Über Taubenhäuser in Radebeul

Vielleicht ist die Formulierung der Überschrift schon fraglich, gibt es denn so viele Taubenhäuser in unserer Stadt, dass der Plural berechtigt wäre? Dann käme die nächste Frage: sind die Taubenhäuser, auch Taubenschläge genannt, überhaupt noch belegt? Schaun wir mal.
Wenn man Tauben sucht, sollte man in den Dörfern zu suchen beginnen, dachte ich mir. Auch Tauben waren ja mal landwirtschaftliche Nutztiere. Man nutzte das zarte Fleisch und auch die Eier – ein Sprichwort sagt, die Taube ist die Gans des kleinen Mannes. In Altnaundorf hatte ich früher mal einen Taubenschlag gesehen, inzwischen eine etwas verschwommene Erinnerung. Ich fragte mich örtlich durch –

Zeichnung Taubenschlag, bereitgegestellt von Frau Albrecht

Taubenschlag im Freilandmuseum Foto: D. Lohse

Einfluglöcher für Tauben im Giebel, Foto: D. Lohse

ja, in Altnaundorf 5, einem größeren Vierseithof, soll ein Taubenschlag mitten im Hof stehen. Frau Albrecht sagte mir aber dazu, der Taubenschlag war baufällig und ist etwa 1980 eingefallen. Tauben waren bis zum Schluss drin gewesen. Offenbar bestand kein Interesse, den auf einer Stelze aus Quadersteinen stehenden, hölzernen Taubenschlag wieder aufzubauen, schade. Schließlich fand Frau Albrecht noch eine ältere Abbildung dieses Taubenschlags, Dank dafür.
Dann kam mir der Zufall bei einer Reise nach Franken zu Hilfe – ich sah im Freilandmuseum Bad Windsheim einen ähnlichen, aufgestelzten Taubenschlag aus Holz und Lehm, den ich fotografieren konnte. Übrigens ein sehenswertes Museum mit Häusern aus Mittelfranken, die über die Jahre dahin umgesetzt worden waren. Denkmalpflegerisch aber nur eine zweitbeste Lösung, denn das Bestreben sollte sein, Denkmalobjekte am Originalstandort zu erhalten. Es gibt aber immer wieder auch Gründe, sie zu translozieren.
Es gab, bzw. gibt, aber auch den Fall, dass in Dörfern oder Städten Menschen und Tauben unter einem Dach wohnen, die Menschen im Erd- und Obergeschoss, die Tauben im Dachraum. Daran erinnern an manchen Häusern noch Einfluglöcher (nicht zu verwechseln mit Lüftungsöffnungen) oben im Giebel, hier ein Beispiel aus Dinkelsbühl.
Überrascht war ich, als ich in einem Radebeuler Villenviertel, in Niederlößnitz, ein turmartiges Taubenhaus fand. Leider ist es nicht mehr von Tauben bewohnt und über die Jahre etwas eingebaut, so dass es erst auf den zweiten Blick auffällt. Die Bewohner der Hohen Straße 33, Familie Rose, erinnern sich, dass es zu ihrer Hochzeit in den 60er Jahren noch Tauben gegeben hatte. Hier wurden die Tauben als Eier- und Fleischlieferant bis etwa 1975 gehalten. Taubenkot war hier weniger ein Thema als heute auf dem Markusplatz in Venedig. Der im Stall anfallende Taubenkot konnte als Dünger im Garten verwendet werden. Der ursprünglich freistehende Taubenturm bekam zuerst durch einen Hühnerstall Nachbarschaft, dann wurde noch eine Garage drangebaut – ihn abzureißen war aber nie geplant. Ihn wieder freizustellen wäre zwar wünschenswert, ist aber z.Z. kein Thema. Immerhin ist er an den drei Einfluglöchern auf der Ostseite noch als ein ehemaliger Taubenschlag zu erkennen. Auf dem historischen Foto glaube ich zu erkennen, dass früher auch auf der Südseite noch zwei Einfluglöcher da waren. Die West- und Nordseite hatten keine Einfluglöcher. Der Turm ist 1898 massiv mit Ziegelmauerwerk und Glattputz mit Eckquaderung, über quadratischem Grundriss mit einem Satteldach, im Giebel Zierfachwerk, früher mit Schiefer gedeckt gewesen (heute Biberschwanzziegel), errichtet worden. Ein einsamer Isolator am Giebel erinnert daran, dass der Taubenturm schon frühzeitig über eine Freileitung mit elektrischem Strom versorgt worden war. Die Mietvilla Hohe Straße 33 wurde 1897/98 von Herrn Claus durch die Kötzschenbrodaer Baufirma Große errichtet.

Mietvilla Hohe Str. 33 Foto: D. Lohse

Der erste Eigentümer war Heinrich Tenzer, Rittergutsbesitzer, der hier seinen Altersruhesitz bezog. Nach 1925 folgten dann mehrere Generationen der Familie Rose als Eigentümer. Die Mietvilla ist ein Kulturdenkmal und weist an der hölzernen Veranda die Besonderheit von mehreren schönen Ätzglasscheiben aus der Entstehungszeit auf.

