Radebeuler Miniaturen

1623 – 2023:

400 Jahre Haus Möbius

XI
Haus und Abgrund

In strahlender Gewißheit eines nahen Sieges tritt Ulrike auf mich zu und hält mir das Oktoberheft unter die Nase: Meinst du nicht, flötet sie mit aller Süße, deren sie fähig ist, daß es sinnvoll wäre, ein Bild nicht nur zu erwähnen, sondern auch so zu erklären, daß sich die Leserschaft was drunter vorstellen kann – wenn dus schon nicht zeigen willst?!
Nun ja, sag ich leise, hast ja recht, da ist etwas schief gegangen. Das Bild ist irgendwie, nu, wie ein bißchen verloren gegangen. So was kommt vor. Aber hier ist es nun in voller Schönheit:
Es trägt den Titel „Zu Gast bei TG“, und es wirkt auf den ersten Blick tatsächlich so, als stünden Tisch und Wein auf der Straße. Die Kopie hat mir Familie Kronbach zugänglich gemacht (herzlichen Dank dafür!). Bei genauerem Betrachten – nun, das bleibe jeder und jedem selbst überlassen. Auf unserer „Laube“ steht das alles jedenfalls nicht…

Michael Hofmann Repro T. Gerlach

Klaus Schumann Repro T. Gerlach

Und ganz sicher kann sich auch jeder und jede vorstellen, daß es im Laufe der vierhundert Jahre so manches gab, das es nicht gab (und das demzufolge auch nicht vermißt wurde):
In den ersten rund zweihundertachtzig Jahren gab es keinen elektrischen Strom und demzufolge auch weder Heizlüfter noch Ventilatoren.
In den ersten rund dreihundertzwanzig Jahren gab es kein fließendes Wasser im Haus, nur einen Brunnen auf dem Hof.
In den ersten rund dreihundertvierzig Jahren gab es kein Radio im Haus und demzufolge weder Fußballreportagen noch „Alternative Fakten“.
In den ersten rund dreihundertfünfundsiebzig Jahren gab es keine Badewanne im Haus. Da das Haus aber gut durchlüftet ist, fiel das so gut wie gar nicht auf.
Und in den ersten rund dreihundertneunzig Jahren gab es im Haus kein Internetz – was waren das glückliche Zeiten – und demzufolge waltete auch vierhundert Jahre lang (wenn überhaupt) nur natürliche Intelligenz im Hause. Und das soll auch noch einige Zeit so bleiben!
Kriege gab es natürlich immer, obwohl die mit Sicherheit (von der Generalität mal abgesehn) keiner vermißt hätte. Fünfundsiebzig Jahre ohne Krieg, wie wir sie zuletzt erlebt haben, gab es noch nie. Wenn wir hoffen könnten, daß dieser Zustand noch etwas anhält, könnten wir davon ausgehen, daß unsere Nachfahren noch das Fünfhundertste feiern können. Das Haus jedenfalls wäre bereit…
Apropos feiern: Wein gab es natürlich auch immer. Der hilft in guten wie in weniger guten Tagen. Darauf sollten wir anstoßen, ohne Netz, aber mit klingenden Gläsern, auf daß es ihn auch weiterhin gibt.
Die jüngste Hausansicht stammt übrigens aus der Feder von Klaus Schumann. Auch sie ist der Erwähnung wert. Und wenns sein soll, gibt’s künftig nicht nur Wein, sondern auch das eine oder andere neue Bild. Aber darum werden sich andere kümmern …

Thomas Gerlach

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