Das aber ist das Schöne am Januar: die Tage werden wieder länger, es wird wieder hell. Wie wir eindeutigen Formulierungen entnehmen können, hatte schon Goethe vermutlich daran seine besondere Freude. Was Goethe nicht wusste: Wir legen jetzt die Lichterketten wieder fein säuberlich in den Karton, führen des glitzernd leuchtende Rentier wieder in seinen Stall und befreien den etwas rachitisch am Fenster hängenden Weihnachtsmann aus seiner Strickleiter. Wir haben nun wieder fast ein ganzes Jahr Zeit (oder: schon wieder kein ganzes Jahr mehr!!) zu überlegen, welcher Festschmuck welchem Gebäude angemessen ist.
Ungeteilte Bewunderung gilt Jahr für Jahr der schönen großen Fichte und ihrer Weihnachtsbeleuchtung auf der Karl-Liebknecht-Straße. Dabei gibt es nicht nur die artistische Leistung zu bestaunen, mit der das oberste Licht stets an die oberste Spitze gelangt, sondern insbesondere auch die bei aller Größe dezente Verteilung der Lichter insgesamt. Da ist wirklich noch etwas von Weihnachten zu spüren – herzlichen Dank dafür!
An ganz anderer Stelle machte ein bis in die Geweihspitzen glitzerndes Rentier samt Paketschlitten auf ein Gebäude aufmerksam, das vermutlich nicht jedermanns Geschmack ist, das jedoch den Geist eines guten Architekten atmet. Beton und Glas wechseln einander in wohl abgestimmten Flächen ab, die großzügig gegliederten Fassaden erscheinen modern und dennoch harmonisch (das muss kein Gegensatz sein) – das heißt alles in allem: die Maßverhältnisse stimmen. Wenn aber nun das erwähnte Tier vom Balkone leuchtet, drängt sich dem besorgten Betrachter eine Frage auf: Haben die Eigentümer die Architektur (und den Architekten) eigentlich verstanden? Sind sie wirklich glücklich mit und in ihrem Haus, oder hätten sie doch lieber ein richtiges Dach gehabt und vielleicht ein Türmchen an der Seite, an dem dann allmal im Dezember ein etwas rachitischer Weihnachtsmann an einer Strickleiter so permanent wie erfolglos emporzuklimmen das Schicksal hat?
Das Detail gehört zum Ganzen, und sei es auch nur für ein paar kurze dunkle Wochen.
Nach 2013 soll es im Jahr 2016 wieder einen Bauherrenpreis geben. Weihnachtsdekoration ist dabei kein Beurteilungskriterium, schon weil der Advent im Beurteilungszeitraum noch lange nicht in Sicht ist.
Dennoch haben wir jetzt wieder fast ein ganzes Jahr lang Zeit zu überlegen, welche Dekoration der Architektur, dem Stadtbild, vor allem aber dem Anliegen des Weihnachtsfestes angemessen ist.
Auf die Fichte in der Karl-Liebknecht-Straße freue ich mich heute schon.
Thomas Gerlach
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