historisches Foto mit Personen und Taubenturm Foto: Fam. Rose

Taubenturm von der Straße aus, Foto: D. Lohse

Taubenturm heute vom Haus aus gesehen, Foto: D. Lohse

Ich bedanke mich bei Familie Rose für die freundlichen Erläuterungen und dafür, dass ich nähertreten und fotografieren, sowie ein altes Foto aus dem Familienalbum ausleihen durfte.
Wenn sich in Radebeul kein hier ungenannter Taubenschlag mehr finden lassen sollte, ist davon auszugehen, dass es sich beim Taubenturm in der Hohen Straße um den letzten seiner Art handelt!
Ein anderes Thema ist die Taubenzucht heutzutage. Hierfür legt man sich meist auf eine bestimmte Rasse fest, vermehrt sie und verkauft die Nachzucht an Interessenten. Dafür bauen die Züchter aber eher einen Taubenstall mit Voliere (ebenerdig, ähnlich einem Hühnerstall) als einen Taubenschlag. Solche Anlagen werden auch von den Haltern von Sporttauben genutzt. Die Haltung von Sporttauben, auch Brieftauben genannt, ist so speziell, dass ich hier nicht näher darauf eingehen kann. Ob jemand in Radebeul dieses Hobby betreibt, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. Das Thema Taubenschläge und -türme scheint inzwischen abgeschlossen zu sein – heute baut man dafür eben etwas anderes.
Wenn man über Tauben spricht, kommt man schnell auf die berühmte künstlerische Darstellung einer Taube. Der gebürtige Spanier Pablo Picasso entwarf sie 1949 als Symbol für den Weltfriedenskongress in Paris. Es war eine erste Völkerverständigung nach dem 2. Weltkrieg gewesen. Und heute möchte man die Friedenstaube wieder rufen, wenn man dieser Tage an die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt denkt!

Dietrich Lohse

 

Als die Läden noch Namen von Leuten trugen

Angeregt durch den Artikel über Radebeul-Ost und -West möchte ich auch mal erinnern wie schön Lindenau versorgt war!
Wir hatten einen Konsum und eine HO-Gaststätte: Die Erholung, jetzt Landhotel Lindenau- derzeit geschlossen, die Sängerhöhe, das Paradies, die Gaststätte im Bilzbad, die Brunnenschänke, der Gasthof Lindenau der Familie May, die Friedensburg und Mieths Weinstuben.
Läden und Betriebe:
Bäcker: Kretzschmar und Schönholz
Fleischer: Heinze auf der Jägerhofstr., Franke und Pfennig auf der Moritzburger Straße
Milchladen Damme auf der Neuländer Straße
Friseure: Baumert, Fährmann, Jander
Tischler: Hrzwynatzki
Schlossereien: Weichelt, Moritzburger Str.; Brückner, Kadenstr.; Grille, Auf der Juchhöhe
Schneider: Hönisch, Opitz
Lebensmittelläden: Pfennig und Füssel, Moritzburger Str.; Schatte; Andreas-Hofer-Straße
Kohlehandel: Liebetrau (ehemals May) und Röhr, Neuländer Str.
Fuhrunternehmen mit Pferdewagen: Herrmann (sie hatten auch eine Wäschemangel); Dähle, Laube, Hasse (jetzt noch Fuhrunternehmen)
Wäschemangel: Mucke, Neuländer Str.; Hammerschmidt, Jägerhofstr.
Schuhmacher: Richter mit Schuhladen, Jägerhofstr.; Schmidt (Reparaturen) Moritzburger Str.
Dachdecker: Petzold, Spittelholz
Elektriker: Wilschek, Moritzburger Str.
Haushaltwaren: Nägel, Schrauben usw.: Scherf Altlindenau
Gärtnereien: Umlauft, später Tiede in der Bodenreform; Basisch, Ginsterweg; Montau, Buchholzweg; Forke, Moritzburger Str.; Stanke, Ringstr.; Paul, Friedewaldweg; Kerbus, Friedewaldweg;
Wir hatten auch einen Essenkehrer und Obst- und Gemüseankauf und eine Post auf der Moritzburger Str. und einen Zahnarzt Hinze auf der Ringstraße.
Zur Ergänzung: Die Schule bis zur 8. Klasse war auf der Neuländer Straße, auf der Moritzburger Straße war das 1. und 2.Schuljahr.

R. Schmidt

 

 

 

 

 

Rapünzchen, Rapunzel oder Feldsalat

Foto P. A. Schmidt

Die Gattung Rapünzchen, auch Rapunzel, Feld- oder Ackersalat und wissenschaftlich Valerianella genannt, umfasst fast 30 Arten, die von West- über Mitteleuropa und das Mittelmeergebiet bis Nordafrika und Westasien verbreitet sind. In Deutschland kommen 6, in Sachsen 4 Arten vor, wobei ihr Verbreitungsgebiet teilweise durch Aktivitäten des Menschen seit der jüngeren Steinzeit ausgedehnt wurde. Die Arten sind in Wuchs, Blatt und Blüte ähnlich, die Zuordnung zu einer der Arten ist nur möglich, wenn reife Früchte vorliegen. Valerianella ist eine Verkleinerungsform von Valeriana und weist auf die Verwandtschaft zu dieser Gattung, den Baldrianen, hin. Getrocknete Pflanzen verströmen ähnlich wie Baldrian durch Gehalt an Isovaleriansäure einen etwas unangenehmen Geruch. Rapünzchen und Baldrian wurden früher auch einer Familie, den Baldriangewächsen (Valerianaceae), zugeordnet. Diese wird aber auf der Basis neuerer Erkenntnisse molekulargenetischer Forschung in die heute weiter gefasste Familie Geißblattgewächse (Caprifoliaceae) eingeschlossen.
Im vorliegenden Beitrag geht es nicht um die gesamte Gattung Valerianella, sondern deren in unserem Gebiet häufigste Art, das Gewöhnliche Rapünzchen (V. locusta), vielen bekannt und auch kultiviert als Feldsalat. Wenn man es nicht weiß, wird man diese im April bis Mai an lückigen Wegrändern, an Ackerrändern, in Trockenrasen oder Weinbergen blühenden und danach absterbenden Pflanzen kaum als zu einer Art gehörig mit den auf Feldern oder in Gärten kultivierten, im Handel als Wintersalat angebotenen Pflanzen betrachten. Dem wollen wir nachgehen.
Das von Europa bis Kleinasien heimische Gewöhnliche Rapünzchen ist eine einjährige, meist einjährig-überwinternde, 5–20 cm hohe Pflanze mit einer grundständigen Blattrosette und gabelig verzweigtem Stängel, dem längliche bis lanzettliche Blätter ansitzen. Die nur bis 2 mm langen Blüten sind in kleinen Trugdolden angeordnet. Die Kronblätter sind bis auf den 5-zipfeligen Saum verwachsen, blasslila oder hellblau bis weißlich. Die Bestäubung kann durch Insekten (Käfer, Zweiflügler, Bienen, Schmetterlinge) erfolgen, es überwiegt jedoch Selbstbestäubung. Die Früchte sind kleine rundliche, kurz zugespitzte Nüsse, 2-4 mm lang. Sie reifen im Juni und Juli, ihre Ausbreitung erfolgt durch die Medien Wasser (Regenschwemmlinge) und Luft (Ballonflieger), aber auch durch den Menschen, wenn die Pflanzen als Kulturbegleiter, -relikt oder -flüchtling auftreten.

