Radebeuler Miniaturen

N-I-hilismus

Es wird mal wieder gewahlkämpft.
Wahlkampf erkennst du daran, daß an allen wichtig empfundenen Straßen Plakate auf den Gehwegen liegen und zertrampelt werden. Merk dir das, mein Junge.
Meinst du mich? Der Gastwirt meines Vertrauens stellt mir ein Bier aufs Faß.
Ich freue mich grad an dem Neuen Schmuck auf unseren Fußwegen, sag ich, sieht doch wirklich apart aus, wenn die Kulturnation wahlkämpft.
Wo gehobelt wird, fallen Späne, sagt er, na, zum Wohl!
Was ich wirklich originell finde, sag ich als er wieder in die Nähe kommt, ist der Spaß, den sich die N-I-hilisten machen: Die drucken erst gar keine Plakate mehr, sondern sprühen ihre Botschaft gleich farbkräftig auf den Fußweg: „N-I Entwickeln!“ Das spart Ressourcen in jeder Hinsicht, braucht keine Druckfarbe, keine wasserfesten Pappen, die Kabelbinder können anderweitig zweckentfremdet werden, und keiner kann die Wahlhelfer von der Leiter schubsen. Außerdem entsteht der Eindruck, da will jemand mit gutem Beispiel vorangehen …
Ist mir auch schon aufgefallen, sagt der Wirt, „N-I Entwickeln“ – hast du ´ne Ahnung, was das heißt?
Naja, sag ich, ich stelle mir vor, das ist eine Art von Ruf „zurück zur Natur“, zur „Natürlichen Intelligenz“ in dem Falle, an der fehlts ja schmerzlich allerorten…
Aber, wendet er ein, „nihil“ heißt doch „Nichts“. Und Natur ist ja doch mehr das Gegenteil davon – oder?
Schon, schon, schulmeistere ich eifrig, die sind auf der Suche nach der „Natürlichen Intelligenz“ in ein schwarzes Loch gefallen, haben sprichwörtlich nichts gefunden. Es gibt ja auch kaum noch welche – natürliche Intelligenz, meine ich, außer vielleicht in Brauereien, denn sonst gäbs schon kein Bier mehr. Die Enttäuschung sitzt bei allen, die auf Fortschritt hoffen, tief: zwei Millionen Jahre Entwicklung für die Katz…
Ach, und da wollen nun die reingefallenen „Häschen in der Grube“ von unten her, „aus tiefer Not“ sozusagen, die „Natürliche Intelligenz“ neu erfinden?
Nicht erfinden – entwickeln! Erfinden wäre ja wieder künstlich …
Apropos „aus tiefer Not“: sieh mal mein Glas an: Nihil – Nichts –
Ich eile, ruft er, ich eile …

Thomas Gerlach

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