Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr

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Winzerhäuser Oktober 2025

Das Winzerhaus Bennostraße 41 in Oberlößnitz unterscheidet sich insofern von den 2025 bisher vorgestellten, dass auf das Attribut „ehemalig“ verzichtet werden kann. Seit Lutz Gerhardt, der im Grundstück aufgewachsen ist und dessen Vater den Weinberg wieder angelegt hatte, hier Weinbau, Kelterei und Ausschank betreibt, ist der Begriff Winzerhaus sicher zutreffend.

1745 gilt als das Jahr der Errichtung dieses Hauses, das Teil eines Ensembles aus Winzerhaus, Nebengebäuden, der jüngeren Villa Steinbach, Park und Weinberg bis hinauf zur Weinbergstraße ist. Das Winzerhaus wurde um 1800 auf der Westseite um eine Durchfahrt, OG und Dach erweitert. Beide Giebel enden jeweils als Krüppelwalmdach. Die Dachdeckung besteht aus roten Biberschwanzziegeln und hat auf jeder Seite zwei Fledermausgaupen. Am Ostende des Firstes finden wir eine Wetterfahne mit göldenem Halbmond. Das EG ist massiv ausgeführt und verputzt, das OG besteht aus Fachwerk, das bis zur Sanierung 2005 verputzt war, seitdem aber wieder sichtbar ist. Die Putzfarbe ist ein helles Ocker, während das Fachwerk etwas dunkleres Ocker aufweist. Der ursprüngliche Pressraum wird im östlichen EG-Raum vermutet, der einen tieferen Fußboden und damit mehr Raumhöhe für die Weinpresse hatte. Das neben dem Hof plätschernde Quellwasser kommt seit alters aus dem oberen Strakengrund.

In einem der Weinkeller hatte ich vor ca. 10 Jahren anläßlich einer Feier auch den Gerhardt-Wein probiert – gut! Dank Winzer Lutz Gerhardt und seiner Familie kann man hier Wein in schöner Umgebung und am Ort der Erzeugung genießen.

Dietrich Lohse

Radebeuler Miniaturen

Wer, wen und warum?

Habe nun, ach, noch einmal am Faß Platz gefunden – es ist spät im Jahr, da werden die Gelegenheiten zum Draußensein seltener. Wie ich zum Glas greife, steht Elvira neben mir, eine Dame, die ich zu meinem Pech noch nie vorher gesehen habe (hab da echt was verpaßt…). Ich blinzele fragend, sie aber sagt, sag mal …

Sag mal, sagt sie und fuchtelt mit dem Septemberheft vor meine Nase herum, sag mal, hat dein Petersilien-König seine Tochter wenigstens gefragt, ob sie diesen Pharao überhaupt heiraten will?!

Ich stutze einen weiteren Moment, dann wird mir klar, sie meint den Hethiterkönig, von dem im letzten Heft die Rede war. Hattusilis, sag ich, hat nichts mit Gemüse zu tun – aber du hast recht, gefragt hat er nicht.

Naja, wieder typisch … wirft sie ein.

Ja, sag ich typisch und üblich – und das seit Tausenden von Jahren fast bis heute.

Du scheinst das gut zu finden, sagt sie spitz.

Es spielt keine Rolle, wie ich das finde. Es war so. Nicht umsonst findest du bei Theokrit die Verszeile „traurig wie eine Frau nach der Hochzeit“… und traurig war sie, weil der ihr Zugeteilte nicht der Erhoffte war. Freilich ist das Glück, das die Mädchen heute (noch!) bei uns haben, indem sie sich nicht nur den dritten, sondern auch den ersten Ehemann selber aussuchen dürfen, keinesfalls dauerhaft gesichert. Es gibt da auch bei uns deutliche Tendenzen … Du siehst ja, wie schnell es geht, daß die Regenbogenfahne – übrigens seit dem Bauernkrieg Symbol der Freiheit – nicht mehr wehen darf.

Mit den Fürstenhochzeiten hats dann nochmal eine ganz besondre Bewandtnis: Da hatten beide keine Wahl. Das war fast schon so was wie Geschlechtergerechtigkeit. Immerhin gings da um „höhere“ Interessen (was allerdings meist nur Interessen sich höher Fühlender waren). Die hethitisch-ägyptische Hochzeit damals besiegelte eine lange Friedensperiode. Wäre es nicht schön, daran beteiligt zu sein?

Nee, trotzdem, wendet sie ein, ich versetze mich immer in die Situation der Frauen, und wer weiß, was dieser Ramses für ein Ekel war…

Laß mal gut sein, sag ich, aufm Pharaonenthron hättest du dich am Ende auch ganz wohl gefühlt. Und umgeben von anderen schönen Fraun, angetan mit leichten seidigen Gewändern, umschmeichelt von edlen Düften hättest du auch eine gute Figur gemacht. Aber stell dir mal vor, du müßtest als Tochter von Herrn Trump den Genossen Putin heiraten …

Iiihhh nee – ich glaube jetzt brauch ich einen Whisky …

Thomas Gerlach

Glosse

Sprachlos

Also, mal ehrlich: was heutzutage alles so geschrieben und geredet wird, da kann einem mitunter nur übel werden. Hier wird frech vom Himmel herunter gelogen, dass sich die nichtvorhandenen Balken biegen. Man gewinnt den Eindruck, auf dem Rummel vor einer Wahrsagerbude zu stehen oder in eine Touristinfo geraten zu sein, deren Akteure per se die „Welt“ durch eine rosarote Brille sehen.

Erst neulich las ich in einem hiesigen Mitteilungsblatt von „faszinierende[r] Straßenkunst“, von „lebendige[r] Bühne und „abwechslungsreiche[m] Programm“ ohne das auch nur annähernd zu erfahren war, was ich darunter zu verstehen habe. Für wen waren wohl diese blanken Behauptungen bestimmt? Dachte etwa der oder die Autorin, für die Leser reicht das allemal? Da macht‘s den Beitrag auch nicht besser, wenn hinterher das ganze Programm angehängt wurde, dass man auch an anderer Stelle genauer nachlesen konnte. Einige erhellende Worte zum Anliegen und besonders zur inhaltlichen Ausrichtung der Veranstaltung hätte man sich aber schon gewünscht. Fehlanzeige!

