Editorial

Unser Heft schickt sich von jeher an, neben den kulturellen Ereignissen in Radebeul auch Orte in der näheren Umgebung im Blick zu haben.

Diesmal richtet sich unser Interesse auf Schloss Burgk, ein Kleinod am Fuße des Windberges der Stadt Freital. Der aus dem 14. Jh. stammende Herrensitz ist regionaltypisch mit dem dortig ansäßigen Montanwesen verwoben, was in mehreren Ausstellungen anschaulich repräsentiert wird.

Ein zweiter, überaus bedeutender Schwerpunkt gilt, hier fast unvermutet, zwei hochkarätigen Sammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts. Neben der Städtischen Sammlung, die 2024 ihren 100. Geburtstag feierte, kam 1993 mit der Übernahme der privaten Sammlung des Dresdners Friedrich Pappermann der überaus glückliche Umstand hinzu, die Entwicklung der Dresdner Kunst von der Gründung der Königlichen Kunstakademie im Jahre 1764 bis zur unmittelbaren Gegenwart zeigen zu können. Besondere Höhepunkte der Stiftung bilden Werke von Meistern der ersten und zweiten Romantikergeneration, wie Johan Christian Clausen Dahl, Carl Gustav Carus, Johann Anton Castell, Victor Paul Mohn oder Karl Robert Kummer.

Die Konzentration von Künstlern der „Dresdner Schule“ über Generationen in beiden Expositionen ist bemerkenswert. Als Glanzpunkte gelten Werke von Otto Dix sowie sein gesamter Umkreis u.a. Wilhelm Lachnit, Pol Cassel, Conrad Felixmüller, Otto Lange oder Curt Querner.

Und schließlich, um den Bogen in die Heimatstadt zu schlagen, sind mit Bildern von Paul Wilhelm mit einer Lößnitzlandschaft, Claus Weidensdorfer und Günter Schmitz auch Radebeuler Künstler in der Sammlung vertreten.

Sascha Graedtke

Radebeuler Jahreshöhepunkte 2025

01.01.-31.12. 90 Jahre Radebeul
17.03.-15.04. Radebeul liest
29.03.-30.03. Whiskyfestival
01.04.-30.04. Radebeul liest
04.04. Auktion „Kunst & Kuriositäten“
13.04. Radebeuler KulTourBörse
30.05.-01.06. Karl-May-Festtage
01.06. Kindertag
14.06.-15.06. Tage des Offenen Weinberges
21.06. Fete de la musique
21.06.-22.06. Kasperiade
28.06.-29.06. Kunst geht in Gärten
22.08.-24.08. 675 Jahre Wahnsdorf
29.08. Künstlerfest
30.08.-31.08. Tage des Offenen Weingutes
14.09. Tag des Offenen Denkmals
19.09.-21.09. Herbst- und Weinfest
04.10.-05.10. Weinbergfest in der Hoflößnitz
02.11. Grafikmarkt
01.12.-24.12. Radebeul gemeinsam
1.,2.,3. Adv. Weihnachtsmarkt
21.12. Kurzfilmnacht

Alle Termine unter Vorbehalt!

 

 

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr



Zur Titelbildserie




Historische Winzerhäuser in Radebeul
Den Reigen von Winzerhäusern will ich mit dem sogenannten „Bennoschlösschen“, Bennostraße 35, eröffnen. Ich habe den im Volksmund verhafteten Namen gewählt, obwohl ich die Umschreibung als „Steinernes Haus“ besser fände – den Volksmund verbessern zu wollen, ist nahezu ein Unding. Das wohl älteste Radebeuler Winzerhaus ist um 1580 gebaut worden, Bischof Benno (gest. 1107) kann also das Haus nicht erbaut, besessen oder bewohnt haben. Anders als andere Winzerhäuser finden wir hier kein Fachwerk in den Außenwänden, so trifft es mit „Steinernes Haus“ besser. Markant sind seine Renaissance-Giebel nach vier Seiten. Zu der Zeit soll es weitere, ähnlich gestaltete Häuser in der Lößnitz gegeben haben, so z.B. einen Vorgängerbau des Hauses Albertsberg in der Eduard-Bilz-Straße. Das Bennoschlößchen ist das letzte seiner Art in Radebeul. Auffallend sind bei diesem Winzerhaus die kleinen Fensteröffnungen, bzw. das Verhältnis der Summe der Fensterflächen zu den gemauerten und verputzten Fassaden. Typisch ist die freie Lage des „Bennoschlößchens“ in der Landschaft, umgeben von Wein auf drei Seiten.

