Mühlen in der Lößnitz

Zur Ausstellungseröffnung im Museumsdepot am 23. März

Thilo Hänsel am Modell einer Bockwindmühle

In seiner parodistischen Bühnenfassung des Märchens »Der gestiefelte Kater« lässt Ludwig Tieck den über Land fahrenden König nicht nur fragen, wem denn die herrlichen Ländereien gehören (dem Grafen Carabas na­türlich). Die Prinzessin möchte vom Bauern auch wissen, warum dieser »denn da das Stroh so um­haue«? Da­rauf Bauer Kunz: »Das ist ja die Ernte, Mamsell Königin, das Getreide.« »Das Getreide?«, schaltet sich der König ein, »Wozu braucht ihr denn das?« Kunz: »Daraus wird ja das Brot gebacken.« Der König zeigt sich er­staunt: »Daraus wird Brot gebacken? Wer sollte wohl auf solche Streiche kommen…«

Die Monarchie ist lange abgeschafft. Heute sind die Kunden König, und die wissen natürlich bescheid, woher das Brot kommt – vom Bäcker oder aus dem Supermarkt. Bauern, die sie eines besseren belehren könnten, begegnet man in der Stadt leider nur noch selten.

Mühlen - Blick in die Ausstellung

Bevor aus Getreide Brot gebacken werden kann, muss es gemahlen werden; da kommen die Mühlen ins Spiel. Vor gut 200 Jahren, als Tieck sein Märchenstück schrieb, musste man das nicht eigens er­wähnen. Da hatte man die Mühlen al­lerorten noch vor Au­gen und ihr sprichwörtliches Klappern im Ohr. Allein in der Lößnitz und der un­mittelbaren Umgebung waren damals 14 Mühlen im Gange. Heute ist davon nur noch eine einzige in Betrieb, die Schefflermühle im Lößnitzgrund. Eine weitere, die Gohliser Windmühle, hat die Zeit als technisches Denkmal überdauert. An die andern erinnern, wenn überhaupt, nur noch Straßen- und Häusernamen und seit 2008 auch der schöne Mühlsteinbrunnen in Radebeul-Mitte.

Dem Radebeuler Architekten im Un­ruhestand Thilo Hänsel war das nicht ge­nug. Seit langem trug er sich mit dem Gedanken, die wichtige Bedeutung und die lokale Tradition des Müllerhandwerks ins rechte Licht zu rücken. Gemeinsam mit Thomas Gerlach hat er sich zunächst auf Spurensuche zur Ge­schichte der Mühlen am Lößnitzbach begeben. Das vorzeigbare Ergebnis dieser Recherchen liegt seit einigen Tagen in Buchform vor.

Da diese Arbeit nun einmal gemacht war und die Autoren und einige ihrer Helfer der Arbeitsgruppe Stadtmuseum angehören, lag der Gedanke nicht fern, die Mühlen der Lößnitz auch zum Thema der zweiten Ausstellung der AG im Radebeuler Mu­seumsdepot zu machen.

Der Ort passt gut, denn nur einen Steinwurf von hier stand bis 1869 eine hölzerne Bockwindmühle, ähnlich der hier im Modell gezeigten. Und die Radebeuler Ursprungsgemeinde Serkowitz, wo wir uns befinden, hatte nicht nur den ältesten Gasthof, sondern – dicht dabei – auch die älteste Mühle der Lößnitz aufzuweisen – zumindest, wenn man sich an der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1337 orientiert.

Menschheitsgeschichtlich sind die Techniken der Getreideverarbeitung na­türlich viel älter, und auch dafür gibt es in der Lößnitz Belege. Das Landesamt für Ar­chäologie hat uns für die Ausstellung freundlicherweise Teile eines bronzezeitlichen Fundes von 2007 bei Radebeul-Naundorf zur Verfügung gestellt, darunter ein Steinpaar, das hier schon vor rund 3000 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Zerreiben von Körnern benutzt wurde.