Da haben schon meine Eltern nur noch mit dem Kopf geschüttelt, als ich sie im jugendlichen Alter von vierzehn Jahren auf ihre Frage, wie es denn im Kino so gewesen sei, mit den nichtssagenden Worten „Na schön“ abgespeist habe. Damals war ich noch dumm. Aber der Mensch ändert sich bekanntlich und manchmal entwickelt er sich auch weiter. Heute kann jeder halbwegs intelligente Oberschüler eine genauere Beschreibung von einer Sachlage zu Papier bringen und hat es nicht nötig, auf allgemeine Floskeln zurückzugreifen, verfügt doch ein durchschnittlicher Erwachsener über einen Wortschatz von 8.000 bis 10.000 Vokabeln. Meistens aber, so scheint es mir, sind die Leute einfach nur zu faul, sich beim Sprechen mehr Mühe zu geben und sie begnügen sich im tagtäglichen Gebrauch der Sprache mit 400 bis 800 Wörtern! Das muss man sich mal vorstellen – 800 Wörter! Das sind gerademal 0,16 Prozent des deutschen Wortschatzes! Das will ich einfach nicht glauben! Das würde ja bedeuten, dass die meisten bei ihrer Entwicklung im Grundschulniveau stecken geblieben sind?! – So einen Text hätte ich meiner Frau nicht durchgehen lassen! Aber ja, ich vergaß, dass die deutsche Pädagogik die „Kritik“ abgewählt hat. Nicht mehr erwünscht! Zu negativ! Es werden nur noch die positiven Aspekte hervorgehoben. Könnte es sein, dass dann…?

Es bedarf schon einer gehörigen Portion an Selbstvertrauen, um diesen Text auf die Menschheit loszulassen. Nun könnte man sinnieren, ob es an der Faulheit der Leute, am unsachgemäßen Gebrauch elektronischer Kommunikationsmittel, an der Vernachlässigung der Schreibschrift, am mangelhaften Bildungswesen oder an allem zusammen liegt, wenn 44 Prozent der Schüler keinen Bock auf den Deutschunterricht haben. Mit der Klassik braucht der Lehrer da gar nicht erst zu kommen. Goethe ist doch schließlich kein Popstar!

Ja, in der Schule sollte man fürs Leben lernen. Freilich wird dort noch zu viel auswendig gepaukt. Aber reicht für dieses jetzige Leben nur der Zeitbezug? Kann man Geisteswissenschaften und die Geschichte einfach abwählen? Kalter Kaffee? Oder ist das alles auch eine Frage der Vermittlung und des Geldbeutels? Seit über einem Jahrzehnt bekommen wir den Lehrermangel in Sachsen nicht in den Griff! Schon lange häufen sich auffällig die Events und inhaltsleeren Aktionen in der Kultur. Erst unlängst flatterte mir eine Einladung ins Haus, die kein Wort zum Anliegen der Veranstaltung enthielt. Ich war regelrecht sprachlos. Da kann man sich nur noch mit einer Glosse wehren, meint

Euer Motzi

Auflösung des Bilderrätsels

Das blaue Haus mit der Bank

In meiner Kindheit war der Augustusweg eine unbefestigte Straße auf der wir auch spielen konnten.

Hausbau Augustusweg 95, 1961


Nun wurde die Straße 2022 bei uns komplett saniert und nach EU-Norm instand gesetzt. Das war der Moment, wo ich die Straße mit anderen Augen sah und wir auf unserer Straßenseite einen Fußweg bekamen. Nun wurde durch die Baumaßnahmen bei mir auch der Zaun entfernt und das gefiel mir sehr gut, man bekam ein Gefühl von Freiheit. So wie ich es von der Insel Hiddensee kannte. Man fühlte sich nicht mehr wie in einem Zoo, wo jedes Tier/ Mensch sich in einem selbst eingezäunten Käfig befand.

Ab 2022 bin ich in Rente und hatte Zeit längere Gespräche mit Nachbarn, Bauarbeitern und Spaziergängern zu führen und bin auf die Idee gekommen, eine Bank aufzustellen. Dann ist es eigentlich bei der Situation geblieben und aus dem Gespräch über den Gartenzaun ist ein Bankgespräch geworden. Nun wird sie von allen gut angenommen und man kann Bekanntschaften schließen und ich kann meine Ideen über die Straße der Zukunft weiterführen:

  • – Wie schütze ich Kleintiere, die nicht fliegen können aber die Straße queren wollen?
  • – Wie gehen wir mit Regenwasser um? Wasserspeicher im Fußweg für Straßenbäume und Sträucher.
  • – Wie kann man allen vielleicht, ein wenig Stückraum (Vorgarten) allen zur Ruhe und Entspannung zur Verfügung stellen, als immer mehr Zäune aufzustellen. Reisefreiheit war eine zentrale Forderung zur Wendezeit.
  • – Wie sieht eigentlich eine regionale Fauna und Flora in Radebeul aus, ohne weiter in die Natur einzugreifen?

Sicher muss man sein Bild vom perfekten Vorgarten verändern. Laubhaufen, Totholz, Steinhaufen, Wasserstellen und vieles mehr müsste man in sein Bild einfließen lassen.

Vielleicht hängt das alles mit dem BILZ-Naturheilpraktiker zusammen, der ja sein Wohnhaus auf dem Augustusweg hatte.

Danke, dass sie unserer Bank zu einem Auftritt in ihrem Heft verhelfen. Die Bank würde sich über einen Applaus der Leser freuen. Vielleicht sehen wir uns irgendwann an dieser Stelle.

Ulrike und Hannes-Detlef Vogel

Mai 1945.

