Ein Geschenk für die Stadt?

Kein Platz für das Lügenmuseum

Erinnern wir uns: Es war der 29. März dieses Jahres, als der Radebeuler Kultur e.V. in einem Offenen Brief an den Oberbürgermeister Bert Wendsche und die Stadtverordneten Radebeuls seinen Sorgen um die kulturelle Entwicklung unserer Stadt Ausdruck verlieh (Vorschau & Rückblick informierte in 4/2011 darüber). Bis zum Redaktionsschluss des Heftes sind mittlerweile 46 Tage vergangen und eine Antwort liegt nicht vor, nicht einmal eine Bestätigung über den Eingang des Schreibens. Die Angeschriebenen hüllen sich in Schweigen.

Nun ist es ja nicht so, dass der Verein jede Wochen einen Offenen Brief verfassen würde. Ehe man sich zu so einem Schritt entschließt, muss die Verzweiflung, die Not groß sein und sich scheinbar kein anderer Weg aufzeigen. Der Verein, so zeugt der Brief, hat im Fall des Serkowitzer Gasthofes und des Verbleibs des Lügenmuseums in Radebeul die Hand ausgestreckt, um zum Wohle der Stadt und seiner Bewohner gemeinsam mit den Verantwortlichen der Gemeinde einen drohenden wirtschaftlichen, kulturellen wie ideellen Verlust abzuwenden. Das nun bisher vom Oberbürgermeister und aus dem Stadtrat beim Verein keine Reaktion eingegangen ist, befremdet schon etwas. Oder könnte dies etwa auch als eine klare Antwort gewertet werden?

Ganz anders die Reaktionen von vielen Radebeulern, Gästen und Bürgern aus nah und fern. Über 300 davon aus 33 Orten der Bundesrepublik haben mittlerweile allein den Offenen Brief unterzeichnet. Die Petition „Das Lügenmuseum soll im Gasthof Serkowitz ein zu Hause finden“ tragen schon über 500 Personen mit. Die soziale Bandbreite der Befürworter ist beeindruckend und zieht sich durch alle Schichten der Bevölkerung. Da steht die Künstlerin neben dem Klempner, der Schriftsteller neben der Erzieherin, der Philosoph neben dem Kommunalpolitiker, die Unternehmerin neben dem Architekten, der Museumsleiter neben der Schneiderin… Noch beeindruckender sind die vielen Kommentare, die sich zum Lügenmuseum und zum Verkauf des Objektes „Serkowitzer Gasthof“ äußern.

Objekt vor dem Lügenmuseum, entstanden im Rahmen des Projekts »Labypoli« 2020. Foto: R. Zabka

So sehen Bürger im Lügenmuseum eine „Perle“, eine „einzigartige Attraktion“, ein „Geschenk“ für die Stadt, und nahezu alle heben die Einmaligkeit dieser Einrichtung hervor, die damit auch für Radebeul ein Alleinstellungsmerkmal besonders gegenüber der an Kunst reichen Landeshauptstadt darstellt, was man doch nicht ohne Not einfach aufs Spiel setzen sollte. Nicht wenige schreiben im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf des Objektes von „Frevel“, erinnern daran, dass in der Vergangenheit mindestens zwei historische Gasthöfe in Radebeul abgerissen wurden und Reinhard Zabka das Gebäude durch seine Aktivitäten über zehn Jahre vor dem Verfall und vor Vandalismus bewahrt hat. Dessen „Installationen haben in Brandenburg und in Serkowitz funktioniert, warum nicht auch an einem anderen Ort? Sie sind nicht an das Haus gebunden.“, äußerte indessen der Radebeuler Oberbürgermeister Bert Wendsche in der Mai-Ausgaben des Dresdner Stadtmagazins SAX zu diesem Thema, so als können man leichten Herzens auf einen Zabka verzichten. Wer aber ist hier eigentlich „man“? Die Bürger der Stadt, die Touristen, die Künstler…?