Zeichnung einer blühenden Pflanze des gewöhnlichen Rapünzchens oder Feldsalat, Zeichnung: E.H.L. Krause,

Die Blattrosetten der wildwachsenden Pflanzen wurden und werden teils noch heute als Salat gesammelt. Wahrscheinlich seit dem 16. Jahrhundert wurden in Mitteleuropa Pflanzen in Kultur genommen, um sie als Wintersalat zu nutzen. Ein gezielter Anbau erfolgte erst im 20. Jahrhundert, besonders in Europa, teils auch in den USA oder sogar höheren Lagen (sub)tropischer Breiten. Die Pflanzen haben keine spezifischen Ansprüche an Klima und Boden, jedoch sind milde Winter günstig, da jederzeit eine Ernte möglich ist. Nach Aussaat im August und September können die Blätter der jungen Blattrosetten von November bis April geerntet werden. Die im erwerbsmäßigen Gemüsebau und in Privatgärten kultivierten Pflanzen stellen meist großblättrige Auslesen dar, vor allem deutsche, französische und holländische Züchtungen, die für das Freiland oder für den Anbau unter Glas oder Folie verwendet werden. Diese Kulturformen können zusammenfassend als Varietät var. oleracea bezeichnet werden. Man kann am Beispiel des Gewöhnlichen Rapünzchens also gut verfolgen, wie aus Wildpflanzen Kulturpflanzen entstanden.
Wegen der kurzen Entwicklungszeit und hohen Frostbeständigkeit wird der Rapünzchen-Salat als wertvolle wohlschmeckende Rohkost vom Spätherbst bis zum zeitigen Frühjahr geschätzt. Dieser Wintersalat ist für die Ernährung wertvoll, da er mineralstoffreich (Eisen) und vitaminreich (Provitamin A, Vitamin B und C) ist und ätherische Öle enthält. Wenn sich die Pflanzen dann im April zum Blühen anschicken, werden sie für den Speisezettel wertlos.
Was hat nun der Feldsalat mit Rapunzel zu tun? Wenn es auch Vorgänger des Märchens gab, so ist Rapunzel vor allem durch die Märchensammlung der Brüder Grimm bekannt geworden. Man kann die Mutter der schönen Rapunzel mit den langen Zöpfen schon verstehen, wenn sie Gelüste auf Rapünzchen hegte, war doch vermutlich diese Pflanze in der Winterzeit das einzige frische, essbare Grün weit und breit. Seien es nun schwangerschaftsbedingter Heißhunger oder der Appetit der werdenden Mutter gewesen, der Mann stahl für seine Frau Salatblätter aus dem Garten einer Zauberin. Dabei wurde er ertappt und musste der Zauberin sein Kind versprechen. Diese gab dem Mädchen den Namen Rapunzel und sperrte es später in einen Turm ohne jegliche Tür. Man konnte zu ihr nur gelangen, wenn sie die langen Zöpfe herunterließ. Die weitere Geschichte ist aus Grimms Märchen oder einem der Filme, die das Märchen aufgriffen, sicher allen bestens bekannt.
Es bleibt allerdings offen, ob mit den Salatblättern wirklich Blätter des Rapünzchens oder Feldsalats (Valerianella locusta) gemeint waren, denn die Rosettenblätter der Rapunzel-Glockenblume (Campanula rapunculus), auch Echte Rapunzel genannt, dienten auch als Wintersalat und wurden ebenso sowohl von wildwachsenden als auch im Garten kultivierten Pflanzen geerntet. Bei der Rapunzel-Glockenblume fanden nicht nur die Blätter Verwendung, sondern ebenso die fleischig verdickten Wurzeln, die ein schmackhaftes Wurzelgemüse ergeben. Auf die Wurzel dieser Glockenblume geht eigentlich der Pflanzenname Rapunzel zurück, denn das lateinische Artbeiwort „rapunculus“ bedeutet „kleine Wurzel“. Da sowohl die Rosettenblätter der Glockenblume als auch die des oben beschriebenen Feldsalats im Winter als Salat geerntet wurden, lässt sich wohl erklären, dass der Name Rapünzchen oder Rapunzel auch für den Feldsalat Anwendung fand und bis heute findet.
Peter A. Schmidt


Prof. Dr. Schmidt, Ehrenpräsident der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft e.V.

Abbildung
Abb. 1 Blühende Pflanze des Gewöhnlichen Rapünzchens oder Feldsalats (Quelle: E.H.L. Krause, 1904: Sturms Flora von Deutschland Bd. 12. Stuttgart)

Schautafeln zum Wegschauen

Der Versuch einer Impulsgabe
Im Frühjahr bin ich mal wieder den Dreizehn-Brücken-Weg gelaufen. Am westlichen Ende beim Ginsterweg rein und dann talabwärts. Nach der einen oder anderen Biegung und Windung musste ich mich dann entscheiden, ob ich den kurzen Anstieg zurück zum Ginsterweg nehme und die Runde beende oder