Von Mühlen spricht man freilich erst, seitdem sich die Mahlsteine drehen. Wie man sich das zunächst vorzustellen hat, demonstriert der kunstvolle Nachbau einer mittelalterlichen Handmühle, der eigens für diese Ausstellung hergestellt wurde. Welcher Anstrengung es bedarf, durch Drehen des Läufersteins damit so etwas Ähnliches wie Mehl zu erzeugen, kann jeder selbst ausprobieren und wird danach noch besser verstehen, dass man sich schon früh be­mühte, die Arbeit durch technische Einrichtungen zu er­leichtern und andere An­triebsarten zu nutzen als die Menschenkraft.

Die historische Bedeutung der Mühlentechnik für die technische Entwicklung im Allgemeinen kann gar nicht hoch genug bewertet werden, und die heute als »alternative Energie« wieder groß in Mode ge­kommene Wasser- und Windkraft wurde zuerst für den Antrieb von Mühlen aller Art genutzt.

Im späten Mittelalter, als erstmals eine Getreidemühle in der Lößnitz erwähnt wird, hatten sich längst drei wesentliche Mühlentypen herausgebildet: Schiffsmühlen, Bachmühlen und Windmühlen. Alle drei Typen waren bis ins 19. Jahrhundert auch in unserem Stadtgebiet vertreten. Wo diese Mühlen lagen, wie sie ausgesehen haben und einiges zu ihrer Ge­schichte ist auf den Tafeln der Ausstellung in Bild und Text dargestellt. Daneben können die Besucher Grundlegendes über die Mühlentechnik erfahren, und auch der Bereich des Kuriosen kommt nicht zu kurz.

Der freundlichen Unterstützung durch zahlreiche Leihgeber haben wir es zu verdanken, dass hier auch viele echte Schätze gezeigt werden können: Modelle und Dokumente, historische Werkzeuge aus
der Landwirtschaft und dem Müller- und Bäckerhandwerk, originale Mühlenteile und nicht zuletzt auch einige Kunstwerke. Ein herzlicher Dank an alle, die der Ausstellung so zu noch mehr Anschaulichkeit verhal-
fen!

Die erste Ausstellung im Museumsdepot »100 Jahre Vor-Stadt-Geschichte – die Lößnitz 1835 bis 1935« war eher etwas für »alte Radebeuler«. So überraschte es kaum, dass unter den zahlreichen Besuchern die Generation 50 + deutlich am stärksten vertreten war. Ich würde mir wünschen, dass es uns diesmal besser gelingt, auch jüngere Leute anzusprechen; insbesondere denke ich da natürlich an die Radebeuler Schulen.

Wenn Ihnen, werte Gäste, die neue Ausstellung zusagt, können Sie uns dabei vielleicht als Multiplikatoren mit etwas Mundpropaganda unterstützen. Zu erfahren gibt es, wie gesagt, einiges. Und wenn bei den Prinzen und Prinzessinnen von heute nur hängen bleibt, dass das Brot eben nicht im Supermarkt wächst, wäre schon viel gewonnen.

Die Ausstellung »Mühlen in der Lößnitz« im Radebeuler Museumsdepot, Wa­sastraße 21, ist immer am letzten Mittwoch im Monat von 15 bis 19 Uhr zu besichtigen. Anschließend gibt es jeweils einen Vortrag; am 25. Mai um 19 Uhr spricht Helmut Harzbecker, Inhaber der Mühle in Bauda, über den Beruf des Müllers. Der Eintritt ist frei. – Zusätzliche Führungen für Gruppen und Schulklassen werden auf Anfrage gern angeboten (Kontakt über Tel. 8311605 bzw. per Email an kulturamt@radebeul.de). – Dank der großzügigen Unterstützung durch die Meißner Sparkassenstiftung konnte pa­rallel zur Ausstellung das vom Verein für Denkmalpflege und Neues Bauen Ra-
debeul e.V. herausgegebene, reich illustrierte Buch »Die Lößnitzbachmühlen« von Thilo Hänsel und Thomas Gerlach erscheinen (Notschriften-Verlag Radebeul).

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