Exkursion zu den Kaditzer Torbögen

In mittelsächsischen Dörfern finden wir bei Zwei- oder Dreiseithöfen gelegentlich noch große, in die Schildmauern zum Anger hin eingelassene Torbögen, meist mit einer kleineren Pforte daneben. Seit wann es diese wehrhaft wirkenden Anlagen gibt, ist nicht genau zu sagen. Man wird kaum fehl gehen, sie schon im Mittelalter als vorhanden anzusehen. Gerade in unsicheren Zeiten kam es für die Bauern darauf an, ihre Familie, Hab und Gut und auch das Vieh zu schützen; Mauern und Tore trugen dazu bei.

Wenn man heute in den Radebeuler Dorfkernen Bilanz zieht hinsichtlich solcher Toranlagen, sieht es sehr unterschiedlich aus. So gibt es am Anger der größten Dorfgemeinde Kötzschenbroda keine alten Torbögen mehr – der Bogen von Altkötzschenbroa 26 (etwa 3 Jahre alt) ist nicht einmal eine Kopie, eher schon die Karikatur eines solchen Bogens. Jedoch hat sich in der Neuen Straße noch ein solcher Bogen erhalten. Um 1900 erkennen wir auf alten Postkarten im Kötzschenbrodaer Oberdorf noch etwa acht Torbögen. Altwahnsdorf hat einen, Altzitzschewig zwei und Altnaundorf drei derartige Bögen (einer davon allerdings in anderer Form, mit Holzdach und geradlinigem Abschluss) – Altradebeul, Serkowitz, Fürstenhain und Lindenau haben dagegen keine (mehr).

Torbögen im Ortsbild von Altkaditz (Foto D. Lohse)

So gesehen ist das südöstlich von Radebeul gelegene Dorf Kaditz (heute Stadtteil von Dresden) mit vier Torbögen reich bestückt. Drei haben Tor und Pforte, einer nur einen Torbogen. Alle Torbögen und eine Pforte sind als Korbbögen ausgebildet, zwei der Pforten haben allerdings Segmentbögen. Während für die Pforten der Mensch als das Maß der Dinge gilt, muss der Torbogen so ein lichtes Maß haben, dass voll beladene Erntewagen passieren können – ca. 3,40 m breit und ca. 3,80 m hoch. Selbstverständlich wird bei solcher Breite nur ein zweiflügliges Tor funktionieren.

Auch für Kaditz kann vermutet werden, dass es früher mehr als die vier Torbögen gegeben hat, leider liegen mir dafür keine entsprechenden Belege vor. Sogar das ansonsten gut recherchierte Sachbuch »Typisch Kaditz«, 2002 herausgegeben vom Verein »Neue Nachbarschaft Kaditz e.V.«, geht auf dieses Thema nicht näher ein. Zumindest bei Altkaditz ist anzunehmen, dass es hier mal einen Torbogen gegeben hat. In die Flankenmauer wurde der Schlussstein – MFE 1751 – eines wohl abgebrochenen Tores als Zitat eingefügt. Auch bei Altkaditz 7 kann neben der Pforte ein Torbogen gewesen sein. Es liegt auch nahe, dass vor allem die Höfe von Großbauern solche Tore hatten. Ein gewisses Repräsentationsbedürfnis kann hier auch eine Rolle gespielt haben. Aufgrund der sparsamen Gestaltung der Torbögen ist die Zuordnung zu Baustilen schwer – das Motiv Korbbogen weist ins 18. Jahrhundert, also in die Barockzeit.

Für Abbrüche von Torbögen sind verschiedene Gründe denkbar, so das Aufkommen landwirtschaftlicher Großtechnik im 20. Jahrhundert, für die die Bögen zu eng waren, die allmählichen Verstädterung der Dörfer und der Rückgang dörflicher Traditionen oder die Tatsache, dass Reparaturen an Torbögen in wirtschaftlich schlechter Zeit schwierig waren. Anderseits könnten zu leicht gebaute Bögen, wo zu wenig seitliches Mauerwiderlager dem Schub des Bogens auf Dauer nicht standhielt, zu Rissbildungen und Schäden geführt haben. Das Entstehen von Rissen im Bogenbereich (ansatzweise ist ein solcher am Torbogen von Altkaditz 14 zu erkennen) kann speziell in Kaditz auch an der Elbnähe – schwankender Grundwasserstand und/oder nicht homogener Baugrund (Schwemmland) – liegen. Umso beachtlicher ist die Tatsache, dass 2010 noch vier Torbögen vorhanden sind!

