Nachruf auf René Wagner


René Wagner zur Radebeuler Kulturbörse am 18. Januar 2003 in der Stadtgalerie Foto: Thomas Adler

Wie wir erfuhren, ist der langjährige Direktor des Karl-May-Museums,
René Wagner, am 14. Juni verstorben.
Er war 1990 eines der Gründungsmitglieder
der wiederbelebten »Vorschau«, fortan »Vorschau & Rückblick« und
deren erster Geschäftsführer.
Wir erinnern uns dankbar an den mit Cowboyhut und
Bolo Tie (Western-Krawatte) ausgestatteten Museumschef,
der voller Enthusiasmus, Ideen und Tatkraft mithalf, dass
das kulturelle Monatsheft die schwierigen Anfangsjahre erfolgreich meisterte.
So bleibt er uns im Gedächtnis.

Im Namen des Vereins
Radebeuler Monatsheft e.V. »Vorschau & Rückblick«
Ilona Rau
Vereinsvorsitzende

Sehnsucht nach dem Paradies

Arbeiten von Irene Wieland in der Hoflößnitz

IW. Scherenschnitt o.T, 2024, A. Dreessen

Die Radebeuler Künstlerin Irene Wieland (*1968) untersucht im Dialog mit den Vogelgemälden Albert Eckhouts (1610–1665) an der Festsaaldecke der Hoflößnitz Mythen und Projektionen unserer Paradiesvorstellungen. In lichtechten, farbintensiven Acryltuschen auf leichten Pappelhölzern oder Büttenpapieren entwickelt sie ihre spontanen, reduzierten und doch freien lyrischen Formulierungen. Die Zeichnung ist stets Ausgangspunkt für ihr Schaffen: ob als autonomes Werk in großformatigen Kompositionen mit Pigmenten angeriebener Tuschesteine auf Japanpapier oder als vorbereitende Studie für Adaptionen im Genre keramischer Plastik oder Skulptur aus Aluminium und Corten-Stahl. In ihrer stilisierenden Bildsprache wandeln sich naturalistisch skizzierte Tierdarstellungen kaum merklich zu eigenen grafischen Inventionen und phantastischen Mischwesen, eine Parallele zu den subtilen Chimären der Deckengemälde Albert Eckhouts. Doch Wieland steigert die Entfremdung und entfernt sich zusehends von ihrem gegenständlichen Vorbild. Es entstehen abstrahierte Vogelleiber mit Janusgesicht, auf einer Seite das Profil eines Vogels, auf der anderen maskengleich das menschliche Pendant andeutend.
Für den historischen Festsaal der Hoflößnitz schuf Irene Wieland anlässlich des 100-jährigen Museumsjubiläums eine eigens für diesen Raum konzipierte Wandinstallation. Erstmals wird das tradierte ikonologische Bildprogramm des Saals für einen Dialog mit der zeitgenössischen Kunst geöffnet. Die seit dem 19. Jahrhundert leeren Felder oberhalb des Kranzgesimses, die in der ursprünglichen Ausstattung Fürstenbildnissen vorbehalten waren, werden nun von formatfüllenden Arbeiten der Künstlerin bedeckt, in denen sie charakteristische Phänotypen einzelner Vogelarten der Eckhoutschen Gemälde in autonomen Anverwandlungen aufgreift.

