Eine Glosse?

Die schwäbische Hausfrau

Ob nun der 2021 ins Häusliche zurückgetretenen Angela die alleinige Schuld an der Reanimierung der „Schwäbischen Hausfrau“ seit 2023 in die Schuhe geschoben werden kann, soll hier nicht diskutiert werden. Offensichtlich aber wollte sie die Dame nicht mit nach Hause nehmen. Sie ist vermutlich in der Besenkammer des Kanzleramtes steckengeblieben und einer hat sie da unlängst wieder rausgelassen. Ob versehentlich oder absichtsvoll wird gegenwärtig noch geprüft. Fakt aber ist, dass nun schon wieder alle vom Sparen schwadronieren, auch weil Staat, Europäische Union und damit letztlich die Wirtschaft vor zehn, fünfzehn Jahren die Kurve nicht bekommen haben und auch nichts dazulernen wollten. Wer über seine Verhältnisse lebt, so der Slogan, der muss halt sparen. Und seit der Eurokrise wurde besonders an den Löhnen und den Investitionen gespart.

Nicht genug, dass die Europäische Union 2013 den Europäischen Fiskalpakt eingeführt hat, setzte das Kabinett-Merkel III mit Sparfuchs Schäuble als Finanzminister noch eins obendrauf, in dem die Schuldenbremse 2016 ins Grundgesetz geschrieben wurde. Nun klemmt die Säge vollends und es geht nichts mehr vor und zurück. Selbst der CDU dämmert es langsam, dass hier irgendetwas nicht stimmen kann.

Will aber jetzt keinen Vortrag über verfehlte Bundesfinanzpolitik halten. Die Spatzen pfeifen es eh schon längst von den Dächern. Zur Ehrenrettung der schwäbischen Hausfrauen sei aber angemerkt, dass diese sehr wohl den Unterschied zwischen mikro- und makroökonomischem Denken begriffen haben. Für die Instandhaltung des eigenen Hauses wurde da schon mal ein Kredit aufgenommen.

Selbst Mitarbeiter des Bundesministeriums für Wissenschaft und Klimaschutz haben bereits 2016 festgestellt, das „Investitionen und stabile Staatsfinanzen“ kein Widerspruch sein müssen und beispielsweise Investitionen in die Bildung Rendite abwerfen.

Dass aber der neue Schulcampus in Kötzschenbroda nur entstehen kann, wenn andere intakte Gebäude abgerissen werden, will mir einfach nicht in den Kopf. Muss man jetzt bauen, weil vorher auch zwei Schulgebäude plattgemacht wurden? Interessieren würde mich auch, woher dann eigentlich die Schüler kommen sollen, da die Geburtendelle in absehbarer Zeit wohl nicht überwunden wird und die Erwerbsbevölkerung in Sachsen bis 2040 um 36,5 Prozent schrumpfen soll? An der „Schwäbische Hausfrau“ kann es nicht liegen.

Die Investitionen der Stadt Radebeul für 2024 beliefen sich laut Plan immerhin auf über 19 Millionen Euro, die höchste Summe seit 2013. Dennoch dirigiert auch in Radebeul die „Schwäbische Hausfrau“, wenn sich CDU-Fraktion in der Haushaltsdebatte im April 2024 gegen jedwede Kreditaufnahme wandte. Realisiert wird also nur, wofür es Fördermittel gibt und da wird es wohl in den nächsten Jahren schlecht aussehen. Bereits Anfang 2024 ahnte der Oberbürgermeister, dass es künftig weniger geben wird. Dennoch wurde die Kolbe-Villa erworben, als ob die Stadt nicht schon genug Vorhaben an der Backe hätte. Gegenwärtig laufen dort die ersten Sicherungsmaßnahmen. Bei allen zweifelsfreien Erfolgen vermisst der Bürger eine Strategie, eine Prioritätenliste. Was man im April 2024 auf der Haushaltsberatung im Stadtrat noch als Standort für das neue Stadtarchiv „feierte“, verkaufte man sieben Monate später in einer Bürgerversammlung Anfang Dezember – welch wundersame Wandlung – als „Haus der Kultur und Geschichte“ in einem neuen städtischen Zentrumsbereich in Radebeul-Mitte. Die Jugendherberge soll da auch gleich einen Neubau erhalten. Baubeginn, so war nun in der Zeitung an 6. Januar zu lesen, frühestens 2031! Alles natürlich fördermittelabhängig. Ohne Fördermittel scheint in Radebeul nichts mehr zu gehen. Seltsamerweise war von diesem bedeutenden Projekt im Interview des Oberbürgermeistes Bert Wendsche in der Sächsischen Zeitung vom 27. Dezember über die Frage „Was kann sich Radebeul nächstes Jahr leisten?“ noch keine Rede. Die Bürger, die bei der Vorstellung des Vorhabens durch die Stadtverwaltung dabei waren, werden sich wohl verdutzt die Augen gerieben oder vermutlich beim Ohrendoktor angemeldet haben.

Aber was soll’s, auch vieles Andere kam in dem Interview nicht zur Sprache, etwa der soziale Wohnungsbau, wie die Klimabilanz der Stadt, die perspektivische Stadtentwicklung, von der Kultur ganz zu schweigen. Da wird wohl wieder die „Schwäbische Hausfrau“ zugeschlagen haben.

Euer Motzi

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