Aus den Aufzeichnungen des Altbauern Max Klotzsche, Teil 3

80 Jahre nach Kriegsende druckt die ›Vorschau‹ Auszüge aus zeitgenössischen privaten Aufzeichnungen des Serkowitzer Ortschronisten Max Klotzsche über seine Eindrücke aus jenen Maitagen in Radebeul. In der zweiten Folge hatten wir den Autor verlassen, als er am frühen Morgen des 8. Mai 1945 von seiner Wohnung aus den Einzug der sowjetischen Armee in Radebeul West beobachtete …

Gegen 8 Uhr drängte es mich zu erfahren, was dem Gute Altserkowitz 3 widerfahren war. Ich legte eine weiße Binde um den linken Arm und machte mich auf den Weg. Als ich an die Kreuzung Meißner Straße – Gradsteg die Straßenbahngleise überschreiten wollte, kamen zwei Russen, sprangen von ihren Fahrrädern, machten ihre Revolver schussbereit, schlugen die Ladentür zum Lebensmittelgeschäft von Grollmann – Ecke Gradsteg – ein und drangen in die Geschäftsräume ein. Dieser Vorgang machte mich stutzig und so kehrte ich um, zurück in meine Wohnung. Dort waren sämtliche Hausbewohner im Begriff, mit Einkaufstaschen etc. das Haus zu verlassen, weil angeblich die Russen sämtliche Waren aus dem Laden des „Görlitzer Waren-Einkaufsvereins“ an die Bevölkerung kostenlos verteilten. Auch ich begab mich dorthin. Unterwegs begegnete ich Bekannten, vollbepackt mit Tüten, Paketen etc., sogar mit Mehl, Zucker usw. beladenen kleinen Handwagen. Die Verkaufs- und Lagerräume waren voll von Menschen, die in allen Kästen, Regalen, Säcken etc. herumwühlten und für sich einheimsten, was ihnen gut und brauchbar dünkte. Zu meiner Verwunderung sah ich bei dieser Plünderei auch bekannte Leute aus wohlhabenden und gebildeten Kreisen meiner Nachbarschaft. Mich ekelte dieses Treiben an. Auch viele andere Läden wurden von den Russen erbrochen und von der deutschen Bevölkerung ausgeraubt. […].

Wie war es nun gekommen, dass Kötzschenbroda und Serkowitz über Nacht fast geräuschlos besetzt wurden? Durch Fliegeraufklärung und wohl auch durch Nachrichten von deutschen Kommunisten war den Russen die starke Hauptkampflinie bei Serkowitz bekannt geworden. Der Russe blieb deshalb bei Coswig stehen und drang im Laufe des Montags, des 7. 5. auf den Straßen von Großdobritz-Auer und Radeburg-Moritzburg vor, um die Lößnitz und Dresden vom Norden her zu umfassen. Die durch den Kreyernwald vorgehenden Russen erreichten in den Vormittagsstunden Lindenau, und von Reichenberg-Boxdorf her suchten dieselben in den Rücken der deutschen Hauptstellung bei Serkowitz zu kommen. In den späten Abendstunden sah sich der Kampfkommandant bei Serkowitz genötigt, die Stellung kampflos zu räumen und sich über die Autobahnbrücke in Sicherheit zu bringen. Die Serkowitzer Bauern mussten für den Rückzug mit Pferden bespannte Wagen nebst Kutscher zur Verfügung stellen, und so musste auch mein Sohn seine drei Pferde mit zwei Tafelwagen und dem Polen Anton als Kutscher, alles entschädigungslos auf Nimmerwiedersehen, zur Verfügung stellen. Als abends gegen 11 Uhr, nach einleitendem Artilleriefeuer der Russe auch von Coswig-Zitzschewig aus angriffsweise auf Kötzschenbroda und die Niederwarthaer Elbbrücke vorging, wurde letztere von der Besatzung der Brückenverteidigung, zu der auch die gesamte Polizei der Stadt Radebeul gehörte, durch Sprengung sinnlos zerstört. Kötzschenbroda, Serkowitz etc. wurden alsdann kampflos besetzt.

Die Dorflage und die Befestigungen von Serkowitz waren am Montagnachmittag das Ziel der russischen Artillerie, doch war die Wirkung der Abschüsse nicht verheerend. Die zahlreichen Granattrichter waren in der Feldflur weithin verstreut, nur abends gegen halb 7 Uhr schlugen in kurzen Zwischenräumen vier Granaten in Altserkowitz ein. Die erste traf das Gut meines Sohnes und zerstörte die Außenmauer des Wohnzimmers und die ganze Zimmereinrichtung. Das im Wohnzimmer befindliche Dienstmädchen und drei Enkelkinder blieben wunderbarerweise am Leben und kamen mit nur leichten Verletzungen davon. Die zweite Granate traf das Seitengebäude des benachbarten Stadtgutes, den Dachstuhl zerstörend, die dritte Granate schlug durch ein Fenster im gegenüberliegenden Gute und zerstörte die gesamten Innenräume, und die vierte Granate krepierte auf der Straße. Granatsplitter hiervon beschädigten die umliegenden Häuser und durchschlugen auch das eiserne Hoftor vom Gute meines Sohnes. Ein solcher Granatsplitter traf die meine Altenteilwohnung bewohnende und sich aus dem Keller begebende Frau K. im Rücken. Die Verwundung war so schwer, dass sie in der chirurgischen Klinik von Dr. Kohlmann in Radebeul am anderen Tage verstarb.

Am Dienstag machte ich mich zum zweiten Mal auf den Weg nach Serkowitz, um mich zu überzeugen, ob meinen Sohn, seine Familie und sein Gut irgendein Unheil betroffen habe. […] Im Gute angekommen, sah ich das zerschossene Wohnhaus, die von Granatsplittern durchlöcherten Dächer etc. Der Hof war voll von russischen Soldaten und Kraftwagen. Soldaten schleppten große Stücke Fleisch fort, denn man hatte eben die Schlachtung eines jungen Rindes aus dem Stalle meines Sohnes beendet. […] Zu meiner Freude waren mein Sohn, seine Familie und Dienstpersonal allesamt gesund und heil geblieben. Der Viehbestand es Gutes jedoch war stark mitgenommen worden. Außer den drei Pferden, die von den abziehenden deutschen Truppen requiriert worden waren, hatten nunmehr die Russen die beiden kleinen Polenpferde mitgenommen, zwei Kühe geschlachtet, von den vorhandenen 13 Schweinen 12 Stück mitgenommen sowie die drei Schafe und den Hofhund. Der kam nach einigen Tagen von selbst zurück, ein Zeugnis von der Treue und Anhänglichkeit dieser Gattung der Haustiere.

