Fotograf und Heimatforscher neben seinem Beruf
Das Recherchieren zu Hellmuth Sparbert hatte ich mir leichter vorgestellt. Im damaligen Aktiv für Denkmalpflege hatte ich ihn noch persönlich kennengelernt, und auf ,,fotografische Spuren” von ihm stößt man heute noch gelegentlich. Zur Person selbst habe ich mich mühsam an ein Mosaik von Fakten und Daten herangefragt. Soviel steht fest, erinnern an ihn heißt nicht, ihn auf einen Sockel heben zu wollen – das hätte er sicherlich abgelehnt.
Am 26. Mai 1893 wurde Hellmuth als Kind von Paula und Alfred Sparbert in Berlin geboren, wo Sparberts aber offensichtlich nicht lange gewohnt haben dürften. Nach erfolgreichem Schulbesuch erhielt Hellmuth 1912 das Reifezeugnis der Dreikönigschule in Dresden. Anschließend (1912/13) kam die Lehrzeit in der Schnellpressenfabrik Coswig und folgerichtig ein Studium für Maschinenbau an der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg (1913/14).
Der 1. Weltkrieg zwang ihn aber, das Studium nach dem 3. Semester abzubrechen . Von 1914 bis 18 diente er als Reserveoffizier beim 12. Pionierbatallion vorwiegend an der Westfront , später in Rumänien. Nach der Heimkehr aus dem Kriege hätte er 1918 möglicherweise sein Studium fortsetzen können, so gab er aber der praktischen Arbeit in der Firma des Vaters, der Graphischen Handelsgesellschaft Dresden, die später als Fa. Sparbert u. Co. nach Kötzschenbroda zog, den Vorzug. Als Konstrukteur war er mit mindestens 5 Patenten an der Entwicklung neuer Schnellpressen und Druckmaschinen beteiligt.
Er heiratete im Jahre 1922, hatte aber mit seiner Frau keine Kinder. Sparberts wohnten in der Uferstraße 11 in Kötzschenbroda und arbeiteten gern in ihrem Garten nahe der Elbe.
Die väterliche Firma kam irgendwie nicht um die Klippe Weltwirtschaftskrise herum, so daß er 1927 eine Anstellung als Konstrukteur bei der Dresden-Leipziger-Schnellpressen AG Coswig , der späteren „Planeta”, annahm.
Der 2. Weltkrieg unterbrach seine Laufbahn von 1939 bis 1945 erneut – er diente jetzt als Hauptmann im rückwärtigen Dienst u. a. in einem Sägewerk. Wenigstens konnte er da seine technischen Fähigkeiten anwenden und war nicht in vorderster Front.
Von 1945 bis 48 hatte er verschiedene, sich gerade bietende Arbeiten angenommen , ehe sich 1948 dann die Möglichkeit ergab, wieder in seinem alten Beruf in der Planeta bis zu seiner Pensionierung 1958 zu arbeiten.
Nun konnte er sich mit ganzer Kraft seinen Hobbys (das Wort hätte er wohl abgelehnt) widmen. Die Tätigkeit im Rahmen des Deutschen Kulturbundes brachte ihm 1967 mit der Ehrennadel „Für heimatkundliche Leistungen” in Bronze eine späte, aber verdiente Anerkennung. Seine heimatkundlichen Interessen lagen in Sachsen, vorwiegend im Vogtland, im mittelsächsischen Raum um Rochlitz und in der Lößnitz und dem Meißner Elbtal, seine weitesten Reisen dürften die nach Brandenburg und Thüringen gewesen sein. Dabei mußte er die Gegenden mit dem Rucksack erwandern; er verabscheute Autos und Benzingestank. Nur als Ende der 60er Jahre körperliche Beschwerden auftraten, schaffte er sich ein leichtes Gefährt mit Mopedmotor und Untersetzung für Langsamfahrten an.
Zunächst hat Hellmuth Sparbert Eindrücke von Exkursionen (Landschaften, Bauzustände) zeichnerisch festgehalten – ich fand eine Mappe mit etlichen, von ihm gezeichneten und z. T. farblich angelegten Radebeuler Bauwerken, datiert von 1910 bis 1914. Sehr interessant aus heutiger Sicht, weil sich viele Häuser inzwischen verändert haben. Für einen angehenden Techniker darf man in erster Linie Detailtreue voraussetzen, künstlerisch sollte man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen. Vereinzelt gibt es auch spätere Nachweise für seine zeichnerische Betätigung.
Leider ist nicht genau feststellbar, wann Sparbert sich seine erste Fotoausrüstung zugelegt hatte. Vermutlich in den 20er Jahrem, als er eine gewisse wirtschaftliche Selbständigkeit erreicht hatte. Fotos, die ihm zuzuschreiben sind, gibt es in großer Zahl
aus den 30er, 50er und 60er Jahren. Er war als Fotograf von Bauern- und Winzerhäusern, Landschaft, Bäumen und gelegentlich auch Technik sehr fleißig, er arbeitete systematisch, oft mit Akribie. Wissend, daß die Welt im Allgemeinen und jedes Haus im Speziellen nicht so bleibt, wie es ist, arbeitete er nach dem Grundsatz: Den derzeitigen Zustand möglichst genau im Bild festhalten, damit sich die Nachwelt daran orientieren kann. Daß ihm das gelungen ist, muß ich nicht beweisen, es ist Tatsache!
