»WEGZEICHEN« – Arbeiten auf Papier von Annerose Schulze in der Hoflößnitz

Foto: F. Andert

Die Radebeuler Künstlerin Annerose Schulze beschäftigt sich seit den 1970er Jahren intensiv mit Genese und Konventionen sprachlicher, mathematischer und musikalischer Zeichen. So entsteht 1995 ihre Werkgruppe de-komm-post. In Collagen arrangiert sie Buchstaben und Zahlen auf papiernen Büttenfonds. Mitunter befinden sich die schwarzen und roten Lettern und Ziffern in freiem Fall, lösen sich vereinzelt aus Kaskaden und Ballungen, driften aus räumlichen Verspannungen schwarzer Balkenstrukturen. Bisweilen rotieren sie strudelnd auf einem Grund handgeschöpfter Papiere aus Zeitungsrissen und Pflanzenfasern. Transparente Seidenpapiere verhüllen die opaken Lettern, die ihrerseits bis zur Unkenntlichkeit im naturgefärbten Pendant verschwinden. Vlies- bzw. Synthetikfasern von Alltagsgegenständen, klebegummierte Ränder eines Briefmarkenbogens und schmale Streifen aus Hochglanzzeitschriften lassen uns Satzfragmente und Stichworte wie »I love Art«, »in der Frauenkirch«, »Kunst« und »leben« entziffern. Schulzes Werkgruppe wird zum Signal dessen, was Sprache zur Kommunikation und einem deutbaren Zeichensystem werden lässt, und wie sie sich ebenso rasch durch Misstrauen und Unvermögen zu einer Quelle allmählichen Kommunikationsverlustes wandelt.

»Adam«, 2010, Foto: A. Schulze

Die Bedrohung aquatischer Ökosysteme steht im Zentrum mehrerer aktueller Werkreihen von Annerose Schulze. Von 2015 bis 2019 arbeitet sie an einer mehrteiligen Installation unter dem Titel »…tropfen und fließen…«. Um dem Wasser als dem Ursprung alles Lebens ein bildkünstlerisches Äquivalent zu geben, entwickelt sie im Medium der Seidengarnstickerei abstrakte Bildzeichen, die archaisch-organische Formen zitieren. Es sind Kreissegmente, Spiralen und Kurvaturen in steil ansteigenden Wellenbergen und Tälern, Schwingungen nicht unähnlich. Die bei Lichteinfall schillernden Garne in Rosé- und Grautönen heben sich von ihrem Stickgrund ab, handgeschöpften nepalesischen Papieren, deren Fasern aus der Rinde des Loktabaumes gewonnen werden. Die installative Präsentation der Serie auf filigranen Konstruktionen geschweißter Stahlstäbe versetzt die horizontal darauf lagernden Blätter bei kleinster Erschütterung in Schwingung, die an eine wellenbewegte Wasseroberfläche denken lässt.
In den Werkfolgen »Das Gedächtnis des Wassers« und »Störungen« widmet sich die Mitbegründerin der Künstlerinnenvereinigung Dresdner Sezession 89 Risiken und Gefährdungen der Meere und urbanen Gewässer wie Atomwaffenversuchen, Folgen von Überfischung, Bauaktivitäten oder den Auswirkungen von endokrinen Substanzen im Abwasser sowie der zunehmenden Erderwärmung. Basis ihrer komplexen Collagen sind geschöpfte Japanpapiere. Diese bearbeitet Annerose Schulze mitunter von beiden Seiten. Großflächig, in abstraktem Duktus aquarelliert sie den Malgrund, lässt die Farbe in Rinnsalen oder kleineren Flächen frei fließen und tritt als Künstlerin bewusst hinter das akzidentielle Wirken der Farbe zurück. Über Collagen in variierenden Papieren setzt sie zarte Stickereien in pastellenem oder intensivem Colorit, die gegenständlichere Formulierungen sichtbar werden lassen.
Die Dekonstruktion von Schriftzeichen findet auch in den 2010 entstandenen Blättern »paradiesische Spuren« und »Adam« ihren Widerhall. Ausgangspunkt bilden auf wenige Fragmente kondensierte Einzelbuchstaben, die die Künstlerin als ornamentale Kürzel mit goldenem Garn in den Grund aus Loktapapier stickt. Beinahe warnend schimmern jene Lettern wie die geisterhafte Schrift, die dem babylonischen Fürsten Belsazar im Alten Testament während eines Festmahls plötzlich an der Wand entgegenleuchtet und sich als Menetekel offenbart. So künden jene Lettern in Annerose Schulzes »Paradiesische Spuren« auch vom universellen Scheitern der Menschheit. Der Apfel vom Baum der Erkenntnis ist bereits zu Boden gefallen und dunkle Blätter zeugen von der Sterblichkeit. Verführer und Verführter sind auf dem Blatt »Adam« in schwebender Konturierung in ein arabeskes Narrativ gefasst. Eva bleibt unsichtbar, die Schuld fällt hier symbolisch der männlich dominierten Zivilisation zu.
In den Arbeiten Annerose Schulzes designieren Zeichen einen eigenen Bedeutungshorizont, sind Wegweisungen einer ethisch-moralischen Aufforderung zur Vita activa. Die Betrachtung ihrer Werke spiegelt nicht allein die Fragilität und Schönheit unseres bedrohten physischen Lebensraums und unserer freiheitlichen, demokratischen Werte. Wir werden zugleich angehalten, die davon ausgehende ästhetische Erfahrung als motivierende Interaktion von lebendigem Geschöpf und Umwelt wahrzunehmen und somit als Teil des eigentlichen Lebensprozesses zu begreifen.
Katharina Arlt