[…] Am frühen Morgen des Dienstag mussten die Bauern und männlichen Einwohner von Serkowitz antreten und wurden zur Mithilfe beim Bau einer Schiffbrücke über die Elbe bei der Gohliser Windmühle gezwungen. Nachdem russische Truppenteile nach beiden Richtungen Uferwechsel durchgeführt hatten, mussten die Bauern die Schiffbrücke wieder abbrechen. Am Nachmittag verbreitete sich das Gerücht, dass auch mit Russland Waffenruhe eingetreten sei. Dies bestätigte sich. Die Verfolgung der von Dresden nach dem Sudetenland zurückflutenden deutschen Truppen aber wurde bis zum 10. Mai fortgesetzt. Am 11. oder 12. Mai kam der Pole Anton auf einem Fahrrad aus der Gegend Teplitz-Aussig zurück. Pferde und Wagen waren in russische Hände gefallen. Die Pferde hatten vier Nächte und drei Tage unaufhaltsam im Rückzug zugebracht und waren so erschöpft gewesen, dass dieselben nicht mehr fortzubringen waren. In Serkowitz waren von den deutschen SS-Truppen und den Russen über 20 Pferde fortgenommen worden, alle bis auf ein einziges, dessen abseits gelegenen Stall die Russen nicht gefunden hatten. (Schluss folgt.)

Frank Andert

19. Thematischer Filmclubabend


„Der schweigende Stern“ spielt im Jahr 1970. Die CO-Produktion zwischen der DDR und Polen war für beide Länder der erste Science-Fiktion-Film. Als Vorlage diente der Roman „Die Astronauten“ von Stanislaw Lem (1921-2006) aus dem Jahr 1951. In der deutschen Übersetzung wurde dieser 1954 unter dem Titel „Der Planet des Todes“ veröffentlicht. Der 1959 produzierte Film kam 1960 in die Kinos. Zunächst in der DDR und nur wenige Monate später in der BRD. Auch in England und den USA wurde der Film gezeigt, allerdings mit anderen Titeln.

Regie führte der technikbegeisterte Kurt Maetzig (1911-2012). International erfuhr der Film für die Spezialeffekte und Ausstattung sehr viel Lob und wurde 1964 beim Filmfest in Triest mit dem Preis „Goldenes Raumschiff“ ausgezeichnet. Einen nicht unerheblichen Anteil hatten daran der Spezialist für Trickfilm- und Spezialeffekte Ernst Kunstmann (1898-1995) sowie der Szenen- und Bühnenbildner Alfred Hirschmeier (1931-1996). Die Produktion erfolgte in den Filmstudios Babelsberg und Breslau sowie im polnischen Zakopane und auf dem Gelände des Flugplatzes Berlin-Johannisthal. Der Etat betrug nahezu 6 Millionen.

In seinem Erstlingsroman nimmt Lem auf ein reales Ereignis Bezug, das sich 1908 in Mittelsibirien ereignet hatte und dessen Ursache bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte. Großflächige Verwüstungen blieben zurück. Eine Druckwelle raste um den Erdball. Der renommierte russische Mineraloge Leonid Kulig (1883-1942) untersuchte das Gebiet. Ein Meteoriteneinschlag konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.

Aber gerade das Unerklärliche entzündete die Fantasie der Menschen. Stanislaw Lem ging in seinem Roman davon aus, dass ein Raumschiff der Venusbewohner explodiert sei und verknüpfte utopische Überlegungen mit den aktuellen Problemen seiner Helden zu einem spannenden Szenario. Dabei geht Lem von einem humanistischen Grundgedanken aus, was mit seinen persönlichen Erfahrungen als auch mit den weltpolitischen Ereignissen in jüngster Vergangenheit zusammenhängt. Der Gedanke, dass die Bewohner der Erde einmal in den Weltraum starten würden, war auch für ihn im Jahr 1951 noch eine ferne Utopie. Und doch sollten bis dahin nur noch wenige Jahre vergehen. Bereits 1961 umrundete der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin (1934-1968) als erster Mensch die Erde und der amerikanische Astronaut Neil Amstrong (1930-2012) betrat 1969 als erster Mensch den Mond.

„Der schweigende Stern“

1960, DEFA-Spielfilm, Co-Produktion DDR/Polen, Agfa-Color, 90 Min., FSK 12

Regie: Kurt Maetzig;
Drehbuch: Jan Fethke, Wolfgang Kohlhaase, Günter Reisch, Günther Rücker, Alexander Graf Stenbock-Fermor;
Darsteller: Yoko Tani (Sumiko Ogimura), Oldrich Lukeš (Hawling), Ignacy Machowski (Soltyk), Julius Ongewe (Talua), Michail Postnikow (Arsenjew), Kurt Rackelmann (Sikarna), Günther Simon (Brinkmann), Tang Hua-Ta (Tschen Yü) u. a.

Bei Bauarbeiten entdeckte man1970 in der Wüste Gobi einen seltsamen Felsbrocken, in dessen Innerem sich eine Kapsel befand, welche wiederum eine Spule umschloss. Eine Analyse ergab, dass jenes Material nicht von der Erde stammt. Da erinnerte man sich an ein Ereignis im Jahr 1908. Die katastrophalen Verwüstungen hatte man damals irrtümlicherweise mit einem Meteoriteneinschlag in Verbindung gebracht. Der seltsame Fund bestätigte nun eine andere Hypothese. Damals sei ein Weltraumschiff von einem anderen Planeten abgestürzt. Die Fremden hätten eine wichtige Botschaft hinterlassen wollen. Die Entschlüsselung der Nachricht auf der Spule ergab eine chemisch- physikalische Beschreibung der Erdoberfläche. Als Absender kam schließlich nur die Venus infrage.

