Glosse

Elbaugemeinde

Neulich habe ich mal meinen Wohnort verlassen. Ich weiß, das ist jetzt schwierig. Aber die 15-Kilometer-Sperrzone ist ja aufgehoben. Außerdem muss man heutzutage keinen Fuß mehr vor die Tür setzen, wenn man sich in der Welt umschauen will.

Also, ich war im „schönen Vogtland“ in einer Kleinstadt, die ich noch aus meiner Jugendzeit kenne. Da bin ich aus dem Staunen nicht herausgekommen. Die Stadt wächst und wächst und wächst – nicht so sehr an Bauten, denn da gibt es aktuell viele Lücken, wohl mehr in der Fläche. Seit 1990 nahm diese um ca. 37 Prozent zu. Da hat so manches Dorf seine Selbständigkeit eingebüßt. Trotzdem verlor die Stadt über 20 Prozent an Einwohnern in der Zeit. Wie man sieht, reicht es nicht, wenn man sich immer mehr ausbreitet. Radebeul kann sich nicht weiter ausdehnen, höchstens aufplustern. Aber mehr Fläche braucht es ja auch gar nicht. Die Stadt wächst auch so – an Einwohnern und an Bauten sowieso. Freilich wollen die neuen Häuschen nicht allen gefallen. Aber da sollte man nicht so kleinlich sein, und wenn in 20 Jahren die heute noch kleinen Bäumchen groß sind, wirkt die Sache schon viel freundlicher, wie man in Gorbitz sehen kann. Bei den modernen Bauten mit einem Sehschlitz vorn und einem hinten, weiß man ohnehin nicht wo sich die Schauseite befindet. Meine Vermutung ist, dass die überhaupt keine haben, weil sie von innen nach außen entworfen wurden. Auch scheint das Geheimnis des Wachsens eher darin zu liegen, etwas abzugeben, wie zum Beispiel die Denkmalpflege, die Jugendbetreuung, den Bürgertreff, die Immobilien und dafür lieber etwas anzumieten oder anderes gar nicht erst erwerben zu wollen. Wer erinnert sich nicht noch an den „Ziehauf“ mit den Bahnhöfen. Schwamm drüber!

Da hatte es mich schon gewundert, dass diese vogtländische Kleinstadt früher gleich zwei Bahnhöfe hatte, die ganz verschiedene Strecken bedienten. Radebeul hingegen hat zwar vier „Milchrampen“, wie der Vogtländer sagen würde, aber die Fernzüge rauschen halt durch. Wer in die „Welt“ will, muss schon nach Coswig. Die haben zwar über 10.000 Einwohner weniger, aber hatten offensichtlich bei der Verteilung der Fernzughaltepunkte die Nase vorn. Überhaupt ist zu beobachten, dass sich die Stadt Radebeul immer mehr an Coswig kuschelt. Das scheint mir nicht nur am alten Reflex wegen der einstigen Dresdner Annexionsgelüste zu liegen. Vielmehr hat man nun begriffen, dass die Sonne seit geraumer Zeit eben doch im Westen aufgeht. Selbst die Gleichstellungsbeauftragte teilen wir uns mit der Nachbarstadt. Bekommt das die Stadtverwaltung nicht selber hin oder sind wir so gut, dass dafür eine halbe Stelle ausreicht? „Wer viel fragt, geht viel irre“, sagt ein altes Sprichwort. Aber in dieser Angelegenheit gibt es sowieso keinen Stillstand. Und wenn erst einmal die Hirne der Beamten in Bewegung geraten sind, gibt es kein Halten mehr.

Jetzt kursiert sogar gegenwärtig die Idee, ein gemeinsames Hallenbad bauen zu wollen und das alte wegzureißen. Um den Synergieeffekt zu steigern, schlage ich deshalb vor, dass das Bad unbedingt in Coswig errichtet werden sollte, da könnte man gleich noch Weinböhla mit ins Wasser holen. Das würde die Haushaltskasse von Radebeul enorm entlasten. Vielleicht hat Coswig auch einen pfiffigen Stadtmanager zu bieten, der wird, wie ich hörte, ja auch gesucht. Wer könnte in heutigen Zeiten nicht ein Zubrot vertragen? Und was ist eigentlich aus den Abrissplänen für die Ballspielhalle in Altkö geworden? Das wäre doch auch ein wunderbares Kooperationsprojekt.

Als ich mir die ganze Sache so recht durch den Kopf gehen ließ, kam mir zwangsläufig ein nahezu genialer Gedanke. Radebeul sollte, auch um den imaginären Eingemeindungswünschen von Dresden zu entgehen, möglichst schnell gleich mit Coswig fusionieren. Alle unnötigen Verhandlungen und Verträge würden entfallen. Viele Ämter könnten ersatzlos gestrichen werden, denn wir brauchen ja nicht von allem das Doppelte. Der Name des so entstandenen Gebildes könnte evtl. „Gemeinde Coswig-Radebeul“ oder „Elbaugemeinde“ lauten. Bitte nicht „Elbgaugemeinde“, denn da könnte man etwas in den falschen Hals bekommen. Aber für die Namensfindung sollte unbedingt ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. Da hätten wir dann auch gleich noch die Bürgerbeteiligung untergebracht, die ja immer irgendwie dabei sein sollte.

Ende gut alles gut, wieder was gespart, meint

Euer Motzi

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