Geflüchtet ans Paradies

Die Geschichte des Hauses „Maria Rast“ auf der Jägerstraße – Teil 2

Im 1. Teil dieses Beitrages (siehe August-Heft) wurde darüber berichtet, auf welche Weise das prominent oberhalb des sogenannten „Paradieses“ gelegene Anwesen auf der Jägerstraße 3 in Radebeul-Lindenau im Frühling 1945 in den Besitz von Ordensschwestern aus Dresden gelangt war. Der Artikel endete mit dem Hinweis auf den bevorstehenden Umzug von Kranken und Alten aus der Gaststätte „Weintraube“, für die sich die Schwestern verantwortlich fühlten.

Provinzhaus der Elisabeth-Schwestern, 1967


In der Hauschronik sind die Erinnerungen von Sr. Eustachia an den dramatischen Tag des Einzugs auf die Jägerstraße 3 wie folgt wiedergegeben: Am 8. Juni 1945, am Festtage des Herzens Jesu, begann morgens nach 7 Uhr der Auszug aus der „Weintraube“ die Paradiesstraße entlang bis zur Jägerhofstraße. Auf einem Lastwagen mit Pferdegespann waren verladen: Tische, Stühle, Kochtöpfe, Hausgeräte u.a., soviel man hatte in der Zwischenzeit beschaffen können und der Wagen faßte. […] Bergauf versagte zuerst die Bremse, sodaß der Wagen leicht zurückschob, dann versagten die Pferde und zuletzt der Kutscher, der Halt machte, abladen ließ und einfach heimkehrte […] Auf einem geborgten Handwagen schleppten nun die Schwester mit ihren Begleiterinnen Stück für Stück bergauf ins Heim bis abends 8 Uhr! Todmüde, aber doch froh „heimgefunden“ zu haben. So wurde das Haus auf der Jägerstraße 3, welches auch als Dr. Waschke-Stiftung und „Haus Maria Rast“ (wobei „Rast“ nicht als Nachname zu lesen ist, sondern im Sinne von „Die Rast Marias“) unter den Radebeuler Katholiken bekannt war, zum Altersheim der ehemaligen Dresdner „Franceschi-Rentner“. Das blieb es auch nach deren Versterben für andere Senioren, später vor allem für hochbetagte Ordensfrauen der Grauen Schwestern, die im Joseph-Stift nicht mehr Dienst tun konnten. Was in der Chronik über diesen bewussten 8. Juni 1945 so nüchtern berichtet wird, entpuppt sich bei näherem Bedenken als eine staunenswerte Energieleistung der Ordensfrauen unter unmöglichen Bedingungen! Ein streikendes Pferdefuhrwerk und ein entnervter Kutscher – und das am Fuße der Jägerhofstraße! Man mag es sich ausmalen, wie etwa an der Kreuzung der heutigen Dr.-Rudolf-Friedrichs-Straße/Jägerhofstraße die Gruppe Alter und Kranker an einem warmen Sommertag mit abgeladenem Hausrat steht und die Ordensfrauen überlegen, wie sie die 18 gebrechlichen Menschen und das Umzugsgut den langen Anstieg hinauftransportieren können. Von medizinischer Versorgung und Verpflegung ganz zu schweigen! Erst wenn man dies im Blick hat, wird erklärlich, warum die ganze Aktion mehr als 12 Stunden dauerte und warum in der Hauschronik (durch eine namentlich nicht erschließbare Ordensfrau) vermerkt wurde: An der Stelle, wo dies geschehen ist, ist leider bis heute noch kein Gedenkstein errichtet worden.

So paradiesisch auch die Lage an sich war – mit freiem Blick über das Elbtal –, so unpraktisch war das Haus auf der Jägerstraße für den täglichen Betrieb als Pflegeeinrichtung. Keine nahegelegenen Einkaufsmöglichkeiten, keinerlei Nahverkehr und das Fehlen eigener Fahrzeuge, Mangel an Brennmaterial, kein Telefon, und Ärzte und das Krankenhaus recht weit entfernt. Hinzu kam für das katholisch geführte Haus auch noch der Umstand, dass die katholische Kapelle auf der Borstraße zu weit entfernt war, als dass eine Teilnahme an Gottesdiensten für die Ordensfrauen und die Bewohner in Reichweite gewesen wäre. Umso wichtiger war es, dass am 28. September 1945, drei Tage vor der juristischen Übergabe des Erbgrundstückes, ein Raum im Haus als Kapelle geweiht werden konnte, in der in den Jahrzehnten danach durch die Pfarrer der Radebeuler und Pieschener katholischen Kirchen auch regelmäßig Gottesdienste gefeiert wurden (siehe Foto aus einem Gemeindeblatt vom Mai 1981). In den Jahren 1970/71 erfolgte ein großer Umbau des Hauses, bei dem Bäder und Toiletten eingebaut und die Mansarden aufgestockt wurden, was dem Haus ein ganz anderes Aussehen verlieh. Die spätere Oberin Sr. Roberta beschrieb im Rückblick die Verhältnisse nach dem Umbau zur DDR-Zeit so: Später gab es viele Erschwernisse mit der Wasserversorgung, der Druck reichte nicht bis auf den Berg. So mußte oft mitten in der Nacht das Wasser für den kommenden Tag eingefüllt werden. Nach der Wende, zu Beginn der 90ger Jahre, wurde mit Hilfe des „Aufschwung Ost“ die Zentralheizung von Kohle auf Erdgas umgestellt und für das ganze Hause neue Fenster angeschafft.