Die Weltöffentlichkeit wurde informiert. Funk- und Radarstationen der Erde sendeten Signale an die Venus. Doch die Venus antwortete nicht. Man war ratlos. Warum schweigt der Stern? Droht der Menschheit Gefahr?

Das Rätsel ließ sich nur lösen, in dem eine Forschungsgruppe, bestehend aus den besten Astrophyskern und Astronauten der Welt zur Venus aufbricht: die japanische Ärztin Sumiko, der sowjetische Kosmonaut Arsenjew, der afrikanische Techniker Talua, der US-amerikanische Atomphysiker Hawling, der indische Mathematiker Sikarna, der chinesische Linguist Tschen Yü und der polnischer Ingenieur So?tyk.

Die achtköpfige Besatzung startet mit dem Raumschiff Kosmokrator 1 zur Venus. Für die Erkundungen stehen ein Düsen-Elastokopter und der Universalroboter Omega zur Verfügung.

Während des Fluges kann die Nachricht auf der Spule vollständig entschlüsselt werden. Fest steht nun, die Fremden kamen einst in feindlicher Absicht auf die Erde. Aber warum ist seitdem nichts passiert? Die Antwort findet sich, als die Besatzung den Planeten Venus selbst in Augenschein nimmt. Nur noch die Reste einer einstmals hochentwickelten Zivilisation finden sie vor. Die Angreifer haben sich scheinbar selbst vernichtet. Einzig ihre Schatten sind erhalten geblieben und eine sinnlos funktionierende Technik, die sich, aus Versehen aktiviert, nicht nur gegen die Besatzung des Kosmokrators, sondern in Form einer Strahlenkanone gegen die gesamte Erde richtet. Zwar gelingt es, diese wieder abzuschalten, was allerdings drei der Besatzungsmitglieder mit dem Leben bezahlen müssen. Nur fünf Besatzungsmitglieder kehren unversehrt zur Erde zurück mit der Gewissheit, dass von der Venus keine Gefahr mehr droht. Doch Leben, scheint es auch dort noch zu geben…

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.

Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen

Donnerstag am 16. Oktober 2025, um 19 Uhr, im Alchemistenkeller der Alten Apotheke, Altkötzschenbroda 48, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663

Groß vogel wollen große nest haben…

Mit Jubiläen ist das halt so eine Sache: Nimmt man nun den Baubeginn vor 555 Jahren oder den Zeitraum der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts vor 550 Jahren – der jeweilige Zeitpunkt ist ohnehin schon so lange her und das Ergebnis des ersten Schlossbaus im Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation kunstgeschichtlich insgesamt so ein überwältigendes Ergebnis, dass man die Teilschritte dahin ganz aus dem Auge verlieren könnte. Trotzdem sind sie nützliche „Marker“ in unserer schnelllebigen Zeit, um an Herausragendes in der Vergangenheit zu erinnern – nicht zuletzt haben ja die Herausgeber dieser Monatshefte den Begriff „ … & Rückblick“ im Titel gewählt! Dennoch: Als die beiden regierenden Brüder Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht, der Beherzte, im Jahre 1471 Arnold von Westfalen (1425-1482) zum obersten landesherrlichen Werkmeister beriefen und ihn mit dem Umbau der alten Markgrafenburg in Meißen zum Residenzschloss mit zwei gemeinsamen Haushaltungen beauftragten, kam es gleichzeitig zu einem Paradigmenwechsel im Bauwesen. Nicht nur, dass erstmals eine staatliche Bauverwaltung geschaffen wurde, stand ihr doch mit dem aus der in Leipzig ansässigen bürgerlichen Familie Westfalen (Bestfeling) stammenden und vom Bauen in Süddeutschland und in den 1450er Jahren in Frankreich geprägten Meister Arnold eine Persönlichkeit vor, die sowohl das baukonstruktive Denken als auch die Entwicklung der Formenwelt der Architektur revolutionieren sollte.

Albrechtsburg Meißen, perspektivischer Schnitt durch den Mittelbau; Zeichnung von Fritz Rauda, 1925


Gotische Architektur kommt nicht ohne die Baukonstruktion stützende Strebepfeiler aus. Und so muss man sich die Baustruktur des sich unmittelbar an die Nordseite der Meissner Domkirche anschließenden Südflügels des Schlossbaus als ein System nebeneinander gestellter massiver Strebepfeiler vorstellen, zwischen denen nun große, weit gespannte Fensterflächen eingefügt werden konnten. Dieses Öffnen der Wandflächen charakterisiert den neuen Typus „Schlossbau“, bei dem Repräsentations- und Wohnlichkeitskriterien mehr im Vordergrund standen als fortifikatorische Aspekte; diese tauchen lediglich noch in den schießschartenartig ausgebildeten Schlitzfenstern der Untergeschosse auf. Untereinander waren die Pfeiler durch intelligent konzipierte, kleinteilig gefaltete Gewölbeflächen ausgesteift, die jeweils in Höhe der Geschoßebenen angeordnet waren, den Zellengewölben. An ihrem obersten Punkt verbanden aber hölzerne Dachwerke die gegenüberliegenden Strebepfeiler miteinander. In den Flächen innerhalb dieser skelettartigen steinernen Baustruktur konnten nun beliebig große oder kleinere Fenster und Türen – versehen mit den für Arnolds Bauidee zum Synonym gewordenen Vorhangbögen – oder Loggien und Balkone angeordnet werden. Diese „Füllflächen“ verlegte Arnold sinnigerweise an die Außenkante der Strebepfeilerkonstruktionen, so dass man schlussendlich diese Pfeiler von außen gar nicht mehr als einzelne Baukonstruktion wahrnehmen konnte. Durch den Trick, die Strebepfeiler in das Gebäude mit hineinzunehmen, war konstruktiv die Voraussetzung geschaffen worden, glatte Fassadenflächen zu generieren, in denen nicht die Pfeilerkonstruktionen (wie noch beim benachbarten gotischen Dom), sondern große Fensterflächen die Fassaden dominierten; sie wurden also zu „Wandpfeilern“. Die oberen Abschnitte der steinernen Wandpfeiler wurden außen abgeschrägt, die Dachfläche vom Fußpunkt der Dachkonstruktion über diese Pfeilerflächen weit hinuntergeführt und die Pfeiler damit noch einmal besonders verborgen. In der Abb.1 zeigt ein Schnitt durch den Baukörper der Albrechtsburg die sich gegenüberliegenden, mächtigen Pfeiler, auf deren höchstem Punkt der Dachstuhl aufliegt, der untere Punkt des Beginns der von außen sichtbaren Dachflächen aber um eine Geschoßhöhe tiefer liegt.

