Sprichwörter rund um mittelalterliche Burgen

»Burg Eltz« von Osten Foto: Thomas Max Müller/ PIXELIO https://www.pixelio.de/

Sprache, Inhalte und Deutungen

Nein, an unserer Friedensburg, die bekanntlich keine mittelalterlichen Wurzeln hat, kann ich das Thema nicht abhandeln. Oder vielleicht doch, da ließe sich ja mit dem Spruch „in die Röhre gucken“ eine Verbindung herstellen?
Bei zwei privaten, herbstlichen Ausflügen im Jahr 2018 hatten wir die Burgen „Burg Eltz“ (Rheinl.-Pfalz) und „Cadolzburg“ (Bayern, bzw. Franken) besucht – beides lohnende Ziele und denkmalpflegerisch durchaus empfehlenswert. Die „Burg Eltz“ könnten ein paar unserer Leser eventuell als Bild auf dem 500-DM-Schein (in Umlauf von 1965-95) kennen; ich hatte diesen Schein eher nicht in meinem Geldbeutel gefunden.
Natürlich hatten beide Burgen viele bauhistorische und künstlerische Details zu bieten, die wir beim Besuch erleben konnten. Aber bei den Besichtigungen erfuhren wir an verschiedenen Punkten, dass es Sprichwörter im täglichen Sprachgebrauch gibt, die ihren Ursprung im Rittertum des Mittelalters, bzw. in nachfolgenden Zeiten hatten. Oft verwenden wir solch eine Wortspielerei ohne deren ursprüngliche Bedeutung zu kennen. Dabei kann man auch Überraschendes erleben!
Heute begegnen wir derartigen Sprichwörtern eher in der Umgangssprache als in literarischen Werken. Sie treten einzeln als verkürzter Satz oder eingebaut in Satzbildungen auf. Bei einigen Redewendungen können wir über die Jahrhunderte und Jahrzehnte auch Abweichungen von der ursprünglichen Bedeutung beobachten. Im Folgenden will ich eine Auswahl solcher Sprichwörter anbieten, soweit ich mich an die og. Burgbesuche noch erinnere. Dazu will ich den historischen Hintergrund darstellen und die heutige Anwendung der Sprichworte aufzeigen.

„Von der Pike auf gelernt“
Lanzen und Hellebarden (Piken, Pikiere) waren im Mittelalter bevorzugte Waffen der unteren Soldatenränge. Wer in der Zeit was werden wollte, musste den Dienst unten anfangen, also mit der Pike kämpfen und darauf seine Laufbahn über die Zeit aufbauen.
Heute: eine stetige Entwicklung ist der sichere Weg nach oben, ohne dabei Zwischenschritte
auszulassen.
„Für Jemanden eine Lanze brechen“
Lanzen waren damals ein typisches Kriegsgerät. Wenn man nun vor seinem Gegenüber die Lanze zerbrach, also unbrauchbar machte, war das ein deutliches Friedensangebot.
Heute: Jemandem helfen oder die Idee eines Anderen unterstützen.
„Lunte riechen“
Seit dem 15. Jh. gehörten Luntenschlossgewehre zur Bewaffnung von Burgbesatzungen, bzw. von beweglichen Angreifern. Die Lunte war ein mit Phosphor getränkter Wollfaden. Von der Entfachung der Lunte bis zum Erreichen des Pulvers durch die Flamme verging ein Moment. Da die Lunte starke Gerüche verbreitete, konnten die Feinde das bei gutem Wind riechen und hatten den Vorteil, sich auf den Kampf einstellen zu können.
Heute: etwas erkennen, was eigentlich noch geheim sein sollte.
„Etwas im Schilde führen“
Ritter und Soldaten schützten sich im Kampf durch mitgeführte Schilde. Diese waren auf der Vorderseite meist mit einem Wappen (Löwe, Adler, Kreuz …) geschmückt. So gaben die Schilde dem Gegner Auskunft, für wen (Land, Fürst, Herr) der Krieger kämpfte. So sollte von vornherein Freund von Feind unterschieden werden.
Heute: eine Idee oder Strategie entwickeln, die noch nicht spruchreif, also geheim ist. Dieser Spruch hat sich im Laufe der Zeit etwas gewandelt.
„Was auf der hohen Kante haben“
Hier muß man wissen, dass mittelalterliche Kassen oder Schatztruhen Kisten aus Eichenholz oder Eisen mit hohen Seitenwänden waren und für besondere Schätze eine kleinere, extra gesicherte Kiste-in-der-Kiste hatten. Die Füllung so einer Truhe mit Geld, Gold oder Dokumenten war damit auf der „hohen Kante“.
Heute: etwas gespart haben, reich sein oder gut leben können.

„Etwas ist einem durch die Lappen gegangen“
Früher gab es verschiedene Arten Wild zu jagen. Adlige Treibjagden in der Barockzeit funktionierten so, dass im Gelände lange Strecken mit Seilen und Wimpeln (so genannte Jagdlappen, oft mit Wappen) abgesteckt wurden und zwischen solchen Strecken das Wild auf die Schützen zu getrieben und getötet wurde. Kam aber ein Stück Wild seitlich durch die Absperrung, war es gerettet.
Heute: man hat etwas verpasst oder man hat einen geschäftlichen Verlust erlitten.
„Einen Zahn zulegen“
Um diesen Spruch zu verstehen, müssen wir uns in die Burgküche begeben. Da war ein offenes Feuer mit einem großen, sich nach oben verjüngenden Schornstein, man sprach auch von der schwarzen Küche. Wollte man in einem Kupferkessel Wasser oder etwas anderes erwärmen. Musste man ihn an einer senkrechten Eisenstange mit mehreren Haken (= Zähne) über dem Feuer einhängen. War der Kessel tief eingehängt, kochte es schneller, an einen höheren Zahn gehängt, ergab sich langsameres Kochen. So waren Kochvorgänge früher regulierbar. Einen Zahn zulegen, müsste man so deuten, den Kessel tiefer zu hängen.
Heute: schneller fahren, auch etwas schneller oder intensiver betreiben.
„Da fällt dir kein Zacken aus der Krone“
Hier wurde Bezug genommen auf frühere Adelsränge, die üblicherweise verschiedene Kronen hatten. Niederer Adel hatte zur Unterscheidung fünf, Freiherren sieben und Grafen neun Zacken an der Krone – d.h., je höher der Rang, desto mehr Zacken zeigte die Krone.
Wenn zB. ein Graf zwei (im Spruch nur einen) Zacken aus der Krone verlieren würde, wäre er nur Freiherr, hätte einen niedrigeren Rang, wäre also erniedrigt worden.
Heute: man sollte den Standesdünkel nicht zu weit treiben, man sollte bescheiden bleiben.

Dietrich Lohse

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