Die Ausstellung »Wegzeichen« mit Collagen und Assemblagen von Annerose Schulze ist noch bis 18. Mai im Bergverwalterhaus der Hoflößnitz in Radebeul, Knohllweg 37, zu sehen, geöffnet Di–So 10–18 Uhr.

Lebensfreude – Michael Hofmann zum 80. Geburtstag

„Die Freude ist ein Lebensbedürfnis, eine Lebenskraft und ein Lebenswert.“
Paul Wilhelm von Keppler (katholischer Theologe und Bischof des Bistums Rottenburg im 19. Jh.)

Foto: G. Dabow

In der heutigen Zeit, die uns mit Krieg, mit Flüchtlings- und Umweltkrisen überzieht, mit einem imperatorischen Autokraten im Osten und einem Möchtegernautokraten jenseits des Atlantiks, scheint die Lebensfreude vielen Menschen im Augenblick abhandengekommen zu sein. Dem setzt die Stadtgalerie Radebeul eine Ausstellung entgegen, die zu Ehren des Kunstpreisträgers der Stadt Radebeul 2024 und zum 80. Geburtstag von Michael Hofmann ausgerichtet wurde.
Die Lebensfreude von Michael Hofmann ist in den Räumen in allen Ecken spürbar – die Farbigkeit und das Licht in Gemälden und Holzschnitten versetzen den Besucher in heitere Stimmung. Denn wie bereits Jean Paul feststellte, sind „Die Freude und das Lächeln… der Sommer des Lebens“. Man möchte aufbrechen in die Weinberge der Lößnitz oder an den Gardasee. Denn bei aller Heimatverbundenheit ist der Künstler gern auf Reisen und lässt uns an der Entdeckung, vornehmlich südlicher Landschaften und Städte, teilhaben. Nie geht es ihm um das Spektakuläre. Das ist nicht spannend und bereits tausendfach abgebildet. Sein Thema ist das Alltägliche. Was passiert, wenn ich um diese Ecke gehe, wer oder was erscheint im nächsten Augenblick vor der der weit geöffneten Fenstertür, z.B. wie hier am Gardasee? Der Ausblick verschafft Einblicke. Michael Hofmann lässt uns so an seiner Entdeckerfreude teilhaben und regt die Phantasie des Betrachters an. Die Ausstellung legt bewusst das Augenmerk auf Gemälde, die immer noch nicht so bekannt sind, wie die grandiosen Farbholzschnitte. Im Erdgeschoss ist eine Auswahl von 1985 bis 2025 zu sehen. Sie bestechen nicht nur durch ihre Farbigkeit, sondern erhalten ihren Charakter durch die Reduzierung auf großzügige Flächen. Lebendig werden sie durch schiefe, stürzende Linien, die die Augen des Betrachters auf das Zentrum lenken.

