17. Thematischer Filmclubabend

Das Radebeuler Wanderkino „Film Club Mobil“ zeigt im Monat April den Spielfilm „Le Temps d`aimer“, welcher im puritanischen Frankreich der unmittelbaren Nachkriegszeit spielt. Verstörende Dokumentaraufnahmen aus dem Jahr 1947, die dem Filmdrama vorangestellt wurden, konfrontieren den Betrachter mit den widersprüchlichen Reaktionen der Franzosen. Wenngleich die überwältigende Freude über die Befreiung von den deutschen Besatzern dominiert, schwingen da auch Gefühle wie Hass, Niedertracht, Scham und Verzweiflung mit. Die französisch/belgische Koproduktion kam 2023 in die Kinos und spannt einen weiten Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart.

Obwohl der zweite Weltkrieg vor achtzig Jahren endete, stoßen wir noch heute in Radebeul auf Spuren aus dieser Zeit. Ein zweites Mal hat sich die Cineastengruppe als Veranstaltungsort den ehemaligen Luftschutzbunker Oberlößnitz ausgewählt, der gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von russischen Kriegsgefangenen in den Weinberg getrieben wurde.

Französische Kriegsgefangene hingegen kamen in Radebeul bereits während des ersten Weltkrieges beim Bau des Wasserturmes (im Volksmund Franzosenturm genannt) zum Einsatz. Während des zweiten Weltkrieges hatte man sie für Rodungsarbeiten und das Aufsetzen von Trockenmauern im Weinbau eingesetzt. Zahlreiche Dokumente, Zeitzeugenberichte und Fotografien befinden sich hierüber im Radebeuler Stadtarchiv.

Zur Belebung des interkulturellen Dialoges zwischen Frankreich und Deutschland leistet das vielfältig vernetzte Institut français einen wesentlichen Beitrag. Die Anregung zur Kooperation mit der in Dresden ansässigen Zweigstelle ging von der französischen Künstlerin Sophie Cau aus, die seit 1997 in Radebeul lebt und freischaffend tätig ist. Sie knüpfte auch den Kontakt zu dem französischen Dokumentarfilmer Julien Deschamps, welcher in den Spielfilm „Le Temps d`aimer“ einführen wird.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Vive la France! Es lebe Frankreich!

 

„Le Temps d’aimer“ (Zeit für Liebe)

2023, Spielfilm, Frankreich/Belgien, 125 Minuten, FSK 16
Regie: Katell Quillévéré
Drehbuch: Katell Quillévéré und Gilles Taurand
Musik: Amine Bouhafa
Darsteller: Anaïs Demoustier, Vincent Lacoste, Morgan Bailey, Hélios Karyo, Josse Capet

Filmbeschreibung:
„Le Temps d’aimer“ erzählt die Geschichte von Madeleine, einer französischen Frau, die während des Zweiten Weltkriegs eine kurze Romanze mit einem deutschen Offizier hatte, bevor er an der Front verschwand. Aus dieser flüchtigen Liebe ging ein Sohn hervor, den sie allein und ohne familiäre Unterstützung aufzog, wobei sie ihr Geheimnis und die schreckliche Schande für sich behielt, die sie bei der Befreiung Frankreichs erleiden musste, als sie Opfer öffentlicher Demütigungen wurde, wie viele andere Frauen, die von der Volksjustiz beschuldigt wurden, mit dem Feind „herumgemacht“ zu haben. Der Film beginnt mit schwierigen Archivaufnahmen dieser Ereignisse, die Frankreich nicht zur Ehre gereichen und deren Grausamkeit und symbolische Gewalt lange Zeit unterschätzt wurde. Die Zeiten ändern sich glücklicherweise.

