„Nimm dich in acht!“

Georges Bizets Oper „Carmen“ hatte an den Landesbühnen Sachsen Premiere

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»Carmen« mit Patrizia Häusermann (Mitte)       Foto: H. König

möchte man der jungen Frau zurufen. Ihre eigenen Worte, mit denen sie ihre Verehrer am ausgestreckten Arm verhungern lässt. Eine Carmen steht vor uns, die nicht der Männer verzehrende Vamp ist, sondern eine mit Schönheit und erotischer Ausstrahlung „Geschlagene“. Eine, die glaubt, alles im Griff zu haben, aber dennoch unaufhaltsam dem Abgrund zusteuert. Mit dieser Carmen könnte man fast Mitleid haben. Wie sie völlig unaufgeregt und ohne große Pose die Männerwelt…aber sie will doch nur spielen!

Dies alles geschieht bei Patrizia Häusermann in schöner Einheit von gesanglichem und darstellerischem Können auf hohem Niveau. Auch durch sie zieht das bekannte Geschehen auf der Bühne den Zuschauer neu in den Bann. Ein Solistenensemble, das Patrizia Häusermann adäquater Partner ist, sei hier wenigstens zum Teil genannt; Kay Frenzel als Don José – glaubhaft in der Entwicklung seiner Rolle; Michael König als Leutnant Zuniga – hin- und hergerissen zwischen dem Macho und dem Staatsdiener; Paul Gukhoe Song als Escamillo; selbstverliebt, schön anzusehen und zu hören; Anna Erxleben als das Bauernmädchen Micaela, der man ihre naiven, aber forschen 17 Jahre abkauft und nicht zuletzt Antje Kahn als Mercedes, auch in dieser Rolle eine Freude was Stimme und Bühnenpräsenz anbelangt.

Man ist es ja nicht anders gewohnt, dass der Chor der Landesbühnen Sachsen (Leitung: Sebastian Matthias Fischer) sowie der Gastchor „ChoruSa“ (Leitung: Elke Linder) in bester Verfassung sind und das auch deutlich machen.

Aber – und das muss unbedingt gesagt werden – ein guter Choreograph bringt einen Chor auch zum Tanzen: und wie! Glückwunsch an Katrin Wolfram, deren Handschrift sich wohltuend durch die gesamte Inszenierung zieht und solche Höhepunkte schafft, wie sie mit dem Chor der Straßenkinder im 1. Akt entstanden sind.

Überhaupt, dem gesamten Regieteam ist es mit „Carmen“ gelungen eine moderne Inszenierung auf die Bühne zu stellen ohne vordergründige Modernismen zu bemühen. Als Regisseur konnte Manuel Schöbel (konzeptionelle Vorbereitung: Gisela Zürner und Ute Raab) – im schnörkellosen, praktikablen Bühnenbild und mit schlichten, spanisches Flair assoziierenden Kostümen (beides: Stefan Wiel) seinen Darstellern Raum geben. Es war auch klug sich für die Felsenstein’sche Fassung zu entscheiden und damit – in Felsenstein’scher Manier – unmotivierte Tanzeinlagen zu vermeiden. Aber der „Meister“ hätte sie gewiss auch nicht an anderer Stelle wieder eingefügt, wo doch Musik und Text alles vortrefflich erzählen.

Sei es drum, auch eine Inszenierung ist wie ein „wilder Vogel“, der an diesem Abend (der heimlichen 2. Premiere) fast drei Stunden um den Orchestergraben flog und sich durch die Elbland-Philharmonie unter der Leitung von Hans-Peter Preu zu wirklich großer Oper aufschwang.

Gabriele Zimmermann

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