Hochwasser im Jahre 1845
Ein Spaziergang entlang der Elbe kann sehr erholsam sein, ob an einem sonnigen Vorfrühlingstag, einem Sommerabend oder bei Eisgang. Zwar gibt es hierbei keine historischen Gebäude zu besichtigen, doch in der Geschichte unserer Gemeinden hat die Elbe oft eine Rolle gespielt: Niedrig- oder Hochwasser – beide beeinträchtigen den Schiffsverkehr, die Fischerei und besonders den Mahlbetrieb der Schiffsmühlen. Häufig trat sie in einem Jahr mehrmals über die Ufer, überschwemmte die Auewiesen, verdarb die Heuernte, riß Teile des Ufergeländes mit sich fort, drang in die Keller der nahegelegenen Häuser ein. Wir haben es ja selbst schon erlebt, daß weite Flächen unter Wasser stehen. In unserem Jahrhundert erreichte die Elbe einen Höchststand von 7,78 m, zuletzt am 17. März 1940, einen Meter höher aber stieg sie Ende März 1845 – auf 8,77 m. Es war außerordentlich viel Schnee gefallen, mit Bangigkeit sahen die Dorfbewohner dem Aufbrechen der Elbe entgegen. Der Hofewinzer Mehlig hat in seinem Tagebuch seine Beobachtungen festgehalten. Hatte es am Morgen des 27.3. noch gefroren, kündeten am Abend Kanonenschüsse bei Meißen und Niederwartha die nahende Gefahr. So schreibt er am 27.3.: „. . .es hatte an diesem Morgen nicht gefroren, . . . das Wasser lief in unserem Grunde stromweise hinunter, . . . in der 8. Stunde brach das Eis, gegen 11 Uhr fing das Wasser an zu wachsen, am Nachmittag stand schon das Ostra(gehege) ganz blank.“ Und das Wasser stieg weiter an, am 29. März abends „überstieg es die Damme bei Stetsch, unter Gohlis und Kötzschenbroda, von Mickten bis Radebeul war alles blank.“ Mehlig, der beim Spitzhaus wohnte, konnte ja das Elbtal weithin überschauen. – Am 30.3. waren die Straßen von Pieschen bis Trachau überflutet, so daß die Wagen bis ziemlich an die Achsen im Wasser fahren mußten.“ In der 2. Stunde des Tages stand das Wasser an der großen Eisenbahnbrücke (Geblerstraße), und „drohte nach dem Wilden Mann zuzulaufen.“ Zwischen Kötzschenbroda und Fürstenhain war dle Elbe bis an die Straße gestiegen, „in die Pappelschenke (heute ,Lößnitzer Hof’) mußte man schon auf Brettern gehen, und in Kötzschenbroda konnten sie schon beinahe mit Kähnen fahren.“ Da erreichte das Wasser auch Naundorf „. . .doch durch die Tätigkeit der Commun wurde ein Damm vorgezogen, welcher das Wasser aufhielt.“ Auch in Dresden sah es schlimm aus! „Das Wasser stand bis an das goldene Pferd, die Buden auf dem Markt standen alle im Wasser, man konnte nicht auf die Brücke, man mußte über eine Burg (gemeint ist wohl ein Steg) gehen, oder auf einem Wagen oder Kahn auf die Brücke fahren. In Altstadt konnte man nicht zum Georgen Thor hinein, der Zwinger stand schon ziemlich voll Wasser.“ Viele Stämme Holz schwammen auf der Elbe talwärts, aber auch Häuser – ganze und zerrissene die an der Brücke scheiterten,. . . zwei Kreuze waren in Radebeul angeschwommen. „Bei Gohlis waren 3 Männer ertrunken, welche zum Vergnügen eine Lustfahrt gemacht hatten, es waren zwar 8 gewesen, aber 5 hatten sich gerettet, ein Mann aus Serkowitz hinterließ seine Witwe und 4 Kinder, und von Gohlis ertrank ein Bräutigam, welcher zum ersten Mal aufgeboten war.“ – Und die Elbe stieg noch immer. Am 31. März hatte sich vormittags die Rundung vom mittelsten Pfeiler von der Niderseite (der Brücke in Dresden) getrennt und war mit dem Crucefix und zwei steinernen Schilderhäusern in die Elbe gestürzt. Die Brücke wurde augenblicklich gesperrt… der Wasserstand war in der 11. Elle über Null gewesen. – In Radebeul stand es bei dem ersten Bauern bis in den 2. Stock, in Serkowitz bis an die Schenke. … der Damm, den die Naundorfer vorgebaut hatten, war des nachts 2 Uhr gesprungen, ganz Naundorf, Zitzschewig und die übrigen Dörfer standen im Wasser. Das Geschrei um Hilfe war entsetzlich groß gewesen in Naundorf, bei finsterer Nacht mußten sie nun mit ihrem Vieh durchs Wasser marschieren, welches, wo es am tiefsten war, 7 Ellen hoch gestanden. Es stand nun über die Eisenbahn weg (damals war diese noch nicht hochgelegt) bis an Wackerbarths Ruh’ und bis an die Weinberge hinauf, kein Wagen und keine Post konnte schon am vorigen Tag auf der Meißner Straße fahren. Wer nach Dresden wollte, mußte auf der Eisenbahn (Schienen) gehen, Dampfwagen konnten nicht fahren, weil das Wasser die Eisenbahn zerrissen hatte. ln den umliegenden Dörfern waren sehr viele Keller eingestürzt.“ Erst am Nachmittag des 31. März begann die Elbe zu fallen, und Mehlig schließt seine Eintragung: „Dieses Wasser ist eines der merkwürdigsten, was es je gegeben hat und wird es auch für die Nachwelt bleiben.“
Liselotte Schließer