Albrechtsburg Meißen: isometrische Darstellung des Dachstuhls über dem Südflügel mit Detail des »Knoten« und einzelner Abbundzeichen; Zeichnung: AB Donath


Der Burgbauhütte mit ihren Steinmetzen standen aber auch kongeniale Zimmerleute zur Seite, denn der ungewöhnlich breite Baukörper des Südflügels sollte im Grundriss nicht nur rechtwinklig zum künftigen Mittelbau abknicken, sondern auch durch hölzerne Türme bekrönt werden, die in die Dachkonstruktion einzubinden waren. Auf einer mit Brettern ausgelegten großen Fläche im Burghof wurde die Geometrie der Konstruktion des ersten Dachgebindes zunächst im Maßstab 1 zu 1 liegend „aufgerissen“ (gezeichnet) und „abgeschnürt“, d. h., mit dem Spannen von Schnuren die Lage der Balken markiert. Diese Fläche wird deshalb auch „Abbundplatz“ genannt. Unter Abbund versteht man die gesamten Arbeitsschritte vom Anreissen des Bauholzes über dessen Bearbeitung und Zupassen bis zum probeweisen Zusammenlegen zu einem konstruktiven Gebilde, denn dort wurden nun die erforderlichen Teile des Dachgebindes wie Sparren, Kehlbalken, Streben usw. aus den Baumstämmen mit dem Breitbeil oder der Axt herausgearbeitet, aneinandergefügt und eingepasst sowie miteinander zimmermannsmäßig mit Zapfen und Blättern, schließlich provisorisch mit Holznägeln verbunden. Die so aneinandergefügten Konstruktionshölzer wurden an den jeweiligen Verbindungspunkten mit Markierungen (Fähnchen, Kerben oder römische Zahlen) versehen, bevor man den Dachstuhl wieder auseinandernahm und die einzelnen Balken nach oben an den endgültigen Bauort brachte. Dort wurde die wie ein großes „A“ aussehende Holzkonstruktion mit Hilfe des Baukranes (in dem Fall ein am höchsten Punkt aufgestellter Dreibock mit einer Seilwinde) aufgerichtet und ihre Einzelteile anhand der übereinstimmenden Markierungen wieder aneinandergefügt. Eingeschlagene Eichenholznägel sorgten nun für die feste Verbindung. Handgeschmiedete Nägel waren lediglich für die Befestigung der Dachlattung üblich. Aber Arnold wäre nicht der wie ein Bauingenieur denkende Arnold gewesen, wenn nicht auch die Konstruktion der Dachwerke besonders hohe Anforderungen an die Bauleute gestellt hätte; es sollte nämlich ein stützenfreier Raum von weit über 12 m Stützweite in der ersten Dachgeschoß-Ebene entstehen. Arnold löste das Problem dadurch, dass er vom Firstpunkt zweier schräg gegeneinander gestellter Dachsparren eine Hängesäule vorsah, an deren unterem Ende (etwa 4 m über dem Dachboden) eine komplizierte hölzerne „Knotenkonstruktion“ ausgebildet war, die in drei Ebenen horizontal angeordnete Balken aufnahm, auf denen wiederum schräge Streben zu den Sparren führten. Rein intuitiv – ohne komplizierte baustatische Berechnungen – entwickelte er hiermit die konstruktiv gelöste Idee von Hänge- und Sprengwerksystemen.

Isometrische Darstellung der Situation um 1478 mit dem fertiggestellten Südflügel und dem Großen Wendelstein (noch ohne Dach). Zeichnung ABD


Ungefähr 1475 war dieser erste Bauabschnitt vollendet. Die Abb.3 zeigt die Situation um 1478, also kurz nach der Fertigstellung von Südflügel und Wendelstein. Über dem Dach des Südflügels erhebt sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Domchor ein hoher Turm, der ebenso wie der Nordostturm des Domes abgetragen wurde und von denen heute – außer ihre baulichen Spuren unterhalb der Dächer – nichts mehr zu sehen ist.

Die steinerne Baukonstruktion leitet über zum Bau des Mittelbaus des Schlosses. Im Knickpunkt der Achsen der beiden Baukörper war der Große Wendelstein angeordnet – eine weitere baukonstruktive und architektonische Sensation, in der sich eine lediglich von drei dünnen Säulchen getragene, sich dabei um eine imaginäre offene Mitte nach oben windende Treppenspindel mit sichelförmig einschwingenden Stufen befindet. Arnold von Westfalen wagte es, die Lasten des Treppenlaufs auf eine extrem dünne, sphärisch gekrümmte ansteigende Gewölbeschale abzuleiten, die durch die kleinteiligen Zellengewölbe an ihrer Unterseite mit den flächen- und formaktiven gemauerten Zellen statisch wie ein Faltwerk wirkt. Die Treppenkonstruktion wurde so stark durchbrochen, dass man von einer „nahezu entmaterialisierten Architektur“ sprechen kann. Und erstmals in der Geschichte des Treppenbaus wurde eine Wendeltreppe mit Hohlspindel und Wangensäulen ausgebildet. In einzigartiger Weise wurde die Fassade des Großen Wendelstein mit dem Dom verknüpft – funktional und formal: Dafür wird die Idee der Lettnerempore des Doms mit ihren spitzbogigen und weiten Arkaden auf die Schlossfassade übertragen, indem die Bogenstellungen des Lettners ohne Unterbruch in der Erdgeschoßzone des Schlosses fortgesetzt werden sowie in mehreren Etagen in die Strebepfeilerarchitektur des offenen Wendelsteins eingefügt wurden.

