zum größten und schließlich, in Kooperation mit dem Volkseigenen Weingut Radebeul, zum einzigen großen Produzenten von Elbtalwein geworden war, ließ sich der wachsende Durst der Sachsen nach diesem heimischen Kulturgut aber noch immer nicht annähernd stillen. Für Weinfreunde aus der Region, die den als »Bückware« gehandelten Meißner Wein trinken wollten, gab es nur ein sicheres Mittel, um daranzukommen: Sie mussten Feierabend- oder, auf »Neudeutsch«, Hobbywinzer werden und der Genossenschaft beitreten.

Helmer Pardun fasst diese aus der Mangelwirtschaft geborene Entwicklung des neuen Hobbywinzertums in seinem Büchlein »Meißner Wein – Qualität von Anfang an« von 1996 treffend zusammen: »Mitte der 60er Jahre begann im Elbtalweinbau der damaligen DDR aus arbeitstechnischen und wirtschaftlichen Überlegungen heraus die Parzellierung von Anbauflächen und deren Vergabe an Feierabendwinzer. Vor allem die Aufrebung und Bearbeitung von für größere Landmaschinen unzugänglichen Steil-, Hang- und Terrassenlagen wurde nach 1970 an Kleinwinzer übergeben […]. Heute ist der sächsische Weinbau ohne seine rund 2.600 Feierabend-, Freizeit- und Hobbywinzer nicht mehr vorstellbar. Zwar gibt es im bestimmten Anbaugebiet Sachsen noch einige wenige Weinbaubetriebe, die Traubenerzeugung haupt- oder nebenerwerblich als wirtschaftliche Grundlage betreiben, aber der größte Teil der derzeit rund 325 Hektar Weinbaufläche wird von Hobbywinzern bearbeitet. Für sie ist die Traubenerzeugung keine Einnahmequelle. Sie wollen vielmehr mit dem Erlös aus dem Verkauf ihrer Trauben die anfallenden und laufenden Kosten im Weinberg decken […] und mit dem Rückkauf von Wein zu günstigen Bedingungen den eigenen Bestand im Keller bewahren.«

Die Zeiten haben sich geändert. Dass der sächsische Wein hierzulande als besonderes Kulturgut begriffen und geschätzt wird, hat zwar weiter zu einem nicht geringen Teil mit der nach wie vor großen Gruppe der Hobbywinzer zu tun, die aus eigener Erfahrung wissen, welche Arbeit in jeder Flasche steckt. (…) Inzwischen ist der sächsische Weinbau durch die vielen, oft aus dem Hobby geborenen Neugründungen von Weingütern – zumindest theoretisch – aber auch ohne die Hobbywinzer vorstellbar. (…) Dass die Gesamtzahl der sächsischen Winzer in einem Jahr um ein Zehntel schrumpft wie laut amtlicher Statistik von 2016 auf 2017, hat es vermutlich seit der Reblaus nicht mehr gegeben. (…) Passen Weinbau und Hobby heute, wo es Meißner Wein heute überall gibt, freie Zeit dagegen zur Mangelware geworden ist, vielleicht wirklich nicht mehr zusammen?…

Sylvia Preißler, deren Arbeiten wir in den kommenden Wochen hier im Galerieraum des Museums zeigen, (…) hat andere Hobbys: den Umwelt- und Naturschutz und, seit langem schon, die Fotografie. Eines ihrer jüngsten Fotoprojekte war einer bedrohten regionalen Spezies gewidmet: dem gemeinen Hobbywinzer. Mitten im Herzen unserer Weinbaukulturlandschaft hat sie am Hang zwischen dem ehemals Carl Pfeifferschen »Wächterberg« in Radebeul-Naundorf und der Zitzschewiger »Wettinshöhe« ein in vielerlei Hinsicht typisches Exemplar dieser Gattung aufgespürt und über Jahre in dokumentarischer Absicht mit der Kamera begleitet. (…) Der besondere Reiz, die Mühen und Freuden des Hobbywinzertums im Wandel der Jahreszeiten, das Natur- und Kulturerlebnis im Weinberg (…) sind in diesen Bildern überzeugend und mit künstlerischem Blick eingefangen. Vielleicht lässt sich der eine oder andere unserer Besucher, der den sächsischen Wein bisher nur aus der Flasche kennt, ja vom Reiz dieser Fotos anstecken. Die sächsischen Hobbywinzer brauchen dringend Nachwuchs.

Frank Andert

Die Kabinettausstellung »Hobby: Winzer. Ein Jahr im Weinberg« mit Fotos von Sylvia Preißler ist noch bis 26. August im Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz, Knohllweg 37, in Radebeul zu sehen, geöffnet dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.

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