Foto: B. Kazmirowski

Foto: B. Kazmirowski

noch weiter im Lößnitzgrund Richtung Meierei laufe und einen größeren Bogen schlage. Ich entschied mich für die zweite Variante, denn der Tag war schön. Sicherlich hatte ich die Hinweistafeln entlang der Wege im aufblühenden Grund schon zu früherer Gelegenheit bemerkt, aber erst beim letzten Gang fiel mir auf, in welchem Zustand diese sich aktuell befinden. Die klapprigen Dächlein erbärmlich brüchig, die einst glänzenden Schautafeln beschmiert und matt, die Gestelle gerade noch so Halt gebend – kurz, die Schönheit der frühlingshaften Natur fand darin keinen Widerhall. Um es deutlich zu sagen: der Anblick war eines beliebten Wanderweges unserer Stadt nicht würdig. Ein Blick auf das Kleingedruckte dieser Tafeln zeigt, dass diese einst durch das Gymnasium Luisenstift konzipiert und durch eine Wenzel-Werbung GbR Radebeul umgesetzt wurden. Wenzel-Werbung Radebeul? Nicht, dass das Google sofort wüsste. Ich suche weiter und finde, dass es den Kuhbandner-Wenzel GbRVerlag Notschriften gibt. Kuhbandner und Notschriftenverlag? Na, klar, kenne ich, ergiebt Sinn. Luisenstift? Gibt’s ja auch noch. Wie es aussieht, waren beide Seiten dereinst glücklich gewesen, das Projekt umgesetzt und abgeschlossen zu haben, und sicherlich sahen die Tafeln auch lange Jahre manierlich aus. Aber jetzt? Also lautet ein Beschluss, dass man da was machen muss. Oder? Liebes Luisenstift, besonders liebe Fachschaften Geografie und Biologie: Wenn Sie an die Schuljahresplanung für 2024/25 gehen, dann überlegen Sie doch, ob nicht eine Erneuerung der Tafeln eine lohnenswerte Aufgabe wäre, die im Rahmen einer Komplexen Leistung für große Schüler oder einer Projektwoche durch eine Schülergruppe inhaltlich verantwortet werden könnte.

Foto: B. Kazmirowski

Lieber Jens Kuhbandner, vielleicht würden Sie ja Möglichkeiten haben, der Schule bei der öffentlichkeitswirksamen Zweitauflage der Schautafeln wiederum zur Seite zu stehen, sofern von dort die inhaltliche Zuarbeit kommen würde? Ich bin Realist genug um zu wissen, dass die Chancen auf Umsetzung geringer sind als man hoffen könnte, aber Optimist genug um zu glauben, dass mein Impuls nicht gänzlich ungehört verhallt.
Spätestens in zwei Jahren, habe ich mir vorgenommen, werde ich den Spaziergang wiederholen.
Bertram Kazmirowski

Schreibwerkstatt

So sind Sie schneller entspannt – als Sie Alltagsstress sagen können

Zu viel Stress im Alltag – das ist ein Problem, das viele nur zu gut kennen. In zahlreichen Büchern, dem Internet und in anderen aufreißerischen Zeitschriften, findet man immer wieder Tipps, die angeblich den Stress aus dem Alltag nehmen. Das Ergebnis fällt dabei leider häufig eher mäßig aus.
Gerade bei eben genannten anderen Zeitschriften findet man nun doch recht häufig völligen Schwachsinn.
Deswegen jetzt hier 7 Tipps, wie Sie wirklich Stress loswerden.

1. Eine Frage der Zeit
Alles, was Sie tun, braucht seine Zeit, um seine wahre Wirkung zu entfalten. So ist es nun mal im Leben.
Wenn Sie also zu dem Vorstellungsgespräch für Ihren Traumjob zu spät sind, weil Sie Ihre Autoschlüssel nicht finden, machen Sie sich keinen Stress, der kommt schon wieder.

2. Ablenkung
Wenn Sie Stress haben, suchen Sie sich einfach eine Ablenkung.
Wenn es Sie stresst, dass Sie bis morgen etwas Wichtiges für die Arbeit abgeben müssen, was Sie noch nicht fertig haben, dann machen Sie doch einfach was anderes.
Um bei dem oben genannten Beispiel zu bleiben:
Wenn Sie nun Ihren Autoschlüssel nicht finden, hören Sie auf mit Suchen und lenken Sie sich ab. Telefonieren Sie beispielsweise mit Ihrem Autohändler und fragen Sie, ob Sie ein Duplikat Ihrer Schlüssel erhalten könnten.

3. Den Stressauslöser beheben
Warum auch immer Sie sich Stress machen – es gibt immer eine Lösung.
Auf unser Beispiel angewandt, könnte das so aussehen:
Sie haben Ihren Autohändler angerufen, der Ihnen versichert hat, dass Sie in 3 Wochen neue Autoschlüssel im Briefkasten liegen haben werden.
Somit ist das Problem gelöst.
Die Leute, mit denen Sie das Bewerbungsgespräch führen wollten, stört das sicherlich nicht, dass Sie dann 3 Wochen zu spät sind. Sie bewerben sich ja schließlich bei der Deutschen Bahn.

4. Räumen Sie nicht auf
Ein Problem, das wohl jeder kennt – alles ist schön aufgeräumt und genau an seinem Platz. Aber wo ist dieser Platz?
Um dieses Problem zu vermeiden, können Sie einen ganz einfachen Trick anwenden. Anstatt aufzuräumen, lassen Sie einfach alles liegen. Durch den „Hermann-Wuchert-Effekt“, der vom gleichnamigen Wissenschaftler entdeckt wurde, merkt sich das Gehirn genau die Dinge eher, die direkt nach der Nutzung weggelegt wurden. Wenn Sie also die ganze Wohnung aufräumen, ohne die aufzuräumenden Gegenstände vorher zu benutzen, haben Sie keine Chance, sie jemals wiederzufinden.

5. Schlafen Sie weniger
Durch den Schlafmangel haben das Gehirn und der Körper keine Energie, die Sie für Stress entbehren könnten.