IW, Prachhaubenadler, A. Dreessen

Dem Prinzip des grafisch-ornamentalen Scherenschnitts folgend, schneidet Wieland mit einem Cutter ihre Kompositionen aus schwarzem und rotem Filzgrund. Unseren Bildeindruck prägen die alternierenden, inversiven Leerstellen der Figuration und ihre markanten Konturen und fragilen Stege, die die Künstlerin in freihändiger, fast zeichnerischer Virtuosität als Positiv während des Schneidevorgangs herausstellt und somit als eine Art bildgebendes Raster inszeniert. Aufgelegt auf einem hellen Fond erhalten die dunklen Textilschnitte eine räumlich und optisch kontrastierende Füllung.
Angeregt durch Eckhouts brasilianische Vogelwelt entwickelt die Künstlerin ein imaginäres Paradies, in dem Menschen, Tiere und Geister in idealer Weise koexistieren. Wir sehen an japanische Drachenschutzgötter gemahnende, maskengleiche Gesichter, deren wehrhafte Züge mit goldfarbenen Pigmenten gehöht und Stickereien konturiert werden – gewissermaßen die Wächter des Idylls. Folgen wir dem räumlich friesartig angelegten Arrangement, wechseln stilisierte schemenhafte Wolken und dichte Landschaften einander ab, in denen Vögel und menschliche Gesichter in Zwiesprache verwoben sind. In phantastischen Pflanzengebilden blickt uns das »Antlitz der Natur« aus anthropomorph gestalteten Augenpaaren entgegen. Chimären aus Fauna, Flora und Mensch gehen symbiotische Verbindungen ein.
In der Schilderung der Genesis erscheint das irdische Paradies, die Urwohnung der Menschen, als ein blühender Garten mit einer Vielfalt an Bäumen, Früchten und friedlicher Tierwelt. Allein die Unzulänglichkeit des Menschen führt zum Verlust des Idylls. Doch ist die Vorstellung eines idealen Ortes, zu dem wir zurückkehren könnten, nicht vielmehr eine Metapher, die eine Perspektive für eine Orientierung im Leben gibt? Sie kann bewirken, dass wir uns gegen Leid und Elend in der Welt zur Wehr setzen. Zugleich ist sie eine Parabel für die menschliche Sehnsucht nach Sinn und Erkenntnis und die damit einhergehenden Prozesse von Entfremdung und Abspaltung.

Arbeiten von Irene Wieland im Festsaal der Hoflößnitz, Foto: F. Andert

Die nicht allein im biblischen Mythos geschilderte Störung des Paradieses findet auch in Wielands Bildwelt ihren Widerhall. In ihren Décollagen fotografischer Abbildungen der Deckengemälde Albert Eckhouts verändert die Künstlerin die ursprünglichen Kompositionen des niederländischen Malers durch gezielte Entfernung und Abtragung bestimmter Partien von der Oberfläche der fotografischen Prints. Mittels Cutter schält und schabt sie das für sie relevante dystopisch und bewusst fragmentarisch zurückbleibende eigene Bild aus der von Eckhout angelegten Komposition heraus. Die freigelegten weißen Leerstellen werden mitunter farbig getuscht oder bleiben als weiße, blinde Flecken und Ritzungen zurück. Wunden, Verletzungen und Verlust werden so zu Zeichen der Mündigkeit und des Aufbruchs zu einem neuen, anderen Sehnsuchtsort.
Katharina Arlt


Die Ausstellung »Paradies« mit Arbeiten von Irene Wieland und Vogelpräparaten aus den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden ist noch bis 28. Juli im Weinbaumuseum Hoflößnitz, Radebeul, Knohllweg 37, zu sehen (Di–So, 10–18 Uhr). Der vorstehende Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrags im Ausstellungskatalog.

Ein Od geht verloren

Das ist nun wirklich nicht mehr lustig!
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, daß es Zeitgenossen gibt, die ihren Spaß haben am Verlust (in dem Wort steckt ein gerüttelt Maß an Masochismus: Ver-Lust), ist es doch schmerzlich zu sehen, wie ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt einfach so verschwindet: Wir hatten mal ein Lügenmuseum, kurz Lüseum, eine Bildungsstätte ganz eigener Prägung, von kundiger Hand aus alten Brettern zusammengeschraubt.
Gerade das Fragile, scheinbar Unfertige, hielt uns so viele Spiegel vor, wie sie in keine Badestube passen. In einer Zeit, in der nicht erst seit und nicht nur durch einen blonden Amerikaner „alternative Wahrheiten“ zum guten Ton gehören, wäre ein Ort, an dem frei und herzlich drüber gelacht werden kann, jede Urlaubsreise wert. Es könnten Scharenweise Touristen in die Stadt kommen …
Es hat an dieser Stelle keinen Zweck, in mögliche und unmögliche Schuldzuweisungen zu verfallen (der hat … die hat nicht…), auch wenn es manchmal erleichtert, einen Schuldigen in die Wüste schicken zu können. Da wäre er dann dort, wo das Lügenmuseum auch ist. Das wäre erst lustig…
Ich bedaure zutiefst, daß auch meine nun angepaßte Rente nicht ausreicht, an diesem Fiasko etwas zu ändern.
So geht es also verloren, das Kleinod – Kleinod? Nein! Es erschwindet ein großes Od und eine große Öde wird bleiben …
Thomas Gerlach

Alles vergeigt!

