11. Thematischer Filmclubabend

Die Filmauswahl des Wanderkinos „Film Club Mobil“ korrespondiert im Radebeuler Jubiläumsjahr mit städtisch relevanten Themen. Gezeigt wird am 14. März 2024 um 19 Uhr im Lügenmuseum (Radebeul-Serkowitz, Kötzschenbrodaer Straße 39) der DEFA-Film „Alarm im Zirkus“. Im Anschluss folgt ein Gespräch über das Thema „Zirkus und Radebeul“. Eingeladen sind zwei interessante Radebeuler Persönlichkeiten: der 85-jährige Artist Charlie Feistkorn (Künstlername Charly Fistkorn), welcher bereits als Dreijähriger gemeinsam mit den Eltern aufgetreten ist und Ende der 1950er Jahre auch im Zirkus Barlay engagiert war, dem Ort des kriminellen Geschehens im Film. Eingeladen ist auch Gert Morzinek, der die farbenfrohe Fassade des Sarrasani-Hauses auf der Gartenstraße in Radebeul-Ost entwarf. Außerdem sind Mitglieder von der Gesellschaft der Circusfreunde der Sektion Dresden/Ostsachsen zu Gast, deren Anliegen es ist, das kulturelle Erbe des Circus-Metiers in all seinen Facetten zu erhalten.

Die Anregung für den Film „Alarm im Zirkus“ boten die Presseberichte über einen authentischen Kriminalfall des Jahres 1953. Der Besitzer von Zirkus Barlay, welcher sich im Ostteil der Stadt Berlin auf der Friedrichstraße befand, war in den „Westen“ gegangen und wollte seine wertvollen Zirkuspferde auf illegalem Wege über die Grenze bringen lassen. Der Plan flog auf, der Überfall scheiterte und zahlreiche Helfer wurden in einem Prozess verurteilt.

Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase (1931–2022), der Dramaturg Hans Kubisch und der Regisseur Gerhard Klein (1920–1970) gestalteten daraus einen spannenden Kriminalfilm für Jugendliche. Der Einsatz von grobkörnigem Schwarz-Weiß-Material verstärkte die reportageartige Wirkung. Entstanden ist ein authentisches Zeitdokument mit sensibel beobachteten Milieustudien. Vor allem die Zusammenarbeit von Wolfgang Kohlhaase und Gerhard Klein war sehr produktiv und fand eine erfreuliche Fortsetzung u. a. mit Filmen wie „Eine Berliner Romanze“ 1956 und „Berlin – Ecke Schönhauser“ 1957, in denen die Halbstarken-Problematik einen inhaltlichen Schwerpunkt bildete. „Alarm im Zirkus“ war ihr erster gemeinsamer Film. Gedreht wurde im Filmstudio Babelsberg und an Originalschauplätzen. Die Premiere fand am 27. August 1954 im Berliner Kino Babylon statt. Mit 3,6 Millionen Zuschauern wurde der Film zum Kassenschlager des Jahres 1954.

Die jugendlichen Hauptdarsteller des Filmes werden von Hans Winter (Klaus) und Ernst-Georg Schwill (Max) verkörpert. Der künstlerische Werdegang lässt sich allerdings nur von Ernst-Georg Schwill (1939–2020) nachverfolgen. Dieser wurde als 14-jähriger in einem Kinderheim von Regisseur Gerhard Klein für den Film „Alarm im Zirkus“ entdeckt. Nach einer Ausbildung zum Filmfotografen, studierte Schwill von 1957–1960 an der Filmhochschule Babelsberg. Seine Filmografie (1954–2018) ist beeindruckend. Auch der gesellschaftliche Umbruch brachte keinerlei berufliche Unterbrechung.

Als Medizinstudent Herbert ist Ullrich Thein (1930–1995) zu erleben. Auch er machte als begabter Nachwuchsschauspieler schon früh auf sich aufmerksam. Nach einem abgeschlossenen Musikstudium nahm er Schauspielunterricht und siedelte 1951 in die DDR über. „Alarm im Zirkus“ war sein vierter Film.

