Gelungener Start ins 41. Jahr

oder ein ungewöhnliches Experiment in der Stadtgalerie Radebeul

Der 40. Geburtstag der Stadtgalerie Radebeul bot den Anlass für ein recht ungewöhnliches Experiment. Unter dem Motto „Reflexionen zwischen gestern, heute und morgen“ wurde erstmals ein Konzept mit offenem Workshopcharakter erprobt. Bis zum letzten Tag der Ausstellung kamen immer wieder neue Exponate hinzu.
Als Gastkuratorin war es mir ein großes Vergnügen, an diesem komplexen Projekt mitwirken zu dürfen. Die offene Atmosphäre beförderte die wechselseitige Kreativität und wurde zur spannenden Herausforderung. Werke aus dem reichhaltigen Bestand der städtischen Kunstsammlung sowie Chroniken, Besucherbücher, Fotoserien, Modelle, Entwürfe, Filmaufnahmen, Gestaltungselemente usw. ermöglichten diese lebendige und informative Präsentation. Eine angedeutete Kunstbibliothek mit Katalogen und Spezialliteratur hielt zusätzlichen Lesestoff bereit.

Foto: Karin (Gerhardt) Baum

Von der ersten Idee im Herbst des vergangenen Jahres bis zur letzten Veranstaltung am 6. Februar war es ein intensiver Marathon. Auf den Jubiläumstag genau wurde die Ausstellung am 16. Dezember eröffnet. Ein merkwürdiger Termin, so kurz vor Jahresende! Man wollte wohl, wie auch schon vor 40 Jahren das Plansoll noch rechtzeitig erfüllen. Kamen zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung 80 Besucher, waren es am darauffolgenden Sonntag (4. Advent!) gerade mal 7 Personen. So richtig wurde dann am 8. Januar durchgestartet. Obwohl man die Ausstellung auf der Städtischen Homepage, in der Tagespresse und auch in Vorschau und Rückblick beworben hatte, wären zwei Banner in den Kreuzungsbereichen von Radebeul-Ost und -West wohl ganz hilfreich gewesen. Allmählich sprach es sich herum und am letzten Ausstellungssonntag wurden 73 Besucher gezählt. Die Statistik weist exakt 523 Besucher aus. Im Rahmen der relativ kurzen Ausstellung fanden 10 Sonderveranstaltungen statt.

Die reiche Bebilderung vergangener Projekte weckte Erinnerungen und wirkte sich belebend auf die Diskussionsfreudigkeit der Besucher aus. Kunstfreunde, die seit Jahrzehnten zum festen Besucherstamm gehören und der Stadtgalerie von Radebeul-Ost nach Radebeul-West gefolgt sind, waren natürlich über diese Ausstellung besonders erfreut. Plakate, Bild- und Textmaterialien erinnerten an die ehemalige „Kleine Galerie“, an externe Ausstellungsorte, an Projektreihen, verstorbene Künstler, intermediale Gemeinschaftsaktionen, an die Zusammenarbeit mit Vereinen und an herausragende Persönlichkeiten, die die Kunst- und Kulturszene in Radebeul über viele Jahre mitgeprägt haben. Strukturelle Veränderungen brachten auch Verschiebungen von Aufgabenschwerpunkten mit sich. So wechselte die „Kasperiade“ von West nach Ost, fiel die „Kulturbörse“ ganz weg und für die „Radebeuler Begegnungen“ muss sich erst noch ein neues Organisationsteam finden.
Zwischen Vernissage und Finissage waren den Einladungen zu Gruppenführungen der Rotary Club Radebeul, der Dorf- und Schulverein Naundorf, die Redaktion Vorschau und Rückblick, der Förderverein Internationales Wandertheaterfestival, der Radebeuler Fremdenverkehrsverein, der Kulturverein Radebeul, die AG Kötzschenbroda, die Kultur- und Werbegilde Kötzschenbroda sowie kunst- und kulturinteressierte Bürger und Stadträte aller Fraktionen gefolgt. Erstaunen löste die Fülle und Vielfalt der künstlerisch-kulturellen Projekte aus. Angesprochen wurden aber auch Probleme, die einer weiteren Thematisierung dringend bedürfen.

Sehr bedauert wurde, dass keine Verlängerung der vierwöchigen Ausstellung möglich war. Die durchschnittliche Verweildauer der Besucher betrug zirka eine Stunde. Erinnerungen wurden ausgetauscht, neue Ideen geboren und künftige Pläne geschmiedet. Einig war man sich, dass die Kommunikation zwischen Kunst- und Kulturschaffenden intensiviert werden müsste. Veranstaltungen sollten längerfristig angekündigt werden. Menschen, die keinen Internetzugang haben und über keine Tageszeitung verfügen, fühlen sich mitunter kulturell ausgeschlossen. Und nicht alles findet man im Veranstaltungsflyer oder Amtsblatt der Stadt Radebeul.

Das Galerieteam Magdalena Piper und Alexander Lange mit der Gastkuratorin Karin Baum, Foto: Karl Uwe Baum

Vierzig Jahre Stadtgalerie stehen für vierzig Jahre Kontinuität. Selbst wenn es so manche Turbulenzen zu überstehen galt, wurde die Existenz der Galerie von den Entscheidungsträgern nie in Frage gestellt. Jahr um Jahr wurde das notwendige Budget für die Bewirtschaftung der Räume, für Versicherungen, für Personal- und Materialkosten, für Honorare der ausstellenden Künstler, Eröffnungsredner, Musiker usw. in den städtischen Haushalt eingestellt. Ohne die ständige Sorge um die nackte Existenz, können sich die Mitarbeiter der Stadtgalerie viel stärker auf die fachliche Arbeit konzentrieren und öfters mal einen Blick übern kulturellen Tellerrand werfen.

Eine kommunale Galerie ist ja kein Solitär. Sie ist ein Ort der öffentlichen Präsentation, der aktiven Vernetzung, der Kommunikation, der Kunst- und Künstlerförderung, des künstlerischen Experiments und der Entwicklung neuer Präsentations- und Vermittlungsformen. So wurden, bedingt durch die Corona-Pandemie, erstmals virtuelle Ausstellungsrundgänge angeboten und die erfolgreiche Veranstaltungsreihe „Kunst geht in Gärten“ initiiert.

Über 60 Bildende Künstler leben allein in Radebeul. Ihr Interesse, sich in der städtischen Galerie zu präsentieren ist immens. Die Priorisierung erfordert von den Galeristen fachliche Kompetenz und ein hohes Maß an Diplomatie, denn nicht jeder, der vorgibt ein Künstler zu sein oder wie ein solcher aussieht, ist auch einer. Beurteilungskriterium ist deshalb einzig und allein die künstlerische Qualität.

Die Jubiläumsausstellung hat viele Menschen miteinander ins Gespräch gebracht. Anregungen wurden gegeben, Wünsche geäußert und immer wieder viele Fragen zum Gestern, Heute und Morgen gestellt. Darunter: Wann wird der wunderbare Sammlungsbestand endlich auch im Netz zusehen sein? Wohin mit der Städtischen Kunstsammlung, wenn diese ihr Domizil im Wasapark verlassen muss? Wie geht es weiter mit dem dringend erforderlichen Galerieerweiterungsbau?

Selbst wenn es auf diese Fragen zurzeit keine Antworten gibt, wird das den Tatendrang der Künstler und Galeristen nicht bremsen, denn die nächsten Ausstellungsvorhaben mit und ohne Jubiläen sind bereits in Sicht.

Karin (Gerhardt) Baum

 

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