Bärbel Kuntsche – „Den Kasper entdecken“

Sonderausstellung in der Karrasburg Coswig

Die Künstlerin Bärbel Kuntsche wurde 1939 in Weißenborn/Erzgebirge geboren.
In Meißen erlernte sie den Beruf einer Kunst-Porzellanmalerin und absolvierte an der Hochschule für Bildende Künste Dresden ein Studium der Malerei und Grafik. Seit 1976 lebt sie mit ihrem Mann, dem Bildhauer Wolf-Eike Kuntsche in Radebeul. Für ihr künstlerisches Wirken wurde Bärbel Kuntsche im Jahr 2005 mit dem Kunstpreis der Großen Kreisstadt Radebeul geehrt.

Das erste Kasperiade-Plakat für den neuen Veranstaltungsort in Altkötzschenbroda

Auf die Radebeuler Malerin und Grafikerin Bärbel Kuntsche (V&R 1999/12) war die Leiterin des Coswiger Stadtmuseums im Jahr 2020 durch die Titelbildserie des Monatsheftes „Vorschau und Rückblick“ aufmerksam geworden. Zeigen wollte man ursprünglich Bilder und Grafiken mit Landschaftsmotiven. Doch recht schnell wurde der Plan wieder verworfen. Stattdessen erfüllte sich für die Künstlerin ein langgehegter Wunsch.

In der aktuellen Sonderausstellung „Den Kasper entdecken“ ist nun ein kleiner Teilbereich ihres vielfältigen Schaffens zu sehen, welcher bisher mehr oder weniger im Verborgenen geschlummert hatte. Präsentiert werden nicht nur die gedruckten Plakate und Programmflyer, welche von 2004 bis 2012 im Zusammenhang mit der Radebeuler Kasperiade entstanden sind. Ausgestellt werden auch zahlreiche mit Bleistift und Tusche gezeichnete Studienblätter sowie grafische (zum Teil colorierte) Entwürfe, welche Einblick geben in den künstlerischen Arbeitsprozess von den ersten Ideen über verschiedene Variationen bis zu den fertigen Druckerzeugnissen. Einige Kasper-Handspielfiguren aus Privatbesitz ergänzen die Coswiger Exposition, darunter der klassische Hohnsteiner Kasper sowie ein künstlerisches Unikat, geschaffen vom legendären Gottfried Reinhardt (1935-2013), der sich sowohl als Puppengestalter, Stückeschreiber, Puppenspieler und Maler in der sächsischen Künstlerszene einen Namen gemacht hatte (V&R  2013/08).

Die „Kasperiade“ ist zugleich auch Programm. Sie steht für Anspruch und Vielfalt der Figurentheaterkunst. In Altkötzschenbroda konnte man nicht nur das traditionelle Handpuppenspiel erleben. Geboten wurden darüber hinaus vielfältige Darbietungsformen vom Marionettentheater über Schattenspiel und Erzähltheater bis zum Spiel mit Großfiguren, bereichert durch ein umfangreiches Rahmenprogramm.

Vignetten für verschiedene Druckerzeugnisse der Radebeuler Kasperiade

Einstmals vom Kreiskabinett für Kulturarbeit ins Leben gerufen, wanderte die „Radebeuler Kasperiade“ quer durch die Lößnitzstadt. Gestartet 1987 auf der Hauptstraße in Radebeul-Ost, zog das Puppenspielfest bereits 1989 nach Zitzschewig in das Domizil der Puppentheatersammlung im „Hohenhaus“, landete schließlich 2004 nach einjähriger Pause in Altkötzschenbroda, um überraschender Weise 2013 nach Radebeul-Ost zurückzukehren.

Für neun Kasperiaden entwarf Bärbel Kuntsche zehn Plakate. Wieso zehn? Wer genau hinschaut, erkennt für das Jahr 2012 den bittersüßen Doppelsinn. Einerseits hatte die Künstlerin das Jubiläumsplakat für die 25. Radebeuler Kasperiade gestaltet, andererseits schuf sie zum Abschied ein zusätzliches Erinnerungsplakat an die schöne Zeit in Altkötzschenbroda. Und der Nachkriegsschlager „Verzeih’n Sie, mein Herr, fährt dieser Zug nach Kötzschenbroda?“ regte natürlich an zu einer Parodie. Denn diesmal fuhr der Zug in eine andere Richtung, zurück an den Ausgangsort der Kasperiade, angeschoben von einer Gruppe emsig beflissener Zwerge. Derweil die heile Märchenwelt hinterm Vorhang zusammenbrach. Doch auf die 25. Kasperiade folgten weitere Kasperiaden. Wie heißt es schließlich am Ende vieler Geschichten: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ( V&R 2011/08, V&R 2012/07).

