Das Wunderbare am Wunder ist, daß es geschieht, selbstverständlich, wie nebenher und fast unbemerkt. In schöner Ruhe fließt wie eh und je die Elbe im Tal, der jenseitige Hang liegt im Schatten einer langsam untergehenden Sonne. Im Vordergrund aber geschieht es, alles an Größe überragend, das alljährlich wiederkehrende Wunder: Frisches Grün im Arm und „des Frühlings blaues Band“ ausgelassen schwenkend, tanzen Silen und Nymphe den Tanz des Aufbruchs. So feiern sie den „Wonnemond“.
Michael Hofmanns Holzschnitt „Mai“ ist getragen von der Erleichterung darüber, daß es gegen alles Erwarten doch immer wieder grün wird im Lande. Die Erleichterung wird erhöht durch die Hoffnung: Als das Messer ins Holz griff, hatte eine Schneeschicht noch die froststarre Elbaue überzuckert. Seiner optimistischen Grundhaltung gemäß hat es der Künstler dennoch verstanden, aus Hoffnung und Erleichterung Zuversicht und Jubel werden zu lassen. Die einfachen Formen des Holzschnitts kommen ihm da ein weiteres Mal entgegen.
Im asiatischen, speziell japanischen Raum, hatte der Holzschnitt von Anfang an eine ganz eigene Entwicklung genommen. Bei den Weltausstellungen in Paris und London in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. kam die europäische Kunstszene damit gelegentlich in Berührung. Begeistert haben Paul Gauguin und nach ihm vor allem die Maler des Expressionismus die für sie neuen Anregungen – hier vor allem den Umgang mit Konturen, Flächen und Farben – aufgenommen und verarbeitet. Es ist die besondere Kunst des Holzschneiders, auch im Schwarz-Weiß-Druck die Illusion von Farbe entstehen lassen zu können.
Thomas Gerlach
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