Unsere alten Handwerksmeister – Dieter Krause

Im Augustheft 2011 hatte ich mit einer lockeren Folge begonnen über Radebeuler Handwerker zu schreiben, die im Ruhestand angekommen sind. Heute will ich von einem Niederlößnitzer Schlosser berichten, an den sich der eine oder andere noch erinnern wird.

Schmiedeeiserne Klinke am Eingangstor

Dem Grundstück von Dieter Krause in der Dr.-Külz-Straße 1 sieht man heute auf den ersten Blick nicht an, dass hier mal eine Schlosserwerkstatt war. Ein zweiter Blick auf die Türklinken am schmiedeeisernen Tor – die Klinken sind jeweils als Hand eines Ritters gestaltet – lässt dagegen schon an die Arbeit eines Schlossers um 1870 denken. Als ich Dieter Krause gegenüber sitze, erfahre ich, dass er 1930 in der Grünen Straße 1, so hieß die Dr.-Külz-Straße einst, geboren wurde und schon als Kind gern dem Großvater in der Schlosserwerkstatt zuschaute und manchmal auch helfen konnte. Das Interesse am Handwerk war ihm sozusagen in die Wiege gelegt worden. Gegründet wurde die Schlosserei 1870 von Julius Körner, dem Urgroßvater mütterlicherseits. Er und sein Sohn Hugo Körner wurden nur 40 bzw. 31 Jahre alt. Der zweite Großvater, Max Theile, hatte es dann durch den ersten Weltkrieg, Inflation, Weltwirtschaftskrise und die NS-Zeit oft sehr schwer den Werkstattbetrieb aufrecht zu halten.

Doch zunächst musste die Schule im Ledenweg bis 1944 absolviert werden. Danach folgte für ein knappes Jahr der Besuch der Ingenieur- und Techniker-Vorschule in Dresden, ein Zwischenschritt, der heute nicht mehr üblich ist. Der Bombenangriff vom 13./14. Februar vernichtete auch diese Schule. Am 1. April begann dann die Lehre als Maschinenbauschlosser in einer Dresdner Maschinenfabrik, in der auch sein Vater Willy Krause als Konstrukteur tätig war. Doch bereits am 17. April 1945 war wieder Schluss. Er und sein Vater überlebten den Bombenhagel des Tagangriffs nur durch ein Wunder. Erst mal ging gar nichts mehr außer Trümmerbeseitigung und verschiedener Hilfsdienste. Eine kurze Beschäftigung nach Kriegsende in der Coswiger Walzengießerei war auch nur vorübergehend.
Um endlich zu einer richtigen Ausbildung zu kommen, ging er ab November 1945 nun als Bauschlosserlehrling zum Großvater, wo inzwischen auch sein Vater arbeitete. Doch im März 1946 erlag Max Theile unerwartet einem Schlaganfall – rasche ärztliche Hilfe bei Schlaganfall war zu der Zeit nicht möglich. Beide mussten nun den Betrieb so gut es ging am Laufen halten. 1949 konnte Dieter Krause dann endlich seine Gesellenprüfung ablegen und auch sein Vater musste noch nachträglich eine Meisterprüfung absolvieren.

Dieter Krause

In den folgenden Jahren wurde staatlicher Druck auf die kleinen Betriebe mit dem Ziel, eine PGH (Produktionsgenossenschaft des Handwerks) zu bilden, ausgeübt, dem die Familie Krause aber standhielt. Daraus entwickelten sich nun aber DDR-typische Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung über die ELG (Einkaufs- und Liefergenossenschaft) – da waren Kreativität und persönliche Beziehungen gefragt! 1957 folgte die bestandene Meisterprüfung. Arbeit gab es in den Jahren bis zur Wende genug. Neben den vielen Kleinreparaturen für die Bevölkerung kamen nun auch einige Großaufträge dazu, z.B. ab 1967 für die Deutsche Reichsbahn (sämtliche Bauschlosserarbeiten für vier neue Stellwerke zwischen Radebeul-Ost und Coswig), Aufträge für Konsum und HO sowie andere Betriebe, Sparkassen und selbst die Staatsbank.