Die Kasperiade-Plakate wurden zu begehrten Sammelobjekten und schmücken so manches Kinderzimmer in Radebeul und Umgebung. Restbestände sind, solange der Vorrat reicht, alljährlich auf dem Radebeuler Grafikmarkt erhältlich. Eine Nachauflage der farbenfrohen DIN-A-2-Plakate wäre eine Überlegung wert.

Die Zusammenarbeit der Künstlerin mit der Radebeuler Stadtgalerie erstreckte sich nicht nur über die Zeit der Kasperiade in Altkötzschenbroda. Diese produktive Verbindung währte über eine Periode von mehr als drei Jahrzehnten. Als Malerin und Grafikerin war Bärbel Kuntsche bereits 1985 am alten und 1999 am neuen Galeriestandort mit Personalausstellungen vertreten. Auch hatte sie sich seit 1984 in loser Folge an zahlreichen Gemeinschaftsprojekten beteiligt.

Im Jahre 2000 wurde ihr erstmals die illustrative Ausgestaltung eines Druckerzeugnisses übertragen. Gemeint ist das Faltblatt für die „Radebeuler Begegnungen“ (Veranstaltungsreihe bis 2018). Darauf aufbauend folgte eine intensive Zusammenarbeit mit den Veranstaltern der „Kasperiade“: Stadtgalerie Radebeul, Evangelisches Kinderhaus, Familienzentrum und Landesverband Amateurtheater Sachsen.

Dabei spielte für Bärbel Kuntsche das Honorar eine untergeordnete Rolle. Ausschlaggebend war, ob sie ein Auftrag inhaltlich interessierte. Die Kasperiade war ihr besonders ans Herz gewachsen. Die Leidenschaft für das Metier des Figurentheaters in all seinen Facetten, hat sie sich von Kindertagen an bis heute bewahrt.

Bärbel Kuntsche kann sich noch gut daran erinnern, wie die Puppenspieler einstmals über Land zogen und im Dorfgasthof ihre Stücke aufführten. Der Kasper spielte darin die Hauptrolle und sorgte dafür, dass alles im Guten endet. Seine Späße waren mitunter recht derb. Um die „pädagogische“ Wirkung zu verstärken, wurde nicht zuletzt zum großen Vergnügen des Publikums mit der Kasperklatsche nachgeholfen.

Das all die Jahre wiederkehrende Motiv auf den Kasperiade-Eintrittskarten

Der besondere Verdienst von Bärbel Kuntsche besteht u. a. darin, für die „Radebeuler Kasperiade“ einen ganz eigenen fröhlichen Kasper als Symbolfigur entwickelt zu haben, der dieses Fest neun Jahre lang gemeinsam mit vielen altbekannten Märchenfiguren begleitet hat. Während Rotkäppchen, das tapfere Schneiderlein oder der böse Wolf und die sieben Geißlein die Szene dominierten, wurde das kleine vorwitzige Kerlchen meist erst auf den zweiten Blick sichtbar. Im Unterschied zu seinen Vorgängern trug der Kasper eine Kappe mit drei Zipfeln, die heiter und beschwingt mal in diese, mal in jene Richtung wippten. Dem schelmischen Überlebenskünstler konnten weder System- noch Ortswechsel die Laune verderben. Und auf die Kasperklatsche hat er verständlicherweise ganz verzichtet.
Wenngleich er seine Gestalt auch oftmals verändert hat, liebt ihn das Publikum bis heute und entdeckt den Kasper immer wieder neu. Bleibt zu hoffen, dass diese heitere Ausstellung schon bald für die kleinen und großen Besucher ihre Pforte öffnen kann. Wann und in welcher Form die nächste Kasperiade stattfinden wird, erfährt man im Kulturamt der Stadt Radebeul.

Karin (Gerhardt) Baum
(s. a. Beiträge in V&R 1999/12, 2011/08, 2012/07, 2013/08)

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