Die Last dieser ungerechten Schande wird Madeleine viele Jahre lang tragen und bezahlen, insbesondere in ihrer sehr komplizierten Beziehung zu ihrem Sohn. Ihre Liebesbegegnung mit François bietet die Gelegenheit, andere Dimensionen der schmerzhaften Geheimnisse anzusprechen, die der Mensch aufgrund der Intoleranz der damaligen Gesellschaften zu verbergen gezwungen war. Das Schicksal dieser leidenschaftlichen Protagonisten wird sich mit der gesamten Vorstellungswelt des Nachkriegslebens in Frankreich vermischen, das von der amerikanischen Populärkultur geprägt ist. Diese optimistischen Sittenwechsel werden jedoch nicht ohne einen kritischen Blick des Films auf die angebliche Sorglosigkeit und Gutmütigkeit der amerikanischen Retter gelassen.

Während dieser zwei Stunden lässt uns „Le Temps d’aimer“, der von Anaïs Demoustier und Vincent Lacoste grandios verkörpert wird, intensive und kontrastreiche emotionale Abenteuer erleben. Er zerlegt auf subtile Weise die Intimität eines Paares und einer Familie und projiziert gleichzeitig, ohne zu täuschen, die Symbole und das Schicksal der Geschichte in diese. Die Regisseurin Katell Quillévéré hat sich von ihrer Familiengeschichte inspirieren lassen und daraus ein tragisches, schönes und bewegendes Romanwerk geschaffen, das zutiefst humanistisch ist.

Julien Deschamps
fairfilms.de

_____________________________________________________________________________________

Am 10. April 2025, um 19 Uhr, im Alten Bunker Oberlößnitz, Hoflößnitzstraße 82, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663

Glosse

Klartext

Wir haben gegenwärtig, so scheint es mir, seit längerer Zeit einen eigentlich unhaltbaren Zustand in der Gesellschaft. Jeder kann heutzutage zu allem seinen Senf abgeben, was ja zweifelsfrei von dem so hochgehaltenen Begriff der „Freiheit“ gedeckt scheint. Dieses „den-Senf-dazugeben“ ist an und für sich nicht das Problem und belebt wohl den Diskurs. Wenn aber dieses Stammtischgeplapper über alles und alle gleichgestellt wird mit einer fachlich fundierten Aussage über eine Fragestellung und zu einer verallgemeinerten Meinung hochstilisiert wird, dann weiß ich wirklich nicht mehr, was ich davon halten soll.

Wer kann heutzutage noch Fake und Fakten auseinanderhalten, wo selbst sogenannte „seriöse“ Medien den Durchblick längst verloren haben. Dabei sei an dieser Stelle nicht erörtert, ob sie in Ahnungslosigkeit gehandelt oder in böswilliger Täuschung das Geschäft der Politik und Wirtschaft betrieben haben.

Woran aber mag es liegen, dass selbst die Vertreter der obersten Spitze in Staat und Gesellschaft glauben, sich nicht mehr an Wahrheit und Klarheit halten zu müssen und dem Volk die Hucke volllügen, wo es doch einzig um ein Handeln im Interesse der gesamten Gesellschaft gehen sollte? Und jene „ehrenwerten“ Damen und Herren an der Spitze, die eigentlich die moralischen Maßstäbe verkörpern, unsere leuchtenden Vorbilder, denen es nachzueifern gilt und Richtschnur unseres Handeln sein sollten, die Geschäfte nicht mehr im Griff haben?

Könnte es sein, dass sie etwas ganz anders im Schilde führen, als das Wohl und Wehe der Gesellschaft? Und wenn ich mir den ganzen Laden genauer ansehe, dann kann man diesen Zustand nicht nur in der obersten Etage feststellen. Solche großen und kleinen Könige, Minister, Hofmarschalle bis hin zu Ortsvorstehern gibt es ja wie Sand am Meer. Sie alle wollen Macht und Recht haben und biegen sich gelegentlich auch gern mal die Realität zurecht und beanspruchen vor allem auch die Meinungshoheit.

