Architekt Ernst Ziller zum Hundertfünfundsiebzigsten

Der Bruder der Gebrüder Ziller gestaltete Athen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Ernst Moritz Theodor Ziller (Ernestos Tsiller, 1837-1923) war ein sächsisch-griechischer Architekt, Bauforscher und Archäologe, der fast ausschließlich in Griechenland gewirkt hat. Mit über 500 privaten und öffentlichen Bauten bzw. Entwürfen prägte Ziller die Architektur des späten 19. Jahrhunderts in Griechenland nachhaltig. Das wohl einflussreichste Mitglied der ursprünglich sächsischen Baumeisterfamilie Ziller erwarb 1876, durch die Heirat mit der makedonischen Klaviersolistin Sophia Doudou, die griechische Staatsangehörigkeit.

Ernst Ziller und Ehefrau Sophia geb. Doudou

Den weitaus größten Teil seiner Bauten entwarf Ziller für Athen, das seit 1834 Hauptstadt des modernen Griechenland war. Der Ausbau der 1831 nur rund 12.000 Einwohner zählenden Stadt zur rapide wachsenden, repräsentativen Hauptstadt war nach einem Plan von Schaubert und Kleanthis im Stil eines griechisch geprägten Klassizismus im Sinne ihres Lehrers Schinkel begonnen worden. Die dänischen Brüder Hans Christian und Theophil von Hansen setzten unter König Otto diese Arbeiten fort. Ziller verband deren griechischen Klassizismus mit Stilelementen einer norditalienischen Neorenaissance und, in seinen Kirchenbauten, mit byzantinischen Architekturelementen. Er prägte während der Regierungszeit König Georgs I. das Aussehen Athens als moderne europäische Metropole mit repräsentativen öffentlichen Gebäuden und prächtigen Privathäusern.

Ziller wurde am 22. Juni 1837 als ältester Sohn des Lößnitz-Baumeisters Christian Gottlieb Ziller (1807-1873) in dessen Landhaus in Serkowitz (heutige Adresse Oberlößnitz, Augustusweg 4) geboren. Ein Jahr später folgte sein Bruder Moritz (1838-1895), der später das väterliche Geschäft übernehmen und es zusammen mit Bruder Gustav (1842-1901) zur Baufirma „Gebrüder Ziller“ umfirmieren sollte. Ernst wurde Maurermeister, Moritz Zimmermeister. Zusätzlich besuchte Ernst für drei Jahre das Bauatelier der Dresdner Akademie. Dann gingen beide über Leipzig nach Wien, wo Moritz als Zimmermann Arbeit fand und Ernst im Büro des dänischen Architekten Theophil von Hansen aushalf. Bereits ein halbes Jahr später ging Hansen zur Vorbereitung seines Baus der Athener Akademie nach Griechenland. Die beiden Brüder kehrten derweil in die Lößnitz zurück. Moritz trat in Folge in das väterliche Bauunternehmen ein, während Ernst einen Wettbewerb für eine Bebauung in Tiflis gewann. Statt diese als Gewinner auf Einladung der russischen Botschaft zu realisieren, folgte er der Einladung Hansens und kehrte zu diesem nach Wien zurück.

Während der nächsten anderthalb Jahre zeichnete Ziller die Pläne für Hansens Athener Akademie, dann fuhren beide 1861 nach Athen. Ziller blieb dort als Hansens Bauleiter und realisierte für diesen in den nächsten dreißig Jahren die Akademie, das Ausstellungsgebäude Zappeion und die Nationalbibliothek. Unterbrochen wurde Zillers Arbeit durch die Revolte von 1864 und König Ottos Abdankung, als Ziller über Italien (Studienreise) nach Wien (Diplom an der dortigen Akademie) zurückkehrte. Weitere Studien führten ihn sodann nach Berlin/ Potsdam und Dresden, wo er Schinkels und Sempers Werke studierte.