Nicht so sehr im Fokus sind Michaels Arbeiten für die Kunst am Bau, die in der Ausstellung schlaglichtartig behandelt werden. Entwürfe für ausgeführte Arbeiten sind ebenso zu sehen, wie nicht zustande gekommene Werke, wie für das Bischoff Haus in Dresden oder ein Bürocenter eben dort. Beeindruckend ist die Wandgestaltung in der Mensa des ehemaligen Schlachthofes, welche nach der „Wende“, wie so viele baugebundene Arbeiten auf dem Gebiet der DDR entsorgt wurde. Nur s/w- Fotos vermitteln noch einen Eindruck.
Neben der baugebundenen Kunst liegt ein Schwerpunkt selbstverständlich auf den Farbholzschnitten. Michael Hofmann arbeitet zumeist mit der verlorenen Form. Er beginnt mit schwarz (eine selten angewandte Technik) und verwendet bis zu zehn Farben. Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Er sucht nach einer Verknappung der Form und immer blitzt der Schalk des Künstlers aus dem Blatt.
Michael Hofmann ist nicht nur ein äußerst begabter Künstler, er ist auch ein guter Freund, ein Mensch, der auf andere Menschen zu geht und dabei seine Lebensfreude mit anderen teilt.
Alexander Lange


Bis zum 4. Mai können die Besucherinnen und Besucher zu den Öffnungszeiten der Stadtgalerie (DI/MI/DO 14-18 Uhr, SO 13–17 Uhr) an seiner Lebhaftigkeit teilhaben.

35 Jahre Vorschau und Rückblick

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser,
mitten zwischen die beiden großen deutschlandweiten 35er Jubiläen – gedenkend der friedlichen Revolution im Herbst 1989 sowie der deutschen Wiedervereinigung am 03.10.1990 – fällt für Radebeul ein weiteres 35-jähriges Jubiläum: Das erstmalige Erscheinen von „Vorschau und Rückblick“, einem Kind der neu gewonnenen Freiheit vor 35 Jahren.
Ein solches Jubiläum des Bestehens einer kleinen Zeitschrift ist in den heutigen Zeiten, da selbst die etablierten Zeitungen und Zeitschriften mit sinkenden Verkaufs- bzw. Abonnentenzahlen zu kämpfen haben und ein großer Teil der Menschen „im Digitalen“ liest, eine tolle Leistung!
Das Heer der Enthusiasten der Autoren und Herausgeber, die das Radebeuler Kultur-, Kunst- und Geschichtsleben redaktionell begleiten und es immer wieder schaffen, monatlich ein anspruchsvolles Heft herauszubringen, hat sich im Lauf der Zeit geändert, dennoch sind sogar einige Gründungsmitglieder noch aktiv.
In den zahlreichen Ablagestellen in unserer Stadt wird am Monatsanfang geschaut, ob die „Vorschau“ schon da ist. Dies zeigt, dass diese Zeitschrift ihren Leserkreis in Radebeul gefunden und bewahrt hat.
Wie hieß es doch in der letzten Glosse: „Jeder kann heutzutage zu allem seinen Senf abgeben, was ja zweifelsfrei von dem so hochgehaltenen Begriff der >Freiheit< gedeckt scheint.“ Möge zum einen die Freiheit in unserer Gesellschaft nicht nur als Begriff hochgehalten werden, sondern vor allem verantwortungsvoll gelebt werden. Und möge die Vorschau immer wieder die Kraft finden, den Verlockungen des „Stammtischgeplappers“ zu widerstehen und stattdessen der „fachlich fundierten Aussage“ Raum zu geben und diese zu verteidigen.
In diesem Sinne sende ich einen herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Ich verbinde dies zugleich mit dem Wunsch nach einem stets breiten Fundus an spannenden Themen als Basis für zahlreiche weitere Ausgaben der Radebeuler „Vorschau & Rückblick“.
Ihr Oberbürgermeister Bert Wendsche

17. Thematischer Filmclubabend

Das Radebeuler Wanderkino „Film Club Mobil“ zeigt im Monat April den Spielfilm „Le Temps d`aimer“, welcher im puritanischen Frankreich der unmittelbaren Nachkriegszeit spielt. Verstörende Dokumentaraufnahmen aus dem Jahr 1947, die dem Filmdrama vorangestellt wurden, konfrontieren den Betrachter mit den widersprüchlichen Reaktionen der Franzosen. Wenngleich die überwältigende Freude über die Befreiung von den deutschen Besatzern dominiert, schwingen da auch Gefühle wie Hass, Niedertracht, Scham und Verzweiflung mit. Die französisch/belgische Koproduktion kam 2023 in die Kinos und spannt einen weiten Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart.

