Nach der ca. halbjährigen Vorbereitung der Wiedergeburt des Radebeuler Monatsheftes erschien die erste Ausgabe im Mai 1990 in einer Auflage von 5000 Stück, allerdings mit dem leicht abgewandelten Titel Vorschau und Rückblick. Die Redaktion hatte sich den gleichen Inhalten verschrieben wie die ehemalige: Sie wollte das kulturelle Leben Radebeuls und der
Umgebung widerspiegeln und die Verbundenheit mit der Lößnitzer Kulturlandschaft stärken. Was die Gestaltung der Zeitschrift anging, änderte sich mit dem Neubeginn einiges. Im Vergleich zur alten Vorschau wurde das Themenspektrum vielfältiger, vor allem aber wurden die Texte mutiger, schließlich gab es keine Zensur mehr. Außerdem wurden die Texte reicher bebildert, was einem moderneren Layout Rechnung trug. Es ist von einer Besonderheit zu sprechen, dass es die Redaktion geschafft hatte, die Zeitschrift nach knapp drei Jahrzehnten wieder im gleichen Format und mit einem ähnlichen Umfang erscheinen zu lassen – so wurde die Kontinuität als Wiederaufnahme einer Tradition auch optisch erfahrbar. Wie auch schon in der Vergangenheit halfen Werbeanzeigen bei der Finanzierung und warb man um die Mitarbeit engagierter Bürgerinnen und Bürger, da es sonst für die ehrenamtlich tätige Redaktion schwierig gewesen wäre, die regelmäßige Produktion eines Heftes im Umfang von 32 Seiten allein zu bewerkstelligen. Die Initiative wurde vom Rat der Stadt Radebeul für den Start mit 5000 M finanziell unterstützt, allerdings musste dennoch ein Preis von 1,50M (bzw. nach Währungsunion im Juli 1990 1,50 DM) pro Heft erhoben werden, um alle Ausgaben zu decken. Die Bewältigung der unzähligen organisatorischen Aufgaben stellte für das neue und unerfahrene Redaktionskollegium mit der Zeit eine große Herausforderung dar. An Mitschriften von Sitzungen aus der Anfangszeit erkennt man, dass es Probleme durch fehlendes Material gab, bei der Finanzplanung und auch bei organisatorischen Fragen, wie z.B. der Zuständigkeit für die Beantwortung der recht zahlreich eintreffenden Leserbriefe. Nicht zu vergessen sind auch die Diskussionen darüber, wie man Anzeigenkunden gewinnen könnte. Im Zuge dessen wurde in der Redaktion über den Anteil von Werbung im Heft heiß debattiert. Letztendlich musste man sich aber der Realität beugen, nachdem man erkannt hatte, dass Werbung zur Kostendeckung unverzichtbar war. Im Folgenden sollen einige Aspekte der Anfangszeit näher beleuchtet und in Erinnerung gerufen werden.
Durch die Zusage der Stadt vom Mai 1990, als Bürgermeister Kunze im Grußwort zur ersten Ausgabe versprach, „stets und ständig unterstützend“ wirken zu wollen, war der Start der neuen Vorschau voller Euphorie und Zuversicht gewesen. Trotzdem mussten sich die Mitwirkenden bald darauf vielen kleinen und großen Herausforderungen stellen. Schon wenige Monate nach dem Start mussten sie zugeben, dass das Geschäft nicht so gut lief, wie anfangs vorgestellt. Wolfgang Zimmermann erinnerte im Januar-Heft 1993 an diese Zeit: „[E]s verkauft[e] sich nicht so, wie wir dachten – von Aus-den-Händen-reißen konnte gar keine Rede sein. Der Aufwand erwies sich als hoch, der Vertrieb klappte überhaupt nicht.“ Ende Juli 1990 beispielsweise hatte sich Ulrike Kunze im Namen der Redaktion in einem Brief an das Sachsenradio gewandt: „Wir haben ziemliche Schwierigkeiten (zumal wir gleichzeitig mit dem Überangebot bunter Blätter erscheinen).“ Andererseits fehlte es an der öffentlichkeitswirksamen Platzierung, weshalb weiter zu lesen ist: „Wir fänden es sehr nett und sehr gut, wenn Sie unsere Zeitschrift in einer Sendung vorstellen könnten.“
Einen Konflikt zwischen dem inzwischen neugewählten Radebeuler Bürgermeister Schmidt und der Redaktion von Vorschau und Rückblick gab es zu Jahresbeginn 1991. Schmidt hatte im ersten Heft der kostenlos verbreiteten Zeitschrift Radebeuler Reporter, im Dezember 1990, die Idee geäußert, Vorschau und Rückblick könnte doch zukünftig darin als kostenlose Beilage veröffentlicht werden. Die Vorschau-Autoren fühlten sich von diesem Vorschlag angegriffen und kritisierten die Ausdrucksweise des Bürgermeisters, der die Zeitschrift herunterzuspielen schien.