Sind die Tage des Lügenmuseums gezählt?

Zurück auf Anfang. Der Serkowitzer Gasthof vor 2012. Foto: Karl Uwe Baum

Wird erneut ein Museum die Stadt verlassen? Radebeul bietet offensichtlich keinen guten Nährboden für museale Einrichtungen. Auch die nahe Kunst- und Kulturmetropole Dresden bleibt hier ohne nachhaltige Wirkung. Dieser wahrlich nicht gerade Image fördernde Umstand scheint sich nun in der letzten Amtsperiode des Oberbürgermeisters Bert Wendsche gerade zu einem negativen Markenzeichen der Großen Kreisstadt Radebeul entwickelt zu haben.
Ein Heimatmuseum sucht man hier vergeblich. Fast jede halbwegs große Stadt in Sachsen besitzt eine derartige Einrichtung. In Radebeul erfährt man über die Entwicklung des Ortes fast nichts. Schlimmer aber noch ist, dass die Bewohner kein Museum haben, wo sie ihre historischen Dokumente, Zeugnissen und Erzählungen über die Stadt hingeben können. Die Erben von Ernst Edler von Schuch hätten sicher gern entsprechendes Material dem Heimatmuseum überlassen…
Dabei sind erst 24 Jahre vergangen, seit die Stadtbevölkerung nach der Neujahrsrede des Oberbürgermeisters Bert Wendsche Hoffnung schöpfte, dass seinen Worten auch Taten folgen mögen. So verkündete er in den Landesbühnen Sachsens zur Freude der Anwesenden: „Wir feiern in diesem Jahr den 75. Geburtstag unserer Stadt, den 75. Jahrestag des Zusammenschlusses von Kötzschenbroda und Radebeul zum heutigen Radebeul. Die öffentliche Einweihung des ,begehbaren Depots‘ unseres potenziellen zukünftigen Stadtmuseums in den ersten Januartagen war dabei sicher ein sehr gelungener Startschuss des Jubiläumsjahres.“.

Das einstige Radebeuler Heimatmuseum wurde endgültig Anfang der 1990er Jahre in das Sächsischen Weinbaumuseum umgewandelt. Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befand sich bis 2003 im Radebeuler Hohenhaus. Deren Wegzug war sicher keine Radebeuler Entscheidung, wohl aber das Ausschlagen des Kaufangebotes für die geschichtsträchtige Anlage Hohenhaus durch die Stadt. Das Zeitreisemuseum musste endgültig 2016 aufgeben, als die erhöhte Miete nicht mehr aufzubringen war. Eine Unterstützung für die einmalige Sammlung wurde von keiner Seite her gewährt, auch nicht von der Stadt. Der einstige Güterboden mit dem Schmalspurbahnmuseum in Radebeul wurde mit großem Pomp 2012 eingeweiht, und als schließlich die 2004 gegründete Museums-gGmbH 2016 in die Liquidation ging, hatte das kaum Schlagzeilen verursacht.

