Buchlesung am Montag

„Wege im Schatten der Kakaobäume“ von Ina Vogt

Es fehlte nichts.

Zartes Maigrün entfaltete sich auf den Weinberge am Fuße der Bosel und in den Treibhäusern leuchteten die frischen Balkon- und Gartenblüten in den schönsten Farben. Hier erlebten wir gestern eine freundschaftlich verbundene Gemeinschaft, Augenblicke des Verstehens, aber weltvergessen dürften wir diese Stunden nicht nennen, eher mit wachem Verstand, offen und bereit, Informationen über die weit entlegene Inselwelt in Sao Tomé und Príncipe aufzusaugen.

An diesem besonderen Abend gestern ohne die übliche Bewegung kamen sie in die Gärtnerei Damme, ein Bildschirm war an den Laptop mit den alten Fotos angeschlossen und zwischen den Töpfen und Vasen voller fremdartiger Blüten und Pflanzen tauchten die alten Dias auf, die 30 Jahre im Verborgenen geschlummert hatten. In dem schönen Ambiente trafen sich die Sportlerinnen, die sonst montags Gymnastik treiben. Das wöchentliche Fitnessprogramm findet unter der kompetenten, freiwilligen und unbezahlten Anleitung von Andrea statt, seit vielen Jahren treffen sie sich 20.00 Uhr in der Brockwitzer Turnhalle, alle Frauen sind eingeladen. Das zeichnet die Gruppe aus, die Vielfalt der Berufe, der unterschiedlichen Lebensart und doch das gegenseitige Verständnis für den Alltag.
Und nun hatten sich alle in der Gärtnerei verabredet, außergewöhnlich und herzerfrischend. Es war völlig verständlich, zu beobachten, wie anfangs alle stehend durcheinander redeten. Gerade dieser kleine Austausch pflegt das Zusammenleben und es sind die nicht unwichtigen Gespräch über das Leben, die Geburten von Enkelkindern, die Freude, sie wachsen zu sehen und die Sorge um deren und die eigene Gesundheit zu teilen. Jemand ließ uns darauf anstoßen, nach einem erfüllten Arbeitsleben endlich das Rentenalter erreicht zu haben, vorzeitig?

Doch das Geplapper dauerte kurze zehn Minuten und nach dem ersten Tropfen Wein im Glas versammelten wir uns voller Erwartung auf die Vorstellung meines Buches „Wege im Schatten der Kakaobäume“, welches 2022 erschienen ist. Ich konnte es in den Gesichtern der „Sportmädels“ erkennen, dass sie viele Fragen über unsere damalige Zeit 1986 bis 1989 hatten, die sicher an diesem Abend gestillt werden würden. Gleich zu Beginn stellte jemand die Frage, warum es so lange gedauert hatte, bis ich mein Buch geschrieben hatte. Es macht mir Freude, mich an die Zeit vor 30 Jahren zu erinnern, als ich an der Seite meines Ehemanns jung, voller Ideale und rückblickend hübsch auf der hier fast unbekannten Insel Sao Tomé lebte.

Aus der Erinnerungen berichte ich zunächst mit meiner nicht verblasster Bewunderung über die herrliche tropische Vegetation, die in den Gärten reich blühenden Hibiskushecken, dicht aufragende Palmen, Bananenstauden mit Webervogelnestern und Schmetterlinge. Die Fragen voller Interesse drehten sich jedoch um unser Leben dort: „Was habt ihr gearbeitet? Wie seid ihr dorthin gekommen? Wie hast Du die Sprache gelernt? Wie lebten die Menschen? Warum war das Land so arm? Was hast Du jeden Tag gekocht? Wie wurde Weihnachten gefeiert? Gingen Eure Kinder zur Schule?“

