Kötzschenbroda
Erstaunlich, dass Kötzschenbroda als Hauptort der Lößnitzgemeinden erst bei der Suche nach Zielen für die 8. Auflage der Bauherrenpreiswanderungen in den Fokus rückte. Verbindet man doch mit dem Dorfanger ein erfolgreiches Sanierungsgebiet, welches durch Erhaltung der gewachsenen Proportionen der dörflichen Bebauung einen Hauptanziehungspunkt von unserer Stadt bildet.
Durch diese Ursprungsgemeinde, die neben Radebeul zwischen 1924 und 1935 sogar eigenes Stadtrecht besaß, flanieren heute Einheimische und Gäste über die „Kneipenmeile“ über den „Markt“ oder beschwingt mit einem Glas Wein in der Hand durch das „Herbst- und Weinfest“. Die Friedenskirche liegt hier, die Fami, die Stadtgalerie, besondere Geschäfte … und welche Überraschung, Bauherrenpreisträger sind kaum zu finden. Woran liegt das? Hat sich niemand gefunden, prämierungswürde Vorhaben aus Kötzschenbroda vorzuschlagen oder waren andere Bauherren prämierungswürdiger?
An dieser Stelle möchte ich nochmals herausstellen, dass die Ambition des Radebeuler Bauherrenpreises im eigentlichen Sinne nicht zu „Gewinnern“ und „Verlierern“ führen soll. Aber was macht man, wenn man öffentliche Aufmerksamkeit erreichen möchte, wenn Bauvorhaben vorgeschlagen, verglichen, diskutiert und abgewogen werden sollen? Ein Wettbewerb hat da viele Elemente, um eine Diskussion über Baukultur anhand konkreter Objekte zu initiieren. Trotzdem ist es schade, dass es doch Bauherren gibt, denen das Nichtgewinnen die Freude an ihrer Beteiligung am Wettbewerb ein Stück verdarb. Dabei haben sie doch einen wichtigen bleibenden Beitrag zur Radebeuler Baukultur geleistet.
In diesem Jahr wird es die Verleihung des 20. Radebeuler (und vielleicht letzten) Bauherrenpreises geben. Bis 15. August 2025 ist die Einreichung von Vorschlägen bei der Stadt oder unserem Verein erbeten.
Der Aufruf erscheint im Amtsblatt. Haben Sie den Mut, Gebautes, was Sie mit Herz und Engagement in Radebeul errichtet oder mit Freude entdeckt haben, in die Diskussion der Öffentlichkeit einzubringen!
Die Wanderung durch Kötzschnbroda dieses Jahr ist ein Beispiel dafür, dass wir unseren Blick weniger auf Bauwerke lenken, deren Bauherrschaft prämiert wurde, sondern wir werden mit offenen Augen „durchs Dorf“ und Umgebung gehen und genießen, was hier alles mit oder ohne Preis erhalten wurde oder geschmackvoll neu entstanden ist.
Lassen Sie sich herzlich für Freitag den 27.Juni, 18 Uhr einladen.
Treffpunkt ist die stadtwärtige Straßenbahnhaltestelle Flemmingstraße.
Wie gewohnt wird bei der Einladung zur Wanderung in V&R noch nicht so viel über das Programm verraten. Die Wegstrecke wird wieder nicht besonders weit und nicht anspruchsvoll sein und an der Friedenskirche enden. Am Ende sind die, die es möchten, eingeladen, dort noch in gemütlicher Runde bei einem Glas Wein etwas zum Gedankenaustausch zusammen bleiben.
Nun möchte hier wieder die Gelegenheit genutzt werden, einen kleinen Rückblick auf unsere letzte Bauherrenpreiswanderung am 28.06.2024 zu halten – zur Erinnerung für die dabeigewesenen und vielleicht für Nichtdabeigewesene als Anregung für einen Spaziergang.
Zu unserer Überraschung nahmen reichlich 80 Interessierte an der Wanderung durch die Villenkolonie Altfriedstein teil.
Treffpunkt war am ehemaligen Heiteren Blick, der noch vor 200 Jahren ein Ausschank auf einem Weinberg war. Nur wenige Häuser standen damals an der Hausgasse (Winzerstraße) u.a. der erste Bauherrenpreisträger der Wanderung, das Haus Lotter (Bauherrenpreis 1998 in der Kategorie Sanierung).
Nordwestlich davon begann das vom Dresdner Architekurbüro Schilling & Gräbner (s. V&R 12/2008) 1899 erworbene 12 ha große und auf ehemaligen Weinbergen entwickelte Baugebiet der „Villenkolonie Altfriedstein“.