In diese traurige Bilanz des Museumssterbens in Radebeul reiht sich nun vermutlich auch das Lügenmuseum ein. Die Stadtverwaltung hat die Kündigung für den 31. August dieses Jahres ausgesprochen. Manch einem in der Stadt schien das ohnehin recht zu sein, war für ihn das Museum doch eine Ansammlung von Plunder. Erinnert sei hier nur an die Schmähschrift aus der Kulturstiftung des Freistaates.
Nun ist nicht zu übersehen, dass die Stadtverwaltung mit dem Mieter Reinhard Zabka wahrlich einen gewissen Großmut über all die Jahre gezeigt hat. Auch deshalb hält sich dort und in der Bevölkerung das Verständnis in Grenzen, ist das Lügenmuseum in breiten Kreisen durchaus nicht unumstritten wie auch sein selbst ernannter Direktor Reinhard Zabka. Aber welcher Vollblut-Künstler, der der Gesellschaft unentwegt den Spiegel vorhält, ist schon stromlinienförmig? Schon 1972 sah die Kunstkritikerin Karin Thomas in der Avantgarde eine „Herausforderung an das kritische Denkvermögen“ und ein bewusstes Infragestellen des gelebten Alltages. Dem Tradierten aber kann man im Lügenmuseum nicht begegnen. Schon deshalb würde die Einrichtung in Radebeul ein „Stein des ewigen Anstoßes“ bleiben. Das Interessante bei dieser Geschichte aber ist, wie gering die Toleranzschwelle einiger Zeitgenossen ist und wie wenig das komplexe Denken ausgeprägt zu sein scheint. Man kann natürlich Reinhard Zabka „unkooperatives Verhalten“ vorwerfen. Lässt man die Hintergründe der Verhandlung mit dem potentiellen Käufer im Dunklen, bleiben sie bloße Behauptung, wenn sie nicht gar als rufschädigend aufzufassen sind.

Nun will ich keinesfalls irgendjemandem einseitig den „schwarzen Peter“ zuschieben. Die Details aller Gespräche sind mir nicht bekannt – ein Urteil darüber ist anmaßend. Gleichwohl werden Verhandlungen erst durch die Bereitschaft der Parteien zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen, erfolgreich geführt. Dies aber kann nur gelingen, wenn alle dasselbe große Ziel anstreben, auch wenn die Wege dahin verschieden sein mögen, weil sie sich im Klaren sind, was auf dem Spiel steht. Diese gemeinsame Basis schien gefehlt zu haben. Zu unterschiedlich waren die Ausgangsstandpunkte. Schon in der Mai-Ausgabe 2022 von SAX, Das Dresdner Stadtmagazin, äußerte der Oberbürgermeister recht eindeutig seinen Standpunkt zum Lügenmuseum und zu Reinhard Zabka: „Seine Installationen haben in Brandenburg und in Serkowitz funktioniert, warum nicht auch an einem anderen Ort? Sie sind nicht an das Haus gebunden.“.
Die Prinz-Rupi-Kulturstiftung, vertreten durch Wilhelm Ruprecht Frieling, hatte eigene Vorstellungen von der Verwendung des Objektes und deshalb nur einen Fünf-Jahres-Mietvertrag für das Lügenmuseum angeboten. Und Zabka – er glaubte wohl, das alles so weitergehen könne, wie bisher.
Mit solchen doch recht unterschiedlichen Standpunkten war kein gemeinsamer Blumentopf zu gewinnen. Den Schaden werden alle tragen, auch jene, die sich als heimliche Sieger fühlen und besonders diejenigen, die sich mit viel Kraft und Elan für dieses, in der Bundesrepublik einmalige Museum eingesetzt haben. Die Bekundungen für den Verbleib des Lügenmuseums sind zahlreich und mannigfaltig. Man kann sie auf der Webseite des Museums einsehen.

Wenn der Vorgang nicht so unendlich traurig wäre, könnte man sich freilich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Die Republik wird verwundert die Köpfe schütteln über diese unsägliche Posse! Hat Kultur und Kunst in dieser Stadt überhaupt noch einen Wert? Von den kulturell-künstlerischen Leistungen des Lügenmuseums ist in der Pressemitteilung der Großen Kreisstadt Radebeul vom 23.05.2024 an keiner Stelle die Rede. Die hat es offensichtlich nie gegeben.

Karl Uwe Baum

100 Jahre Museum Hoflößnitz, Teil 7

Das Haus wolle »immer mehr ein Sammelpunkt aller heimatlichen Werte sein und wieder ein Kulturmittelpunkt der Lößnitz werden, wenn auch im neuzeitlichen Sinne.« So heißt es im »Kleinen Führer durch das Heimathaus Hoflößnitz«, der zur Saison 1925 erschien und fortan an alle Besuchenden als Eintrittskarte ausgegeben wurde. Nach einer Zusammenfassung der Geschichte des Anwesens folgte darin, stichpunktartig zusammengefasst,