Dietrich Lohse

Lyrikseite 2025

Im Dezemberheft 2024 hatte sich der Kreis mit 12 Texten von Stephan Krawczyk geschlossen. Als Höhepunkt durften wir im letzten Sommer den Künstler in einem wunderbaren Konzert am Fuße der Weinberge im Weingut Aust erleben.
Für 2025 konnten wir den Dresdner Schriftsteller und Lyriker Michael Wüstefeld für unsere Lyrikseite gewinnen und freuen uns, dass er mit seinen Gedichten unser Heft bereichert.

Sascha Graedtke


MICHAEL WÜSTEFELD, geboren 1951 in Dresden, absolvierte ein technisches Studium an der TU Dresden, arbeitete bis 1991 in einem Dresdner Ingenieurbu?ro, seither als freiberuflicher Autor und Kritiker. Seit 1996 Mitglied im P.E.N.-Zentrum Deutschland. Zahlreiche Stipendienaufenthalte, u.a. Paris, Künstlerdorf Schöppingen, Amsterdam, Künstlerhaus Edenkoben, Villa Waldberta, Calwer Hesse-Stipendium, Pécs im „Auswärtsspiel“ der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, Stadtschreiber zu Rheinsberg.
Jüngste Veröffentlichungen: „Paris, geschenkt“ (2008), „Fünfkirchen fünf vor zwölf. Ein Pécs-Tagebuch“ (2016), „Kinogeschichten“ (2016), „Gegenwärtige Vergangenheit. Gedichte aus 40 Jahren“ (2020), „NachSchlag“ (2021).


 

Radebeuler Miniaturen

Rückblick auf die Zukunft

Beim Janus – wieder eine Gelegenheit verpaßt!
Janus – du weißt – ist der Gott mit den zwei Gesichtern, der als Hüter des Übergangs galt und der deshalb dem ersten Monat im Jahr seinen Namen gab. Mit Greisengesicht schaut er ins Gestern, während er mit jugendfrischem Antlitz das Morgen begrüßt.
Er könnte, würden wir dessen noch bedürfen, durchaus der Patron von „Vorschau & Rückblick“ sein. Es ist nämlich nicht immer einfach, schon vor Redaktionsschluß zu wissen, was danach noch interessant ist…
Nun ist jedenfalls wieder Januar.
Auf der Agenda fürs Kommende steht, so viel ich weiß, immer noch der Plan, den Aufgang zum Haltepunkt Kötzschenbroda mit der Kopie eines Bildes von Udo Lindenberg optisch etwas aufzuwerten. Er hatte ja seinerzeit den „Zug nach Kötzschenbroda“ umgeleitet, zum „Sonderzug nach Pankow“ gemacht und damit viel Freude ausgelöst. Ein Selbstbild Udos auf der Dampflok soll nun als Kopie den Durchgang zieren. So weit so geplant.
Etwa zeitgleich mit den entsprechenden Planungen begannen die Diskussionen um Karl May und dessen Blick auf indigene Völker.
Nun hatte ja der Panikrocker 1983 in seinem Lied den Genossen Generalsekretär als „Oberindianer“ bezeichnet.
Es sollte, dachte ich damals scherzhaft, einmal geprüft werden, wen der Barde damit beleidigt hat: den Generalsekretär? Die Indianer? Oder gar die Ober?
Aus nicht unbegründeter Sorge, der Scherz könnte ernst genommen und am Ende daraufhin vielleicht gar das Vorhaben abgeblasen werden, habe ich damals davon Abstand genommen, den Gedanken weiter zu verbreiten.
Nun aber lese ich am Ausgang des Jahres 2024 in der wie immer gut informierten realexistierenden „Lügenpresse“, daß anläßlich eines Chorkonzertes in Berlin das in Frage stehende Wort vorsorglich gestrichen worden ist …
Hätte ich damals meine Gedanken öffentlich gemacht, wäre ich der erste gewesen und hätte die Lacher auf meiner Seite gehabt. So rutsche ich – Janus seis geklagt – unversehens in die Rolle des Jammer-Ossis, der überall zu spät kommt.
Das einzig Schöne an der Geschichte ist, daß wir wieder was zu lachen haben – und das mit jugendlichem Antlitz am Anfang des Jahres – Prost!

