Die Filmauswahl des Wanderkinos „Film Club Mobil“ korrespondiert im Radebeuler Jubiläumsjahr mit städtisch relevanten Themen. Gezeigt wird am 15. August 2024 um 19 Uhr in der Kunstscheune Naundorf der DEFA-Film „Bürgschaft für ein Jahr“. Die Vorlage für den Film bot der gleichnamige Roman von der Radebeuler Schriftstellerin Tine Schulze-Gerlach. Für ihr umfangreiches Lebenswerk wurde sie 1999 mit dem Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul geehrt.
Die Autorin Tine Schulze-Gerlach (1920-2011) verbrachte Ihre Kindheit und Jugend in Dresden-Hellerau. Der Vater, Kurt Gerlach, war Lehrer und Schriftsteller (1889 – 1976). Nach Radebeul-Niederlößnitz zog Tine Schulze-Gerlach mit ihrer Familie 1954. Als Mutter von vier Kindern, fing sie relativ spät mit dem Schreiben an. Ihr erster Roman erschien 1963. Obwohl sie als Schriftstellerin schon längst Anerkennung gefunden hatte, arbeite sie zusätzlich als Sprechstundenhilfe in der Mütterberatung. Das lokale Umfeld und die nicht immer unkomplizierte eigene Lebenssituation spiegeln sich in ihren zahlreichen Veröffentlichungen. Der Roman „Bürgschaft für ein Jahr“ erschien 1978 im Union-Verlag. Die Lektüre des empfindsam geschriebenen Buches ist empfehlenswert.
Wie es zu der Romanverfilmung kam, ließ sich leider nicht ermitteln. Dass sich der Drehbuchautor und Regisseur Herrmann Zschoche (geb. 1934) mit dem Stoff befasste, ist zweifellos ein Glücksfall. Bemerkenswert sind zahlreiche seiner Kinder- und Jugendfilme sowie gesellschaftskritische Spielfilme.
„Bürgschaft für ein Jahr“ hatte 1981 Premiere und erhielt mehrere Auszeichnungen. Der Film ist unbequem und bietet keine fertigen Lösungen. Dessen Protagonisten kollidieren nicht selten mit den Idealvorstellungen vom „sozialistischen Menschenbild“. Wie es im Umschlagtext zu Tine Schulze Gerlachs Roman heißt: „Das Leben bleibt voller Widersprüche – wie eintönig wäre es auch ohne sie!“. Nach dem gesellschaftlichen Umbruch wirkte Zschoche u.a. bei der Fernsehreihe Tatort mit, stellte aber seine Regietätigkeit ab 1997 ein.
Die Schauspielerin Katrin Sass (geb. 1956) hatte ihr Filmdebüt bereits mit 23 Jahren in „Bis das der Tod Euch scheidet“. Der Durchbruch gelang ihr mit dem Spielfilm „Bürgschaft für ein Jahr“. Für die Darstellung der jungen alleinerziehenden Mutter Nina Kern erhielt sie auf der Berlinale 1982 in West-Berlin den Silbernen Bären. Neben Katrin Sass ist der Film mit weiteren hochkarätigen Schauspielern besetzt.
Bürgschaft für ein Jahr
1981, Spielfilm, DDR, DEFA, Studio für Spielfilme, 93 Minuten
Regie und Drehbuch: Herrmann Zschoche; Musik: Günther Fischer; Besetzung (Auswahl): Katrin Sass, Monika Lennartz, Jacki Schwarz, Jan Spitzer, Christian Steyer, Barbara Dittus, Ursula Werner, Angelika Mann
Seit ihrer Scheidung kommt Nina Kern mit ihrem Leben nicht mehr klar. Sie geht keiner geregelten Arbeit nach, verbringt die Nächte mit Feiern und Trinken. Sie vernachlässigt ihre drei Kinder. Obwohl sie ihnen eigentlich eine gute Mutter sein will, schafft sie es nicht, den Alltag zu strukturieren. Als die Kinder bereits Verhaltensstörungen zeigen, ihr das Sorgerecht entzogen, die Kinder in einem Heim untergebracht und zur Adoption freigegeben werden sollen, beginnt die junge Mutter um ihre Kinder zu kämpfen. Zwei Schöffen werden ihr als Bürgen für ein Jahr zur Seite gestellt. Das Schicksal hat drei unterschiedliche Menschen zusammengebracht und was ursprünglich als einseitige Hilfsleistung geplant war, entwickelt sich zur Lehr- und Lernzeit für alle. Schließlich darf das jüngste Kind auf Probe bei der Mutter wohnen. Alles scheint auf einem guten Weg zu sein. Doch eine gescheiterte Liebesbeziehung wirft sie wieder aus der Bahn. Einer der beiden Schöffen fühlt sich überfordert und zieht sich zurück. Obwohl die Verantwortung jetzt nur noch bei einer Person liegt, gibt diese nicht auf und steht der jungen Frau bei. Der Film endet mit einem Kompromiss. Die zwei jüngeren Kinder sollen künftig bei der Mutter leben. Die älteste Tochter wird zur Adoption freigegeben. Vieles bleibt offen.
Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.
Information und Reservierung unter: 0160-1038663.