Ein »Rundgang durch das Heimathaus«

Dieser war seinerzeit recht kurz, denn vom ohnehin nicht großen Erdgeschoss waren zweieinhalb Zimmer – ein Teil des Foyers, der »Zehrgarten« und die »große Tafelstube« auf der Ostseite – als Hausmannswohnung abgeteilt worden. Die vier Museumsräume boten folgendes:
»1. Eingangshalle: Der Winzerzug aus dem Jahre 1840 gez. von Retzsch; dargestellt: Der Herbst, Gott Baccus, Amor, Herstellung der Weinfässer, Weinbereitung. – Über der Tür ein Bildnis Knolls, des ›ersten Winzers‹, war 1661 Bau- und Bergschreiber in der Hoflößnitz, wirkte tatkräftig für Verbesserung des Weinbaues. – Ein großes Ölgemälde: Die Huldigung des Hauses Wettin. – In dem Wandschrank das Heldengedenkbuch, gewidmet den im Weltkrieg 1914/18 gefallenen Söhnen der Gemeinde Oberlößnitz.
2. Guckkastenzimmer: Vier naturgetreue Bilder, die vier Jahreszeiten darstellend (Rundgang rechts herum!) – Der Frühling: Die Lößnitz um 1800. Das Spitzhaus in der alten Gestalt, links das Bennoschlößchen, wahrscheinlich früher ein bischöflicher Wirtschaftshof, Winzer bei ihrer Arbeit. – Der Sommer: Die Lößnitz um 1800 [recte: 1900]. Spitzhaus nach dem Umbau. Der Wald ist heute bereits zum größten Teil wieder dem Wein gewichen. – Der Herbst: Winzerfest zur Zeit Augusts des Starken. Vorn Gebäude des unteren oder Holzhofes. – Der Winter: Aufbruch zur Jagd.
3. Geologisches Zimmer: Eine farbige, erdgeschichtliche, erhabene Karte der Heimat, in zwei Schaukästen die Gesteine der heimatlichen Erde, an der Wand zwei Geländeschnitte aus der, Umgebung u.a.m.
4. Heimatzimmer: Alte Bilder aus der Lößnitz. Holztafel mit Aufzeichnungen über den in der Hoflößnitz gepreßten Wein. Nachtwächterhorn von Oberlößnitz. Bildnisse der Gräfin Cosel und eines Regimentsnarren u.a.m.«
Um das eingangs zitierte Ziel zu erreichen, bedurfte es freilich mehr als dieser kleinen Präsentation. Das war auch dem Architekten Dr.-Ing. Alfred Tischer, ehrenamtlicher Museumsvorstand, klar. Schon kurz nach Eröffnung des Museums lancierte er deshalb ein zweites ehrgeiziges Projekt, ein großes »Winzerfest der Lößnitz«. Nachdem der von ihm geleitete Arbeitsausschuss am 1. August erstmals zusammengetreten war, ging dieses Volksfest, an dem sich fast 100 einheimische Vereine aller Art und Richtungen beteiligten, vom 3. bis 5. Oktober 1924 glanzvoll über die Bühne. Den Höhepunkt bildete am Schlusstag ein gewaltiger Festzug, der von der Hoflößnitz über Radebeul nach Kötzschenbroda führte und, was Teilnehmer- und Zuschauerzahlen angeht, sein historisches Vorbild von 1840 bei weitem in den Schatten stellte. Darauf wird zu gegebener Zeit zurückzukommen sein.