Thomas Gerlach

Eine Glosse

Die Kronjuwelen…?

Die Kronenjuwelen des britischen Königshauses sollen ja das Kostbarste sein, was man auf dieser Welt besitzen kann. Ihren Wert schätzt man auf über 20 Billionen Pfund! Gewissermaßen ein Schatz der Superlative. Um die Klunkern zu schützen, bewahrt man sie seit einer kleinen Ewigkeit in einer beeindruckenden Festung auf, dem Tower of London. Der war nicht nur Schatzkammer des Königreiches, sondern zeitweise auch Waffenkammer, Hinrichtungsstätte, Zoo und Königspalast. Verständlich, dass die Herrscherfamilie ihr Wertvollstes und Liebstes natürlich ständig um sich haben wollte. Allein die St.-Edward-Krone beziffert man heute auf 39 Millionen Dollar. Das lässt man nicht gern allein. Auch will man natürlich die Edelsteine hin und wieder mal in der Hand fühlen. Wozu hat man sie denn sonst?
Natürlich verlief die Geschichte des Kronenschatzes nicht so glatt, wie man meint. Nicht immer ist man am Laufband an diesem „vorbeigeschwebt“. Erst seit 1967 ist dieser im Waterloo Barracks im Tower of London untergebracht. Ganz am Anfang wurden er in der Westminster Abbey, dem Krönungsort des Oberhauptes, aufbewahrt. Sicher war es da allerdings auch nicht, meldete doch die Chronik 1303 einen Diebstahl. Überhaupt sind die Herrscher lange Zeit ziemlich nachlässig mit ihrem Schatz umgegangen. Eduard III. hatte die Kronjuwelen sogar mal verborgt, um den Hundertjährigen Krieg (1337–1453) zu finanzieren.
Andere bewahren ihre „Kronjuwelen“ in Strumpf oder in der Matratze auf, wie neulich in Italien. Die böhmischen Kronjuwelen beispielsweise werden an drei verschiedenen Orten gelagert. Die Preußischen wurden gar im Zweiten Weltkrieg vor der heranrückenden Roten Armee im Thüringer Bergwerk Bernterode versteckt, um sie später den Nachfahren zu übergeben. Einiges ist aber auch abhanden gekommen. Das alte Sprichwort „Dreimal umgezogen, ist wie einmal abgebrannt.“, bewahrheitet sich halt immer wieder.
Die „Kronjuwelen“ von Radebeul werden in Bälde zum dritten Mal umziehen. Wohin weiß nur der Kuckuck allein. Da kann man nur hoffen, dass sie nicht auch nach Trier kommen, wie seinerzeit 1339, als Eduard III die englischen Kronjuwelen dem Kurfürst Balduin von Luxemburg geliehen hatte, weil der mal wieder knapp bei Kasse war.
Das freilich könnte der Großen Kreisstadt in den nächsten Jahren auch passieren. Die neusten Prognosen des Arbeitskreises „Steuerschätzungen“ sagen einen Rückgang von 10,2 Prozent voraus. Die Baukosten für geplante Vorhaben wie die Erweiterung des Karl-May-Museums, des Schul-Campus, des Objektes für Kunstsammlung und Stadtarchiv, der Sicherung der Kolbe-Villa und des Straßenbaus werden steigen. In die Hoflößnitz sollen auch demnächst die Handwerker einziehen. Die Inflationsrate hat mit +2 Prozent wieder angezogen. Welches Tafelsilber kann hier die Stadt eigentlich auf die Waagschale legen, wenn die Nummern schief gehen? Ob das Karl-May-Fest und das Herbst- und Weinfest das eingespielt haben, was man sich erhoffte, ist ohnehin fraglich. Und wie man hört, wird auch mit dem Vereinshaus jongliert und am Rosenhof sei man ebenfalls interessiert. Klingt alles verdächtig nach Monopoly.
Freilich hat Eduard III. sich Zeit gelassen mit dem Rückholen der Juwelen, aber 1343 konnte er dann die 50.000 Gulden auf den Tisch legen – nebst Zinsen versteht sich. Später beschloss man, dass der Schatz England nie mehr verlassen darf. Vermutlich hat man, als die Lage während des Zweiten Weltkrieges besonders brenzlig wurde, veranlasst, zwei Kopien der Kronjuwelen anzufertigen. Die durften dann auch mal auf Reisen gehen.
Für den Radebeuler Schatz kommt diese Lösung natürlich nicht in Frage. Hier ist die Lage eine ganz andere – den will niemand stehlen und ein Angriffskrieg ist auch nicht zu erwarten. Die Situation ist entstanden, weil einfach der Mietvertrag planmäßig ausgelaufen ist. Das konnte man ja nicht wissen. Der englischen Krone kann das nicht passieren. Da hatte sie schon 1086 vorgesorgt. Will aber gegenwärtig ein Radebeuler etwas aus dem Archiv ausleihen oder sich nur ansehen, muss man das bei einer Interimsstelle anmelden. Verständlich, dass man nicht wegen jedem Blatt einen Transport bestellt. Es muss sich ja lohnen, sich nach dem 14 Kilometer entferntem Ort aufzumachen. Wie es mit der Kunstsammlung überhaupt weiter geht, steht gegenwärtig noch in den Sternen.
Na gut, man kann halt nicht alles haben. Vielleicht ist der eine oder andere Bürger interessiert. Vielleicht sollten wir den Vorschlag des einstigen Oberbürgermeisters von Löbau aufgreifen und den Mitarbeitern und Bürgern einige Blätter und Kunstwerke einfach in die Hand drücken. Die würden sich freuen, und die teuren Unterbringungskosten könnten auch gespart werden, meint