Beispielsweise führte die Formulierung, die Vorschau sei ein „neu geborenes Kind“, zu Unverständnis, denn schließlich sei sie laut Redaktion vielmehr eine „wiedererweckte Radebeuler Tradition“. Der Briefwechsel zog sich bis in den Mai 1991 hinein, als die Idee der Fusionierung beider Lokalblätter schließlich wieder verworfen wurde. Redaktionsmitglied Karin (Gerhardt) Baum ist sich heute noch sicher, dass diese Kooperation schiefgegangen wäre, denn die Inhalte der Zeitschriften waren einfach zu verschieden. Auch ein Jahr später konnte noch nicht von finanzieller Sicherheit die Rede sein. Ende Juli 1991 schrieb das Vorschau-und-Rückblick-Kollegium Anträge auf finanzielle Hilfen an die Stadtverwaltung und äußerte sich gegenüber der „Stiftung Kulturfond“, dass die Kosten trotz intensiver Bemühungen monatlich höher würden und der Schuldenberg auf ca. 30 000DM(!) angewachsen sei. Die Druckerei drohte in jenem Sommer sogar schon mit rechtlichen Schritten. Dies scheint auch der Grund dafür zu sein, dass die Auflage des Heftes in der ersten Jahreshälfte auf 3500 Hefte im Monat gesunken war – und seitdem übrigens nicht wieder erhöht wurde. Doch nicht nur die Zahl der Hefte wurde reduziert. Der Höhepunkt der Krise war im Juni 1991, als die Redaktion kein Heft für Juli erstellen konnte und es daher zum einzigen fehlenden Heft der Vorschau-und-Rückblick-Geschichte kam. Auch im Herbst klaffte noch einmal eine Lücke, denn September und Oktober 1991 wurden in einem Heft zusammengefasst.
Die erste Hälfte des Jahres 1991 war also von einer existenzgefährdenden Finanzlage geprägt, weshalb es einem kleinen Wunder gleichkommt, dass das gesamte Zeitschriftenprojekt in dieser schweren Zeit nicht scheiterte. Dass der Autorenkreis mit allen Mitteln kämpfte, ist enormem Optimismus und großer Risikobereitschaft zu verdanken, die seit dem revolutionären Herbst 1989 nicht verloren gegangen waren. Das Problem der Redaktionsmitglieder war schlichtweg, dass sie keine Erfahrungen mit der Marktwirtschaft hatten und daher erst erlernen mussten, wie ein kostendeckender Zeitschriftenvertrieb zu organisieren war. Ein Lichtblick für die Redaktion muss die treue und hilfsbereite Leserschaft gewesen sein, die schon damals regelmäßig mit kleinen Spendenbeiträgen geholfen und der Redaktion mit freundlichen Schreiben ein gutes Gefühl vermittelt hatte. Die einzige langfristige Lösung der ständigen Finanzprobleme und zugleich ein großer Meilenstein für die Radebeuler Monatszeitschrift war die Gründung des Vereins „Radebeuler Monatsheft e.V.“ am 12. November 1991 in der Stadtgalerie Radebeul-Ost, da es dadurch möglich wurde,
Förder- und Spendengelder einzuwerben. Der erste gewählte Vereinsvorsitzende wurde Dietrich Lohse, als sein Stellvertreter fungierte Wolfgang Zimmermann. Die Zusammensetzung der nur 10 Personen umfassenden Runde ist insoweit interessant, als dass fünf von ihnen – Ilona Rau, Ulrike Kunze, Karin Gerhardt, Dietrich Lohse und Wolfgang Zimmermann – bis heute mit dabei sind. Eine weitere wegweisende Entscheidung wurde in jenem Herbst 1991 getroffen: das Monatsheft müsse kostenlos erscheinen, um genug Leser zu erreichen und damit für Werbekunden interessant zu sein. Nur das würde die Chance bieten, weiter existieren zu können. Die Umstellung auf kostenlose Auslage an vielen verschiedenen Punkten in Radebeul und Umgebung erfolgte dann ab Januar 1992.
In den folgenden Jahren erreichten die Redaktion viele herzliche Leserbriefe mit finanziellen Zuwendungen, Lob und Themenideen. Diese Zuschriften kamen nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern hatten auch längere Wege zurückgelegt. Selbst in New York hatte die Kulturzeitschrift zeitweilig eine Leserin, dessen Interesse für ihre Heimatstadt durch die Hefte wiedererwacht war.
Hanna Kazmirowski
Eine ausführliche Dokumentation zur Geschichte der Radebeuler Vorschau bzw. von Vorschau und Rückblick ist auf der Homepage www.vorschau-rueckblick.de unter „Verein“ abgelegt.
Ein Kommentar
Liebe Hanna Kazmirowski,
vielen Dank für das wunderbare Geburtstagsgeschenk. Die kommentierende Draufsicht auf die teilweise absurden Kapriolen in der Gründungsphase unserer 30-jährigen Vorschau-Geschichte aus dem Blickwinkel der übernächsten Generation hat bei mir zu völlig neuen Erkenntnissen geführt. Und es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass dieses kleine unscheinbare Heftchen inmitten des bunten Blätterwaldes bis heute seinen Platz gefunden hat.
Karin (Gerhardt) Baum, Redaktionsmitglied seit 1990