Archiv Stiftung Hoflößnitz

Die erste Sonderausstellung im neuen Museum Hoflößnitz ging ebenfalls auf Dr. Tischers Initiative zurück und eröffnete eine Tradition, der sich unser Haus nach wie vor verbunden fühlt, die Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst. Vom 7. bis 14. Dezember 1924 lud das Heimathaus zur »Kunstwoche der Lößnitz« ein, während derer »den gerade in dieser schweren Zeit oft bittere Not leidenden heimischen Künstlern« die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Arbeiten – Erzeugnisse der Bildhauerei, Malerei, der graphischen Künste, des Kunstgewerbes, der Buchdruckerkunst usw. – zu zeigen und gegebenenfalls auch zu verkaufen. Über die Annahme der Ausstellungsgegenstände entschied ein Fachgremium, dem u.a. Landeskonservator Dr. Walter Bachmann, der ehemalige Direktor der Dresdner Kunstgewerbeakademie, Prof. Bernhard Grohberger, und der am selben Institut tätige Prof. Max Frey angehörten. Die Besprechung in den ›Dresdner Nachrichten‹ am 8.12.1924 zählt die bemerkenswertesten Arbeiten dieser bunt gemischten Schau auf, darunter solche von noch heute namhaften Malern/Grafikern wie Käthe Kuntze, Georg Richter-Lößnitz, Hans-Theo Richter und Karl Sinkwitz. Beteiligt waren auch damals in der Lößnitz ansässige Künstler, die inzwischen weitgehend vergessen sind, u.a. Arthur Götze, Curt Voigt, Rudolf Wirth und Werner Zehme. Gezeigt wurde die Ausstellung im Obergeschoss des Lusthauses, wo durch einfache Stellwände und elektrische Beleuchtung provisorische Voraussetzungen dafür geschaffen worden waren. »So wandert man ›mit vergnügtem Sinne‹ durch diese kleine Heimatschöpfung«, fand der Rezensent. (Fortsetzung folgt.)
Frank Andert

Editorial 7-24

Radebeul kann sich im Jahreskreis zweifellos eines reichen kulturellen Angebots erfreuen.
Und doch, es lohnt sich überaus, auch mal über die Stadtgrenzen hinauszuschauen! So fand Mitte Juni in Meißen das nunmehr 15. Literaturfest statt. Nicht irgendeins! – Es hat sich in all den Jahren immerhin zum deutschlandweit größten eintrittsfreien Lesefest etabliert. Allein beim Durchstöbern des über dreißigseitigen Programmheftes schlägt einem die Fülle an Veranstaltungen entgegen. Weit über hundert Lesungen, Gesprächsrunden und Musik luden in die verwinkelten Gassen und unter die Dächer der idyllischen Altstadt ein. Zahlreiche Bücherstände auf den Märkten machten die literarischen Welten für die flanierenden Interessenten dann greifbar.
Großer Respekt gilt an dieser Stelle dem Meißner Kulturverein, der es versteht, Vereine, Institutionen, Betriebe und vor allem die ansässigen Bewohner zum Mitmachen zu begeistern.
Als ein Programmhöhepunkt kann sicher das Podiumsgespräch des Musikers und Literaten Hans-Eckardt Wenzel mit dem politischen Lokalmatador Frank Richter angesehen werden. Fazit des rund einstündigen Gesprächs war die heute oft überaus verschärfte Debatten-(Un-)Kultur, resultierend in der Mahnung, einander das Zuhören nicht zu verlernen. Dies gilt für das große Weltenrad ebenso wie für eine intime Lesung.
Erstaunlich, was bürgerliches Engagement – mit nur wenig Geld – bewirken kann! Vielleicht davon auch noch mehr in Radebeul?

Sascha Graedtke

Mit Stephan Krawczyk poetisch durch das Jahr

Zum Titelbild

Angler im Morgenlicht. In aller Ruhe träumt er an der Rute entlang, denn diese Stunde gehört erst ihm und dann den Fischen. Und während er träumt, werden seine Arme länger und länger und die Hände werden größer und größer, mit denen er abends am Stammtisch von seinem Fang erzählen wird…

Mit diesem gern gebrauchten, liebevoll-spöttischen Bild vom „Anglerlatein“ begrüßt der Künstler Michael Hofmann den Juni.

Still ruht der See. Der ferne Horizont liegt noch im Dunkel. Geduldige Ruten warten auf Fang, während die Sonne schon zum Aufbruch mahnt. Noch steigt Kühle auf, doch der Tag verspricht heiß zu werden.

Michael Hofmann versteht es, Atmosphäre zu verbreiten. Über Jahre hat er den Farbholzschnitt aus der „verlorenen Form“ zu einer eigenen Marke entwickelt. Hier zeigt er sich dankbar, sich einmal ganz auf die Form konzentrieren zu können. Das gelingt ihm so perfekt, daß die Betrachter, wie ich glaube, keine Mühe haben werden, die Farben selbst zu finden. So reiht sich der Künstler auf seine Weise in den Reigen der Holzschneider ein.

