Denkmalpflegerische Einschätzung des ehemaligen Gasthof Serkowitz

Werte Leserinnen und Leser,

die Problemfälle „Gasthof Serkowitz“ und „Lügenmuseum“ bewegen schon lange nicht nur die Gemüter der Leser unseres Monatsheftes. Immer wieder haben wir Beiträge veröffentlicht, in denen die Autoren das Problem von unterschiedlichen Seiten betrachteten. Dem letzten Artikel von unserem Redaktionsmitglied Dietrich Lohse konnten wir auf unserer Webseite eine „Denkmalpflegerische Einschätzung zum Nutzungskonzept für den ehemaligen Gasthof Serkowitz Grundstück: Radebeul, Kötzschenbrodaer Straße 39, Gemarkung Serkowitz, Flurstück 32“ beifügen. Da nicht alle unsere Leser über einen Zugang zum Internet verfügen, drucken wir hiermit den Brief des Sachgebietsleiters Denkmalschutz im Kreisbauamt des Landratsamtes Meißen, Herr Helbig, vom 14. November 2024 an Reinhard Zabka auch in unserem aktuellen Heft ab.

Die Redaktion

Sehr geehrter Herr Zabka,

mit bedauern haben wir in den letzten Monaten verfolgt, dass Sie mit Ihrem Museumsprojekt den Gasthof Serkowitz verlassen sollen. Nicht genug, dass es für Sie schwer ist, ein anderes geeignetes Domizil für das Lügenmuseum zu finden, ist auch kaum anzunehmen, dass für den ehemaligen Gasthof eine vergleichbare, den Erhalt der historischen Substanz fördernde Nutzung gefunden werden kann. Durch regelmäßige Reparatur und Pflege kann der Status quo gehalten werden, grundlegende Erneuerungen können im Umfang begrenzt werden.

An der Einschätzung Ihres Projekts, zu dem wir bei einem Besuch in Ihrem Museum gemeinsam mit der Vertreterin des Landesamtes für Denkmalpflege vor nunmehr 10 Jahren gelangt sind, hat sich nichts geändert: die von Ihnen angestrebte und realisierte Nutzung des ehemaligen Gasthofs ist mit denkmalpflegerischen Anforderungen gut in Übereinstimmung zu bringen.

Der Gasthof ist bekanntermaßen Kulturdenkmal gemäß §2 Sächsisches Denkmalschutzgesetz (SächDSchG) und mit folgendem Wortlaut in die Liste der Kulturdenkmale des Freistaates Sachsen eingetragen:
Gasthof Serkowitz: Gasthof (mit Ausstattung, u. a. Sgraffitos), sowie Ballsaal; traditionelles Gasthaus von Serkowitz und später Radebeul, im Kern wohl barock, Eingangsbereich und Gastraum mit Sgraffitos von Hermann Glöckner (1889-1987), einer Brotarbeit des Künstlers; Putzbau mit ausgebautem Mansarddach, repräsentativer, großer Saalanbau mit reichem Dekor, bauhistorisch, ortsgeschichtlich und künstlerisch bedeutend, Datierung: um 1800 (Gasthof), 1877 (Ballsaal), um 1938 (Sgraffito), (Radebeul, Kötzschenbrodaer Straße 39, Gemarkung Serkowitz, Flurstück 32).

Der Gasthof in Serkowitz ist ein besonders reich gestaltetes Beispiel der Baugattung. Er diente zunächst als wichtiger Haltepunkt entlang der Poststraße Dresden-Meißen, Teile des Kellers gehen vermutlich bis ins 14. Jahrhundert zurück. Während um 1900 nahezu jedes größere Dorf über einen gut besuchten Gasthof mit Ballsaal verfügte, die sich als Mittelpunkte des gesellschaftlichen Lebens neben der Kirche etabliert hatten, verloren diese mit dem geänderten Freizeitverhalten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Heute haben besonders im ländlichen Bereich viele der Ballsäle und Gasträume ihre frühere Nutzung eingebüßt. Leerstand führt zum Verfall der nicht selten prächtig gestalteten Säle. (Auch daran hat sich leider in den letzten 10 Jahren nichts geändert.) Verschiedene Umnutzungen haben die bauliche Aufteilung der Säle zur Folge, die dann nicht mehr in ihrer Einheit und in ihrem Schmuck erlebbar sind und dadurch der ständigen Gefahr der Vernichtung aus Unkenntnis unterliegen. Die Hoffnung, dass solche Säle wieder in der ursprünglichen Größe mit Leben erfüllt werden, ist gering.

Aus denkmalpflegerischer Sicht ist daher zu begrüßen, wie sich ihr Projekt in die Gegebenheiten des Kulturdenkmals einfügt und sich mit dessen Historie auseinandersetzt. So kann etwa der Saal mit seiner Geschichte, die am Leuchter deutlich erkennbar bis weit in die DDR-Zeit hineinreicht, erhalten und für die Besucher des Museums erlebbar bleiben. Dadurch ist es möglich, die historische Raumstruktur und Einbauten im Wesentlichen zu erhalten. Die im Erdgeschoss vorhandenen Sgraffitos des bedeutenden deutschen konstruktivistischen Malers und Bildhauers Hermann Glöckner stellen als baugebundene Ausstattung einen über die regionale Bedeutung hinausreichenden Wert dar und können beschädigungsfrei in das Nutzungskonzept eingebunden werden. Darüber hinaus wurde durch das Lügenmuseum das Kulturdenkmal für eine breite Öffentlichkeit zugänglich und erlebbar und konnte so als kulturelles Zentrum an seine frühere Bedeutung im gesellschaftlichen Leben anknüpfen.
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Wir würden uns freuen, wenn sich noch einmal eine Möglichkeit eröffnen würde, Ihr Engagement im ehemaligen Serkowitzer Gasthof fortzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen
Helbig
Sachgebietsleiter
14. November 2024, Meißen

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