Euer Motzi

 

Radebeuler Ansichtskarten – Wie sich Bilder ändern lassen

Sowohl für die alteingesessenen wie die neuen Radebeuler hat die Stadt zahlreiche Aspekte, die von Interesse sind: Bauwerke, Geschichte, Ereignisse… Eine Widerspiegelung dieser Dinge findet sich in einer besonderen Kunstform, den vielfältigen Ansichtskarten die von Radebeul und den Ortsteilen seit dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts

Abb. 1

herausgegeben wurden. Dieses besondere Format der historischen Zeugnisse hat eine wachsende Zahl von Interessenten. Legendär sind die Sammlungen von Gottfried Thiele, der in den Reihen „Archivbilder“ und „Bilder aus der DDR“ des Sutton Verlags Erfurt Teile seiner Sammlung veröffentlichte und von Gert Morzinek, der in mehreren Bänden des Verlags M. Lange die Stadt Radebeul und seine Ursprungsgemeinden in alten Ansichtskarten darstellte. Natürlich dürfen die beiden Bände von Frau Lieselotte Schließer „Radebeul in alten Ansichten“, herausgegeben von der Europäischen Bibliothek Zaltbommel/Niederlande, in dieser Aufzählung nicht fehlen. Die letzte Publikation dieser Art aus dem Jahr 2018 hat Michael Schmidt unter dem Titel „Grüße aus der Karl-May- und Eduard-Bilz-Stadt Radebeul in historischen Ansichtskarten“ geschaffen und im Sonnenblumen-Verlag Dresden veröffentlicht.

Abb. 2

Die Verlage, die diese Post- und Ansichtskarten vom jetzigen Radebeul anboten sind vielfältig: Der bedeutendste ist sicher Brück und Sohn, Meißen, aber auch Carl Pittius, dessen Nachfahren ein Schreibwarengeschäft in Radebeul-West betrieben, das den älteren Radebeulern noch in guter Erinnerung sein dürfte, hat viele Ansichtskarten herausgegeben. Daneben gibt es eine Reihe Dresdner und kleinerer Radebeuler Verlage.