Ein schöner Auftrag im Bereich der Denkmalpflege führte ihn ins Schloss Moritzburg. Da sollte er in allen barocken Türen bei Erhalt der alten Schließtechnik Sicherheitsschlösser einbauen, die nicht auffielen, was Einfühlungsvermögen und handwerkliches Geschick von ihm erforderte. Spannend war auch der Auftrag in einem anderen Museum neue Schlösser einzubauen, wobei die wichtigen Eingangstüren im Auftrag fehlten. Der Schlosser merkte es, konnte aber das Material nicht kurzfristig erhalten, weil das ein weiteres Jahr Bestellzeit gekostet hätte. So waren die Zeiten! Durch einen Tipp erfuhr er, dass solche Sicherheitsschlösser in Radeberg in einem Laden vorrätig waren. Er kaufte also 6 Schlösser aus dem Bevölkerungsbedarf, was ein Handwerker damals jedoch nicht durfte, und baute sie ein. Das wäre dann beinahe bei der folgenden Steuerprüfung schief gegangen, wenn er nicht ein Dringlichkeitsschreiben von der Bauleitung hätte vorweisen können.

Als der Vater Willy Krause 1968 Rentner wurde, verweigerte das Gewerbeamt im Radebeuler Rathaus die Übernahme der Werkstatt durch den Sohn. So lief sie die nächste Zeit weiter auf den Namen des Vaters. Erst als 1977 im Rathaus dringende Reparaturarbeiten ausgeführt werden sollten, konnte Dieter Krause die Übernahme des Betriebes zum 1.1.1978 durchsetzen. Die Arbeiten konzentrierten sich dann mehr und mehr auf den Schlüsseldienst, Stahlbau überließ er anderen Betrieben. Zum Schlüsseldienst gehörte nun eine 24-Stunden-Bereitschaft, d.h., Flexibilität und Soforthilfe, wenn sich z.B. jemand selbst ausgesperrt hatte. Auch solche Hilfsdienste in Not sorgten für einen guten Ruf des Geschäfts.

Die Probleme bei der Materialbeschaffung änderten sich nach 1989 schlagartig, als nun alle möglichen Schließtechnikfirmen Westdeutschlands bei den Ost-Schlossern Schlange standen. Dieter Krause wollte aber die Übersicht behalten und hatte dann nur Verträge mit vier seriösen, bekannten Firmen abgeschlossen. Damit ist er bis zum Schluss gut gefahren. Von den bisherigen Dauerkunden waren durch die Wende viele verschwunden. Dafür waren neue Kunden dazugekommen und besonders bei der Bevölkerung bestand großer Bedarf an neuen Sicherheitsschlössern. Leider brachte ab 1992 der Verlust des linken Auges infolge einer missglückten Staroperation Einschränkungen für seine Arbeit als Schlosser. Ab dieser Zeit machten Zulieferarbeiten für Radebeuler Handwerkskollegen, vorwiegend Tischler, aber auch Schulen und das Krankenhaus den Hauptanteil seiner Arbeit aus. 1999, also mit fast 70 Jahren, stellte Dieter Krause schließlich die Berufstätigkeit als Schlosser ganz ein.
Ein kurzer Blick in die Werkstatt zeigt mir heute, dass alles Nötige – Schlüsselrohlinge, Schraubstock, Feilen aber auch kleinere Maschinen – noch da ist. Es herrscht Stille, es sieht aus, als sei der Meister nur mal kurz zu Tisch gegangen.

Nun ab der Jahrtausendwende sollten andere Beschäftigungen die Tage von Dieter Krause ausfüllen, seine Hobbys. Ich war überrascht, wie breit gefächert sein Interesse an Eisenbahntechnik und Modellbau, am Gartenbahnbetrieb, Schmalspurbahnen in Sachsen und Straßenbahnen in Dresden ist. Dazu gehören auch diesbezügliche Archiv- und Museumsbesuche, eine eigene kleine Fachbibliothek und Fotoexkursionen dahin, wo es dampft und zischt. Bei Letzterem bleibt er wohl der alten Fototechnik mit Film treu, wie er sagt. So hatte er auch in den 50-er Jahren rollende Technik auf den Bahnhöfen fotografiert, was seinerzeit noch verboten war – ja, so sind sie, die wahren Technikexperten. Mit Freude im Gesicht sprach er vom „großen und kleinen Hecht“, von den diversen Tatrabahnen in Dresden und fragte, ob ich wüsste, dass die frühere Lockwitztalbahn eine andere Spurweite (1m) hatte als die Dresdner Bahnen.

Auch nach dem Tod seiner Frau meistert er die Arbeiten in Haus und Garten. Wir wünschen Dieter Krause in seinem 83. Lebensjahr Gesundheit, viel Freude mit allem was auf Schienen fährt und weiterhin alles Gute.

Dietrich Lohse

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