Verständlich, dass kaum einer überhaupt noch weiß, was er sagen kann, soll oder gar muss, sind doch die Töne rauer geworden, auch wenn sie sich mitunter hinter „Kleinen Anfragen“ verstecken. Da wird dann auch gleich mal die ganz große Keule rausgeholt. Bisher dachte ich wenigstens, dass dem Kabarett noch eine gewisse Narrenfreiheit zugebilligt wird. Aber damit scheint es offensichtlich auch vorbei zu sein.

Manchmal aber braucht es klare Worte, auch wenn sie nicht jedem gefallen. Selbst die falscheste Behauptung wird nicht wahrer, nur weil sie ständig wiederholt wird, wie man an der Riester-Rente sehen konnte.

Gegenwärtig kann ich mir nicht vorstellen, dass die Bahnhofstraße trotz aufwendiger Instandsetzung eine einladendene Einkaufsmeile wird, die zum Verweilen anregt, wie hinlänglich kolportiert. Zuviel Leerstand, zu wenig attraktive Geschäfte! Auch vom vormals unverzichtbaren Frischemarkt an diesem Ort will heute keiner mehr etwas wissen.

Als die Kasperiade einst von West nach Ost beordert wurde, musste die Belebung des Einzelhandels als Grund dafür herhalten. Jetzt, wo das Fest um das Karl-May-Museum und die Lutherkirche herum stattfindet, kräht danach kein Hahn mehr. Da könnte ich dutzende andere Beispiele herbeten, wo Begründungen, Rechtfertigungen, Erklärungen sich regelrecht in Luft aufgelöst haben, von denen man nun nichts mehr wissen will, die man noch vor gewisser Zeit vehement verteidigt hatte. Wie oft musste eigentlich das Sozialamt umziehen? Warum ausgerechnet Stadtarchiv und Kunstsammlung sich in den Wasapark einmieten mussten, der einer spanischen Investment-Gesellschaft gehört und jetzt abgerissen werden soll, versteht kein Mensch? Wer dann einige Jahre zurückschaut, wird erstaunt feststellen, dass für diesen Abriss die Initiative vom Bauamt der Stadtverwaltung ausging (s. DNN-Online, 19.11.2018). Und dann noch der ganze Hick-Hack bei der Suche nach einer Zwischenlösung für beide Einrichtungen, weil man sich um eine vernünftige Reglung lange Zeit nicht gekümmert hatte.

Wir Deutschen sind schon ein eigenartiges Völkchen. Entweder obrigkeitshörig oder wir rennen einem anderen Leithammel hinterher. Und Träumer sind wir allemal. Da kann ich mich noch sehr gut an den Spruch der neunziger Jahre erinnern: „Das könn‘ se doch mit uns nich machen!“. Könn‘ se doch, wie man sieht, meint

Euer Motzi

„Mein grafisches Tagebuch“

Matthias Kratschmer stellt in der Radebeuler Lößnitzbar aus

Bild: Repro: M. Kratschmer


Am Abend des 4. März waren selbst im weiteren Umfeld der etwas abgelegenen Lößnitzbar kaum Parkplätze zu finden. Der erfreuliche Grund hierfür war die Ausstellungseröffnung des Radebeuler Designers und Grafikers Matthias Kratschmer. Zahlreiche wohlkomponierte Grafikblätter zieren die Wände des geschmackvoll eingerichteten Lokals. Der Andrang kunstinteressierter Mitbürger und Freunde war so groß, dass es schwer fiel, sich den filigranen Arbeiten mit der gebotenen Konzentration widmen zu können. Dies kann jedoch über die Ausstellungsdauer bis Ende April zur Freude der Lößnitzbaristen gern nachgeholt werden. Wiebke Gerlach fand zur Begrüßung warme wohlgesetzte Worte, nachdem sich Thomas Gerlach in seiner Laudatio in gewohnter Weise dem Künstler und Werk näherte und sein Schaffen umriss. Für die musikalische Umrahmung sorgte der Saxophonist Peter Neidel.