Ein paar Stichworte zu den einzelnen Bögen:

Altkaditz 4-6 (Foto D. Lohse)

Altkaditz 4/6: wohl nach 1990 neu errichteter, massiver Torbogen, Mauerwerk glatt verputzt, Sockel und Prellsteine aus Sandsteinquadern, Gewände und Schlussstein (JBF 1899) jedoch in Sandsteinfarbe aufgemalt, Abdeckung der Mauer hier in Zink, Torflügel aus braunen, senkrecht gefügten Brettern, oberer Abschluss derselben leicht geschweift, dadurch zwischen Tor und Torbogen etwas Luft lassend. – Im Vergleich ein eher schlechtes Beispiel ohne Originalsubstanz und historisches Flair; die Kopie einer Toranlage ist als Raumabschluss für den doppelt großen Hof dennoch sinnvoll.

Altkaditz 10 (Foto D. Lohse)

Altkaditz 10: massive Wand in zwei verschiedenen Höhen, verputzt außer der Bogenfassung und Randbereichen der Mauer, hier Sandsteinquader, Bogen mit Schlussstein (JGP 1799), Pforte mit Segmentbogen, hier Putzfaschen, Wand oben mit Dachziegeln als Pultdach abgeschlossen, Holztor und Tür senkrecht verbrettert (graugrün) mit Deckleisten (weiß), Öffnung ganz durch Torflügel geschlossen. – Gutes Beispiel der Erhaltung einschließlich der farblichen Behandlung, jedoch zu spielerischer Umgang bei der Sandsteinfreilegung.

Altkaditz 14 (Foto D. Lohse)

Altkaditz 14: gestaffelte Mauerhöhen, Mauern beidseitig in der Tiefe des Grundstücks fortgeführt, völlig verputzt und gestrichen (Hauptfarbe Altweiß, Teile rosa), Sandstein-Schlusssteine (Tor JAP Nr. 28, 1803, Pforte CGF 32), beidseitig Prellsteine vorhanden, Mauer mit Biberschwanzziegeln als Satteldach gedeckt, Tor und Pforte mit senkrecht verbretterten Flügeln (Braun), Oberteil der Torflügel in Lattenwerk aufgelöst. – Sehr gutes Beispiel, jedoch Farbe Rosa untypisch. Sollte die Farbe an den rötlich-braunen Porphyr erinnern, wäre es farblich auch daneben.

Altkaditz 15 (Foto D. Lohse)

Altkaditz 15: auch hier gestaffelte Mauerhöhen, Mauer bis auf charakteristische Sandsteinteile glatt verputzt, Tor und Pforte mit steinmetzmäßig bearbeiteten Sandsteingewänden, die seitlichen Gewände schließen am oberen Ende mit plastischen, kapitellartigen Ziergliedern ab, beide Öffnungen mit bemalten Schlusssteinen (Grund weiß, Rahmung und Schrift blau; Tor JCC 1816, Symbole Dreschflegel und Gabel, Pforte Nr. 11, Symbole Sichel und Messer (?)), Tor mit Prellsteinen, Verdachung mit »Bibern« in Satteldachform, grüne, senkrecht verbretterte Tür und Tor, wobei die Torflügel am Ansatz des Bogens horizontal enden und so der Bogen frei bleibt. – Ebenfalls ein sehr gutes Beispiel, jedoch wirkt die Mauerverlängerung mit inselartig freigelegten Sandsteinen etwas manieristisch. Interessant zu wissen wäre, ob für die Farben der Schlusssteine restauratorische Befunde vorlagen.

Wenn ich mich z.T. auch kritisch zum gegenwärtigen Zustand der Bögen äußere, soll das keineswegs eine Missachtung der bisher von Privatpersonen, Betrieben oder Denkmalpflegern ausgeführten Arbeiten an Mauern und Toren sein. Diese haben auf jeden Fall zum Erhalt dieser dörflichen Anlagen beigetragen und verdienen auch meine Anerkennung. Es sind persönliche Feststellungen eines Denkmalpflegers i.R., Anregungen, dass Gutes ggf. noch besser werden kann.

Dietrich Lohse

[V&R 2/2010, S. 3-6]

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