Da hatte HAP Grieshaber in der Nachfolge der Expressionisten den Holzschnitt noch weiter vereinfacht, indem er in spontanem Zugriff dekorative Stilisierung zu anschaulichen Symbolen verband. Hier bleibt Michel Hofmann doch eher der Erzähler, der seinem Schalk gerade in diesem Blatt mit Freude freien Lauf läßt.

Auf dem Heimweg aber wird unser Angler noch an der Fischtheke vorbeischauen, um den versprochenen Mittagsbraten doch noch auf den Tisch legen zu können.

Thomas Gerlach

Radebeuler Miniaturen

Konsum-Gut

In römischen Siedlungen gab es schon vor Beginn der modernen Zeitrechnung und auch nördlich der Alpen öffentliche Badehäuser und Aborte mit Wasserspülung. Zu nämlichem Zwecke wurde ein Bach durch den entsprechenden Raum geleitet, in welchem die Bürger in geselliger Runde saßen, während alles, was sie hinter sich ließen, sofort unter ihnen weggespült wurde.

Freiheitsliebende germanische Heimatfreunde haben uns jedoch recht bald wieder von diesem kulturellen Joch befreit. Das zeigt zunächst, daß es nicht so einfach ist, Kulturgut in fremde Länder zu tragen. Es hat nahezu zweitausend Jahre gedauert, bis hinsichtlich der öffentlichen Hygiene ein ähnlicher Stand wieder erreicht wurde. Zum anderen ist der Ruf nach Freiheit immer noch und immer wieder virulent, doch bis heute stellt kaum einer die Frage: “Freiheit wovon?!“

In meinem Elternhaus gab es noch über viele Jahre ein einfaches „Plumps-Klo“. Dabei fiel auf direktem Wege alles Überflüssige in eine darunter befindliche gemauerte Grube, die in regelmäßigen Abständen geleert werden mußte. Vorzüglich (des Geruches wegen) bei Regenwetter wurde der Grubeninhalt im Garten verteilt, auf daß die Tomaten gediehen, die auf dem felsigen Untergrund sonst nicht viel zu lachen hatten.

Das hatte alles nichts mit Krieg oder Nachkrieg zu tun, das entsprach dem ganz normalen Stand der Technik und war allgemein üblich. Dennoch hatte auch der Krieg einen gewissen Einfluß aufs Geschäft.

Lange Zeit nämlich gab es nicht nur nichts, sondern gar nichts. Die Not machte – damals jedenfalls – erfinderisch, und also wurde zur Versorgung der Bevölkerung alles Mögliche und Unmögliche zu Konsum-Gut umgedeutet und auf diese Weise einer neuen Bestimmung zugeführt. So haben etwa pfiffige Erfinder ausgediente Militärstahlhelme mit einer Tülle für einen Stiel versehen und als Jauchenschöpfer verkauft – eine sinnreichere Verwendung dafür konnte (und kann!) es kaum geben. Zumal auch bei der Verwendung ein gewisser durchaus auch erheiternder Mahneffekt zu erwarten war. Es tut mir in der Seele weh, daß das Ding entsorgt wurde, als wir uns einen „richtigen“ Schöpfer leisten konnten.

Als ich später selbst genötigt war derartiges Gerät nicht nur am Gürtel, sondern auch auf dem Kopf zu tragen, hatte ich stets den Geruch der heimischen Grube in der Nase. Und ich frage mich mit zunehmender Eindringlichkeit, wie tief einer in der Sch… stecken muß, der sich von wem auch immer gezwungen sieht, sich so ein Ding überzustülpen …

Thomas Gerlach

Glosse

Da haben wir den Salat

Können sie sich nicht auch des Eindrucks erwehren, dass der Salat seit geraumer Zeit immer mehr in Mode gekommen ist? Früher höchstens als Beilage geduldet, hat er sich heutzutage regelrecht in den Vordergrund gedrängt und nicht nur auf dem Mittagstisch. Manchen Orts ist er gar zum Hauptgericht aufgestiegen. Auch daran kann man erkennen, dass sich die Extreme in dieser Zeit immer mehr ausgebreitet haben, was natürlich besonders bei den Wahlen in Erscheinung tritt. Aber dazu später. Die gute alte Hausmannskost ist da ohnehin schon eher meine Geschmacksrichtung. Dabei will ich jetzt gar nicht nur auf die deutsche Küche verweisen. Auch die Polen kochen gut, der deutschen Küche nicht unähnlich, aber mit Anlehnung an die östlichen Nachbarn und mit reichlich Gewürzen versehen. Tut man hierbei allerdings zu viel des Guten, ist nicht nur der ganze Salat verdorben, sondern auch so manche Partnerschaft.