1997


Nur noch acht Schwestern bildeten 1992 den Konvent in Radebeul, die ein Altenpflegeheim mit elf Plätzen betreuten. Am 3. September 1995 wurde anlässlich des 50. Jahrestages des Bestehens unter Anwesenheit des damaligen und Radebeul stets verbunden gewesenen Weihbischofs Georg Weinhold eine Hausfeier gestaltet. Was für ein Zufall, dass im gleichen Jahr auch das damals schon bedeutende Krankenhaus St. Joseph-Stift sein 100-jähriges Jubiläum feierte.

2025


Die Geschichte des Hauses „Maria Rast“ bis zur Auflösung durch die Kongregation am 21. Januar 2000 ist schnell erzählt. Weil das Heim ab dem Jahr 2000 nicht mehr in den Bedarfsplan des Freistaates Sachsen für Altenpflegeheime aufgenommen wurde, fiel die finanzielle Basis zum Weiterbetrieb des Hauses weg. Zuletzt waren noch vier Graue Schwestern im Haus, die sich um die wenigen verbliebenen Bewohner kümmerten. Es ist als eine schicksalhaft-glückliche Fügung zu bezeichnen, dass just in dieser Zeit das neue Caritas-Altenpflegeheim St. Michael auf der Friedrichstraße in Dresden eröffnet wurde, ganz in der Nähe, wo bis 1945 der Franceschi-Stift beheimatet gewesen war. Einige der letzten Bewohner des Radebeuler Hauses nahmen nun genau dort Quartier, womit in gewisser Weise das kriegsbedingt entstandene Radebeuler Konvent der Grauen Schwestern wieder an ihren Ursprungsort zurückkehrte und sich nach genau 55 Jahren der Kreis schloss.
Ob die heutigen Bewohner des Anwesens auf der Jägerstraße 3 die Geschichte des Hauses kennen, weiß ich nicht. Oft ist es ja auch gut und für den Alltag unerlässlich, wenn man den Hauch der Geschichte eines bestimmten Ortes nicht ständig im Nacken spürt. Wenn ich mir etwas wünschen würde, dann dies: Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht einmal ganz bewusst die Jägerhofstraße hinauflaufen und dabei an die tapferen Ordensfrauen denken, die unter erbarmungswürdigen Umständen an einem Sommertag 1945 18 Alten und Kranken in einem Kraftakt das Ankommen in ihrem neuen Zuhause ermöglicht hatten.

Bertram Kazmirowski

Mein Dank gilt dem Provinzhaus der Schwestern der Heiligen Elisabeth in Berlin, namentlich Sr. Edith und Sr. Bernadette für die freundliche Unterstützung. Ebenso danke ich Frau Leidhold vom Stadtarchiv Radebeul, Herrn Dr. Borgmann, Herrn Kuhbandner, Herrn Helfricht und Dietrich Lohse für die unkomplizierte Hilfe bei der Beschaffung von Bildmaterial. Verwendete Quellen:
https://www.bistum-dresden-meissen.de/static/archiv/archiv-2010/150-jahre-elisabethschwestern-in-dresden.html
https://www.stadtwikidd.de/wiki/K%C3%A4ufferstra%C3%9Fe
https://de.wikipedia.org/wiki/Kongregation_der_Schwestern_von_der_hl._Elisabeth
https://www.josephstift-dresden.de/geschichte

Einladung zur Lesung

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns, dass auch in diesem Jahr unser Jahresbegleiter für die Poesie, Michael Wüstefeld, am Freitag, den 7.November 2025, 19 Uhr im Familienzentrum (Kellergewölbe) in Altkötzschenbroda uns einen weiteren Einblick in sein schriftstellerisches Schaffen geben wird. Wer die Kostprobe zu unserer Geburtstagsfeier miterlebt hat, wird sich sicher auf ein „Mehr“ freuen, wer ihn nicht erlebt hat, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, weiteres von Michael Wüstefeld kennenzulernen.