Obwohl der zweite Weltkrieg vor achtzig Jahren endete, stoßen wir noch heute in Radebeul auf Spuren aus dieser Zeit. Ein zweites Mal hat sich die Cineastengruppe als Veranstaltungsort den ehemaligen Luftschutzbunker Oberlößnitz ausgewählt, der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von russischen Kriegsgefangenen in den Weinberg getrieben wurde.

Französische Kriegsgefangene hingegen kamen in Radebeul bereits während des ersten Weltkrieges beim Bau des Wasserturmes (im Volksmund Franzosenturm genannt) zum Einsatz. Während des zweiten Weltkrieges hatte man sie für Rodungsarbeiten und das Aufsetzen von Trockenmauern im Weinbau eingesetzt. Zahlreiche Dokumente, Zeitzeugenberichte und Fotografien befinden sich hierüber im Radebeuler Stadtarchiv.

Zur Belebung des interkulturellen Dialoges zwischen Frankreich und Deutschland leistet das vielfältig vernetzte Institut français einen wesentlichen Beitrag. Die Anregung zur Kooperation mit der in Dresden ansässigen Zweigstelle ging von der französischen Künstlerin Sophie Cau aus, die seit 1997 in Radebeul lebt und freischaffend tätig ist. Sie knüpfte auch den Kontakt zu dem französischen Dokumentarfilmer Julien Deschamps, welcher in den Spielfilm „Le Temps d`aimer“ einführen wird.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Vive la France! Es lebe Frankreich!

 

„Le Temps d’aimer“ (Zeit für Liebe)

2023, Spielfilm, Frankreich/Belgien, 125 Minuten, FSK 16
Regie: Katell Quillévéré
Drehbuch: Katell Quillévéré und Gilles Taurand
Musik: Amine Bouhafa
Darsteller: Anaïs Demoustier, Vincent Lacoste, Morgan Bailey, Hélios Karyo, Josse Capet

Filmbeschreibung:
„Le Temps d’aimer“ erzählt die Geschichte von Madeleine, einer französischen Frau, die während des Zweiten Weltkriegs eine kurze Romanze mit einem deutschen Offizier hatte, bevor er an der Front verschwand. Aus dieser flüchtigen Liebe ging ein Sohn hervor, den sie allein und ohne familiäre Unterstützung aufzog, wobei sie ihr Geheimnis und die schreckliche Schande für sich behielt, die sie bei der Befreiung Frankreichs erleiden musste, als sie Opfer öffentlicher Demütigungen wurde, wie viele andere Frauen, die von der Volksjustiz beschuldigt wurden, mit dem Feind „herumgemacht“ zu haben. Der Film beginnt mit schwierigen Archivaufnahmen dieser Ereignisse, die Frankreich nicht zur Ehre gereichen und deren Grausamkeit und symbolische Gewalt lange Zeit unterschätzt wurde. Die Zeiten ändern sich glücklicherweise.

Die Last dieser ungerechten Schande wird Madeleine viele Jahre lang tragen und bezahlen, insbesondere in ihrer sehr komplizierten Beziehung zu ihrem Sohn. Ihre Liebesbegegnung mit François bietet die Gelegenheit, andere Dimensionen der schmerzhaften Geheimnisse anzusprechen, die der Mensch aufgrund der Intoleranz der damaligen Gesellschaften zu verbergen gezwungen war. Das Schicksal dieser leidenschaftlichen Protagonisten wird sich mit der gesamten Vorstellungswelt des Nachkriegslebens in Frankreich vermischen, das von der amerikanischen Populärkultur geprägt ist. Diese optimistischen Sittenwechsel werden jedoch nicht ohne einen kritischen Blick des Films auf die angebliche Sorglosigkeit und Gutmütigkeit der amerikanischen Retter gelassen.

Während dieser zwei Stunden lässt uns „Le Temps d’aimer“, der von Anaïs Demoustier und Vincent Lacoste grandios verkörpert wird, intensive und kontrastreiche emotionale Abenteuer erleben. Er zerlegt auf subtile Weise die Intimität eines Paares und einer Familie und projiziert gleichzeitig, ohne zu täuschen, die Symbole und das Schicksal der Geschichte in diese. Die Regisseurin Katell Quillévéré hat sich von ihrer Familiengeschichte inspirieren lassen und daraus ein tragisches, schönes und bewegendes Romanwerk geschaffen, das zutiefst humanistisch ist.