Abb. 3

Befördert wurde der Verkauf von Ansichtskarten durch die zunehmende Beliebtheit der Lößnitz als Ausflugsort

Abb. 4

der Dresdner. Besonders für Ausflugsziele wie Friedensburg, Meierei, Bilzbad oder Spitzhaus gab es Ansichtskarten in großer Vielfalt von den verschiedensten Verlagen. Veränderungen im Stadtbild waren für diese Verlage eine Herausforderung. So wurde die schöne Ansicht der Friedensburg mit der Niederlößnitz durch den Bau des Wasserturms 1914 plötzlich unmodern. Veraltete Ansichtskarten ohne den neuen Turm zu verkaufen, schien problematisch zu sein. Also fügte man dieses Bauwerk im Druckstock manuell hinzu, wie es die Ansichtskarten des Verlags Albert Ernst aus Dresden erkennen lassen. Von diesem Verlag gab es viele Ansichtskarten mit Bildern aus den ehemaligen Radebeuler Orten. Den eingefügten Wasserturm kann man trotz des Versuchs durch eine gleichzeitige Änderung der Handkolorierung von einem Sommerbild zu einem Frühjahrsaspekt deutlich als Fälschung erkennen (Abb. 1 und Abb. 2).
Die Ansichten auf den Karten sollten ja besonders schön sein. Manchmal fanden die Ansichtskarten-Produzenten offenbar Strommasten als störend für die Harmonie des Bildes und retuschierten sie in der Nachauflage einfach weg.

Abb. 5

Das kann man an Beispielen aus den 50er Jahren sehen. Aus dem Verlag Brück und Sohn, Meißen, stammt die Karte von der Bahnhofstraße (Abb.3) und aus dem Verlag A. & R. Adam, Dresden, die Karte, die die Straße „An der Jägermühle“ abbildet (Abb.4). Der gewissenhafte Historiker muss also bei Ansichtskarten vorsichtig sein und mit geschönten Darstellungen rechnen.
Kurios sind dagegen die Karten aus dem Verlag von Carl Pittius, die die Häuser Lößnitzgrundstraße 38 zeigen, über die Dietrich Lohse in Vorschau und Rückblick im Heft 06/2017 berichtete. Postalisch gelaufen sind sie 1915 und 1917. Warum wohl haben die beiden Damen vor dem Grundstück den Verleger gestört (Abb.5)? Sollten sie vielleicht nicht von der imposanten Stromtrasse des gerade in Betrieb gegangenen Elektrizitätswerks in der ehemaligen Pönitzschmühle ablenken, die Radebeul mit Strom versorgte?
Nun sind diese Beispiele Zufallsfunde. Bei der großen Zahl von hergestellten Ansichtskarten ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man noch mehr solcher Bearbeitungen finden kann.

Wilfried Rattke

Weißes Roß

Der Januar

Winterimpressionen im Innenhof Foto: Archiv C. Grün

Wenn das lang herbeigesehnte Weihnachtsfest vorbei war – wie lang erschien uns Kindern damals ein Jahr – dann begann es langsam mit dem Schnee. An so genannte „Grüne Weihnachten“ kann ich mich oft erinnern, im Januar blieb der Schnee dann meist liegen. Ungeduldig waren schon die Schlitten aus der „10“, dem unteren Vorraum des Garagenbodens, hinter unseren Kinderfahrrädern hervorgeholt und von Staub und Spinnweben befreit worden. Wolfgang schmirgelte mit Sandpapier die Kufen ab und rieb sie mit Speckschwarte ein. Ich kann mich noch erinnern, dass ich einmal lange am Kinderstubenfenster gestanden habe und mit Inbrunst „Schneeflöckchen Weißröckchen“ gesungen habe. Und dass es dann tatsächlich zu schneien anfing, ein kleines Kinderwunder.

