Aufmerksame Schilderungen in der Stadtgalerie

Die Radebeulerin Susan Wittwer absolvierte an der Dresdner Kunsthochschule ein Studium der Malerei und Grafik, an das sich zwei Meisterschüler-Jahre anschlossen. Seit fünf Jahren ist sie in ihrer Geburtsstadt freiberuflich tätig.

Man mag ihre Menschenbilder ungern als Porträts bezeichnen, wobei einem Passbilder und Fotoalben in den Sinn kommen. „Bildnis“ wäre zutreffender und verbindet das Menschenbild der Malerin mit dem der alten Meister.

Susan Wittwer: Anspannung, Öl auf Leinwand, 2008

Susan Wittwer: Anspannung, Öl auf Leinwand, 2008

Wenn diese Heilige, Helden und Heroen malten, dienten ihnen Zeitgenossen als Modell. Auch auf einigen Bildern Susan Wittwers tritt uns eine gleichwohl verstecktere Maskerade entgegen. Die Haltungen und Attribute der Dargestellten dienen als Katalysatoren. mit deren Hilfe die Wesenszüge der Betreffenden anschaulich werden. Das wird oft spontan aus der vorgefundenen Situation  entwickelt wie auf dem Bildnis des Autors, der ein Buch vor sich auf dem Tisch liegen hat Des Schriftstellers Schaffen nährt sich aus zwei Quellen: Er liest das Geschehen um sich wie ein Buch, und erlebt die Lektüre wie ein Geschehen. Bestimmt liegen der Malerin solche Reflexionen während der Arbeit fern. Vielleicht sieht sie aber auch mit Befriedigung, wie das Zufällige unter der Hand sich in Sinnfälliges  verwandelt. Wie es auch auf dem Bild mit der Frau. zu derenFüßen ein Hund lagert, ganz ungezwungen geschieht. Oder die Pose des Burgermeisters einer Kleinstadt. aus dem sie unwillkürlich den Typus eines Herrscherbildnisses ableitet. Ein Einzelfall, der fast mutwillig wirkt, ist das Gouache-Doppelporträt vor himmelblauem Hintergrund, welches ein zeitgenössisches bürgerliches Ehepaar in strenger Proflansicht in der Manier des Lucas Cranach zeigt.

Die energisch aufgeladene Körperhaltung eines jungen Mannes bleibt im Unvoilendeten der malerischen Anlage stecken, ohne etwas vermissen zu lassen. Auf dem Bild daneben ist die gleiche Gestalt gebückt zu sehen. Der Oberkörper ist auf die Unterarme gestützt. Die Schädeldecke als ausgespartes Oval irn Malgrund dem Betrachter zugewandt, mit verdecktem Angesicht ist der Blick auf den Boden gerichtet. Hat die Skepsis am tatigen Menschen den Pinsel gelenM und den Strich abreißen lassen, nachdem das Notwendige ausgedrückt war? Eine kluge Okonomie kennzeichnet diese Malerei. sparsamer Umgang mit dem Farbstoff sowohl, als auch Zurückhaltung in der malerischen Aktion. Wie bei den Deckfarbenblättern gibt auch die Ölmalerei mit mattem. trüben Schein den Blick auf die Räume und Personen frei. Kein Schwelgen in Artistik findet statt. Aber es liegt doch ailes offen. Wo Spiegelungen und feine Lufttrübungen den Raum klären, werden sie sicher und knapp angedeutet. Wenn sich die malerische Faktur nicht wahrend des Vortrages geschlossen hat, dann wird sie von der Malerin auch nicht nachträglich beruhigt. Durch dieses Eingehen auf die Situation und den jeweils angepassten Prozess der Umsetzung hat fast jedes Bild seine eigene Stimmung und Temperatur. Gewiss wird eine verbindende Eigenart auch in dieser Ausstellung sichtbar. Aber das Streben, der mit ihren Mitteln vertrauten Künstlerin, ist nicht auf die Herausbildung einer unverwechselbaren Handschrift gerichtet. Ihre Aufmerksamkeit befähigt sie aus einem Anblick, der ihr beachtlich erscheint, ein Bild hervorgehen zu lassen. So gelangt sie indirekt von Bild zu Bild zu ihrer eigenen künstlerischen Sprache.

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