Der Eintritt ist frei, wir bitten um eine Spende. Voranmeldungen bitte an Ilona Rau, 03523 62132 oder per E-Mail an ilo_rau@ yahoo.de

Wir freuen uns auf Sie

Ilona Rau

Das 675-jährige Wahnsdorf – ein lebendiger Ort mit Zukunft und Tradition

Das Jubiläumsfest zum 675-jährigen Bestehen des Ortes bot eine gute Möglichkeit, die Wahnsdorfer etwas näher kennenzulernen. Drei Tage und zwei Nächte wurde vom 22. bis 24. August mit zahlreichen Gästen ausgiebig und fröhlich gefeiert. Am Ende waren die Veranstalter und Mitwirkenden erschöpft und glücklich zugleich. Anderthalb Jahre Vorbereitungszeit wurden belohnt, durch ein rundum gelungenes Fest. Wer dabei gewesen ist, wird sich daran wohl noch lange erinnern.

Mitglieder des Heimatvereins Wahnsdorf während der Festvorbereitungen v.l.n.r.: Kai Rosenhahn (Vereinsmitglied), Peter Michaelis (2. Vorsitzender), Anja Schnabel (1. Vorsitzende), Thomas Förster (Schriftführer)
Foto: Norbert Millauer


Zahlreiche Höfe im Zentrum des Straßendorfes waren einfallsreich geschmückt. So wurde der Ortsrundgang zu einer Zeitreise in die Vergangenheit. Fotos, Texte und Dokumente veranschaulichten die baulichen Veränderungen von Gebäuden, erinnerten an die einstigen Bewohner aus verschiedenen Generationen und lösten bei den Betrachtern oftmals auch ein Schmunzeln aus.

Engagement und Gemeinschaftssinn haben in Wahnsdorf eine lange Tradition. Bereits 1888 gründete sich ein Männergesangsverein, der allerdings nur bis 1974 existierte. Wenig später entstand im Jahr 1899 die Freiwillige Feuerwehr, welche derzeit weit über 20 aktive Mitglieder hat und durch die Jugendfeuerwehr sowie die Alters- und Ehrenabteilung tatkräftige Unterstützung erfährt. Genau einhundert Jahre später, im Jahr 1999, wurde der Heimatverein Wahnsdorf e.V. ins Leben gerufen. Anlass war die Vorbereitung der 650-Jahr-Feier. Gemeinsam mit den Bewohnern bilden nunmehr sowohl die Freiwillige Feuerwehr, als auch der Heimatverein und der erstmals im Jahr 1990 gewählte Ortschaftsrat die stabilisierende Basis für ein gesellschaftliches Miteinander.

Das Bedürfnis nach dörflichem Zusammenhalt spiegelte sich auch in den über Jahrzehnte durchgeführten Klassentreffen. Ab 1975 gab es in Wahnsdorf keine Einschulungen mehr und die legendären Wahnsdorfer Klassentreffen finden wegen des hohen Alters der einstigen Schulabgänger jetzt auch nicht mehr statt. In den Räumen der ehemaligen Schule befinden sich heute der Kindergarten und das Ortschaftszentrum. In Letzterem wurde die Jubiläumsausstellung „Wahnsdorfer Ansichten“ gezeigt, welche auf sehr großes Interesse stieß. Gelegen auf dem Hochland hat sich der dörfliche Charakter von Wahnsdorf erhalten. Noch heute existieren bäuerliche Einzelwirtschaften. Landwirtschaft und Weinanbau sind dominant. Die Selbständigkeit konnte sich der Ort sehr lange bewahren. Erst 1934 wurde Wahnsdorf mit rund 1.000 Einwohnern zu Radebeul eingemeindet. Besonders erwähnenswert ist der sprunghafte Einwohnerzuwachs durch die Eigenheimsiedlung. Gebaut wurde auf einstmals bäuerlichen Flurstücken. Beim Bezug im Jahr 1938 brachten die 18 Ehepaare 52 (!) Kinder mit.

Die Jubiläumsausstellung erinnerte u.a. an einstmals beliebte und seit vielen Jahren geschlossene Gasthäuser wie „Zur Friedenslinde“, „Wilhelmshöhe“, „Gasthof Wahnsdorf“ und „Zur grauen Presse“. Auch die alteingesessene Bäckerei Dutschke gibt es schon seit 25 Jahren nicht mehr. Über der zugemauerten Ladentür glänzt nur noch das Zunftzeichen mit der güldenen Brezel im Sonnenlicht.