Und so mag es nicht verwunderlich sein, wenn viele der Unterzeichner des Offenen Briefes und der Petition ihr Unverständnis über die Nicht-Wahrnehmung der enormen sozialen, kulturellen und künstlerischen Leistungen äußern, die der Künstler Reinhard Zabka in diesen zehn Jahren für Radebeul erbracht hat. Sie haben erkannt, dass Zabka Radebeul zu internationalem Ansehen verhilft, viele Touristen sowie Künstler in die Lößnitzstadt führt und das Lügenmuseum ein außergewöhnlicher Ort kultureller Bildung darstellt, an dem nicht nur die Stadtgesellschaft partizipiert. Besonders aber die Pensionsbesitzer sehen in dem möglichen Szenarium des Verkaufes des Serkowitzer Gasthofes eine essenzielle Beeinträchtigung ihres Gewerbes, besucht doch jeder zweite/dritte Tourist auch das Lügenmuseum.

Sein Anliegen mittels einer Petition durchzusetzen oder doch wenigstens recht unkompliziert in die Öffentlichkeit zu bringen, ist das verbriefte Recht eines jeden Bundesbürgers, was sogar im Grundgesetz verankert ist. Seit 2005 ist es auch möglich, Online-Petitionen über das Internet zu starten. Als Petition wird eine Bittschrift, Eingabe oder ein Gesuch bezeichnet, welche an Behörden oder Volksvertretungen gerichtet wird. Grundsätzlich ist aber Petition nicht gleich Petition. Während eine reguläre Petition innerhalb von 4 Wochen zu beantworten ist, haben zum Beispiel die nichtoffiziellen Online-Petitionen keine Rechtsverbindlichkeit. Sie sind eher ein demokratisches Mittel zur Willensbekundung.
In diesem Zusammenhang ist ein Blick in die jüngste Geschichte von Radebeul äußerst aufschlussreich. So wurden seit 2016 allein 11 Petitionen gestartet, die auch als ein Spiegel der Verfasstheit des Gemeinwesens betrachten werden können. Nicht alle waren von allgemein städtischem Interesse, nicht alle waren erfolgreich. Dennoch hatten die Mehrzahl wichtige Themen zum Inhalt, die soziale, städtebauliche wie denkmalpflegerische Fragestellungen aufwarfen. Die unlängst abgeschlossene Petition »Für eine städtebaulich passende Bebauung des „Wasaparks“ – kein zweites „Glasinvest“- Projekt« konnte das Quorum erreichen. Zwischen der Bürgerinitiative und den zuständigen Vertretern der Stadtverwaltungen haben bereits erste Gespräche stattgefunden. Aber auch Petitionen, die die vorgegebene Stimmzahl nicht erreichen, können erfolgreich sein, wie im Fall der denkmalgeschützten Einfriedung der ehemaligen Gärtnerei Hohenhaus ersichtlich war.

Das Lügenmuseum gehört mit den Landesbühnen Sachsen, dem Karl-May-Museum, Schloss Wackerbarth, dem Sächsischen Weinbaumuseum Hoflößnitz sowie der Stadtgalerie Radebeul zu den herausragenden kulturellen Einrichtungen der Stadt. Deshalb wäre der Weggang dieses Museums ein nicht wieder gutzumachender Verlust für die Region.

Karl Uwe Baum

Unterzeichner Offener Brief des Radebeuler Kultur e.V.

Den offenen Brief zum Gasthof Serkowitz und zum Lügenmuseum haben weitere Bürgerinnen und Bürger aus Radebeul und andern Ortschaften der Bundesrepublik unterzeichnet.