Julien Deschamps
fairfilms.de

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Am 10. April 2025, um 19 Uhr, im Alten Bunker Oberlößnitz, Hoflößnitzstraße 82, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663

Glosse

Klartext

Wir haben gegenwärtig, so scheint es mir, seit längerer Zeit einen eigentlich unhaltbaren Zustand in der Gesellschaft. Jeder kann heutzutage zu allem seinen Senf abgeben, was ja zweifelsfrei von dem so hochgehaltenen Begriff der „Freiheit“ gedeckt scheint. Dieses „den-Senf-dazugeben“ ist an und für sich nicht das Problem und belebt wohl den Diskurs. Wenn aber dieses Stammtischgeplapper über alles und alle gleichgestellt wird mit einer fachlich fundierten Aussage über eine Fragestellung und zu einer verallgemeinerten Meinung hochstilisiert wird, dann weiß ich wirklich nicht mehr, was ich davon halten soll.

Wer kann heutzutage noch Fake und Fakten auseinanderhalten, wo selbst sogenannte „seriöse“ Medien den Durchblick längst verloren haben. Dabei sei an dieser Stelle nicht erörtert, ob sie in Ahnungslosigkeit gehandelt oder in böswilliger Täuschung das Geschäft der Politik und Wirtschaft betrieben haben.

Woran aber mag es liegen, dass selbst die Vertreter der obersten Spitze in Staat und Gesellschaft glauben, sich nicht mehr an Wahrheit und Klarheit halten zu müssen und dem Volk die Hucke volllügen, wo es doch einzig um ein Handeln im Interesse der gesamten Gesellschaft gehen sollte? Und jene „ehrenwerten“ Damen und Herren an der Spitze, die eigentlich die moralischen Maßstäbe verkörpern, unsere leuchtenden Vorbilder, denen es nachzueifern gilt und Richtschnur unseres Handeln sein sollten, die Geschäfte nicht mehr im Griff haben?

Könnte es sein, dass sie etwas ganz anders im Schilde führen, als das Wohl und Wehe der Gesellschaft? Und wenn ich mir den ganzen Laden genauer ansehe, dann kann man diesen Zustand nicht nur in der obersten Etage feststellen. Solche großen und kleinen Könige, Minister, Hofmarschalle bis hin zu Ortsvorstehern gibt es ja wie Sand am Meer. Sie alle wollen Macht und Recht haben und biegen sich gelegentlich auch gern mal die Realität zurecht und beanspruchen vor allem auch die Meinungshoheit.

Verständlich, dass kaum einer überhaupt noch weiß, was er sagen kann, soll oder gar muss, sind doch die Töne rauer geworden, auch wenn sie sich mitunter hinter „Kleinen Anfragen“ verstecken. Da wird dann auch gleich mal die ganz große Keule rausgeholt. Bisher dachte ich wenigstens, dass dem Kabarett noch eine gewisse Narrenfreiheit zugebilligt wird. Aber damit scheint es offensichtlich auch vorbei zu sein.

Manchmal aber braucht es klare Worte, auch wenn sie nicht jedem gefallen. Selbst die falscheste Behauptung wird nicht wahrer, nur weil sie ständig wiederholt wird, wie man an der Riester-Rente sehen konnte.

Gegenwärtig kann ich mir nicht vorstellen, dass die Bahnhofstraße trotz aufwendiger Instandsetzung eine einladendene Einkaufsmeile wird, die zum Verweilen anregt, wie hinlänglich kolportiert. Zuviel Leerstand, zu wenig attraktive Geschäfte! Auch vom vormals unverzichtbaren Frischemarkt an diesem Ort will heute keiner mehr etwas wissen.

