Keine Glosse

Das Ding mit der Badekur

Eigentlich wollte ich mich nicht in die große Weltpolitik einmischen. Unser Blätt‘l kurvt ja um die heimatlichen Themen und verlässt selten den regionale Raum. Schließlich wollte Vorschau & Rückblick ja auch nie mit dem Blättchen, dem letzten Nachfolger der berühmten, eine Zeitlang von Carl v. Ossietzky geleiteten Weltbühne, konkurrieren. Aber manchmal fordern die Ereignisse eben, die eigene festgefügte Haltung aufzugeben und den Denkapparat in Bewegung zu setzen.

Wegen des zutreffenden Tucholsky-Satzes „Soldaten sind Mörder“ wurde Ossietzky 1932 zu einer Haftstrafe verurteilt. Nur auf Grund der sogenannten „Weihnachtsamnestie“ kam er schon nach 227 Tagen vorzeitig frei! Darauf können vermutlich die heutigen Protestierer in Russland nicht hoffen. Ossietzky hatte eben 1914/1915 nachgedacht, sich so von seiner anfänglichen Kriegsbegeisterung gelöst und zu einer pazifistischen Grundhaltung gefunden. Vielleicht aber hatte er sich auch an den aufsehenerregenden Roman der Friedensaktivistin Bertha von Suttner Die Waffen nieder erinnert, der 1889 in Dresden erschien.

Nun sind ja die Deutschen auch ein wenig zu bedauern. Sie hatten halt eine schwere Kindheit. Also, nicht der Einzelne, aber eben das Volk, so im Ganzen. Das lag sicher nicht nur an den Preußen, bei deren der männliche Nachwuchs schon mit dem Säbel an der Seite geboren wurde. Auch die Sachsen waren dem „klingenden Spiel“ nicht abgeneigt und hatten einen Drang nach Osten, genauer nach Polen. Da versuchten sie es ausnahmsweise mal mit „Diplomatie“. Grundsätzlich aber ist der Deutsche mit dem Militärischen groß geworden. Die „politische[n] Null“, wie Ossietzky den deutschen Generalfeldmarschall und Politiker Paul v. Hindenburg einmal bezeichnete, hatte sich ja mit dem makabren Satz „Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur.“ hervorgetan. An seinem unsäglichen Erbe tragen noch heute über 50 Gemeinden in der Bundesrepublik, unter anderem auch Radebeul. Dort befindet sich der „Ehrenbürger Hindenburg“ durchaus in Gemeinschaft mit anderen fragwürdigen Größen (s. wikipedia).

„Nie wieder Krieg!“ war die einhellige Meinung aller, die das Inferno des Zweiten Weltkriegs überlebt hatten. Die etwa 60 Millionen Toten, darunter mehr Zivilisten als Soldaten, so glaubte man damals, wären Mahnung für alle Zeiten. Die Traumen waren noch nicht aufgearbeitet, die Trümmer nicht beseitigt, da krachte es schon wieder in anderen Ecken der Welt. Allein zwischen 1945 und 1953 kam es zu sieben kriegerischen Auseinandersetzungen, in denen auch vier europäische Staaten verwickelt waren, die alle noch an den Folgen des gerade beendeten Weltkrieges litten. Der Koreakrieg (1950–1953) forderte damals etwa 3 Millionen Tote! Hatte man nichts gelernt?! Offensichtlich wollte man nichts lernen!

Gerade dieses Russland müsste es doch besser wissen. Aus der einstigen Sowjetunion wieder hervorgegangen, hatte es einen erheblichen Anteil an den 27 Millionen getöteten Sowjetbürgern im Zweiten Weltkrieg zu beklagen. Es mag sicher nicht nur die „späte Geburt“ sein, die den Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Wladimirowitsch Putin zu einem kalten Machtpolitiker werden ließ. Mir scheint, dass die geopolitischen Bestrebungen um Vormachtstellung in der Welt die Menschheit immer wieder an den Rand des Unterganges bringt. Noch gut kann ich mich an die „fliegenden Festungen“ der USA mit einsatzbereiten Atombomben oder die Kuba-Krise auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges erinnern. So ein risikoreiches „Kriegsspiel“ braucht kein Mensch! Ein Angriffskrieg ist durch nichts zu rechtfertigen, egal wer ihn führt! Und Flüchtlinge bleiben eben Flüchtlinge, egal woher sie kommen!

Wer 1991 glaubte, mit der Auflösung des „Warschauer Paktes“ würde sich auch die NATO auflösen, musste sich bald eines Besseren belehren lassen. Die nun erneut in Gang gesetzte Rüstungsspirale wird nicht zu Befriedung beitragen. Ganz im Gegenteil! Die Risiken werden weiter steigen. Da drängt sich mir der Gedanke auf, ob Vernunft und Politik nicht am Ende zwei unvereinbare Dinge sind, meint

Euer Motzi

 

 

 

schlechtbescheidenmittelmäßiggutexzellent (3 Wertung(en), Durchschnitt: 4,67 von 5)
Loading...
484 Aufrufe

Kommentieren

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mittels * markiert.

*
*

Copyright © 2007-2024 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.