Noch ein spezielles Kapitel: Untertraufmalerei in Radebeul

Als ich in den Vorschauheften 08/08 und 09/08 über Beispiele der Drempelmalerei berichtete, hatte ich mit voller Absicht die ähnliche Untertraufmalerei nicht mit in das Thema einbezogen. Und dafür gab es Gründe.

Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, das damalige Thema nicht so packend fanden, sollten Sie vielleicht gleich weiterblättern und sehen, ob das Heft für Sie noch interessantere Artikel bringt. Wenn Sie aber neugierig sind und von dem heutigen Thema noch nie gehört haben, dann sollten Sie dranbleiben.

Mozartstraße 6

Während wir die Drempelmalerei an der oberen Partie einer geputzten Wandfläche von Villen und Landhäusern antreffen, es sich also um Malerei in oder auf Putz handelt und diese am besten durch möglichst horizontale Blickrichtung wahrgenommen wird, so ist Untertraufmalerei eine solche auf der Unterseite eines Dachvorsprungs an Traufe oder Giebel, meist eines Dachkastens aus Holz und setzt eine mehr vertikale Blickrichtung des Betrachters voraus. Beide liegen zwar in oberen, benachbarten Partien von Gebäuden, kommen aber äußerst selten am selben Haus vor. Das einzige, mir bekannte Radebeuler Haus ist die „Teekanne-Villa“, Meißner Straße 45, deren Fassaden z.Z. restauriert werden, wo neben Drempelmalerei auch etwas frühe Untertraufmalerei zu erleben ist. Die eigentliche Untertraufmalerei gehört zu einer Bauzeit von ca. 1906 – 1914, ist also jünger als die Drempelmalerei. Es ist die kurze Zeitspanne zwischen dem Jugendstil und dem 1. Weltkrieg, die gern als „Deutscher Werkbund“ oder neuerdings auch als Reformbaukunst bezeichnet wird. Da es sich dabei um einen Übergang von Historismus/Jugenstil zu Moderne/Bauhaus handelt, sind die Ausdrucksmittel der Untertraufmalerei gegenüber der Drempelmalerei stark zurückgenommen und zeigen eine klare, z.T. geometrische Formensprache sowie andere Farbigkeit (sie beschränkt sich meist auf 2 oder 3 Farben, selten mehr). Drempelmalerei wirkt auf uns malerischer und künstlerischer und kann von Hand oder als Schablonemalerei aufgetragen worden sein, während die strengere, symbolhaftere Untertraufmalerei stets als Schablonemalerei hergestellt wurde. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass für denkmalpflegerische Arbeiten an Drempelmalerei ein Restaurator gebunden werden sollte, während die Untertraufmalerei oft auch von einem Maler ausgebessert oder erneuert werden kann.

Häuser, die nach den Regeln der Reformbaukunst errichtet wurden, gibt es einige in Radebeul, aber nicht an jedem finden wir die Untertraufmalerei. Abgesehen von verstreuten Einzelstandorten finden wir Beispiele der Reformbaukunst im Areal der Fa. Eisold, also zwischen der „Goldenen Weintraube“ und der Eisenbahntrasse oder im Gebiet westlich der mittleren Moritzburger Straße, wo eine Fläche durch das Dresdner Büro Schilling & Graebner beplant und bebaut wurde. Hier lohnt es sich, solche Untertraufmalerei zu suchen – ich habe insgesamt 7 Beispiele (6 an Kulturdenkmalen, 1 an einem Nichtdenkmal) gefunden. Erfreulich ist, dass bei den meisten Häusern mit dieser Malerei diese bei Instandsetzungsarbeiten nach 1990 erhalten, bzw. fachgerecht in Stand gesetzt werden konnte.