Als die Kasperiade einst von West nach Ost beordert wurde, musste die Belebung des Einzelhandels als Grund dafür herhalten. Jetzt, wo das Fest um das Karl-May-Museum und die Lutherkirche herum stattfindet, kräht danach kein Hahn mehr. Da könnte ich dutzende andere Beispiele herbeten, wo Begründungen, Rechtfertigungen, Erklärungen sich regelrecht in Luft aufgelöst haben, von denen man nun nichts mehr wissen will, die man noch vor gewisser Zeit vehement verteidigt hatte. Wie oft musste eigentlich das Sozialamt umziehen? Warum ausgerechnet Stadtarchiv und Kunstsammlung sich in den Wasapark einmieten mussten, der einer spanischen Investment-Gesellschaft gehört und jetzt abgerissen werden soll, versteht kein Mensch? Wer dann einige Jahre zurückschaut, wird erstaunt feststellen, dass für diesen Abriss die Initiative vom Bauamt der Stadtverwaltung ausging (s. DNN-Online, 19.11.2018). Und dann noch der ganze Hick-Hack bei der Suche nach einer Zwischenlösung für beide Einrichtungen, weil man sich um eine vernünftige Reglung lange Zeit nicht gekümmert hatte.

Wir Deutschen sind schon ein eigenartiges Völkchen. Entweder obrigkeitshörig oder wir rennen einem anderen Leithammel hinterher. Und Träumer sind wir allemal. Da kann ich mich noch sehr gut an den Spruch der neunziger Jahre erinnern: „Das könn‘ se doch mit uns nich machen!“. Könn‘ se doch, wie man sieht, meint

Euer Motzi

„Mein grafisches Tagebuch“

Matthias Kratschmer stellt in der Radebeuler Lößnitzbar aus

Bild: Repro: M. Kratschmer


Am Abend des 4. März waren selbst im weiteren Umfeld der etwas abgelegenen Lößnitzbar kaum Parkplätze zu finden. Der erfreuliche Grund hierfür war die Ausstellungseröffnung des Radebeuler Designers und Grafikers Matthias Kratschmer. Zahlreiche wohlkomponierte Grafikblätter zieren die Wände des geschmackvoll eingerichteten Lokals. Der Andrang kunstinteressierter Mitbürger und Freunde war so groß, dass es schwer fiel, sich den filigranen Arbeiten mit der gebotenen Konzentration widmen zu können. Dies kann jedoch über die Ausstellungsdauer bis Ende April zur Freude der Lößnitzbaristen gern nachgeholt werden. Wiebke Gerlach fand zur Begrüßung warme wohlgesetzte Worte, nachdem sich Thomas Gerlach in seiner Laudatio in gewohnter Weise dem Künstler und Werk näherte und sein Schaffen umriss. Für die musikalische Umrahmung sorgte der Saxophonist Peter Neidel.

»Abflug«, 2025
Bild: Repro: M. Kratschmer


Matthias Kratschmer, der seine Ausbildung als Designer an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle absolvierte, zeigt Ausschnitte aus seinen umfangreichen grafischen Tagebüchern von 2021-2025. In der coronabedingten Zurückgezogenheit entsprang die Idee für seine grafischen Notizen, die heute weit über tausend Blätter versammeln. So unterschiedlich die Befindlichkeiten der Tage waren, so verschieden sind die Farben und Formen der einzelnen Blätter. Die kleinformatigen Arbeiten, die im Hochformat immer die gleiche Größe aufweisen, sind geprägt durch linienbetonte, monochrome, teilweise auch colorierter Stilmittel. Strenge technisch-konstruktive Formen wechseln mit floralen Mustern und bieten in der Gesamtschau eine überbordene Fülle an Variationen.
Die Arbeiten sind käuflich zu erwerben. Eine Liste über die Titel- und Preisübersicht liegt vor Ort aus.

»Windflüchter«, 2021
Bild: Repro: M. Kratschmer

Sascha Graedtke
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Die Ausstellung ist bis Ende April in den Öffnungszeiten (Mittwoch bis Samstag 17 bis 22 Uhr) der Lößnitzbar zu sehen.
Fabrikstraße 47 | 01445 Radebeul
Tel.: 0172-8443575
E-Mail  Loessnitzbar@web.de
Kontakt Matthias Kretschmar: www.h-design.de – Instagram: georg_matthias_ak

Danksagung Spenden 2024

Liebe Leserinnen und Leser unseres Radebeuler Monatsheftes
„Vorschau & Rückblick“,

obwohl wir im vergangenen Herbst auf einen Spendenaufruf verzichteten, haben Sie in Verbundenheit mit unserem Monatsheft uns trotzdem tatkräftig, (oder besser „geldkräftig“) unterstützt.

Vielen, vielen Dank an alle Spenderinnen und Spender.

So konnten wir mit Elan und einem sicheren Polster unser 35. Jahr des Bestehens angehen.

Wir machen also mit Schwung und Zuversicht weiter!