Der Kneiper Klott wird von Erwin Geschonneck (1906–2008) gespielt, welcher 1954 schon längst ein gefragter und vielseitiger Theater- und Filmschauspieler war. Seine erste kleine Rolle hatte er bereits 1931 in dem Film „Kuhle Wampe“. Nach Kriegsende wirkte er u. a. in Filmen wie „Das Kalte Herz“ 1950 und „Das Beil von Wandsbeck“ 1950 (nach kurzer Laufzeit zurückgezogen) mit. Am Theater arbeitete er unter Regisseuren wie Helmut Käutner und Bertolt Brecht.

Alarm im Zirkus
1954, Jugendkriminalfilm, DDR, DEFA, Studio für Spielfilme, 80 Minuten, s/w, FSK 6

Regie: Gerhard Klein; Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Hans Kubisch; Kamera: Werner Bergmann; Musik: Günter Klück; Besetzung (Auswahl): Erwin Geschonneck, Ulrich Thein, Ernst-Georg Schwill, Hans Winter, Uwe-Jens Pape

Der Film spielt in der Nachkriegszeit im geteilten Berlin. Der Verkehr zwischen den vier Sektoren war noch relativ ungestört möglich. Während sich im westlichen Teil der Stadt das kapitalistische Gesellschaftsmodell etabliert hatte, wurde im östlichen Teil ein sozialistisches bevorzugt. Die Systemkonfrontation spitzte sich zu.

Die Geschichte beginnt im amerikanischen Sektor, in einem Hinterhof einer tristen Mietskaserne. Spielende Kinder werden vom Hausbesitzer, dem Kneiper Klott, beschimpft und vertrieben, eine Drehorgel erklingt und zwei boxversessene Jungen trainieren am Sandsack, der an einer Teppichklopfstange hängt. Deren Fäuste sind notdürftig mit Bandagen geschützt. Was ihnen fehlt sind Boxhandschuhe. Doch die sind unerschwinglich. Das Sparen ist mühsam. Auf der Suche nach Einnahmequellen geraten sie an den Bandenführer Jimmy und den zwielichtigen Klott, welche ihnen für einen einfachen Auftrag schnell verdientes Geld in Aussicht stellen. Das scheint die Lösung ihres Problems zu sein. Allmählich wird ihnen aber klar, dass sie dabei behilflich sein sollen, die Pferde vom Zirkus Barlay von Ost- nach Westberlin zu bringen. Doch in eben diesem Zirkus hatten Klaus und Max neue Freunde gefunden. Statt sich an der ruchlosen Tat zu beteiligen, helfen sie nun mit, das Verbrechen zu verhindern und die Täter zu fassen.
Erzählt wird aus dem Blickwinkel des Ostens. Wenngleich die propagandistische und erzieherische Absicht des Jugendfilms erkennbar ist, wirkt diese nicht vordergründig. Im Mittelpunkt stehen die Menschen aus einfachen Verhältnissen, deren Ringen um Gerechtigkeit eine Belohnung erfährt.
Imposante Bilder von einer rasanten Verfolgungsjagd durch das nächtliche Berlin mit wildem Schusswechsel sorgen für Spannung bis zum Schluss, welcher durch feine Ironie eine zusätzliche Würze erhält.
Doch das eigentliche Finale des Films findet natürlich in der Arena von Zirkus Barlay statt. Dort werden die glücklichen Helden mit Applaus und Blumen gefeiert. Dazu spielt die Zirkuskapelle. Plötzlich ertönt das Trompeten eines Elefanten, der als Dank vom Zirkus die heißersehnten Boxhandschuhe überbringt. Danach setzt wieder die Kapelle ein, dazu traben die eleganten Zirkuspferde rhythmisch im Kreis. Drehorgelklänge mischen sich ein und erinnern an den Hinterhof, wo alles begann.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.


Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.
Information und Reservierung unter: 0160-1038663.

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