Endlich hatte sich der Grasgarten in eine weiße, in der Wintersonne flimmernde Fläche verwandelt. Immer wieder war ich angetan von den bunt funkelnden Schneekristallen. So stellte ich mir den Eispalast der Schneekönigin hoch oben im eisigen Norden immer vor, strahlend und gleißend. Über die unberührte weiße Fläche durfte um nichts in der Welt drübergelatscht werden, nur dort, wo die Schlitten eine Spur zogen. Wolfgangs Schlitten war neu, sehr stabil aus hellem, lackiertem Holz, bei Leiter-Franke gekauft. Ich musste, wie in vielen Dingen, Muttels Utensilien aus ihrer Kinderzeit benutzen, auch z.B. den Schulranzen. Mein Schlitten war lang und schmal und hatte nur einen Sitz im hinteren Drittel aus Leinwand. Da diese morsch geworden war, bekam der Schlitten längs und quer ein Gurtband gespannt, angefertigt vom Polstermeister aus Wahnsdorf. Er besserte jeden Sommer auf dem Garagenboden die in sein Fach schlagenden Möbel aus und hatte eine etwas wimmernde Stimme. Oma verbot uns strengstens darüber zu lachen. Dann war in unserem Schlittenarsenal noch die Käsehitsche vorhanden, klein und einsitzig.

Vater Pätzold, das Faktotum Foto: Archiv C. Grün

Mit Begeisterung wurde im Hühnergarten Schnee zu großen Ballen gerollt, die dann zu einer Schneebude verbaut wurden. Ich kann mich noch erinnern, dass Wolfgang hineingekrochen war und plötzlich der ganze Bau über ihm zusammenbrach. Ein älterer Junge, er hieß Lipsky, zog Wolfgang an den Beinen heraus, es war wirklich Eile geboten. Ältere Kinder waren bei Oma und Muttel nicht so beliebt, beide waren davon überzeugt, dass sie uns nur zu Unfug verleiteten. In diesem Fall war es aber recht gut, dass ein älterer dabei war. Infolge dieses Geschehens wurde das Bauen von Schneebuden strikt verboten. Aber findig wie wir waren, fanden wir eine große Holzkiste, die wir mit Schnee umpappten. Vater Petzold, Omas Haus- und Hoffaktotum, nagelte einen Sack vor die Öffnung, so konnten wir trotz der Kälte eine Weile darinnen hocken.

Wir sind natürlich auch viel rodeln gegangen. Erst in der Nähe, dann wurde mit zunehmenden Alter der Aktionsradius immer mehr erweitert. Nähe, das bedeutet, dass wir den Hof und den kleinen Abhang unserer Wiese am Mühlweg hinunterfuhren. Die Obstwiese war damals noch nicht aufgefüllt und stand bei Hochwasser, welches der Lößnitzbach mit sich brachte, ständig unter Wasser. Die bis hinunter an die Kleinbahnschienen über die Lößnitzgrundstraße hinweg war dann einige Winter unsere Rodelbahn. Autos gab es kaum, es war Kriegszeit. Nachdem wir eine Weile mit den Schlitten solo gerodelt waren, wurde Bob gemacht. Alle vorhandenen Schlitten wurden hintereinander zusammengebunden und vornweg Wolfgang mit seinem stabilen Gefährt. Am Ende hing die Käsehitsche dran, die während der Abfahrt unheimlich hin und her schlenkerte. Und damit komme ich auf Gunther. Er war ein sogenannter Mongoloid, etwa zehn Jahre älter als wir, aber auf unserer Entwicklungsstufe stehengeblieben. Seine Mutter war froh, wenn er mit uns ziehen konnte. Zu unserer Ehre sei gesagt, so richtig geärgert haben wir ihn nicht. Allerdings wurde er auf Kinderart zu Handlungen genutzt, zu denen keiner Lust hatte. Er musste verschossene Bälle zurückholen, oftmals aus dem Gestrüpp. Oder er musste herbeiholen, was wir gerade so brauchten. Gunther tat ziemlich freudig, was wir von ihm verlangten, hatte er es satt, ging er nach Hause. Beim Bobfahren war es für Gunther selbstverständlich, dass sein Platz auf der Käsehitsche war. Er konnte sich meistens nur bis zum halben Berg halten, dann warf es ihn hinunter. Unverdrossen wartete er oben am Abfahrtspunkt, um dann wieder auf der Hitsche Platz zu nehmen. Gunther trug gestrickte weiße Fingerhandschuhe, die von unseren bunten Fäustlingen seltsam abstachen. Er starb in den Hungerjahren nach 1945, weil er die ungewohnte Nahrung strikt verweigerte.