Reliefplatte 1485


Die genauen Datierungen, die das „chronologische“ Grundgerüst für diese kleine Skizze bilden, stützen sich nicht allein auf Urkunden; sie werden vom Bau selbst geliefert: Von den wissenschaftlichen Untersuchungen zur Datierung des Zeitpunktes des Fällens der Bäume (Weißtanne) für den Dachstuhl bis hin zu einem Detail am Wendelstein. Ganz oben im Winkel zwischen diesem und der burghofseitigen Fassade des Mittelbaus, für den „normalen“ Betrachter kaum sichtbar, befindet sich ein Sandsteinrelief, das zwei stilisierte Ritter in Rüstung zeigt, die Wappenschilde mit den Kurschwertern und der Raute Sachsens tragen, im Hintergrund die Jahreszahl „1484“. Die gerüsteten Männer zeigen an, wem das Schloss gehört, und demonstrieren die Herrschaftsrechte des Hauses Wettin. Das Relief war noch vor der Leipziger Teilung 1485 von Arnolds Nachfolger in Auftrag gegeben worden, denn nur Kurfürst Ernst hatte das Recht, das Kurwappen mit den gekreuzten Schwertern zu führen. Nach einer schweren Krankheit war Arnold von Westfalen vor Pfingsten 1482 verstorben. Zu seinen Erben gehörte Klaus Kirchner (Meister Klaus, gest. 1494), der als Nachfolger Arnolds das Amt des Dombaumeisters zu Meißen mit dem Weiterbau des Dritten Turmgeschosses der Westtürme übernahm. Die Bauarbeiten am Schloss in Meißen führte Konrad Pflüger (1477 – 1505) weiterv. Aber damit ist auch das vorläufige Bauende bei der Errichtung des Schlosses datiert. Nach 1485, nach der verhängnisvollen Leipziger Teilung, hatten die beiden Bauherren das Interesse an ihrer Schlossbaustelle verloren. Die Steinmetze und Baumeister, die Arnold auf seine Baustellen geholt und dort ausgebildet hatte, verbreiteten seine innovativen Bauformen in Sachsen und den umliegenden Ländern; „Meißen“ wurde damit zu einem Zentrum spätgotischer Architekturentwicklung. Der Name „Albrechtsburg“ wurde erst 1676 üblich.

Günter Donath, Architekt und Meißner Dombaumeister a.D.

Geflüchtet ans Paradies

Die Geschichte des Hauses „Maria Rast“ auf der Jägerstraße – Teil 2

Im 1. Teil dieses Beitrages (siehe August-Heft) wurde darüber berichtet, auf welche Weise das prominent oberhalb des sogenannten „Paradieses“ gelegene Anwesen auf der Jägerstraße 3 in Radebeul-Lindenau im Frühling 1945 in den Besitz von Ordensschwestern aus Dresden gelangt war. Der Artikel endete mit dem Hinweis auf den bevorstehenden Umzug von Kranken und Alten aus der Gaststätte „Weintraube“, für die sich die Schwestern verantwortlich fühlten.

Provinzhaus der Elisabeth-Schwestern, 1967


In der Hauschronik sind die Erinnerungen von Sr. Eustachia an den dramatischen Tag des Einzugs auf die Jägerstraße 3 wie folgt wiedergegeben: Am 8. Juni 1945, am Festtage des Herzens Jesu, begann morgens nach 7 Uhr der Auszug aus der „Weintraube“ die Paradiesstraße entlang bis zur Jägerhofstraße. Auf einem Lastwagen mit Pferdegespann waren verladen: Tische, Stühle, Kochtöpfe, Hausgeräte u.a., soviel man hatte in der Zwischenzeit beschaffen können und der Wagen faßte. […] Bergauf versagte zuerst die Bremse, sodaß der Wagen leicht zurückschob, dann versagten die Pferde und zuletzt der Kutscher, der Halt machte, abladen ließ und einfach heimkehrte […] Auf einem geborgten Handwagen schleppten nun die Schwester mit ihren Begleiterinnen Stück für Stück bergauf ins Heim bis abends 8 Uhr! Todmüde, aber doch froh „heimgefunden“ zu haben. So wurde das Haus auf der Jägerstraße 3, welches auch als Dr. Waschke-Stiftung und „Haus Maria Rast“ (wobei „Rast“ nicht als Nachname zu lesen ist, sondern im Sinne von „Die Rast Marias“) unter den Radebeuler Katholiken bekannt war, zum Altersheim der ehemaligen Dresdner „Franceschi-Rentner“. Das blieb es auch nach deren Versterben für andere Senioren, später vor allem für hochbetagte Ordensfrauen der Grauen Schwestern, die im Joseph-Stift nicht mehr Dienst tun konnten. Was in der Chronik über diesen bewussten 8. Juni 1945 so nüchtern berichtet wird, entpuppt sich bei näherem Bedenken als eine staunenswerte Energieleistung der Ordensfrauen unter unmöglichen Bedingungen! Ein streikendes Pferdefuhrwerk und ein entnervter Kutscher – und das am Fuße der Jägerhofstraße! Man mag es sich ausmalen, wie etwa an der Kreuzung der heutigen Dr.-Rudolf-Friedrichs-Straße/Jägerhofstraße die Gruppe Alter und Kranker an einem warmen Sommertag mit abgeladenem Hausrat steht und die Ordensfrauen überlegen, wie sie die 18 gebrechlichen Menschen und das Umzugsgut den langen Anstieg hinauftransportieren können. Von medizinischer Versorgung und Verpflegung ganz zu schweigen! Erst wenn man dies im Blick hat, wird erklärlich, warum die ganze Aktion mehr als 12 Stunden dauerte und warum in der Hauschronik (durch eine namentlich nicht erschließbare Ordensfrau) vermerkt wurde: An der Stelle, wo dies geschehen ist, ist leider bis heute noch kein Gedenkstein errichtet worden.