6. Vermeiden Sie Ruhe
Entgegen vieler Behauptungen ist es tatsächlich das Beste, sich mitten in das Chaos zu werfen.
„So gewöhnt sich das Gehirn an die Unruhe, erkennt die Stresssituation dann als etwas Vertrautes an und reagiert nicht weiter darauf. […] Wenn das Gehirn nie Stress ausgesetzt ist, reagiert es nur noch stärker, wenn es mal zu einer Stresssituation kommt.“ – so Michael Buckmann, Diplom-Gehirnforscher.

7. Mehr ist weniger und weniger ist mehr
Ein Weg, um eben genannten Punkt auszuführen, ist die Zusatzstress-Methode von Brigitte Schumann.
Dafür suchen Sie sich Zusatzaufgaben, die Sie tagtäglich machen, um dauerhaft im scheinbaren Stress zu sein. Wenn Sie dann in eine Situation kommen, in der Sie eigentlich Stress empfinden würden, lassen Sie einfach einige der Zusatzaufgaben weg. Somit ist die eigentliche Stresssituation entspannter als alle anderen täglichen Situationen.

All diese Tipps erfordern Zeit. Machen Sie sich also keinen Stress, wenn es nicht auf Anhieb klappt. Falls Sie sich doch Stress machen sollten, lesen Sie einfach den Artikel erneut oder abonnieren Sie unsere Premium-Version für nur 49,99€ im Monat, in der Sie noch viele weitere Tipps finden.
Alle genannten Methoden sind wissenschaftlich geprüft durch Doktor Professor Ferdinand Rahmann.
[herausgegeben von: Manfred Hermann; im „Foto“; am 1. April 2021]

Johanna Lüdicke – Klasse 10 – Lößnitzgymnasium Radebeul

Nachruf auf René Wagner


René Wagner zur Radebeuler Kulturbörse am 18. Januar 2003 in der Stadtgalerie Foto: Thomas Adler

Wie wir erfuhren, ist der langjährige Direktor des Karl-May-Museums,
René Wagner, am 14. Juni verstorben.
Er war 1990 eines der Gründungsmitglieder
der wiederbelebten »Vorschau«, fortan »Vorschau & Rückblick« und
deren erster Geschäftsführer.
Wir erinnern uns dankbar an den mit Cowboyhut und
Bolo Tie (Western-Krawatte) ausgestatteten Museumschef,
der voller Enthusiasmus, Ideen und Tatkraft mithalf, dass
das kulturelle Monatsheft die schwierigen Anfangsjahre erfolgreich meisterte.
So bleibt er uns im Gedächtnis.

Im Namen des Vereins
Radebeuler Monatsheft e.V. »Vorschau & Rückblick«
Ilona Rau
Vereinsvorsitzende

Sehnsucht nach dem Paradies

Arbeiten von Irene Wieland in der Hoflößnitz

IW. Scherenschnitt o.T, 2024, A. Dreessen

Die Radebeuler Künstlerin Irene Wieland (*1968) untersucht im Dialog mit den Vogelgemälden Albert Eckhouts (1610–1665) an der Festsaaldecke der Hoflößnitz Mythen und Projektionen unserer Paradiesvorstellungen. In lichtechten, farbintensiven Acryltuschen auf leichten Pappelhölzern oder Büttenpapieren entwickelt sie ihre spontanen, reduzierten und doch freien lyrischen Formulierungen. Die Zeichnung ist stets Ausgangspunkt für ihr Schaffen: ob als autonomes Werk in großformatigen Kompositionen mit Pigmenten angeriebener Tuschesteine auf Japanpapier oder als vorbereitende Studie für Adaptionen im Genre keramischer Plastik oder Skulptur aus Aluminium und Corten-Stahl. In ihrer stilisierenden Bildsprache wandeln sich naturalistisch skizzierte Tierdarstellungen kaum merklich zu eigenen grafischen Inventionen und phantastischen Mischwesen, eine Parallele zu den subtilen Chimären der Deckengemälde Albert Eckhouts. Doch Wieland steigert die Entfremdung und entfernt sich zusehends von ihrem gegenständlichen Vorbild. Es entstehen abstrahierte Vogelleiber mit Janusgesicht, auf einer Seite das Profil eines Vogels, auf der anderen maskengleich das menschliche Pendant andeutend.
Für den historischen Festsaal der Hoflößnitz schuf Irene Wieland anlässlich des 100-jährigen Museumsjubiläums eine eigens für diesen Raum konzipierte Wandinstallation. Erstmals wird das tradierte ikonologische Bildprogramm des Saals für einen Dialog mit der zeitgenössischen Kunst geöffnet. Die seit dem 19. Jahrhundert leeren Felder oberhalb des Kranzgesimses, die in der ursprünglichen Ausstattung Fürstenbildnissen vorbehalten waren, werden nun von formatfüllenden Arbeiten der Künstlerin bedeckt, in denen sie charakteristische Phänotypen einzelner Vogelarten der Eckhoutschen Gemälde in autonomen Anverwandlungen aufgreift.