Jürgen Stegmann, Kulturschaffender, Radebeul – Axel Richter, Regisseur, Rentner, ehem. Radebeuler, Leipzig – Bruno Horning, Angestellter, Mitglied Kulturverein, Dresden – Linda Inbaden, Studierende, Dresden – Edna Ressel, Projektleiterin Familienzentrum, Radebeul – Ole Sterz, Band Affen, Dresden – Marieluise Herrmann, Angestellte, freiberufliche Tätigkeit, Dresden – Georg Bergmann, Musiker, Berlin – Constanze Fröhlich, Angestellte, Radebeul – Heiko Fröhlich, Angestellter, Radebeul – Steffen Rau, Rentner, Radebeul – Gerd Schindler, Rentner, Radebeul – Heiko Bontrup, Stellv. Vorsitzender Else-Laske-Schüler-Gesellschaft, Neuss – Julia Jost Physiotherapeutin, Dresden – Tom Liebig, Bauingenieur, Dresden – Sabine Marhle, Studentin, Dresden – Elke Horn, Rentnerin, Radebeul, Harald Horn, Rentner, Radebeul – Kerstin Kühn, Mensch, Coswig/Sa. – Steffen Roye, Angestellter, Dresden – Marcel Lipfert, Erzieher, Dresden – Tina Schnasl , Angestellte, Dresden – Jörg Puschmann, Angestellter, Dresden – Claudia Römer, Angestellte, Dresden – Kerstin Rudloff, Sozialarbeiterin – Annette Bundy, Angestellte, Dresden – Berit Barz, Freischaffend, Dresden – Julien Seerig, Webentwickler, Dresden – Lara Timm, Studentin, Dresden – Catoin Seerig, Ruhepause, Eppendorf – Michael Thiele, Selbständig, Dresden – Annett Quast, Angestellte, Oberhermsdorf – Tanja Kirsten, Angestellte, Dresden – Claudia Leutemann, freischaffend, Dresden – Susanne Fuchs, freischaffend, Dresden – Anti Wild, Angestellter, Dresden – Antje Matthies, Angestellte, Dresden – Gerd Schwichtenberg, Angestellter, Freiberg – Claudia Knopf, Angestellte, Freiberg – Alina Schwichtenberg, Schülerin, Freiberg – Florian Hammer, Beamter, Bannewitz – Franziska Hammer, Angestellte, Bannewitz – Bernd Herfort, Vereinsvorstand, Oybin – Jochen Kastner, Rentner, Pesterwitz – Andrea Noack, Rentner, Dresden – Michael Mothes, Rentner, Dresden – Jens Lusch, Angestellter, Dresden – Susann Schreiber, Theaterpädagogik, Projektmanagement, Leipzig – Sybille Ziel, Mechanikerin, Bad Vilbel – Jutta Klemm, Rentnerin, Radebeul – Gritt Holomek, Angestellte, Radebeul – Yneke Meißner, Angestellte, Dresden – Sybille Wenzel, Physiotherapie, Radebeul – Susanne Teubert, Angestellte, Radebeul – Monika Barthe, Pensionsbesitzerin, Radebeul – Oskar Fichte – Schüler, Radebeul – Katja Grübler, Beamtin, Radebeul – Julia Drowatzky, Bürgerin, Radebeul – Susanne Winkler-Liebscher, Bürgerin, Radebeul – Frank Liebscher, Bürger, Radebeul – Doris Peters, Bürgerin, Radebeu. – Jürgen Peters, Bürger, Radebeul – Hartmut Stange, Bürger, Radebeul – Silko Mohn, Bürger, Radebeul – Thomas Groh, Bürger, Dresden – Gabriele Paul, Angestellte, Merseburg – Rüdiger Paul, Rentner, Merseburg – Holm Kirschgens, Bürger, Radebeul – Karen Koschnick, Künstlerin, Dresden – Ottokar Greif, Rentner, Coswig/Sa. – Rita Focke, Bürgerin, Radebeul – Siegmar Focke, Bürger, Radebeul – Ute Krüger, Erzieherin, Leipzig – Christine Sprotte, Floristin, Leipzig – Dagmar Friedel, Rentnerin, Leipzig – Kerstin Richter , Kulturmanagerin, Radebeul, Uwe Richter, Bürger, Radebeul – Detlef Bielke, Angestellter, Chemnitz – Anja Baum, Angestellte, Chemnitz – H.-Jochen Höher, Rentner, Dresden – Ingrid Höher, Rentnerin, Dresden – Rolf Kicinski, Beamter, Pessin – Jeannette Lill, Polizistin, Pessin – Ingeborg Lill, Rentnerin, Pessin – Martin Mager, Berater, Dresden – Esther M. Könitz, Elternzeit, Radebeul – Anette Greißler, Rentnerin, Radebeul – Corinna Geißler, Försterin, Erfurt – Steffen Stiller, Dienstleister, Weinböhla

Berichtigung Der in der Unterzeichnerliste in Vorschau & Rückblick Heft 5/2022 angegebene Name Derwinckel wurde falsch wiedergegeben. Der richtige Name lautet Vorwinckel. Wir bitten um Entschuldigung!

 

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