Gefährlicher zum Rodeln war die Haarnadelkurve (oberer Teil der Hoflößnitzstraße) oberhalb der Grundmühle. An einen Unfall aber kann ich mich nicht erinnern, Der Sternweg, er geht vom Augustusweg vor der Baumwiese rechts ab, war auch eine beliebte Rodelbahn. Nur waren wir meist zu faul bis dahin zu laufen. Und zu Seiferts Wiesen nach Wahnsdorf sind wir später nur mit Skiern hingekommen. Das waren so unsere Winterfreuden bis weit in den Februar hinein, wenn der Schnee liegen blieb.

Zuhause wurde mit den Spielsachen gespielt, die wir zu Weihnachten bekommen hatten. Die Regale und Schubfächer von Wolfgangs Kaufmannsladen und meiner Puppenküche waren vom Weihnachtsmann neu aufgefüllt worden. Das waren leckere Dinge aus Marzipan, Butterstückchen in Kleeblattform, Würste und Brote und auch buntbestreute Schokokladenplätzchen. Leider war der Vorrat in meiner Puppenküche schnell verbraucht und so bediente ich mich heimlich in Wolfgangs Kaufmannsladen. Wenn er die leeren Fächer aufzog, bezog ich regelmäßig meine Dresche. Meine Puppen, sechs an der Zahl, die Brunhilde, die Krimhild, die Heidi, die Steffi, die Ursel und der Puppenjunge Siegfried waren von Muttel auch neu eingekleidet worden. Sie, die für Näherei sonst nie einen Nerv hatte, entwickelte sich zu einer wahren Modistin.

Als Juttel in das Alter kam, dass sie meinen blauen Puppenwagen kriegen sollte, wurde mein großer Weihnachtswunsch, lang ersehnt, endlich erfüllt. Ich bekam einen schicken Puppensportwagen, die damalige Bezeichnung für Wagen für Kleinkinder, die aus dem Babyalter heraus waren. Dieser elegante Wagen war der Stolz meiner Puppenzeit. Leider haben meine Herren Söhne später alles zur Minna gemacht, indem sie damit, mit allem Möglichen beladen, im Hof herumkapriolten. Jungen fehlt eben für so etwas der Sinn.

Das war der Januar unserer Kinderzeit.

Christa Stenzel/ Christian Grün

Baum erneut ausgezeichnet

Auszeichnungsakt zur Vergabe des 3. Hauptpreises für Sächsische Heimatforschung 2024 im Klemperer-Saal der SLUB am 15. November 2024.
Die Personen von l. n. r.: Gerald Heine, Abteilungsleiter beim Staatsministerium für Kultus, Martin Munke von der SLUB, die Autoren Karl Uwe Baum und Roland Friedel sowie René Misterek vom Landesverein Sächsischer Heimatschutz e. V. Foto: K. (Gerhardt) Baum

Interview mit Landespreisträger für Heimatforschung

Karin (Gerhardt) Baum im Gespräch mit Karl Uwe Baum über seine kürzlich erfolgte Auszeichnung mit dem Sächsischen Landespreis für Heimatforschung für die Arbeit Die letzte Nummer. Geschichten aus einem Landesverband.

Nach dem du bereits 2020 für deine Webseite www.amateurtheater-historie.de den Sächsischen Förderpreis für Heimatforschung erhalten hattest, konntest Du im November letzten Jahres erneut einen Preis entgegennehmen.

Ja, darüber freue ich mich natürlich sehr. Den 3. Hauptpreis habe ich zusammen mit meinem Freund Roland Friedel aus Leipzig erhalten für unsere gemeinsame Arbeit über den Landesverband Amateurtheater Sachsen e.V., in dem wir über 20 Jahre mitgewirkt haben.

Der dritte Preis ist für Viele so etwas wie ein Trostpreis. Wie siehst du das?

Natürlich nimmt man an so einem Wettbewerb teil, um zu gewinnen. Und ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Aber es handelt sich hier ja nicht um eine Klassenarbeit. Man muss sich einer Jury stellen und die hat in dieser Kategorie halt nur einmal eine Note EINS zum vergeben. Zum Wettbewerb 2024 wurden landesweit immerhin über 50 Arbeiten eingereicht, da sind wir mit dieser Platzierung schon sehr zufrieden.

Der sächsische Landeswettbewerb für Heimatforschung ist sehr breit aufgestellt. In einem „Orchideen-Fach“ wie dem euren, ist es sicher schwer, in so einem Wettbewerb zu bestehen.