»Abflug«, 2025
Bild: Repro: M. Kratschmer


Matthias Kratschmer, der seine Ausbildung als Designer an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle absolvierte, zeigt Ausschnitte aus seinen umfangreichen grafischen Tagebüchern von 2021-2025. In der coronabedingten Zurückgezogenheit entsprang die Idee für seine grafischen Notizen, die heute weit über tausend Blätter versammeln. So unterschiedlich die Befindlichkeiten der Tage waren, so verschieden sind die Farben und Formen der einzelnen Blätter. Die kleinformatigen Arbeiten, die im Hochformat immer die gleiche Größe aufweisen, sind geprägt durch linienbetonte, monochrome, teilweise auch colorierter Stilmittel. Strenge technisch-konstruktive Formen wechseln mit floralen Mustern und bieten in der Gesamtschau eine überbordene Fülle an Variationen.
Die Arbeiten sind käuflich zu erwerben. Eine Liste über die Titel- und Preisübersicht liegt vor Ort aus.

»Windflüchter«, 2021
Bild: Repro: M. Kratschmer

Sascha Graedtke
_______________
Die Ausstellung ist bis Ende April in den Öffnungszeiten (Mittwoch bis Samstag 17 bis 22 Uhr) der Lößnitzbar zu sehen.
Fabrikstraße 47 | 01445 Radebeul
Tel.: 0172-8443575
E-Mail  Loessnitzbar@web.de
Kontakt Matthias Kretschmar: www.h-design.de – Instagram: georg_matthias_ak

Danksagung Spenden 2024

Liebe Leserinnen und Leser unseres Radebeuler Monatsheftes
„Vorschau & Rückblick“,

obwohl wir im vergangenen Herbst auf einen Spendenaufruf verzichteten, haben Sie in Verbundenheit mit unserem Monatsheft uns trotzdem tatkräftig, (oder besser „geldkräftig“) unterstützt.

Vielen, vielen Dank an alle Spenderinnen und Spender.

So konnten wir mit Elan und einem sicheren Polster unser 35. Jahr des Bestehens angehen.

Wir machen also mit Schwung und Zuversicht weiter!

Herzlichst
Ilona Rau

 

Spenderliste

Anderson, Uta
Anton, Frank
Bergner, Christian und Gislinde
Berndt, Thomas
Bose, Christina und Jörg
Buchmann, Ingrid und Wilfried
Christoph, Matthias
Cramer, Stephan
Dabow, Gisela
Dubrow, Margitta und Manfred
Föckel, Birgit und Hans-Jürgen
Frank, Marianne und Hans-Albrecht
Franke, Monika und Herbert
Gräbel, Renate und Siegfried
Grunewald, Ute
Günther, Hans-Christian
Haase, Karl-Heinz
Haußig, Rolf und Bettina
Helbig, Rolf-Falk
Henkler, Renate und Gerhard
Hickmann, Regina
Hoffmann, Michael
Jacob, Detlef
Kunze, Bettina und Berthold
Kuß, Hannelore Helga
Ludwig, Sabine und Werner
Madaus, Gabriele und Hans-Otto
Märksch, Tobias
Mitzschke, Heike und Michael
Ostritz, Werner und Heidelinde
Paditz, Karsten und Claudia
Pohlack, Rosemarie
Rattke, Wilfried
Rau, Steffen
Richter, Axel
Schadeberg, Thilo
Schaffer, Birgit
Schmalfeld, Petra
Schulze, Friedemann und Gesine
Sterndrogerie
Thomas, Frank
Tittelmeier, Margitta und Wilfried
Trentzsch, Maria-Iris
Weisbach, Helga
Welcker, Sigrid
Winkler, Gisela
Wittig, Gudrun und Michael
Woldmann, Jutta und Helge
Wolf, Christa
Zimmermann, Frank und Julia
Zschaler, Ingrid

Gespendet wurden Kleinbeträge in unsere Spendenkasse beim Grafikmarkt, unserem Leseabend, im Buchladen Kretzschmar, in der Blumenwerkstatt Radebeul und mit Überweisungen bis 300.- Euro. Insgesamt wurden ca. 3000.- Euro gespendet.