IW, Prachhaubenadler, A. Dreessen

Dem Prinzip des grafisch-ornamentalen Scherenschnitts folgend, schneidet Wieland mit einem Cutter ihre Kompositionen aus schwarzem und rotem Filzgrund. Unseren Bildeindruck prägen die alternierenden, inversiven Leerstellen der Figuration und ihre markanten Konturen und fragilen Stege, die die Künstlerin in freihändiger, fast zeichnerischer Virtuosität als Positiv während des Schneidevorgangs herausstellt und somit als eine Art bildgebendes Raster inszeniert. Aufgelegt auf einem hellen Fond erhalten die dunklen Textilschnitte eine räumlich und optisch kontrastierende Füllung.
Angeregt durch Eckhouts brasilianische Vogelwelt entwickelt die Künstlerin ein imaginäres Paradies, in dem Menschen, Tiere und Geister in idealer Weise koexistieren. Wir sehen an japanische Drachenschutzgötter gemahnende, maskengleiche Gesichter, deren wehrhafte Züge mit goldfarbenen Pigmenten gehöht und Stickereien konturiert werden – gewissermaßen die Wächter des Idylls. Folgen wir dem räumlich friesartig angelegten Arrangement, wechseln stilisierte schemenhafte Wolken und dichte Landschaften einander ab, in denen Vögel und menschliche Gesichter in Zwiesprache verwoben sind. In phantastischen Pflanzengebilden blickt uns das »Antlitz der Natur« aus anthropomorph gestalteten Augenpaaren entgegen. Chimären aus Fauna, Flora und Mensch gehen symbiotische Verbindungen ein.
In der Schilderung der Genesis erscheint das irdische Paradies, die Urwohnung der Menschen, als ein blühender Garten mit einer Vielfalt an Bäumen, Früchten und friedlicher Tierwelt. Allein die Unzulänglichkeit des Menschen führt zum Verlust des Idylls. Doch ist die Vorstellung eines idealen Ortes, zu dem wir zurückkehren könnten, nicht vielmehr eine Metapher, die eine Perspektive für eine Orientierung im Leben gibt? Sie kann bewirken, dass wir uns gegen Leid und Elend in der Welt zur Wehr setzen. Zugleich ist sie eine Parabel für die menschliche Sehnsucht nach Sinn und Erkenntnis und die damit einhergehenden Prozesse von Entfremdung und Abspaltung.

Arbeiten von Irene Wieland im Festsaal der Hoflößnitz, Foto: F. Andert

Die nicht allein im biblischen Mythos geschilderte Störung des Paradieses findet auch in Wielands Bildwelt ihren Widerhall. In ihren Décollagen fotografischer Abbildungen der Deckengemälde Albert Eckhouts verändert die Künstlerin die ursprünglichen Kompositionen des niederländischen Malers durch gezielte Entfernung und Abtragung bestimmter Partien von der Oberfläche der fotografischen Prints. Mittels Cutter schält und schabt sie das für sie relevante dystopisch und bewusst fragmentarisch zurückbleibende eigene Bild aus der von Eckhout angelegten Komposition heraus. Die freigelegten weißen Leerstellen werden mitunter farbig getuscht oder bleiben als weiße, blinde Flecken und Ritzungen zurück. Wunden, Verletzungen und Verlust werden so zu Zeichen der Mündigkeit und des Aufbruchs zu einem neuen, anderen Sehnsuchtsort.
Katharina Arlt


Die Ausstellung »Paradies« mit Arbeiten von Irene Wieland und Vogelpräparaten aus den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden ist noch bis 28. Juli im Weinbaumuseum Hoflößnitz, Radebeul, Knohllweg 37, zu sehen (Di–So, 10–18 Uhr). Der vorstehende Text ist die gekürzte Fassung eines Beitrags im Ausstellungskatalog.

Ein Od geht verloren

Das ist nun wirklich nicht mehr lustig!
Auch wenn davon ausgegangen werden kann, daß es Zeitgenossen gibt, die ihren Spaß haben am Verlust (in dem Wort steckt ein gerüttelt Maß an Masochismus: Ver-Lust), ist es doch schmerzlich zu sehen, wie ein Alleinstellungsmerkmal der Stadt einfach so verschwindet: Wir hatten mal ein Lügenmuseum, kurz Lüseum, eine Bildungsstätte ganz eigener Prägung, von kundiger Hand aus alten Brettern zusammengeschraubt.
Gerade das Fragile, scheinbar Unfertige, hielt uns so viele Spiegel vor, wie sie in keine Badestube passen. In einer Zeit, in der nicht erst seit und nicht nur durch einen blonden Amerikaner „alternative Wahrheiten“ zum guten Ton gehören, wäre ein Ort, an dem frei und herzlich drüber gelacht werden kann, jede Urlaubsreise wert. Es könnten Scharenweise Touristen in die Stadt kommen …
Es hat an dieser Stelle keinen Zweck, in mögliche und unmögliche Schuldzuweisungen zu verfallen (der hat … die hat nicht…), auch wenn es manchmal erleichtert, einen Schuldigen in die Wüste schicken zu können. Da wäre er dann dort, wo das Lügenmuseum auch ist. Das wäre erst lustig…
Ich bedaure zutiefst, daß auch meine nun angepaßte Rente nicht ausreicht, an diesem Fiasko etwas zu ändern.
So geht es also verloren, das Kleinod – Kleinod? Nein! Es erschwindet ein großes Od und eine große Öde wird bleiben …
Thomas Gerlach

Alles vergeigt!

Sind die Tage des Lügenmuseums gezählt?

Zurück auf Anfang. Der Serkowitzer Gasthof vor 2012. Foto: Karl Uwe Baum

Wird erneut ein Museum die Stadt verlassen? Radebeul bietet offensichtlich keinen guten Nährboden für museale Einrichtungen. Auch die nahe Kunst- und Kulturmetropole Dresden bleibt hier ohne nachhaltige Wirkung. Dieser wahrlich nicht gerade Image fördernde Umstand scheint sich nun in der letzten Amtsperiode des Oberbürgermeisters Bert Wendsche gerade zu einem negativen Markenzeichen der Großen Kreisstadt Radebeul entwickelt zu haben.
Ein Heimatmuseum sucht man hier vergeblich. Fast jede halbwegs große Stadt in Sachsen besitzt eine derartige Einrichtung. In Radebeul erfährt man über die Entwicklung des Ortes fast nichts. Schlimmer aber noch ist, dass die Bewohner kein Museum haben, wo sie ihre historischen Dokumente, Zeugnissen und Erzählungen über die Stadt hingeben können. Die Erben von Ernst Edler von Schuch hätten sicher gern entsprechendes Material dem Heimatmuseum überlassen…
Dabei sind erst 24 Jahre vergangen, seit die Stadtbevölkerung nach der Neujahrsrede des Oberbürgermeisters Bert Wendsche Hoffnung schöpfte, dass seinen Worten auch Taten folgen mögen. So verkündete er in den Landesbühnen Sachsens zur Freude der Anwesenden: „Wir feiern in diesem Jahr den 75. Geburtstag unserer Stadt, den 75. Jahrestag des Zusammenschlusses von Kötzschenbroda und Radebeul zum heutigen Radebeul. Die öffentliche Einweihung des ,begehbaren Depots‘ unseres potenziellen zukünftigen Stadtmuseums in den ersten Januartagen war dabei sicher ein sehr gelungener Startschuss des Jubiläumsjahres.“.