So paradiesisch auch die Lage an sich war – mit freiem Blick über das Elbtal –, so unpraktisch war das Haus auf der Jägerstraße für den täglichen Betrieb als Pflegeeinrichtung. Keine nahegelegenen Einkaufsmöglichkeiten, keinerlei Nahverkehr und das Fehlen eigener Fahrzeuge, Mangel an Brennmaterial, kein Telefon, und Ärzte und das Krankenhaus recht weit entfernt. Hinzu kam für das katholisch geführte Haus auch noch der Umstand, dass die katholische Kapelle auf der Borstraße zu weit entfernt war, als dass eine Teilnahme an Gottesdiensten für die Ordensfrauen und die Bewohner in Reichweite gewesen wäre. Umso wichtiger war es, dass am 28. September 1945, drei Tage vor der juristischen Übergabe des Erbgrundstückes, ein Raum im Haus als Kapelle geweiht werden konnte, in der in den Jahrzehnten danach durch die Pfarrer der Radebeuler und Pieschener katholischen Kirchen auch regelmäßig Gottesdienste gefeiert wurden (siehe Foto aus einem Gemeindeblatt vom Mai 1981). In den Jahren 1970/71 erfolgte ein großer Umbau des Hauses, bei dem Bäder und Toiletten eingebaut und die Mansarden aufgestockt wurden, was dem Haus ein ganz anderes Aussehen verlieh. Die spätere Oberin Sr. Roberta beschrieb im Rückblick die Verhältnisse nach dem Umbau zur DDR-Zeit so: Später gab es viele Erschwernisse mit der Wasserversorgung, der Druck reichte nicht bis auf den Berg. So mußte oft mitten in der Nacht das Wasser für den kommenden Tag eingefüllt werden. Nach der Wende, zu Beginn der 90ger Jahre, wurde mit Hilfe des „Aufschwung Ost“ die Zentralheizung von Kohle auf Erdgas umgestellt und für das ganze Hause neue Fenster angeschafft.

1997


Nur noch acht Schwestern bildeten 1992 den Konvent in Radebeul, die ein Altenpflegeheim mit elf Plätzen betreuten. Am 3. September 1995 wurde anlässlich des 50. Jahrestages des Bestehens unter Anwesenheit des damaligen und Radebeul stets verbunden gewesenen Weihbischofs Georg Weinhold eine Hausfeier gestaltet. Was für ein Zufall, dass im gleichen Jahr auch das damals schon bedeutende Krankenhaus St. Joseph-Stift sein 100-jähriges Jubiläum feierte.

2025


Die Geschichte des Hauses „Maria Rast“ bis zur Auflösung durch die Kongregation am 21. Januar 2000 ist schnell erzählt. Weil das Heim ab dem Jahr 2000 nicht mehr in den Bedarfsplan des Freistaates Sachsen für Altenpflegeheime aufgenommen wurde, fiel die finanzielle Basis zum Weiterbetrieb des Hauses weg. Zuletzt waren noch vier Graue Schwestern im Haus, die sich um die wenigen verbliebenen Bewohner kümmerten. Es ist als eine schicksalhaft-glückliche Fügung zu bezeichnen, dass just in dieser Zeit das neue Caritas-Altenpflegeheim St. Michael auf der Friedrichstraße in Dresden eröffnet wurde, ganz in der Nähe, wo bis 1945 der Franceschi-Stift beheimatet gewesen war. Einige der letzten Bewohner des Radebeuler Hauses nahmen nun genau dort Quartier, womit in gewisser Weise das kriegsbedingt entstandene Radebeuler Konvent der Grauen Schwestern wieder an ihren Ursprungsort zurückkehrte und sich nach genau 55 Jahren der Kreis schloss.
Ob die heutigen Bewohner des Anwesens auf der Jägerstraße 3 die Geschichte des Hauses kennen, weiß ich nicht. Oft ist es ja auch gut und für den Alltag unerlässlich, wenn man den Hauch der Geschichte eines bestimmten Ortes nicht ständig im Nacken spürt. Wenn ich mir etwas wünschen würde, dann dies: Dass Sie, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht einmal ganz bewusst die Jägerhofstraße hinauflaufen und dabei an die tapferen Ordensfrauen denken, die unter erbarmungswürdigen Umständen an einem Sommertag 1945 18 Alten und Kranken in einem Kraftakt das Ankommen in ihrem neuen Zuhause ermöglicht hatten.

Bertram Kazmirowski

Mein Dank gilt dem Provinzhaus der Schwestern der Heiligen Elisabeth in Berlin, namentlich Sr. Edith und Sr. Bernadette für die freundliche Unterstützung. Ebenso danke ich Frau Leidhold vom Stadtarchiv Radebeul, Herrn Dr. Borgmann, Herrn Kuhbandner, Herrn Helfricht und Dietrich Lohse für die unkomplizierte Hilfe bei der Beschaffung von Bildmaterial. Verwendete Quellen:
https://www.bistum-dresden-meissen.de/static/archiv/archiv-2010/150-jahre-elisabethschwestern-in-dresden.html
https://www.stadtwikidd.de/wiki/K%C3%A4ufferstra%C3%9Fe
https://de.wikipedia.org/wiki/Kongregation_der_Schwestern_von_der_hl._Elisabeth
https://www.josephstift-dresden.de/geschichte

Einladung zur Lesung

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns, dass auch in diesem Jahr unser Jahresbegleiter für die Poesie, Michael Wüstefeld, am Freitag, den 7.November 2025, 19 Uhr im Familienzentrum (Kellergewölbe) in Altkötzschenbroda uns einen weiteren Einblick in sein schriftstellerisches Schaffen geben wird. Wer die Kostprobe zu unserer Geburtstagsfeier miterlebt hat, wird sich sicher auf ein „Mehr“ freuen, wer ihn nicht erlebt hat, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, weiteres von Michael Wüstefeld kennenzulernen.

Der Eintritt ist frei, wir bitten um eine Spende. Voranmeldungen bitte an Ilona Rau, 03523 62132 oder per E-Mail an ilo_rau@ yahoo.de

Wir freuen uns auf Sie

Ilona Rau

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