Doch die Zeit steht nicht still und Neues entsteht. So wurde im Jahr 2020 im Zentrum des Ortes der Hofladen „ZiegenWein“ eröffnet mit Wein und Käse aus eigener Produktion. Beim Bäcker Jacob wiederum sollte man unbedingt einmal das Bilz-Brot nach bilz’scher Originalrezeptur probieren, in dessen Ladengeschäft übrigens auch „Vorschau & Rückblick“ erhältlich ist.

Dass sich der Wahnsdorfer Heimatverein permanent verjüngt, stimmt zuversichtlich. Beherzt hatte der Verein die Federführung für die Ausgestaltung des diesjährigen Jubiläums übernommen und ein bunt gemischtes Programm zusammengestellt. Der Mix aus Frühschoppen, Festgottesdienst, Mitmachaktionen, Puppenspiel, wilden Partys, Talente-Show, Ausstellung und Musik hielt zahlreiche Angebote für Jung und Alt bereit.

Die dreitägige Veranstaltung fand vorwiegend im Zentrum des Ortes statt. Zahlreiche Stände, gar ein kleines historisches Riesenrad gruppierten sich um die Hauptbühne und ließen somit einen stimmungsvollen Festplatz entstehen.

Am ersten Tag wurde ein Baum gepflanzt. Danach folgten offizielle Reden, Tanz und geselliges Beisammensein. Am Abend wurde auf dem Feuerlöschteich wohl eine Art erwartungsfrohes Freudenfeuer entfacht.

Am zweiten Tag bildete zweifellos der vielgestaltige Festumzug den Höhepunkt mit rund 250 Mitwirkenden. In 30 Bildern wurde die Geschichte und Entwicklung des Dorfes dargestellt. Im ersten Wagen saßen die Ehrengäste, darunter der ehemalige Vorsitzende des Wahnsdorfer Heimatvereins Heinz Mattusch (89) und der ehemalige Ortschaftsratsvorsitzende Siegfried Schneider (84). Eingereiht hatten sich in den Festzug Vertreter aus Nachbargemeinden und befreundeten Vereinen wie dem Dorf- und Schulverein Naundorf oder dem Heimatverein Boxdorf, um den Jubilaren ihre Grüße zu übermitteln. Selbst eine Nachbildung der Boxdorfer Windmühle hatte man mitgebracht. Zu bestaunen waren reich geschmückte Pferdewagen und laute knatternde Traktoren sowie landwirtschaftliches Gerät aus vergangenen Zeiten. Eine Augenweide war der Festwagen mit einem Brautpaar und der traditionell gebundenen Hochzeitsranke.

Mit einem kleinen Abschiedsfeuer auf dem Dorfteich klang das Fest schließlich am dritten Tag besinnlich aus. Was bleibt, ist das gute Gefühl, dass es hier eine Dorfgemeinschaft gibt, die ihr Lebensumfeld sehr bewusst und aktiv mitgestalten will.

Vielleicht würde eine bessere Straßenverbindung die Radebeuler Tal- und Bergbewohner einander noch ein wenig näherbringen. Auch eine Neuauflage der Veranstaltungsreihe „Radebeuler Begegnungen“ wäre vorstellbar. Hatte doch die erste Expedition im Jahr 2001 von Kötzschenbroda nach Wahnsdorf geführt. Seitdem wurden bis 2018 in loser Folge alle zehn Ursprungsgemeinden von den Radebeulern freudig inspiziert.

Ergänzend sei hinzugefügt, dass man beim Heimatverein noch ein Exemplar der gut gestalteten und sehr informativen Ortschronik aus dem Jahr 2000 zum Sonderpreis von 4 Euro erwerben kann. Ein weiterer Veranstaltungshöhepunkt ist der Wahnsdorfer Weihnachtsmarkt, der am 3. Advent stattfinden wird und schon längst kein Geheimtipp mehr ist. Ein Blick auf die Homepage des Vereins lohnt sich jedoch allemal (www.heimatverein-wahnsdorf.de).

Karin (Gerhardt) Baum

Editorial 10-25

So einen Tag hatte Radebeul wohl noch nie erlebt!

Am Sonntag, den 14. September, fand in diesem Jahr der „Tag des offenen Denkmals“ statt. Zahlreiche Kulturdenkmäler in Radebeul und Umgebung öffneten wieder für interessierte Besucher ihre Pforten. Allerdings ahnte man schon im Vorfeld, dass dieses Mal der Fokus besonders auf ein Objekt gerichtet sein wird. – Die „Villa Kolbe“! Perspektivisch rückt wohl ein neuer Name in den Blick, denn der neue Eigentümer wirbt mit den beiden Vorbesitzern wirkungsvoll mit der dankbaren Alliteration „KOLBE – KOHLMANN – KUHNT“. Seit etwa einem halben Jahr ist René Kuhnt in diesem historischen Ensemble mit atemberaubender Geschwindigkeit zugange.