Ziller kehrte 1868 nach Athen zurück, um unter dem neuen König Georg I. die Akademie weiterzubauen. Auch wollte Ziller endlich selbst als Ausgräber tätig werden. Bereits 1862 war er als Zeichner am Dionysostheater tätig, ebenso 1864 in Troja. Im selben Jahr kaufte er ein Grundstück in Athen, auf dem er 1868/ 1869 das Panathenäische Stadion wiederentdeckte. Der König unterstützte Ziller, und 1870 fanden in dem provisorisch hergerichteten Stadion die zweiten Olympien statt. Nach Plänen Zillers rekonstruierte Zillers Mitarbeiter Metaxas später das Stadion, in dem dann 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit stattfanden.

Ernst Ziller, um 1880

Ab Ende der 1860er Jahre führte Ziller neben seiner Arbeit für Hansen auch ein eigenes Atelier, in dem ab 1868 für das nächste Jahrzehnt Zillers jüngster Bruder Paul (1846-1931) als Assistent arbeitete, bis dieser sich auch als Architekt in Athen selbstständig machte und Mitte der 1890er Jahre in die Lößnitz zurückkehrte. Erste öffentliche Bauaufträge Ernst Zillers waren die Theater in Patras und Zakynthos. 1872 wurde er Athener Professor für Architektur und baute das Königliche Theater. 1884 berief ihn der König zum Direktor für öffentliche Bauten, und Ziller baute bis zum griechischen Staatsbankrott 1893 unter anderem die Nationalbank, die Hauptpost und das Kronprinzenpalais.

Parallel dazu errichtete Ziller zahllose Kirchen im byzantinischen Stil, so in Athen, Pyrgos, Thessaloniki, Egio und anderswo. Das Athener Großbürgertum ließ sich inzwischen inner- und außerhalb Athens seine Stadtpalais‘ und Villen von Ziller entwerfen. Am bekanntesten davon wurde das Wohnpalais Iliou Melathron (Palast von Ilion), das er für seinen Freund, den Troja-Ausgräber Heinrich Schliemann, errichtete. Ebenfalls für Schliemann erbaute er nach dessen Tod das Mausoleum in Form eines tempelartigen, altgriechischen Heldendenkmals.

Im Juli 1900 kam Besuch: Karl und Emma May sowie Richard und Klara Plöhn besuchten während Mays Orientreise Athen und verbrachten auf Vermittlung Zillers eine „Mondnacht“ auf der Akropolis. Dort entstand der Gedanke an eine gemeinsame Familiengruft in Form des Niketempels, die 1903 nach dem Tod von Richard Plöhn unter Bauleitung von Paul Ziller in Radebeul realisiert wurde und wo Karl und Klara May heute beerdigt sind.

Ein ungünstig verlaufender Geschäftsvorfall im Jahr 1900 ruinierte Ziller, er musste alle Besitztümer zu Geld machen. Nachdem um 1900 auch die Zeit der großen Bauaufträge zu Ende ging, wurde es um Ernst Ziller ruhiger. Er beschäftigte sich nur noch mit einigen kleineren Bauten wie 1905/1906 mit dem Österreichischen Archäologischen Institut oder auch einigen Kirchen und Denkmälern; seine Frau gab Klavierstunden. Durch die antideutsche Stimmung während und nach dem Ersten Weltkrieg geriet Ziller in Isolation. Sein wohl letzter Entwurf stammte von 1920 und handelte von einem Denkmal auf der Insel Lesbos.

Ziller starb 86-jährig am 25. November 1923 in Athen, laut Papastamos „alt und arm“. Er wurde wie Schliemann auf dem Ersten Athener Friedhof beerdigt.

Jens Bergner

Im 2. Teil lesen Sie: „Vom Bauleiter und Bauforscher zum geschätzten Vertreter des Gesamtkunstwerks.“

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  1. […] Den ersten Teil dieser Reihe lesen Sie hier. […]

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