Und wenn man bedenkt, dass das Wort Salat bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht und von dem italienischen insalare kommt, was so viel wie einsalzen bedeutet, hat man eigentlich keine Fragen mehr. Da mag es nicht überraschen, wenn besonders der Deutsche ab dem 19. Jahrhundert bei dem Wort Salat – einer Mischung verschiedener Zutaten – auf ganz andere Gedanken kommt. Da tauchen dann Begriffe wie Wirrwar, Schweinestall, Unordnung oder gar Chaos auf. Und schon sind wir, ehe wir uns versehen, mitten in der schönsten politischen Diskussion. Die Missverständnisse häufen sich, das Durcheinander und die Aufregungen nehmen zu, bis schließlich alles in einem Desaster endet. Wer kennt sich denn noch bei den vielen kleinen und großen „Gurkentruppen“ aus, die der kleinen Frau, dem kleinen Mann und dem kleinen Es beständig erklären, wo es angeblich langgehen soll. Etwa wie gegenwärtig beim Gebäudeenergiegesetz. Da trifft man überstürzte Entscheidungen, und über 40 Prozent der Betroffenen können da überhaupt nicht mehr mithalten. Sollen dann die Bulldozer kommen und die Einfamilienhäuser einfach wegschieben? Wäre doch eine Idee, warum nicht auch von anderen Demokratien lernen?

Mit dem Begriff „Demokratie“ komme ich auch nicht so richtig klar. Ich bin da noch nicht dahinter gestiegen, was man sich darunter vorstellen soll. Alle paar Jahre die Regierung wählen, damit die dann hinterher etwas anders macht, als sie vor den Wahlen versprochen hat? Man soll ja in der Demokratie mitreden können. Aber wie macht man das, wenn das Meiste hinter verschlossenen Türen besprochen wird? Da fällt mir ein markantes Beispiel aus Radebeul-West ein. Eigentlich wollte ich nicht schon wieder auf die verunglückte Bahnhofstraße zu sprechen kommen. Sie ist eh ein Sonderfall. Wo sonst findet man auf ca. 100 Meter noch acht Lichtmasten? Vermutlich wird dann dieser Abschnitt besser ausgeleuchtet sein als ein Fußballstadion. Da fehlt eigentlich nur noch die Rasenfläche. Kann ja noch werden. Alles nur, weil man eine Alleestraße haben wollte. Warum eigentlich? Lag das eventuell daran, dass die einst zur Entscheidung gestandenen Alternativen am Ende gar keine waren? – Mal mehr, mal weniger Bäume?

Das Ding mit den Parkplätzen ist auch so eine Sache. Kann sich noch jemand an das INSEK erinnern? Ist schon eine Weile her. Nächstes Jahr wird es Zehnjähriges feiern. Damals hatte man eine ca. 5-prozentige Steigerung beim PKW-Besitz in der Stadt festgestellt. Da ergiebt es Sinn, die Parkplätze auf der und um die Bahnhofsstraße herum zu reduzieren. „Aber die neuen Stellplätze auf der Güterhofstraße…“, wird mancher einwenden. Die waren schon vor der Baumaßnahme weitgehend belegt. Vielleicht hilft der bereits 2022 prognostizierte Bevölkerungsrückgang, die Lage in dem Revier wieder zu entspannen.

Ist schon seltsam: Wenn Wahlen bevorstehen, sind die Parteien immer ganz kuschlig. Da kann man sie kaum noch auseinanderhalten, und schon ist der schönste Salat fertig. Da halt ich mich doch lieber an einen leckeren Platterbsensalat. Da weiß ich wenigstens was drin ist, meint

Euer Motzi

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