Mit seiner exponierten Lage, direkt an der Meißner Straße, kann sich kaum ein Passant den umfangreichen Sanierungsmaßnahmen am Haus und Park entziehen. Daher war es nicht verwunderlich, dass mit einer großen Menschenschar gerechnet wurde. Wieviele, hat allerdings auch den Veranstalter überrascht. Nach seiner Schätzung müssen es ca. 7.000 Besucher gewesen sein, die wenigstens mal einen kleinen Blick in die derzeit noch durch Vandalismus stark in Mitleidenschaft gezogenen Räume werfen wollten. – Bis in die Abendstunden riss eine überwältigend lange Schlange nicht ab!

Als Gastronom hatte der neue Hausherr mit einigen Ständen und zahlreichen Sitzgelegenheiten auf den ausgedehnten Rasenflächen zudem für das leibliche Wohl gesorgt.

Ein auf der Wiese platzierter historischer Flügel wurde zum Mittelpunkt des musikalischen Rahmenprogramms und verlieh so dem Ort noch zusätzlich ein besonderes Ambiente.

Sascha Graedtke

Update zu unserem Vereinsprojekt »Pavillon am Mohrenhaus«

Genau wie der Sommer in diesem Jahr entwickeln sich auch die Dinge rund um den Pavillon im Mohrenhauspark – stabil unstabil. Es gibt gute und schlechte Nachrichten.
Zunächst die gute Nachricht:
Es gibt Fördermittel für die Restaurierung des Pavillons. Das bedeutet, dass wir noch in diesem Jahr mit den Arbeiten beginnen können – ja müssen!
Das Hochbauamt der Stadt Radebeul und der Architekt Werner Hößelbarth stimmen derzeit die nächsten Schritte ab. Wir werden dazu weiter berichten.

Informationen zum Pavillon am Mohrenhaus
Die schlechte Nachricht ist:
Das Terrain unterhalb des Pavillons, hauptsächlich die Stützmauer mit Balustrade, wird in Kürze zur Baustelle werden. Das bedeutet, dass es bei Veranstaltungen am Pavillon ein Sicherheitsproblem gibt. Wir müssen daher die von uns geplante Veranstaltung zum Tag des offenen Denkmals leider absagen. Wir hoffen sehr auf Ihr Verständnis.
Bitte nutzen Sie zum Tag des offenen Denkmals am Sonntag, den 14.9.2025 alternative Möglichkeiten in Radebeul und Umgebung, zum Beispiel zu einem Besuch der »Villa Kolbe« – sicher ein Publikumsmagnet. Das Programm zum Tag des offenen Denkmals finden Sie hier: https://www.tag-des-offenen-denkmals.de/programm
Robert Bialek

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr


 

Zum Titelbild

Winzerhäuser September 2025
Mit der Jägerhofstraße 33 stelle ich heute ein äußerlich relativ junges, hochgelegenes Winzerhaus vor, das nur wenig von seiner Historie preisgibt. Die in Stein gemeißelte Jahreszahl 1748 am Wohnhaus bezieht sich nur auf den Keller darunter – die Treppe kommt im gewölbten Vorkeller an, von da geht ein kleinerer Kartoffelkeller links ab und nach der anderen Seite der größere, flach gewölbte Weinkeller aus unbehauenen Syenitsteinen. Alle drei Gebäude um den kleinen Hof sind jünger, das schlichte, mit einem Satteldach gedeckte Gebäude über dem Keller stammt aus der Mitte des 19. Jh.. War das ursprüngliche Haus baufällig oder zu klein geworden? Wir wissen es nicht. Nach der 1885 beginnenden Reblauskatastrophe mutierte das Ensemble zu einem kleinen Bauernhof, 1914 entstand südlich vom Wohnhaus ein Stall mit Satteldach und Futterküche daneben. Es könnten wohl Schafe oder ein paar Kühe gehalten worden sein. Die inzwischen wieder aufgerebten Flächen daneben werden vom Staatsweingut „Wackerbarth“ bewirtschaftet.
Bis 1938 gehörte das Winzerhaus zum Goldschmidt-Besitz mit Villa (Auf den Bergen 9), Park, Weinbergen und Wald. Nach der Wende stand alles leer, dann verkaufte es 2000 die Treuhangesellschaft an Familie Fresen. Diese beauftragte das Architekturbüro Clausnitzer mit dem behutsamen Umbau zu einem Wohnhaus für eine Familie. Zu den notwendigen Änderungen gehört der vorwiegend gläserne Verbinderbau zwischen Wohnhaus und dem ehemaligen Stallgebäude. Es ist kaum vorstellbar, dass es hier auf dem Berg 2021 eine Überflutung der Keller und Teile des EG gegeben hatte – ein heftiger Gewitterregen spülte Mengen von Wasser aus dem benachbarten Weinberg in die Häuser. Nachdem dann die Lüftungsöffnungen der Keller besser geschützt wurden, lebt Familie Fresen wieder ruhiger!

