rempe & nagel

Rede zur Eröffnung der Ausstellung in der Stadtgalerie Radebeul

Diese Ausstellung, liebe Freundinnen der Kunst, liebe Frunde der Künstlerinnen, ist kein Streichelzoo. Sie führt uns heraus aus der Komfortzone mit ihren Wohlfühloasen und in die raue Wirklichkeit unserer Tage hinein. Schon der Titel räumt auf mit einem seit Jahrzehntausenden gepflegten und immer wieder kolportierten Klischee: Das schier unausrottbar scheinende, sich aber auch stetig auf seltsame Weise selbst bestätigende

Anita Rempe: Portraits (1-2), ohne Jahresangabe, verschiedene Stifte auf Papier

Repros K. (Gerhardt) Baum

Vorurteil, Frauen seien „geschwätzig“, wird hier mit

zweieinhalb Worten eindrucksvoll und dauerhaft widerlegt: rempe & nagel – da ist kein Wort zu viel, und doch ist alles gesagt: Die Künstlerinnen Maja Nagel und Anita Rempe reden Klartext und sparen sich den heißen Brei für wirklich kalte Tage.

Majas Zeichnungen stammen aus ihrer Serie „na kromje – an der Kante“. Vordergründig wird damit auf die Tagebaukante angespielt, die Linie also, die die noch vorhandene Landschaft von der großen Leere trennt, die ihre endgültige Zerstörung bedeutet.
Anitas Portraitzeichnungen zeigen das Werden eines Menschen und sein Sichverlieren im Chaos in sich vielfach überlagernden Ebenen, als wären sie Landschaften. Parallel stellen sich ihre Öl-Landschaften als verknappte Portraits täglich neuer Verluste dar. Beinahe körperlich empfindet die Künstlerin die vom Geschwindigkeitsrausch verursachte Flucht aus der Landschaft.
So treffen sich beide Künstlerinnen dort, wohin es niemanden zieht: „na kromje, an der Kante“, und sie sprechen von Dingen, die wir eigentlich gar nicht hören wollen und die uns deshalb umso mehr bedrängen.

Maja Nagel, Anita Rempe und Hartmut Dorschner zur Vernissage, Foto: K. (Gerhardt) Baum

Maja ist in Bautzen geboren. Sie wurzelt im Sorbischen. Unter diesem Blickwinkel erhalten ihre Arbeiten zu Lausitzer Themen, insbesondere dem der Landvernichtung zu Gunsten des braunen Goldes, nochmal eine deutlich andere Dimension. Jenseits aller Klimadiskussionen wird hier nicht einfach nur Gelände weggebaggert, hier wird Lebensraum einer traditionell ländlich orientierten nationalen Minderheit liquidiert – sollte das Absicht sein? Die Frage zumindest darf gestellt werden.
Maja hat in Dresden Malerei und Grafik studiert, längere Zeit in Berlin, Dresden und Strehla gelebt und ist nun in Eula bei Nossen folgerichtig in dörflicher Umgebung angekommen. Beim Käthe-Kollwitz-Haus in Moritzburg betreut sie seit Langem die Grafikwerkstatt. „Sie ist“, wie Gregor Kunz bemerkt, „in Zeichnung, Malerei, und Collage, mit Performance und Installation und ihren bewegten Figuren in Animationsfilmen erfolgreich, wenn Qualität der Maßstab ist.“

Maja Nagel: „schnellweg“, 2023, Kohlezeichnung Repro K. (Gerhardt) Baum

In jedem Fall ist die Zeichnung ganz und gar Majas Metier. Die Linie verlangt und schafft Klarheit. Sie steht auf dem Blatt als „entweder-oder“ – ein Vielleicht ist ausgeschlossen.
Mit ihren Arbeiten steht Maja mitten in der Welt. Sie sieht nicht nur ihre Lausitzer Landsleute, nicht nur die sorbische Minderheit „na kromje – am Abgrund“ steht die Menschheit als Ganze.

„Fluchtlandschaft“; „Zusammenbruch“ …ihre Landschaften, freut sich Anita, wirken gemeinsam mit Majas Zeichnungen wie Erzählungen – Erzählungen, die ohne gutes Ende auskommen müssen. Das unterscheidet sie etwa von den Grimm‘schen Märchen. Die hatten eins – dürfen sie deshalb den heutigen Kindern nicht mehr zugemutet werden?!

Anita ist in Magdeburg geboren. Im Gauernitzer Fischerdorf hat sie sich hochwassersicher im Überschwemmungsgebiet etabliert. Sie studierte Illustration und Gebrauchsgrafik und später noch Kunsttherapie. Sie war Trickfilmzeichnerin und arbeitete beim Puppentheater. Eine Zeit lang gehörte sie zur Künstlergemeinschaft Atelier Oberlicht hier gleich nebenan. Lange Jahre arbeitete sie sehr segensreich als Kunsttherapeutin. In diesem Geschäft hat sie es kennengelernt, das „Leben an der Kante“.
Das hat ihr auch den Blick bewahrt für die verlorenen, die Fluchtlandschaften, und für die Unfähigkeit der Gegenwart, Landschaft als eigenständigen Wert wahrzunehmen. Mit ihren Wasser-Ölfarben setzt sie ihre eigene Unfähigkeit dagegen: die Unfähigkeit, etwas schön zu malen, das nun mal nicht schön ist.
Darin allein wird schon die Seelenverwandtschaft offenbar, die Anita mit Maja verbindet. Sie wuchs aus einer langen persönlichen Freundschaft, die weit über ein kollegiales Miteinander hinausgeht. Die Kunst ist ein einsames Geschäft, umso mehr braucht die Künstlerin den Austausch. Und auch ihren Arbeiten tut das Miteinander gut. In schöner Gemeinschaft breiten sie es vor uns aus, das Narrativ von der verlorenen Landschaft. (leicht gekürzt)

Thomas Gerlach

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