Der Arzneiprofessor von Haus Sorgenfrei

In memoriam Prof. Dr. Robert Thren (04.05.1909 – 26.10.1995) zum 25. Todestag

…und wenn Sie in Lahr wiedermal eine Straße zu benennen hätten“. So oder ähnlich lautete mein Abspann eines freundlichen Mailverkehrs mit einem Beigeordneten der Stadt Lahr/Schwarzwald im Jahr 2014. Unter der imposanten Liste „Söhne und Töchter der Stadt“ tauchten bekannte Namen auf. Herr Sütterlin, Erfinder der nach ihm benannten Schrift, Felix Wankel, Entwickler des nach ihm geheißenen Motors u.a.. Einer aber fehlte, doch jetzt liest man ihn: Prof. Dr. Robert Thren, Biologe, Arzneimittelforscher, Hochschullehrer. Dort wurde er am 4. Mai 1909 geboren, besuchte das Badische Gymnasium, studierte später Naturwissenschaften in Heidelberg (Promotion) und Freiburg i.Br. Es folgten Stationen in Stuttgart, Halle/S. und schließlich Radebeul.
Diese Zeilen schreibe ich im August 2020 auf dem Balkon meines Hotels auf der Insel Kos. Hippokrates hat hier gelebt und gelehrt und mir schien das ein gutes Omen, mich biografisch und episodisch einem genialen Wissenschaftler zu nähern, der mit seiner Frau jahrzehntelang unter uns in Radebeul gelebt hat. Und das eher bescheiden und unauffällig.

Foto: Stadtarchiv Radebeul

Wikipedia mag ich nicht abschreiben, zumal dort ein Irrtum vorliegt. Threns „residierten“ nicht im Haus Sorgenfrei auf dem Augustusweg, sondern lebten im kleinen Gärtnerhaus daneben. Als Kind in den 1970er Jahren war ich dort zu Besuch und selbst da schien es mir eng zwischen all den Büchern und Schallplatten. Der Professor entspannte gerne vor seiner RFT-Musiktruhe und alles roch nach seiner Leidenschaft: Zigarre. Und er kochte gern, ging dafür in Klausur, niemand durfte in die Küche. Erst nach dem Essen. Nun, ein Koch wäscht nicht ab. Wenn es denn dran war, konnte er auch herrlich im breitesten Badisch fluchen, um sich dann wieder Büchern zu widmen. Herr Erler vom Stadtarchiv Radebeul war behilflich, ein Foto aus späten Jahren zu finden. Historische Aufnahmen hat es im Bildband GESCHICHTE DES ARZNEINMITTELWERKES DRESDEN aus dem Jahre 2002, in dem er in Forschung und Entwicklung in leitender Funktion tätig war. Auf Seite 44 sitzt er vor seinem Mikroskop, auf Seite 45 schreitet er stolz als Mitglied der AWD-Delegation im Mai 1959 eine Treppe in Prag empor, anlässlich eines Antibiotika-Symposiums. Erinnern wir uns, da waren durch Krieg, Nachkrieg und Kalten Krieg erst langsam Gespräche über die Grenzen wieder möglich.
Für mich als Laie liegt hier auch seine spektakuläre Leistung, das Penicillin über Nachkrieg und Embargo, quasi durch den Eisernen Vorhang in Radebeul ein zweites Mal zu erfinden und die Produktion für die SBZ/DDR und den Ostblock aufzubauen. Googelt man Penicillin bei Wikipedia, wird das nicht erwähnt. Natürlich ist der Umfang seiner Leistung in der Arzneimittelforschung wesentlich weitreichender. Prof. Thren wurde dafür hoch geehrt (Nationalpreis der DDR, Vaterländischer Verdienstorden etc….) Erwähnt sei noch seine umfangreiche Lehrtätigkeit an mehreren Universitäten und Hochschulen der DDR. Letztlich fiel ihm seine Lebensleistung noch spät privat vor die Füße. Selbst mit Erreichen des Rentenalters (65) ließen ihn die Behörden nicht in seine badische Heimat fahren. Kalter Krieg, solche Regeln galten weiland auch „drüben“. Er war als Geheimnisträger eingestuft und bekam erst mit 70 einen dunkelblauen DDR-Reisepass.
Seine Frau Margarete, gleicher Jahrgang, ebenfalls eine „Südi“ aus dem Stuttgarter Raum, die ihn um fast 12 Jahre überleben sollte, galt als Frohnatur. An der POS Oberlößnitz unterrichtete sie noch über die Rente (Frauen damals mit 60) hinaus Biologie, Chemie und Englisch. Beide nahmen am kulturellen Leben in Radebeul und Dresden dankbar teil und sammelten Bildende Kunst von Malern aus der Lößnitz. Dem Paar waren keine Kinder beschieden, weshalb sich Frau Thren umso achtsamer und mit liebenswürdiger Herzlichkeit gleich um mehrere Patenkinder kümmerte. Threns fanden ihren Frieden in der Gemeinschaftsurnenanlage des Heidefriedhofes. Beider Namen sind in eine Stele eingraviert. Wer sie finden will, mag sie dort suchen. Oder sich an sie erinnern.
Ach ja, wenn die Stadt Radebeul mal wieder eine Straße zu benennen hätte, es gäbe nicht bloß Dichter….
Tobias Märksch
Herzlichsten Dank meinem Cousin Joachim Schwarze für „Info&Atmo“.

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