Gemeinsam mit meinem Ehemann beantworteten wir ehrlich die Fragen: „Wir waren dort, um Lehrlinge auszubilden, Maurer und eine Schule zu bauen. Es war eine wichtige, friedliche Tätigkeit einer Jugendbrigade, die „Freundschaftsbrigade“ hieß. In unserer Freizeit beschäftigten wir uns auch mit den santomensischen Kindern in deren Freizeit. Wir berichteten über den Kakao und dessen niedrigen Weltmarktpreise, das Gesundheitssystem, die andauernde Armut in der ehemaligen portugiesischen Kolonie. Natürlich hatten wir dort Freizeit, herrliche Strände, Ausflüge und ausländische Freunde hatten wir auch gefunden, kubanische, russische, zu denen wir bis heute Kontakt haben. Ein Grund war, dass wir keine Kontakte zu „nichtsozialistischen“ Ländern haben durften, uns an die Regeln halten mussten. Uli las aus dem Buch auszugweise vor und schließlich erzählte er auch von der Tierwelt, dem riesigen Rochen, Krabben, Vögeln. Flughunden usw. Abends im Bett fiel mir ein, dass er vergessen hatte, von den Ziegen zu erzählen, die geschickt auf dem Zaun balancierende gern die Knospen an der Hibiskus-Hecke abknabberten.

Die Krönung des Abends war der Sturm auf unser Buffet, zu dem jeder hatte etwas beigesteuert.

Wir kamen zurück auf die Frage, warum ich erst jetzt das Buch geschrieben hatte. Diese sehr persönliche Frage zu beantworten war nicht leicht. Ein Grund war, dass 1990 zur Wende bereits die Verlage die Qualität der Fotos bemängelten, denn wir hatten alles mit einer guten Kamera, einer Practica MTL 3 auf ORWO-Filmen festgehhalten. Die Qualität der Farben genügte den gehobenen Anforderungen nicht. Also verließ ich die Verlage der Buchmesse unverrichteter Dinge und legte mein Projekt auf Eis. Auch ich hatten mit der Wende einen neuen Lebensweg eingeschlagen, studierte, hatte während dessen ein zweites Kind bekommen und bin nach dem 2. Staatsexamen in das Berufsleben eingetreten. Nachdem die ersten Gehälter zuverlässig gezahlt wurden, konnte ich Anfang des neuen Jahrtausends forschen, wer die Inseln entdeckte, ob sie bewohnt waren usw.

Zeit zum Schreiben hatte ich nicht mehr, bis ich erkrankte. Als ich aus unserer Holztruhe, die den Duft des tropischen Holzes nicht verloren hatte, öffnete, die Muscheln in die Hand nahm und allerlei Dinge fand, die viele Jahre unberührt darin lagerten, erwachte in mir die Lust, jetzt alles aufzuschreiben. Als ich im Sommer 2021 das erste Buch in den Händen hielt, freute ich mich sehr. Ich rekapitulierte die Kapitel, dabei weckte ich alle guten und schwierigen Erinnerungen. Das Erlebte erzählt von der Inselwelt, den Menschen, der reichen Vegetation, dem feuchten Klima, den zerklüfteten Hängen der Vulkaninsel, den Kakaobauern, den Fischerbooten und Stränden. Ich traf begeistert auf scheinbar unberührte Natur ohne die Zerstörung der Industrie, aber auch Menschen in Armut und voller Krankheiten. Schließlich kam ich nicht umhin, über die portugiesische Kolonialzeit nachzuforschen, die Geschichte seit der Entdeckung 1470 aufzunehmen und zu hinterfragen, was davor hier passiert war. War die Insel wirklich unbewohnt, als sie von den Seefahrern der Neuzeit entdeckt wurde?

Es war ein gutes Gefühl, nach so langer Zeit noch zu erzählen, auch mitzuteilen, was wir geleistet haben, um diesem Land etwas Verbesserung zu bringen und einen kleinen Beitrag für Freundschaft, Lachen und Frieden in der Welt getan zu haben.

Von Herzen danke ich Jeannette Damme, die diesen besonderen Vortrag in ihrer Gärtnerei ermöglichte.

Ina Vogt

Und wenn ich Sie neugierig gemacht habe, können Sie gern bei mir nachfragen. Die Kontaktdaten gibt Ihnen gern die Redaktion.

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