Herzlichst
Ilona Rau

 

Spenderliste

Anderson, Uta
Anton, Frank
Bergner, Christian und Gislinde
Berndt, Thomas
Bose, Christina und Jörg
Buchmann, Ingrid und Wilfried
Christoph, Matthias
Cramer, Stephan
Dabow, Gisela
Dubrow, Margitta und Manfred
Föckel, Birgit und Hans-Jürgen
Frank, Marianne und Hans-Albrecht
Franke, Monika und Herbert
Gräbel, Renate und Siegfried
Grunewald, Ute
Günther, Hans-Christian
Haase, Karl-Heinz
Haußig, Rolf und Bettina
Helbig, Rolf-Falk
Henkler, Renate und Gerhard
Hickmann, Regina
Hoffmann, Michael
Jacob, Detlef
Kunze, Bettina und Berthold
Kuß, Hannelore Helga
Ludwig, Sabine und Werner
Madaus, Gabriele und Hans-Otto
Märksch, Tobias
Mitzschke, Heike und Michael
Ostritz, Werner und Heidelinde
Paditz, Karsten und Claudia
Pohlack, Rosemarie
Rattke, Wilfried
Rau, Steffen
Richter, Axel
Schadeberg, Thilo
Schaffer, Birgit
Schmalfeld, Petra
Schulze, Friedemann und Gesine
Sterndrogerie
Thomas, Frank
Tittelmeier, Margitta und Wilfried
Trentzsch, Maria-Iris
Weisbach, Helga
Welcker, Sigrid
Winkler, Gisela
Wittig, Gudrun und Michael
Woldmann, Jutta und Helge
Wolf, Christa
Zimmermann, Frank und Julia
Zschaler, Ingrid

Gespendet wurden Kleinbeträge in unsere Spendenkasse beim Grafikmarkt, unserem Leseabend, im Buchladen Kretzschmar, in der Blumenwerkstatt Radebeul und mit Überweisungen bis 300.- Euro. Insgesamt wurden ca. 3000.- Euro gespendet.

1990 – 2025

35 Jahre

Vorschau & Rückblick

Kunst – Kultur – Architektur
Rezensionen – Ausstellungen
Denkmalpflege – Heimatgeschichte

Im Mai 2025 feiern wir 35 Jahre von „Vorschau & Rückblick“!
Feiern Sie mit uns!
Schreiben Sie uns!
Was bedeutet Ihnen unser Heft?
Welche Wünsche oder Anregungen haben Sie?

Editorial 4-25

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus!

1990 war nicht nur das Jahr der unerwartet schnellen deutschen Wiedervereinigung, sondern auch die Initialzündung eines wiedererwachten soziokulturellen Engagements. Man möchte fast frühlingshaft sagen: Überall regten sich Bildung und Streben …

In jenen Tagen entstanden im Umfeld einige monatlich(!) erscheinende Kulturzeitschriften, die bis heute tief im gesellschaftlichen Leben verankert sind.

So erfolgte in Dresden im April die erste Ausgabe der „SAX“, des legendären Stadtmagazins, das mit seinen fundierten Beiträgen und Informationen aus der Kulturszene der Landeshauptstadt kaum wegzudenken ist.

1992 gesellte sich auf der östlichen Seite der Stadt der renommierte „Elbhang-Kurier“ dazu, welcher nach eigener Aussage mit einer „bezaubernden Mischung aus hoher Kultur und banaler Nachricht“ als Spiegel verschiedenster Ortsteile der dortigen Elbhänge fungiert.

Hier in Radebeul, am Fuße der westlich gelegenen Weinberge, versammelte sich im Mai 1990 eine kleine Gruppe kulturinteressierter Bürgerinnen und Bürger, die – getragen von der neugewonnenen Freiheit – die Wiederbelebung bzw. Neugründung einer alten Radebeuler Kulturzeitschrift („Die Vorschau“, 1954–1963) vorantrieben: fortan nun „Vorschau & Rückblick“.

Allein unser Heft ist nach wie vor kostenlos, aber keinesfalls umsonst!

Am 5. Mai werden wir in den vertrauten Räumen der Familieninitiative Radebeul e.V., die bereits im März ihr 35. Jubiläum beging, unseren ebenbürtigen Geburtstag feiern!

Bitte beachten Sie hierzu gern die Einladung in diesem Heft!

Sascha Graedtke

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr



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