Die Vorstellung der über ganz Radebeul verstreuten Objekte erfolgt alphabetisch nach der jeweiligen, heutigen Adresse. In einem Fall wird die Gesamtansicht eines solchen Hauses angeboten, damit man das Zusammenspiel der Untertraufmalerei mit den anderen Merkmalen der Reformbaukunst wahrnehmen kann. Sonst werde ich mich auf Detailabbildungen der Malerei beschränken. Dieser eigentlich kaum beachtete, bzw. schwer erkennbare Schmuck an ein paar Radebeuler Häusern trägt doch zum architektonisch-künstlerischen Gesamtbild der Villenkultur bei. Hin und wieder finden wir auch eine ähnliche Gestaltung an Häusern der Reformbaukunst, wo auf die Untersicht der Traufe Quadrate in Abständen plastisch auf den Fond aufgesetzt und alles unifarben gestrichen wurde. Da spätere Bauepochen immer mehr versachlicht wurden oder aber das Bauen in Zeiten fiel, wo stärker gespart werden musste, ist die Untertraufmalerei wohl als die letzte Phase, in der Häuser durch malerische Mittel gestaltet und bereichert wurden, anzusehen. Deshalb ist sie nicht nur für Besucher Radebeuls, sondern auch für die Bürger wichtig und sollte, wie das auch einige Eigentümer derartiger Häuser erkannt haben, weiterhin erhalten werden.

Karl-Marx-Straße 8

Karl-Marx-Straße 8(1911) ist ein villenartiges Landhaus, das nach Renovierung in den 90er Jahren als Pension genutzt wird. Die straff-geometrische Malerei in den Farben Braun, Hellgrau, Beige und Blau wurde nach Originalbefunden erneuert.

 

Louisenstraße 6

Louisenstraße 6(1912), eine Mietvilla, wurde von Johannes Eisold entworfen. Diese Schablonenmalerei in Weinrot und Hellgrau, hier auch an den Gaupen (!), konnte in den 90er Jahren von den Eigentümern selbst erneuert werden. Die filigrane Ornamentik der Malerei korrespondiert in schöner Weise mit der Putzornamentik der Fassaden der Mietvilla.

Makarenkostraße 7

Makarenkostraße 7(1911) wurde als Landhaus von Architekt Johannes Heinsius (Dresden) entworfen. Diese dreifarbige Untertraufmalerei (Weiß, Grün und Orange) aus sich wiederholenden, blumenähnlichen Elementen wurde Anfang der 90er Jahre in Stand gesetzt.

 

Mittlere Bergstraße 41

Mittlere Bergstraße 41(1910), ein Landhaus, mit Untertraufmalerei auch an den Giebelschrägen erhebt sich über einer Sandterrasse des Elbtals. Die Motive wurden hier durch rechteckig gerahmte Felder mit zentralen Vierecken in Dunkelblau auf hellgrauem Grund dargestellt. Die aus unterbrochenen Wellenlinien gebildeten Rahmungen erinnern noch ein wenig an die Jugendstilepoche.

Mozartstraße 6

Mozartstraße 6(1910) zeigt als Malerei unter der Traufe auf dunkelgrauem Grund einen Wechsel aus weißen Quadraten und Rechtecken, jeweils mit ausgeglichenem und gestrecktem Ornament in der Mitte. Hier ist der Charakter einer Villa der Reformbaukunst mit Erker, Dachgaupen, Klappläden und der Malerei vielleicht am authentischsten zu erleben.

Terrassenstraße 1

Terrassenstraße 1(1908/09) ist eine große Villa, wo ein Chemnitzer Architekt demonstriert, dass die Untertraufmalerei natürlich kein Radebeuler Phänomen ist. Wir können bei der Malerei mindestens 4 verschiedene Motive aus Quadrat, Kreis und Ornament und mindestens 5 Farben feststellen. Die Originalmalerei ist z.T. stark verblichen aber erkennbar. Über der Loggia wurden einige Elemente der Malerei im Sinne einer Probeachse neu angelegt. Hier ist vor weiterer Bearbeitung noch eine Diskussion der Probeachse mit den Eigentümern und der Denkmalschutzbehörde erforderlich.

Wichernstraße 4

Wichernstraße 4 (ca. 1890 / 1910) zeigt das Zusammenwirken von zwei Baustilen – ein Wohnhaus von ca. 1890 wurde um 1910 deutlich erweitert. Am Erweiterungsbau ist Untertraufmalerei in Braun und Grün auf weißem Grund, ähnlich der Mozartstraße 6, zu sehen. Erhalt und Erneuerung der Malerei erfolgten hier ohne denkmalpflegerische Auflagen (kein Kulturdenkmal) allein nach dem Wollen der Eigentümer.

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