Das einstige Radebeuler Heimatmuseum wurde endgültig Anfang der 1990er Jahre in das Sächsischen Weinbaumuseum umgewandelt. Die Puppentheatersammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befand sich bis 2003 im Radebeuler Hohenhaus. Deren Wegzug war sicher keine Radebeuler Entscheidung, wohl aber das Ausschlagen des Kaufangebotes für die geschichtsträchtige Anlage Hohenhaus durch die Stadt. Das Zeitreisemuseum musste endgültig 2016 aufgeben, als die erhöhte Miete nicht mehr aufzubringen war. Eine Unterstützung für die einmalige Sammlung wurde von keiner Seite her gewährt, auch nicht von der Stadt. Der einstige Güterboden mit dem Schmalspurbahnmuseum in Radebeul wurde mit großem Pomp 2012 eingeweiht, und als schließlich die 2004 gegründete Museums-gGmbH 2016 in die Liquidation ging, hatte das kaum Schlagzeilen verursacht.

In diese traurige Bilanz des Museumssterbens in Radebeul reiht sich nun vermutlich auch das Lügenmuseum ein. Die Stadtverwaltung hat die Kündigung für den 31. August dieses Jahres ausgesprochen. Manch einem in der Stadt schien das ohnehin recht zu sein, war für ihn das Museum doch eine Ansammlung von Plunder. Erinnert sei hier nur an die Schmähschrift aus der Kulturstiftung des Freistaates.
Nun ist nicht zu übersehen, dass die Stadtverwaltung mit dem Mieter Reinhard Zabka wahrlich einen gewissen Großmut über all die Jahre gezeigt hat. Auch deshalb hält sich dort und in der Bevölkerung das Verständnis in Grenzen, ist das Lügenmuseum in breiten Kreisen durchaus nicht unumstritten wie auch sein selbst ernannter Direktor Reinhard Zabka. Aber welcher Vollblut-Künstler, der der Gesellschaft unentwegt den Spiegel vorhält, ist schon stromlinienförmig? Schon 1972 sah die Kunstkritikerin Karin Thomas in der Avantgarde eine „Herausforderung an das kritische Denkvermögen“ und ein bewusstes Infragestellen des gelebten Alltages. Dem Tradierten aber kann man im Lügenmuseum nicht begegnen. Schon deshalb würde die Einrichtung in Radebeul ein „Stein des ewigen Anstoßes“ bleiben. Das Interessante bei dieser Geschichte aber ist, wie gering die Toleranzschwelle einiger Zeitgenossen ist und wie wenig das komplexe Denken ausgeprägt zu sein scheint. Man kann natürlich Reinhard Zabka „unkooperatives Verhalten“ vorwerfen. Lässt man die Hintergründe der Verhandlung mit dem potentiellen Käufer im Dunklen, bleiben sie bloße Behauptung, wenn sie nicht gar als rufschädigend aufzufassen sind.

Nun will ich keinesfalls irgendjemandem einseitig den „schwarzen Peter“ zuschieben. Die Details aller Gespräche sind mir nicht bekannt – ein Urteil darüber ist anmaßend. Gleichwohl werden Verhandlungen erst durch die Bereitschaft der Parteien zu einem tragfähigen Kompromiss zu kommen, erfolgreich geführt. Dies aber kann nur gelingen, wenn alle dasselbe große Ziel anstreben, auch wenn die Wege dahin verschieden sein mögen, weil sie sich im Klaren sind, was auf dem Spiel steht. Diese gemeinsame Basis schien gefehlt zu haben. Zu unterschiedlich waren die Ausgangsstandpunkte. Schon in der Mai-Ausgabe 2022 von SAX, Das Dresdner Stadtmagazin, äußerte der Oberbürgermeister recht eindeutig seinen Standpunkt zum Lügenmuseum und zu Reinhard Zabka: „Seine Installationen haben in Brandenburg und in Serkowitz funktioniert, warum nicht auch an einem anderen Ort? Sie sind nicht an das Haus gebunden.“.
Die Prinz-Rupi-Kulturstiftung, vertreten durch Wilhelm Ruprecht Frieling, hatte eigene Vorstellungen von der Verwendung des Objektes und deshalb nur einen Fünf-Jahres-Mietvertrag für das Lügenmuseum angeboten. Und Zabka – er glaubte wohl, das alles so weitergehen könne, wie bisher.
Mit solchen doch recht unterschiedlichen Standpunkten war kein gemeinsamer Blumentopf zu gewinnen. Den Schaden werden alle tragen, auch jene, die sich als heimliche Sieger fühlen und besonders diejenigen, die sich mit viel Kraft und Elan für dieses, in der Bundesrepublik einmalige Museum eingesetzt haben. Die Bekundungen für den Verbleib des Lügenmuseums sind zahlreich und mannigfaltig. Man kann sie auf der Webseite des Museums einsehen.

Wenn der Vorgang nicht so unendlich traurig wäre, könnte man sich freilich vor Lachen auf die Schenkel klopfen. Die Republik wird verwundert die Köpfe schütteln über diese unsägliche Posse! Hat Kultur und Kunst in dieser Stadt überhaupt noch einen Wert? Von den kulturell-künstlerischen Leistungen des Lügenmuseums ist in der Pressemitteilung der Großen Kreisstadt Radebeul vom 23.05.2024 an keiner Stelle die Rede. Die hat es offensichtlich nie gegeben.

