Keine Leistung?

Kulturgut Lügenmuseum

HundertzweiundfünfzigTage ist das Lügenmuseum nun offiziell geschlossen! Anfang Dezember, so der Betreiber, kam dort angeblich der Nikolaus vorbei und hat für kurze Zeit ein Weihnachtsmuseum und gar am 27. Dezember die Ausstellung „Zack-Zack“ eröffnet.

Auf oder zu? – Das ist hier die Frage!


Wer Eins und Eins zusammenzählen kann und im Sinne des Besitzers des Gebäudes denkt und fühlt, wird diese Aktion als eine reine Provokation interpretieren. Juristisch gesehen ist das so. Aber handelt es sich hier eigentlich nur um einen Streitfall zwischen dem Vermieter, der Stadtverwaltung in Gestalt des Oberbürgermeisters Bert Wendsche und dem Mieter der Familie Zabka als Betreiber des Museums? Gab es denn eigentlich eine Alternative für die Betreiber des Museums?

Bekannt ist, dass die Stadtverwaltung den ehemaligen Serkowitzer Gasthof bereits kurz nach dessen Erwerb 2007 wieder verkaufen wollte und bis heute an diesem Beschluss festhält. Die Nutzung durch die Betreiber des Lügenmuseums war also von vornherein nur als eine Interimslösung gedacht. Die bisherigen diesbezüglichen Versuche, das Objekt zu verkaufen, sind allesamt gescheitert, zumeist wegen zweifelhafter Wirtschaftlichkeit. Auch die Vermittlung an einen nichtwirtschaftlich interessierten Käufer schlug fehl. Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter derart zerrüttet, dass an eine einvernehmliche Lösung des Problems nicht zu denken ist. Der Mietvertrag wurde gekündigt, dennoch „sitzt“ der Mieter noch im ehemaligen Gasthof. Aber seit geraumer Zeit hat sich die gesamte Lage um den Casus „Lügenmuseum“ gravierend geändert, so dass es höchste Zeit ist, die Diskussion vom Kopf auf die Füße zu stellen.

Seit Einzug des Lügenmuseums in das Gebäude des Serkowitzer Gasthofes hat sich dieser zu einem wahren „Pilgerort“ für Radebeul-Besucher entwickelt und die Stadt über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus zu mehr Ansehen und Anerkennung verholfen. Wer so eine Einrichtung in seinen Mauern hat, der, so die weit verbreitete Annahme von Besuchern, muss etwas für Kultur übrig haben. Den starken Besucherstrom bekommen auch die Beherbergungs- und Gaststättenbetreiber zu spüren, was wiederrum hilft, das Steuersäckel der Stadt zu füllen. Und so hat auch dieses Gewerbe seinen Anteil am 2022 erwirtschafteten Überschuss von 9,5 Millionen geleistet. Die Kultur- und Kreativitätswirtschaft steht in der Bruttowertschöpfung der Bundesrepublik nach dem Fahrzeugbau an zweiter Stelle.

Warum also ist es so, dass Stadtrat und Verwaltung von Radebeul diese Binsenweisheit nicht zur Kenntnis nehmen wollen? Liegt es an dem vermeintlichen ungebührlichen Verhalten der Familie Zabka oder passt hier die ganze Einrichtung nicht ins Konzept? Rührt eventuell die Haltung beider Gremien von der bestellten negativen Einschätzung des einstigen Stiftungsdirektors der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen her, der am liebsten alle Museumsstücke auf einen Abfallcontainer gesehen hätte? Warum haben die 93 Briefe (s. Homepage Lügenmuseum), die seit Juni 2024 für den Erhalt des Museums sprechen und an den Oberbürgermeister Bert Wendsche und das Museum gegangen sind, nicht zu einem Umdenken oder doch wenigstens zu einem Innehalten und Überdenken des eignen Standpunktes geführt? Warum wurden all die Fragen, Probleme und Schwierigkeiten hinter verschlossenen Türen besprochen, verhandelt und kein öffentlicher Diskurs geführt? Spüren die Mandatsträger der Stadt keine Verantwortung gegenüber den Bürgern Europas, wenn sie dieser einmaligen Einrichtung in der Bundesrepublik den Stuhl vor die Tür setzen? Ein Museum oder eben eine Einrichtung dieser Art klemmt man nicht einfach unter den Arm und zieht weiter wie die bettelnden Gaukler vergangener Jahrhunderte. Dabei sei hier noch nicht auf die Leistungen verwiesen, die das Museum seit 12 Jahren bis zur seiner unfreiwilligen Schließung erbracht hat: Geöffnet an Feiertagen und Wochenenden, Betreuungen in den Schulferien, Kurse und Werkstätten, Sonderausstellungen, Konferenzen sowie Projekte im In- und Ausland. All diese Angebote haben die Stadt so gut wie nichts gekostet.

Natürlich hat die Stadt Mittel aufgewendet, um den ehemaligen Gasthof in einen Zustand zu versetzen, der eine Nutzung überhaupt erst ermöglicht. Diese Instandsetzungsarbeiten haben aber primär nichts mit dem Lügenmuseum zu tun. Sie wären auch so angefallen. Wie aber die Denkmalpflege in einer Stellungnahme bescheinigt, haben die Betreiber des Museums wesentlich zum Erhalt des Gebäudes beigetragen. Keine Leistung? Oder wird hier einfach fallengelassen, was nicht in den Kram passt? Es wäre höchste Zeit nochmals darüber nachzudenken, um eine sinnvolle Lösung anzustreben, ehe man als Kulturverhinderer am Pranger steht. Denn Kunst ist es zweifelsfrei, aber vermutlich nicht für alle, muss es aber auch nicht sein.

Karl Uwe Baum

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