Es ist etwas hinzugekommen

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Steinerne Schnecke«, Zeichnung von Dr. D. Kunze

Kunst wird bekanntermaßen sehr unterschiedlich vom Rezipienten angenommen. Solange es sich um Werke handelt, seien es Bilder, Musikstücke oder Geschriebenes, kann das jeder mit sich selbst ausmachen, ob’s gefällt oder durchfällt.
Ganz anders ist es mit Werken der bildenden Kunst im öffentlichen Raum, die von allen Menschen konsumiert werden müssen.
Hier herrscht in der Regel eine Bandbreite zwischen reflexartiger Ablehnung und enthusiastischer Zustimmung und Bewunderung vor.
Zu reden ist von einem neuen Kunstbaustein im Weinberg der „Drei Herren“ in der Radebeuler Oberlößnitz. Konkret handelt es sich dabei um eine Bekrönung der sogenannten Steinernen Schnecke, dem Cikkurat, einem „planvoll aufgeschichteten Hügel aus Syenitsteinen von ca. 7,00 m Höhe in Form einer Schnecke, also mit einem spiralförmig angelegten Weg“ (Helas, Denkmale in Sachsen, Stadt Radebeul).
Sie/er dürfte wahrscheinlich im 17. Jahrhundert angelegt worden sein, 1842 kann er als vorhanden nachgewiesen werden (ebenfalls Helas).

Der Leser merkt schon: ein sehr sensibler Ort an der Hangkante der Weinberge.

Diese Bekrönung erfolgte durch einen aus Keramik gefertigten Kopf, man sollte ihn „Schneck“ nennen.

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Das Kunstwerk im Anflug Foto: Dr. D. Kunze

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Foto: Dr. D. Kunze

Der Schöpfer ist Herr Prof. D. Reinemer, ein ortsansässiger Bildhauer mit ehemaligem Lehrauftrag für das Fach Keramik an der Dresdener Hochschule für bildende Künste.
Wie auch bei den anderen im Berg verstreut platzierten Kunstwerken ist auch bei diesem Objekt Herr Prof. Beck, einer der „Drei Herren“, Inspirator und Auftraggeber.
Natürlich kann man streiten, ob die steinerne Schnecke einen solchen Abschluss benötigt oder nicht. Überzeugend ist jedoch das Durchwandern des Hohlweges mit dem Blick nach oben. Hier findet sich auch rechts des Weges eine kleine sandsteinerne Plattform mit den geschichtlichen Erläuterungen zum Bauwerk selbst – von hier aus ist der Schneck wohl am schönsten zu betrachten, wenn man sich den doch mühsamen Aufstieg auf dem Wein- und Kunstwanderweg im Weinberg bis dicht heran ersparen will oder muss, weil die Puste nicht reicht.
Dem Aufsetzen des Bildwerkes gingen neben vielen Überlegungen und Skizzen auch die Herstellung eines Phantoms aus Holz und Papier voraus, um die richtigen Maßverhältnisse im Vergleich zum Unterbau festlegen zu können.
Hergestellt hat ihn D. Reinemer in Crinitz (Brandenburg), einer traditionsreichen Firma zur Herstellung industriell genutzter Steinzeugprodukte (Wassertröge und Behälter in dunkelbrauner Farbe, vielleicht ist manchem so etwas schon begegnet). Der Kopf des Schneck ist farbig gefasst und mit Eisenbändern stabilisiert (Blitzschutz?).

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Steinzeugkopf mit Eisenbändern Foto: Dr. D. Kunze

Am unteren Rand sind Verfasser und Helfer genannt. Der Korpus ist zusätzlich noch mit chinesischen oder japanischen Schriftzeichen, wer weiß es schon genau außer dem Künstler selbst, versehen.
Das Objekt stellt neben der künstlerischen Meisterleistung auch ebenso eine technische dar.
Der Clou des Ganzen sind Öffnungen: Mund, Nase und Ohren, aus denen, wenn man den im Berg verborgenen, früher mit einem Kamin versehenen Raum mit einen Feuer beheizt, Rauch aufsteigt und damit vom Wesen der Kunst im weitesten Sinne zeugt.
Vielleicht ist die Wahl der nächsten Weinkönigin ein gegebener Anlass, ihn richtig qualmen zu lassen.

Dr. Dietmar Kunze

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