Dietrich Lohse

Radebeuler Miniaturen

Was aber folgt?

„Geschichte bleibt folgenlos“
Das im Juli-Gedicht „Fortsetzung folgt nicht“ von Michael Wüstefeld anklingende sarkastische Fazit beschreibt eine leider alltägliche Erfahrung, die jeglicher Hoffnung entgegensteht: „Geschichte bleibt folgenlos“.
Spontan fühlte ich mich an ein Ereignis erinnert, das nun bereits mehr als dreitausenddreihundert Jahre zurückliegt. Die Ortschaft Kadesch, in der Nähe der heutigen Stadt Homs in Syrien gelegen, war damals Schauplatz eines mörderischen Krieges zwischen dem ägyptischen Pharaonenreich und dem Reich der Hethiter. Beflügelt, wie erzählt wird, durch die Erfindung des „leichten Streitwagens“ fühlten sich die Hethiter unter ihrem König Hattusilis III. den Ägyptern überlegen und schlugen zu. Die jeweiligen Chronisten versäumten nicht, den Verlauf und vor allem den Erfolg der Schlacht dem jeweils eigenen Königs zuzuschreiben, weshalb das tatsächliche Geschehen, wie es heute hieße, „unabhängig nicht überprüft werden kann“. Wir brauchen uns also nicht weiter damit aufzuhalten.
Erhalten blieb der auf silbernen Tafeln geschriebene Friedensvertrag. Dieser ist schon insofern bedeutsam, als er der bisher einzige Friedensvertrag der gesamten Menschheitsgeschichte ist, der nie gebrochen wurde.
Wer Ohren hat, der höre!
Der Vertrag brachte den beteiligten Staaten eine über siebzig Jahre währende Phase Frieden – auch das hat es in den folgenden Jahrtausenden bis in unsere Tage auch nicht noch einmal gegeben. Leider gerät der Wert einer solchen Epoche zunehmend aus dem Blick – 70 Jahre Frieden, was ist das schon!
Bekräftigt wurde der damalige Vertrag zehn Jahre später. Da heiratete Pharao Ramses II. die älteste Tochter des Hethiterkönigs Hattusilis III. Es war dies eine rein strategische Hochzeit, bei der der Pharao die neue Frau nicht einfach seinem Harem zuführte, sondern zur „Hauptfrau“ erhob. Auch wenn dies zunächst nur eine Verbeugung vor dem Hethiter bedeutet, dürfte es Ramses nicht schwergefallen sein, fand er doch die Prinzessin …“schön wie eine Göttin…“. Sie hatte den ägyptischen Namen Ma`atnefrure angenommen, was soviel bedeutet wie „Die Wahrheit ist die Schönheit des Re“.

Der Vertrag hatte auch dann noch bestand, als die Schönheit längst vergangen war. Mit dem Zerfall des Hethiter-Reiches, an welchem Ägypten keinen Anteil hatte, wurde er irgendwann gegenstandslos.
„Geschichte geschieht“.
Wer Ohren hat, der lege sie an.

Thomas Gerlach


(Zu den historischen Hintergründen vgl. C.W.Ceram, Enge Schlucht und Schwarzer Berg, Rowohlt 1955, S. 134ff)

Glosse

Ehre dem Amt?