1990 – 2025

35 Jahre

Vorschau & Rückblick

Kunst – Kultur – Architektur
Rezensionen – Ausstellungen
Denkmalpflege – Heimatgeschichte

Im Mai 2025 feiern wir 35 Jahre von „Vorschau & Rückblick“!
Feiern Sie mit uns!
Schreiben Sie uns!
Was bedeutet Ihnen unser Heft?
Welche Wünsche oder Anregungen haben Sie?

Editorial 4-25

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus!

1990 war nicht nur das Jahr der unerwartet schnellen deutschen Wiedervereinigung, sondern auch die Initialzündung eines wiedererwachten soziokulturellen Engagements. Man möchte fast frühlingshaft sagen: Überall regten sich Bildung und Streben …

In jenen Tagen entstanden im Umfeld einige monatlich(!) erscheinende Kulturzeitschriften, die bis heute tief im gesellschaftlichen Leben verankert sind.

So erfolgte in Dresden im April die erste Ausgabe der „SAX“, des legendären Stadtmagazins, das mit seinen fundierten Beiträgen und Informationen aus der Kulturszene der Landeshauptstadt kaum wegzudenken ist.

1992 gesellte sich auf der östlichen Seite der Stadt der renommierte „Elbhang-Kurier“ dazu, welcher nach eigener Aussage mit einer „bezaubernden Mischung aus hoher Kultur und banaler Nachricht“ als Spiegel verschiedenster Ortsteile der dortigen Elbhänge fungiert.

Hier in Radebeul, am Fuße der westlich gelegenen Weinberge, versammelte sich im Mai 1990 eine kleine Gruppe kulturinteressierter Bürgerinnen und Bürger, die – getragen von der neugewonnenen Freiheit – die Wiederbelebung bzw. Neugründung einer alten Radebeuler Kulturzeitschrift („Die Vorschau“, 1954–1963) vorantrieben: fortan nun „Vorschau & Rückblick“.

Allein unser Heft ist nach wie vor kostenlos, aber keinesfalls umsonst!

Am 5. Mai werden wir in den vertrauten Räumen der Familieninitiative Radebeul e.V., die bereits im März ihr 35. Jubiläum beging, unseren ebenbürtigen Geburtstag feiern!

Bitte beachten Sie hierzu gern die Einladung in diesem Heft!

Sascha Graedtke

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr



Zur Titelbildserie



Winzerhäuser
Wenige Schritte von Radebeuls westlicher Stadtgrenze befindet sich das alte Winzerhaus Talkenberger Hof, Am Talkenberger Hof 3, in Coswig. 1607 wurde es von Winzer Georg Talkenberg (vom ehem. Dorf Kreyern umgesiedelt) errichtet. Diese Zahl finden wir im Gewände der Rundbogentür auf der Südseite. Fenstergewände mit Phase und „S-Schnörkel“ deuten auf Renaissance. Über einem Rechteckgrundriss erhebt sich ein zweigeschossiger Bau, den ein steiles, mit roten Biberschwanzziegeln gedecktes Walmdach abschließt. Das EG hat massive Wände und das OG Fachwerk. 1607 war das Fachwerk wie heute auch wieder sichtbar. Ab etwa 1800 wurde das Fachwerk einer Mode folgend bis 1994 verputzt. Auf einem Foto von 1930 sehen wir, dass es auf der Südseite des Daches zwei Fledermausgaupen gegeben hat, wovon heute leider nur noch eine existiert. An den Hauptbau schließen sich nach Norden mehrere gereihte Anbauten an, die ursprünglich wirtschaftlichen Zwecken dienten, heute aber Wohnhäuser sind. Auf der Ostseite wurde um 1955 ein Garagentor eingefügt und damit zumindest die Schauseite gewahrt. Hier war früher der Preßraum mit niedrigerem Fußboden gewesen. Bis zur Reblauskatastrophe standen Weinstöcke im Steilhang hinter dem Haus – die heute dominierende, flach geneigte Weinfläche unterhalb des Talkenberger Hofs wird vom Staatsweingut Wackerbarth bewirtschaftet. Herr und Frau Burckhardt, denen das Anwesen seit 1979 gehört, sind keine Winzer. Wenn man sich von Süden her dem Winzerhaus nähert, kann man sich an der freien Lage des alten Hauses in der Lößnitzlandschaft erfreuen.