Karl Uwe Baum

100 Jahre Museum Hoflößnitz, Teil 7

Das Haus wolle »immer mehr ein Sammelpunkt aller heimatlichen Werte sein und wieder ein Kulturmittelpunkt der Lößnitz werden, wenn auch im neuzeitlichen Sinne.« So heißt es im »Kleinen Führer durch das Heimathaus Hoflößnitz«, der zur Saison 1925 erschien und fortan an alle Besuchenden als Eintrittskarte ausgegeben wurde. Nach einer Zusammenfassung der Geschichte des Anwesens folgte darin, stichpunktartig zusammengefasst,

Ein »Rundgang durch das Heimathaus«

Dieser war seinerzeit recht kurz, denn vom ohnehin nicht großen Erdgeschoss waren zweieinhalb Zimmer – ein Teil des Foyers, der »Zehrgarten« und die »große Tafelstube« auf der Ostseite – als Hausmannswohnung abgeteilt worden. Die vier Museumsräume boten folgendes:
»1. Eingangshalle: Der Winzerzug aus dem Jahre 1840 gez. von Retzsch; dargestellt: Der Herbst, Gott Baccus, Amor, Herstellung der Weinfässer, Weinbereitung. – Über der Tür ein Bildnis Knolls, des ›ersten Winzers‹, war 1661 Bau- und Bergschreiber in der Hoflößnitz, wirkte tatkräftig für Verbesserung des Weinbaues. – Ein großes Ölgemälde: Die Huldigung des Hauses Wettin. – In dem Wandschrank das Heldengedenkbuch, gewidmet den im Weltkrieg 1914/18 gefallenen Söhnen der Gemeinde Oberlößnitz.
2. Guckkastenzimmer: Vier naturgetreue Bilder, die vier Jahreszeiten darstellend (Rundgang rechts herum!) – Der Frühling: Die Lößnitz um 1800. Das Spitzhaus in der alten Gestalt, links das Bennoschlößchen, wahrscheinlich früher ein bischöflicher Wirtschaftshof, Winzer bei ihrer Arbeit. – Der Sommer: Die Lößnitz um 1800 [recte: 1900]. Spitzhaus nach dem Umbau. Der Wald ist heute bereits zum größten Teil wieder dem Wein gewichen. – Der Herbst: Winzerfest zur Zeit Augusts des Starken. Vorn Gebäude des unteren oder Holzhofes. – Der Winter: Aufbruch zur Jagd.
3. Geologisches Zimmer: Eine farbige, erdgeschichtliche, erhabene Karte der Heimat, in zwei Schaukästen die Gesteine der heimatlichen Erde, an der Wand zwei Geländeschnitte aus der, Umgebung u.a.m.
4. Heimatzimmer: Alte Bilder aus der Lößnitz. Holztafel mit Aufzeichnungen über den in der Hoflößnitz gepreßten Wein. Nachtwächterhorn von Oberlößnitz. Bildnisse der Gräfin Cosel und eines Regimentsnarren u.a.m.«
Um das eingangs zitierte Ziel zu erreichen, bedurfte es freilich mehr als dieser kleinen Präsentation. Das war auch dem Architekten Dr.-Ing. Alfred Tischer, ehrenamtlicher Museumsvorstand, klar. Schon kurz nach Eröffnung des Museums lancierte er deshalb ein zweites ehrgeiziges Projekt, ein großes »Winzerfest der Lößnitz«. Nachdem der von ihm geleitete Arbeitsausschuss am 1. August erstmals zusammengetreten war, ging dieses Volksfest, an dem sich fast 100 einheimische Vereine aller Art und Richtungen beteiligten, vom 3. bis 5. Oktober 1924 glanzvoll über die Bühne. Den Höhepunkt bildete am Schlusstag ein gewaltiger Festzug, der von der Hoflößnitz über Radebeul nach Kötzschenbroda führte und, was Teilnehmer- und Zuschauerzahlen angeht, sein historisches Vorbild von 1840 bei weitem in den Schatten stellte. Darauf wird zu gegebener Zeit zurückzukommen sein.

Archiv Stiftung Hoflößnitz

Die erste Sonderausstellung im neuen Museum Hoflößnitz ging ebenfalls auf Dr. Tischers Initiative zurück und eröffnete eine Tradition, der sich unser Haus nach wie vor verbunden fühlt, die Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst. Vom 7. bis 14. Dezember 1924 lud das Heimathaus zur »Kunstwoche der Lößnitz« ein, während derer »den gerade in dieser schweren Zeit oft bittere Not leidenden heimischen Künstlern« die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Arbeiten – Erzeugnisse der Bildhauerei, Malerei, der graphischen Künste, des Kunstgewerbes, der Buchdruckerkunst usw. – zu zeigen und gegebenenfalls auch zu verkaufen. Über die Annahme der Ausstellungsgegenstände entschied ein Fachgremium, dem u.a. Landeskonservator Dr. Walter Bachmann, der ehemalige Direktor der Dresdner Kunstgewerbeakademie, Prof. Bernhard Grohberger, und der am selben Institut tätige Prof. Max Frey angehörten. Die Besprechung in den ›Dresdner Nachrichten‹ am 8.12.1924 zählt die bemerkenswertesten Arbeiten dieser bunt gemischten Schau auf, darunter solche von noch heute namhaften Malern/Grafikern wie Käthe Kuntze, Georg Richter-Lößnitz, Hans-Theo Richter und Karl Sinkwitz. Beteiligt waren auch damals in der Lößnitz ansässige Künstler, die inzwischen weitgehend vergessen sind, u.a. Arthur Götze, Curt Voigt, Rudolf Wirth und Werner Zehme. Gezeigt wurde die Ausstellung im Obergeschoss des Lusthauses, wo durch einfache Stellwände und elektrische Beleuchtung provisorische Voraussetzungen dafür geschaffen worden waren. »So wandert man ›mit vergnügtem Sinne‹ durch diese kleine Heimatschöpfung«, fand der Rezensent. (Fortsetzung folgt.)
Frank Andert

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