Im Archiv gestöbert: Der Architekt und Kunsthistoriker Richard Steche

Manfred Altner hat im Dezemberheft der Vorschau als kleinen Nachtrag zum Radebeuler Stadtlexikon Wissenswertes zur Biographie von Generaloberarzt Walter Stechow berichtet, der 1885 das Hohenhaus in Zitzschewig erwarb. Uns geht es aus gegebenem Anlass in diesem und im folgenden Heft um das Leben eines Mannes mit ganz ähnlich lautendem Namen, der sich etwa zur gleichen Zeit, Heilung suchend, in Niederlößnitz niederließ und seinem deutlich bescheideneren Domizil an der Winzerstraße aus Liebe zum vierbeinigen Haustier die Bezeichnung „Mops-Haus“ verpasste. Im Stadtlexikon taucht der Jubilar – im Februar jährt sich sein Geburtstag zum 170sten Male – zwar schon auf, doch die Liste seiner Verdienste ließ sich dort nur in Ansätzen skizzieren. Gemeint ist

 Der Architekt und Kunsthistoriker Richard Steche

vorschau_1-07_richard-stecheDie besondere Wertschätzung, die Richard Steche gegen Ende seines Lebens genoss, lässt sich schon daran ablesen, dass ihm 1893 – lange nach Schließung des Kötzschenbrodaer Kirchhofs für Begräbnisse – die letzte Ehre zuteil wurde, „unter den Klängen der Feiertagsglocken“ direkt neben der heutigen Friedenskirche bestattet zu werden. Das mit einem bronzenen Portraitrelief versehene Grabdenkmal gereicht dem Kirchhof noch heute zur Zierde.
Doch wer war Richard Steche? Die bis heute ausführlichsten Würdigungen seiner Person verdanken wir Hermann Arthur Lier (1857-1914), der jahrzehntelang als Bibliothekar an der königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden wirkte und mit Steche unter anderem das Interesse für historische Bucheinbände teilte. Auch Lier gehört zu den runden Lößnitz-Jubilaren dieses Winters. Er wurde am 1. Februar vor 150 Jahren in Herrnhut geboren und wohnte seit den 1890er Jahren in Niederlößnitz, später bis zu seinem frühen Tod, wie Kürschners Deutscher Literatur-Kalender etwas irreführend vermerkt, in „Dresden-Serkowitz, Mozartstr. 4“. Obwohl Lier nur wenige selbständige Publikationen hinterlassen hat, war er ein überaus produktiver Schriftsteller. Allein zur „Allgemeinen Deutschen Biographie“, dem vielbändigen biographischen Standardwerk der Kaiserzeit, steuerte er mehr als 400 Lebensbeschreibungen bei. Um auch Lier zu seinem Recht kommen zu lassen, lehnen wir uns im Folgenden eng an seine Aufsätze über Richard Steche an.[1]
Franz Richard Steche wurde am 17. Februar 1837 in Leipzig als Sohn ei­nes angesehenen Rechtsanwalts geboren. Er wuchs in einem kunstsinnigen Hause auf, dessen Seele seine Mutter Lidy, geb. Angermann, war. Vor ihrer Heirat Sängerin am Leipziger Gewandhaus, leitete sie spä-
ter einen Gesangverein, der 1853 Ri­chard Wagners „Lohengrin“ zur konzertanten Uraufführung brachte. Zu den Musikern, die in Steches Elternhaus verkehrten, gehörten neben Wagner unter anderem auch Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Liszt und Robert Schumann. Die musischen Interessen des jungen Richard richteten sich allerdings, befördert durch seine Lehrer an der Thomasschule, eher auf die bildenden Künste und die Altertumskunde. Seinen Wunsch, Kunstgeschichte zu studieren, gab er auf Betreiben der Eltern auf und bezog stattdessen 1856 die Dresdner Bauschule, um Architekt zu werden. Von 1859 bis 1861 setzte er seine Studien an der Bauakademie in Berlin fort und arbeitete danach in den Ateliers von Oberhofbaurat Jo­hann Heinrich Strack und Richard Lucae, die die besonderen zeichnerischen Fähigkeiten Steches zu schätzen wussten und ihm erste selbständige Aufträge vermittelten.
1863 fand Steche eine Anstellung als Architekt bei der Mecklenburgischen Friedrich-Franz-Eisenbahn, für die er u. a. die Bahnhöfe von Neubrandenburg und Oertzenhof entwarf. Diese zeigen in ihrer zeittypischen Backsteinarchitektur deutlich den Einfluss seines Lehrers Strack. In seinen Mußestunden widmete sich Steche der Erforschung der mittelalterlichen Kirchen- und Profanbauten Mecklenburgs. Durch Aufträge zur Restaurierung der historischen Dorfkirchen von Lübberstorf und Sadelkow konnte er in dieser Zeit auch erste Erfahrungen in der praktischen Denkmalpflege sammeln.
1867 kehrte Steche nach Sachsen zurück und ließ sich nach Ablegung des Bauhandwerkerexamens in Dresden als Architekt nieder. Trotz einiger Erfolge in diesem Beruf – in Leipzig baute Steche unter anderem den Eilenburger Bahnhof und gewann den Wettbewerb für einen Kirchenneubau – gehörte seine eigentliche Leidenschaft der kunstwissenschaftlichen und archäologischen Forschung. Um den Kreis seiner Anschauungen zu erweitern, unternahm er jährlich größere Reisen, von denen er stets eine Fülle neuer Eindrücke und Beobachtungen mit heimbrachte. Diese verarbeitete er in Aufsätzen für Zeitungen und Zeitschriften, mit denen er sich auch in akademischen Kreisen einen Namen machte. Unter seinen ersten wissenschaftlichen Arbeiten finden sich auch einige zur Baugeschichte und künstlerischen Entwicklung der Residenzstadt Dresden, etwa über George Bähr, den Baumeister der Frauenkirche, oder seine Leipziger Dissertation (1877) über Hans von Dehn-Rothfelser, den Oberbauleiter des Dresdner Schlosses.
Steches besondere Aufmerksamkeit galt dem Gebiet der angewandten Kunst und dem Kunstgewerbe, etwa der Geschichte der Möbel und Öfen. 1875 initiierte er in Dresden eine viel beachtete Ausstellungen älterer kunstgewerblicher Arbeiten, eine der ersten ihrer Art in Deutschland. Mit einer Arbeit zur Entwicklung der sächsischen Buchbinderkunst habilitierte er sich 1878 an der königlichen technischen Hochschule, wo er 1880 zum außerordentlichen Professor für die Geschichte der technischen Künste berufen wurde. Im gleichen Jahr übernahm Steche die Leitung des Inventarisationswerkes der sächsischen Kunstaltertümer. In dieser Funktion erarbeitete er die ersten Bände der „Beschreibenden Darstellung der Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens“ (1882ff.), sein bis heute wichtiges wissenschaftliches Hauptwerk, das uns im nächsten Heft ebenso beschäftigen soll wie Steches letzte Jahre in Niederlößnitz.
Frank Andert

 1 H.A. Lier: Richard Steche. Ein Nekrolog. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 14(1893), S.125-137. – H.A. Lier: Steche,
 Franz Richard. In: Allgemeine Deutsche
 Biographie, Bd. 35, S.537-539.
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