Sparbert hat nur mit Plattenkameras (Dresdner Fabrikate, wohl im Mittelformat) gearbeitet, dazu hat er auch meist ein Stativ benutzt. Den Einsatz von Spezialobjektiven, Filtern oder Blitzlicht konnte ich bei seinen Fotos nicht nachweisen. Seine Bilder sind sachlich, durchdacht und technisch sauber, nie um besondere Effekte bemüht. Spiele mit Licht und Schatten oder Wolkenbildungen waren nicht seine Sache – er war Dokumentarist
und Chronist.
Eines aber war typisch für viele seiner Fotografien. Sparbert hat gern ausgefallene Standorte für seine Motive gesucht, d. h., er stieg auf Berge, Kirchtürme oder Hochspannungsmasten (für letztere muß er geradezu eine Vorliebe gehabt haben – kalkuliertes Risiko?)
Personen- und Porträtaufnahmen sind bei ihm, abgesehen von Bildern mit seiner Frau, die gelegentlich als Maßstabsbildnerin in der Landschaft steht, eher selten. Und beinahe aussichtslos war meine Suche nach einem brauchbaren Porträt mit ihm – sein Platz war hinter der Kamera!
Durch eine enge Zusammenarbeit Sparberts mit dem alten Stadtarchiv ist der allergrößte Teil seiner Radebeuler Aufnahmen dort noch vorhanden. Eine andere Serie hatte er um 1960 als Denkmalkartei für das Stadtbauamt angefertigt. Glücklicherweise fand ich auch diese Sammlung fast vollständig wieder. Ein Teil seiner Fotos ist auch in Privatbesitz (Familie, Freunde usw.). Seine Abzüge, die er alle selbst entwickelt und vervielfältigt hat, liegen sowohl in Brauntönen als auch in Grauwerten vor und haben gelegentlich
einen Rand mit gerundeten Ecken . Er hat auch einige Reproduktionen von älteren Fotos, deren Urheber er gar nicht sein konnte, gemacht.
Ich glaube, in dieser intensiven Sammel- und konzentrierten Fototätigkeit liegt Hellmuth Sparberts größte Bedeutung für uns und vielleicht auch spätere Generationen.
Nicht unerwähnt bleiben darf seine Mitarbeit in Gremien. Kulturbund und Denkmalaktiv waren bereits genannt, hinzu kommt die intensive Zusammenarbeit mit Stadtarchiv und Heimatmuseum, und er war auch lange Zeit in einem Männerchor, der u. a. beim Pfingstsingen an Schwarzes Teich teilnahm .
Sparbert war klein von Statur, trug meist eine Baskenmütze und war im Allgemeinen sehr ausgeglichen , konnte aber um Themen, von denen er überzeugt war, hartnäckig kämpfen.
Mir liegen Aufzeichnungen von seiner Hand vor, wo um den Neubau der Volkssternwarte (1961) und um eine Strukturänderung des Heimatmuseums/Hoflößnitz (1962) gestritten wurde.
Er hatte übrigens eine sehr ausgeprägte, gut lesbare Handschrift – eine graphologische Deutung traue ich mir allerdings nicht zu.
Zum Schluß eine überlieferte Geschichte , die sagen will, Hellmuth Sparbert war sehr wanderfreudig, vielleicht etwas weltfremd – und er legte keinen Wert auf Äußerlichkeiten. So wanderte er im Vogtland und näherte sich ohne Absicht und Argwohn der innerdeutschen Grenze. Eine Grenzstreife griff ihn auf und warf ihm Landstreicherei, Grenzverletzung und wohl gar Spionage (wegen des Fotoapparates) vor. Seine Erklärungen, vor allem, daß er als Ingenieur arbeite wurden aufgrund der näheren Umstände und wegen seiner bescheidenen Kleidung nicht geglaubt. Er wurde etliche Stunden in Gewahrsam genommen und erst am nächsten Morgen, als eine Bestätigung von der Planeta vorlag, freigelassen. Kleider machen Leute, in diesem Falle andersherum.
Hellmuth Sparbert starb am 14. Februar 1971 im Alter von 77 Jahren an Herzkranzverkalkung. Er ist im fabrikantenmäßigen Familiengrab auf dem Friedhof Kötzschenbroda beigesetzt worden .
Diesmal danke ich meinen Gesprächspartnern Frau Schließer, Frau Karnatz, Herrn Sauermann sowie Herrn Frank Sparbert, einem Neffen, für ihre Unterstützung.
Dietrich Lohse