Dietrich Lohse

16. Thematischer Filmclubabend

Es ist kein Zufall, dass wir im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Film Club Mobil“ im 80. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den DEFA-Film „Ich war neunzehn“ zeigen. Einen Film, der die Geschichte eines jungen Mannes in den letzten Tagen des Krieges beschreibt. Auch der Aufführungsort ist durchaus nicht ungewöhnlich, handelt es sich doch um einen Bunker, der von sowjetischen Kriegsgefangenen als Stollen tief ins Innere eines Oberlößnitzer Weinberges getrieben wurde und ab 1944 den benachbarten Anwohnern bei Fliegeralarm als Schutz vor Bomben diente. Heute werden die Räume von Thomas Teubert, dem Inhaber des Weinkellers „Am Goldenen Wagen“, nach einer aufwändigen Sanierung als Weinlager und für Weinverkostungen genutzt.

Zum Glück blieb Radebeul weitestgehend von Kriegszerstörungen verschont. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem Radebeuler Ehrenbürger Ilja Schulmann (1922–2014), der als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in der Sowjetunion lebte und als Dolmetscher mit der Roten Armee am 7.5.1945 in die Lößnitzstadt kam, um Kontakt zur Stadtverwaltung aufzunehmen. Das Ultimatum lautete sinngemäß: Entweder kampflose Übergabe oder massiver Artilleriebeschuss! Die nahezu kampflose Übergabe war das Ergebnis des besonnenen Handelns mehrerer Personen und Ilja Schulmann spielte dabei keine unwesentliche Rolle. Wenn hingegen der Plan von Martin Mutschmann (1879–1947) zur Ausführung gelangt wäre, würde in Radebeul wohl kaum ein Stein auf dem anderen geblieben sein, denn der NSDAP Reichsstatthalter wollte „bis zum Letzten“ kämpfen und hatte noch im April 1945 Dresden zur Festung erklärt und Radebeul als eine Art Bollwerk vorgesehen.

Der autobiografische Film „Ich war neunzehn“ basiert auf Konrad Wolfs (1925–1982) Tagebuchaufzeichnungen aus den letzten Kriegstagen. Mit seinen Eltern und Geschwistern emigrierte er 1933 nach Moskau. Wie die Hauptfigur des Films war er damals acht Jahre alt. Mit siebzehn trat er in die Rote Armee ein und gehörte 1945 als Neunzehnjähriger im Rang eines Leutnants zu den Truppen, die Berlin einnahmen. Und wie Gregor Hecker im Film, war Konrad Wolf für kurze Zeit im April 1945 der erste sowjetische Stadtkommandant von Bernau bei Berlin.
Für die Rolle des Gregor Hecker wurde der Schauspielstudent Jaecki Schwarz (geboren 1946) unter 80 Bewerbern ausgewählt. Nach seinem erfolgreichen Debut war er als Bühnen- und Filmschauspieler sehr gefragt. Über zwanzig Jahre stand er als Mitglied des Berliner Ensembles auf der Bühne und wirkte u. a. in erfolgreichen Kinofilmen wie „Die Schlüssel“ (1974) oder „Bürgschaft für ein Jahr“ (1981) sowie bis heute in zahlreichen Fernsehserien mit.
Der Film „Ich war neunzehn“ wurde 1967 in Schwarzweiß gedreht und schildert auf reportagenhafte Weise Episoden und Einzelschicksale. Ohne Pathos und Heldenverklärung werden die Schrecken des Krieges beschrieben. Menschen sind mit ihren Schwächen und Stärken in tragischen und grotesken Situationen zu erleben. Die Uraufführung fand 1968 im Berliner Kino International statt. Bereits in den ersten sechs Monaten sahen ihn etwa 2.5 Millionen Besucher. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen. Der DEFA-Antikriegsfilm wurde zum Klassiker und gilt als eine der bedeutendsten deutschen Nachkriegsproduktionen. Umfangreiches Bonusmaterial trägt zum weiteren Verständnis bei.