Meines Wissens ist unser Beitrag von 2024 und sind die von mir 2017 und 2020 eingereichten Beiträge bisher die einzigen Arbeiten zum Thema nichtprofessionelles Theater, die sich für den Landespreis beworben haben. Aber einen wirklichen Überblick habe ich natürlich nicht, da keine Listen über die bisher vorgelegten Arbeiten zugängig sind.
Vergangenes Jahr wurden Werke ausgezeichnet, die sich u.a. mit Themen wie Archäologie, Tieren und Pflanzen in einer Bergbaufolgelandschaft, Geschichten aus Riesa, Historisches aus einer Familienstiftung oder Bergbau im Erzgebirge beschäftigten. Auch einem Film über Falkenstein wurde geehrt. Da ist Theater eher eine ausgemachte Seltenheit, noch dazu, wenn das Thema in der heutigen Zeit verortet ist.

Um was geht es eigentlich in eurer Arbeit konkret?

Einerseits beschreiben wir aus unserer Erinnerung die Entwicklung des Verbandes seit seiner Gründung 1990 bis 2013. Andererseits zeigen wir in der Arbeit auf, wie die Transformation des Amateurtheaters der DDR in eine andere Gesellschaft erfolgte und wie die Akteure mit den anderen kulturpolitischen Verhältnissen zurechtgekommen sind. Hier wird weniger theoretisiert, vielmehr werden konkrete Begebenheiten beschrieben und Problemfelder aufgezeigt.

Wie muss man sich das vorstellen?

Im Abschnitt „Strukturfalle mit Atempause“ beispielsweise beschreiben wir, wie der Verband 2004 aus der Förderung durch das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst herausgeflogen ist und was er daraufhin unternommen hatte. Wir haben dann sofort sehr scharf reagiert und den Vorgang öffentlich gemacht. Darauf sah sich das Ministerium veranlasst, seine Entscheidung zurückzunehmen. Aber 2005 büßte der Verband wegen diesem „unfreundlichen Akt“ die Hälfte seiner Vorhaben ein.
Die Arbeit enthält noch weitere Fälle, bei denen es zu Auseinandersetzungen mit Behörden und Einrichtungen gekommen ist.

Es gab aber sicher nicht nur negative Erlebnisse?

Natürlich nicht! Da wären wir beide vermutlich auch nicht über 20 Jahre dabeigeblieben. Die vielen erfolgreichen Projekte, die besonders ab 2000 einsetzende dynamische Entwicklung des Verbandes, die Etablierung des Sächsischen Amateurtheater-Preises 2007 und die Schaffung der Preis-Skulpturen von den Radebeuler Künstlern Gabriele und Detlef Reinemer und viele andere erfreuliche Ereignisse wurden ebenso genannt und mit reichlichen Abbildungen versehen
Das alles hat Martin Munke von der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek auch in seiner Laudation zur Preisverleihung sehr warmherzig beschrieben, freilich nicht im Detail ausgeführt.

Wie soll es nun weitergehen?

Zusammen mit dem Landesverband Amateurtheater werden wir 2025 die Arbeit als Publikation in einer kleinen Auflage im Eigenverlag herausbringen. Gegenwärtig befassen wir uns mit der Überarbeitung des Textes. Eventuell wird es zu einer kleinen Erweiterung kommen, ergänzt durch zusätzliche Abbildungen. Sicher hat die Arbeit nicht das Zeug zu einem Bestseller, obwohl der Text durchaus unterhaltend und spannend verfasst ist. Wir sind aber sicher, dass das Buch nicht nur in Fachkreisen seine Leser finden wird. Die Publikation Auf der Scene. Gesichter des nichtprofessionellen Theaters in Sachsen von 1500 bis 2000, die der LATS 2013 herausbrachte und an der Roland Friedel und ich beteiligt waren, ist heute u. a. an allen deutschsprachigen Hochschule gelistet.

Da kann ich euch für 2025 nur viel Erfolg bei der Herausgabe der Publikation wünschen. Danke für das Interview.

Karin (Gerhardt) Baum

Im Auftrag der Redaktion von Vorschau & Rückblick.

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