Man stelle sich den damaligen Blick vor: Von der noch über große Strecken durch die Felder führenden „Allee“ Meißner Straße führte eine andere Allee (heute Ludwig-Richter-Allee) bergan durch Obstgärten und ehemalige Weinberge mittig auf den am Hang thronenden Herrensitz Altfriedstein zu. In erheblichem Abstand stand das Herrenhaus des Neufriedstein mit Berghaus auf der Höhe, die Sektkellerei Bussard im Nierenberg oder das Haus Liborius an der Kreuzung der Allee mit dem Weg Bornberg/ Am Jacobstein.
Zuerst wurden durch Schilling & Gräbner in dem hängigen Gelände Straßen mit Kanalisation angelegt und gewaltige Stützmauern gebaut. Welch ein gewaltiger Eingriff in das bestehende Erscheinungsbild der Landschaft! Sogar Nebengebäude und der Westflügel des symmetrisch gebauten Altfriedsteins wurde abgebrochen, um die 98 Bauparzellen zu erzielen.
Ob es damals dazu Widerstände gab, ist mir nicht überliefert. Bekannt ist, dass der Gemeinderat von Kötzschenbroda mit kurzen Genehmigungszeiten das Vorhaben wohlwollend begleitete.
Nun wurden bis zum 1. Weltkrieg durch das Architekturbüro im Auftrag von Bauherren oder in eigener Initiative für den späteren Verkauf Häuser gebaut. Man konnte auch erschlossene Parzellen erwerben und nach Entwürfen anderer Architekten bauen lassen. Die Bauwelt war gar nicht so anders als heute.
Wir spazierten mit Blick auf verschiedene Villentypen die Lindenaustraße zum Altfriedstein hinauf. Dort gab es viel Geschichtliches zu erzählen. Selbst Graf Brühl hatte den Herrensitz 1763 als „Mon Repos“ in seinem Besitz. Das Wasser für die Wasserspiele kam vom heutigen Schwarzes Teich….
Auch wenn die Giebelfassade zur Ludwig-Richter-Allee heiter mit Putzstuck verziert wurde, sieht man die dem Gebäude durch Abbruch des Westflügels zugefügte Verletzung.
Nun liefen wir den Prof.-Wilhelm-Ring bergab, vorbei an der Hausnummer 20, in der auch 1951/52 der Schriftsteller Martin Andersen Nexö wohnte. Dieses Gebäude bauten Schilling & Gräbner 1903 als Leitbau, konnten es aber erst 1916 verkaufen.
Ein weiteres Stück hinunter, in der Kurve mit der Hausnummer 26, steht die prächtige Villa Schwarze. Wir wurden vom Team des im EG befindlichen „Zahn Ateliers“ herzlich begrüßt und durften das Grundstück und die Praxisräume besichtigen. Nochmals herzlichen Dank dafür.
Für den der Villa Schwarze gegenüberliegende öffentliche Park erhielt die Stadt Radebeul 2011 den Bauherrenpreis. Möglich wurde dessen Sanierung auch durch eine erhebliche Spende Erivan Haupts.
Am heutigen Pflegeheim Neufriedstein entdeckten wir den ehemals hinter dem Altfriedstein stehenden Delfinbrunnen. Auch versuchten wir uns zu erinnern, wie wohl die vormals hier gestandene, als Altenheim für Artisten genutzte Sarrasanivilla aussah. So richtig hatte keiner mehr konkrete Erinnerungen. Der in der Nachbarschaft liegende Garten der Familie Dr. Junker erhielt 1999 den Bauherrenpreis.
Ein kleiner Weg führte uns zur Straße Neufriedstein hinunter, wo wir in westlicher Richtung weitergingen und auf den ehemaligen Herrensitz Neufriedstein stießen. Dieses Ensemble hat im Erscheinungsbild ebenfalls verschiedene Entwicklungen durchlaufen. Als Veranschaulichung wurden hier alte Ansichtskarten herumgereicht. Interessant war es, den kleinen Platz vorm Hauptgebäude als ehemaligen Kutschenwendeplatz erläutert zu bekommen.
Bauherrenpreisträger sind aber hier die Besitzer des Nachbargebäudes Neufriedstein 3a. Sie erhielten den Preis im Jahr 2002 für die gelungene Altbausanierung.
Mit freundlicher Erlaubnis des Pächters stiegen wir nun die durch den Weinberg „Sandleite“ führende Weinbergstreppe zur Straße Am Jacobstein hinab. Nun war es nicht mehr weit zum Haus Fliegenwedel. Familie Hößelbarth, die 1998 in der Kategorie Sanierung den Bauherrenpreis erhielt, empfing uns herzlich. Fachkundig erläuterte uns Herr Hößelbarth als Architekt die Bau- und Sanierungsgeschichte und führte uns durch verschiedene Räume bis in den Keller. Dort wurde bereitwillig zur Herstellung des auf eigenem Berg gewachsenen Weins Auskunft gegeben. Bei Hößelbarthschem Wein klang an einem lauen Sommerabend mit guten Gesprächen diese Wanderung aus.
Michael Mitzschke