Ich war neunzehn
1967/68, DDR, DEFA-Spielfilm, 115 Minuten, s/w, FSK 12

Regie: Konrad Wolf; Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf;
Kamera: Werner Bergmann; Schnitt: Evelyn Carow;
Besetzung: Jaecki Schwarz (Gregor); Wassili Liwanow: (Wadim); Alexei Eiboschenko (Sascha);
Galina Polskich (sowjetische Soldatin); Jenny Gröllmann: (deutsches Mädchen); Michail Glusski: (sowjetischer General) sowie in weiteren Rollen Rolf Hoppe, Wolfgang Greese, Kurt Böwe, Hermann Beyer, Dieter Mann, Martin Trettau

Der Film wird aus Sicht des russischen Leutnants Gregor Hecker erzählt und umfasst die Tage vom 16. April bis zum 2. Mai 1945. Verschiedene Ereignisse werden, wie in einem Tagebuch, chronologisch datiert und dokumentarisch-nüchtern erzählt.
Zu Beginn des Filmes sieht man wie am 16. April im Gefolge sowjetischer Truppen an vorderster Front ein alter Lautsprecherwagen durch die weite winterliche Landschaft ruckelt. „Deutsche Soldaten! Kämpfen ist sinnlos“, tönt eine junge deutsche Stimme. „Ergebt euch, rettet euer Leben!“. Der das ruft, ist Gregor Hecker. In der Uniform eines Leutnants der Roten Armee kommt der 19-Jährige in seine Heimat zurück, aus der er mit seinen Eltern als Kind emigrieren musste. Der kleine Agitationstrupp ist auf dem Weg von der Oder über Bernau und Sachsenhausen nach Berlin. Der Krieg ist entschieden aber noch nicht vorbei. Als die Truppe nach Bernau kommt, wird Hecker kurzerhand zum Kommandanten der Stadt ernannt. Mit einer Handvoll Leuten versucht er, eine Kommandantur einzurichten.

Widersprüchlich sind Heckers erste Begegnungen mit den Deutschen. Da sind Bauern, Flüchtlinge, Überläufer, Faschisten, Antifaschisten… Gregor beginnt zu begreifen, dass es „die Deutschen“ ebenso wenig gibt wie „die Russen“.
Die Fassungslosigkeit darüber, wie aus einem kultursinnigen Volk, ein Volk von Barbaren werden konnte, ist im ganzen Film zu spüren. In einer Szene, die aus dem Dokumentarfilm Todeslager Sachsenhausen (1946) von Richard Brandt übernommen wurde, berichtet der als „Henker von Sachsenhausen“ bekannte Paul Sakowski, wie er Häftlinge in der Gaskammer mit Blausäure-Gas sowie einer als Messlatte getarnten Genickschussanlage ermordete.