„Ehre, wem Ehre gebührt!“ Dieser Spruch nach dem Römerbrief 13,7 hat es freilich in sich. Sagt er doch zugleich, dass man mit diesem Begriff nicht nach Belieben um sich werfen sollte, sondern eine bedachte Wahl zu treffen ist. Und damit auch jeder gleich weiß, wo es langgeht, sei man nach Paulus Brief verpflichtet, gegenüber der Obrigkeit Gehorsam an den Tag zu legen. „Der Mann ehrt das Amt, nicht das Amt den Mann.“, bringt’s dann auch der Volksmund auf den Punkt.
Nun sind inzwischen 18 Jahrhunderte vergangen und die Welt ist nicht mehr die von Paulus und des Soldatenkaisers Maximinus I., wenngleich die Anfang des 3. Jahrhunderts beginnende Krise des römischen Reiches so manche Parallele zu heute zuließe. Die germanischen Stämme befanden sich damals gerade im Aufwind, hatten sie doch die Römer hinter die Rheingrenze zurückgedrängt. Während die Bedeutung der römischen Städte zurückging, bildeten sich in jener Zeit bei den Germanen zusehends feste Stammesregionen heraus.
Heute freilich sieht es mit den Germanen nicht allzu rosig aus. Sie wollen einfach nicht aus der Krise kommen. Die Wirtschaft klemmt, die Bildung hinkt, die Justiz rennt hinterher, die Kunst verblasst, die Politik hat den Überblick verloren und der Bürger soll in „Ehrenamt machen“. Ganz besonders im Sozial- und Gesundheitswesen ist er da gefragt, aber auch in der Bildung, der Kultur und selbstverständlich im Sport wie in der Politik. Manch einer behauptet gar, dass nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche in der Bundesrepublik nicht mehr ohne das Engagement der Ehrenamtler auskommen würden.
Grundsätzlich finde ich das ja gut, wenn der Bürger überall mitmischt. Da wird vielleicht aus der formalen Demokratie noch eine richtige. Allerdings, wenn sich jeder auf den Marktplatz stellen kann und dort große Reden schwingt, wird das am Ende doch auch nur Gülle. Ordnung muss schon sein. Aber welche? Den Witz, der mir dabei einfällt, lasse ich jetzt mal lieber stecken. Aber an dieser Stelle kommt nun ganz selbstverständlich wieder das Amt ins Spiel. Das Amt weiß wie Paulus, wo es lang geht. Allerdings ist das mit der Demokratie in der Antike ja auch aus dem Ruder gelaufen, Und darüber, was gegenwärtig in Europa und den USA los ist, muss ich jetzt nicht erst reden.
Irgendwie aber sollten wir doch den Laden wieder in den Griff bekommen. Das ist ja wie die reinste Schizophrenie! Einerseits haben wir keine Arbeitskräfte, weil die bundesdeutsche Frau maximal 1,35 Kinder in die Welt setzt und andererseits schiebt das Amt verstärkt arbeitswillige Menschen ab. Die seit Jahren sich so auftuenden Lücken kann auch kein Ehrenamt schließen.
Natürlich ist so eine Tätigkeit in fremden Gebieten für den Ehrenamtler auch eine Bereicherung. Er trifft auf andere Menschen, denen er sonst nie im Leben begegnet wäre, er schnuppert in Bereiche, von denen er früher keinen blauen Dunst hatte. Das fördert sein Verstehen und seine Achtung vor den Leistungen anderer. Das Kommunikationsverhalten entwickelt sich weiter und die Persönlichkeit des Betreffenden wird gestärkt. Es kann also nichts schaden, wenn man hin und wieder das Aufgabenfeld wechselt. Einfach mal paar Wochen im Weinbau oder in der Produktion arbeiten. Da macht man Erfahrungen, da kommt man im Leben nicht drauf. Ich fände es beispielsweise toll, wenn die Amtsleiterin, die seit Anfang August die Stadtgalerie auch kommissarisch leitet, in der schwierigen Zeit einige Dienste in der Galerie tun würde, wo dort jede Frau und jeder Mann für die anstehenden Aufgaben gebraucht werden. Gerade jetzt gilt es zusammenzustehen, um zu erhalten, was noch vorhanden ist. Und wir alle wissen doch, was schon alles dem Lößnitzbach heruntergegangen ist. Der Abgang der „Keimzelle [des] Stadtmuseums“ (B. Wendsche Neujahrsrede 2010) begeht dieses Jahr sein Zehnjähriges!
„Ehre, wem Ehre gebührt!“, aber nicht von Amts wegen, merkte schon Paulus in seinem Brief an, meint

Euer Motzi

 