Durch Verhandlungsgeschick gelingt es, dass die Zitadelle Spandau am 30. April 1945 ohne Blutvergießen übergeben wird. An den Erfolg in Spandau schließt sich ein weiterer Freudentag an, der 1. Mai. Am Abend findet eine große Feier statt. Dabei kommt es zum Gefühlsausbruch eines befreiten deutschen Kommunisten, der lautstark fordert, alle Nazis aufzuhängen, da sich ansonsten alles in zwanzig Jahren wiederholen würde. Ein sowjetischer General beschwichtigt ihn: Rache ist kein guter Ratgeber, schon gar nicht für die Zukunft.

Inzwischen herrscht fast schon Normalität, doch die Ruhe trügt. Während die einen zu begreifen beginnen, dass der Krieg verloren ist, kämpfen die anderen verbissen weiter. Nachdem sich Adolf Hitler bereits am 30. April 1945 seiner Verantwortung durch Suizid entzogen hatte, verlieren noch zehntausende Menschen ihr Leben.

Auch Gregors Freund Sascha stirbt bei einem letzten Kampfeinsatz. Und Hecker ahnt, wie schwer ein Neuanfang sein wird. Der Film endet mit den Worten „Ich bin Deutscher. Ich war mal zehn Jahre alt.“

Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht trat am 8. Mai 1945 um 23 Uhr in Kraft.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.


Am 13. März 2025, um 19 Uhr, im Bunker Oberlößnitz, Hoflößnitzstraße 82, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663

Radebeuler Miniaturen

Hu is hu

Die unsägliche Diskussion um das unsägliche Unwort des Jahres hat mich bewogen, einmal einen Blick auf die eigene Herkunft zu werfen:

BIO-Mensch in Freilandhaltung – wenn ich meine BIO-Grafie richtig bewerte, triff diese Charakterisierung vollinhaltlich auf mich zu:
Wie ich meinen Vater nachträglich einschätze, wurde ich auf biologisch-herkömmliche Weise und ohne eigenes Zutun ins Leben gerufen. Auch wenn ich mich zunächst noch wehrte, bin ich ganz biologisch auf dem heimischen Sofa ans Licht der Welt gehoben worden – es war das gleiche, auf dem sechsundzwanzig Jahre vor mir mein Vater ein gleiches Schicksal erlitt – unter aktiver Beteiligung übrigens der gleichen Hebamme – und auf dem zwanzig Jahre später mein Großvater die ihm verbliebenen Reste seines Geistes aushauchte.
Die glückliche Kindheit verbrachte ich im eigenen BIO-Garten unter Freilandbedingungen, wobei sich die Radien mit zunehmendem Alter mehr und mehr auf Wald und Flur ausdehnten.
War es zu nass, zu kalt, zu heiß oder sonstwie biodivers ungemütlich, hatte ich ein Anrecht auf Stuhl, Tisch und Bett im Hause selbst, nicht zu reden von ausreichend biologischem Holzspielzeug. Im Zaum gehalten wurde die biologische Begeisterung durch die permanente Drohung, wenn du nicht folgst, gehst du morgen in den Kindergarten.
Eine weitere Trübung des Wohlbefindens trat ein, als ein täglicher Schulbesuch für notwendig und damit unverzichtbar erklärt wurde. Tatsächlich hat sie mir manche Not eingebracht, die Schule; sollte sie tatsächlich eine gewendet haben, habe ich nichts davon bemerkt. Um nicht auf meinen Prostest achten zu müssen wurde ich für unmündig erklärt – so wurde damals selbst mit BIO-Kindern umgegangen. Tröstlich war immerhin, daß die Freistunden FREI-Stunden blieben.
Mehr BIO geht nicht.
Ein ganzes Leben später hege ich nun die Hoffnung, daß ich auch auf BIO-logisch vorgesehenem Wege dieses irgendwann hinter mir lassen darf, ohne durch künstliche Intelligenz dabei behelligt oder gar aufgehalten zu werden.

Thomas Gerlach

Copyright © 2007-2025 Vorschau und Rückblick. Alle Rechte vorbehalten.