Vier Pfoten, die Türen öffnen

Wie Therapiehund Benno Menschen zurück ins Leben begleitet

Vorsichtig stupst Benno, der mittelgroße Rüde mit den großen Pfoten und dem treuen Blick, die lethargisch im Bett liegende Bewohnerin in der K&S Seniorenresidenz Radebeul mit seiner kalten Schnauze an. Seine langen Schlappohren, an denen die Haare wie Federn hängen, sind aufmerksam aufgestellt. Die sonst so stille, ja mittlerweile fast stumme Frau spürt, dass ihre Kräfte sie heute verlassen. Die Muskeldystrophie hat Spuren hinterlassen – auch in ihrer zarten Seele. Regungslos liegt sie da, mit leerem Blick auf die weiße Decke gerichtet. Ihre zunehmenden Bewegungseinschränkungen fordern ihren Lebenswillen täglich heraus. Immer mehr zieht sie sich zurück, spricht kaum noch.
Erst spät bemerkt sie die sanften Berührungen der kühlen, fordernden Hundenase an ihrer Hand. Benno sucht dort vergeblich nach Futter. Stattdessen schleckt er ihre Hand, öffnet mit vorsichtigen Bewegungen ihre Finger. Schnüffelnd saugt er den Geruch ein und kommt mit den Vorderpfoten langsam auf die Bettkante hoch. Frau Hedwig – von uns liebevoll Charlotte genannt – war einst gesprächig, kontaktfreudig, aß regelmäßig. Doch der triste Alltag in der Seniorenresidenz und ihre zunehmende Immobilität stellen sie auf eine harte Probe. Ihre Erkrankung machte ihr in den vergangenen Jahren schwer zu schaffen.
Hunde verfügen über ein erstaunliches Feingefühl. Sie riechen Gefühle wie Angst, Anspannung, aber auch Freude, Sehnsucht, Traurigkeit oder Leid. Benno, ein erfahrener Therapiebegleithund, hat längst mehr im Sinn als nur Futter. Oft geht er gezielt auf jene Bewohner zu, die eine innere Zerrissenheit oder tiefe Verzweiflung in sich tragen – die seine Nähe brauchen.
Plötzlich blinzelt Frau Hedwig mit dem rechten Auge, hebt langsam, aber bestimmt den Kopf und schaut in Bennos Richtung. Kurz darauf zieht sie ihre Hand ein wenig zurück, spreizt die Finger – und beginnt, mit dem Zeigefinger vorsichtig durch sein Fell zu streichen. Jetzt ist sie da, die Charlotte. Wach. Und wie verwandelt.
Ich musste fast weinen vor Freude. Charlotte spricht sonst kaum mit mir, ignoriert auch die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Doch nun schenkt sie mir – und Benno – ein Lächeln.
Der Raum füllte sich mit Wärme, ihre Augen begannen zu strahlen. Und das ist kein Einzelfall. Vielen unserer Bewohner geht es ähnlich. Unser Besuch weckt alte Lebensgeister, lässt Verstummte wieder sprechen, Regungslose sich bewegen, Depressive aufblühen, Traurige lächeln.
Mein Herz – wahrscheinlich auch das von Benno – begann leise zu hüpfen, wie ein Kind, das vor Stolz im Regen tanzt. Wortlos verstanden wir uns in diesem Moment alle: Bewohnerin, Hund, Mensch. Als es Zeit war zu gehen, vergingen einige herzzerreißende Sekunden. Frau Hedwig verstand, sah erst Benno, dann mich – mit einem letzten, innigen, fast vertrauten Blick. Ihre Augen glänzten. Sie lachten für einen kurzen Moment – voller Dankbarkeit.
Ich schloss die Tür leise hinter mir. Langsam. Meine Gefühle fuhren Achterbahn, den Tränen nahe. Durch meinen Kopf schossen unzählige Gedanken. „Altwerden ist nichts für Feiglinge“, dachte ich. Und ich hoffte, im Alter nicht auf solche kleinen, aber wertvollen Momente verzichten zu müssen. Gestärkt durch diese Hoffnung nahm ich meine Beine in die Hand, um den Rest des Tages mit weiteren Begegnungen zu füllen – mit Menschen, die ein Lächeln verdient haben. Und mit Benno.
Denn ganz gleich, wie nah Freude und Leid beieinanderliegen – diese kleinen Augenblicke sind meine Aufgabe. Mein Sinn. Mein Geschenk. Und sind es nicht genau diese Erlebnisse, diese tiefe Verbundenheit zwischen Mensch und Tier, die das Leben lebenswert machen? Die es bereichern und vervollständigen?
Kurz vor Feierabend trottete Benno, erschöpft, aber zufrieden, hinter mir her.
Da rief mir eine Kollegin zu: „Was hast du Frau Hedwig gesagt? Sie isst wieder!“
Einen Moment hielt ich inne, lächelte verlegen und antwortete:
„Ich? Ich habe nichts gemacht. Wieso fragst du?“
Doch ihr Blick wanderte zu Benno – und sie schwieg. Der schaute mich mit seinen großen, müden Kulleraugen an. Als wollten wir beide sagen: Wir wissen es doch ganz genau.
„Wie gut, dass ich kein Lotto spielen muss!“, dachte ich für einen kurzen Augenblick. Denn den Hauptgewinn trage ich immer mit mir – meinen Hund und den schönsten Beruf der Welt: (m)eine Berufung!…

Alina Hanel

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