Rad im Dreck?

Irgendwie scheint die Zeit etwas aus den Fugen geraten zu sein. Gegenwärtig funktioniert nichts mehr so richtig. Dabei hatte sich die Lage erst unlängst entspannt. Aber, im Normalbetrieb kaum angekommen, rollt schon die zweite Welle der Pandemie auf uns zu. Man gewinnt fast den Eindruck, dass das Naturereignis Gezeiten auf die Gesellschaft übergesprungen sei, etwa so wie das Virus auf den Menschen, und das gesellschaftliche System, egal welcher politischen Couleur, fest im Griff hat.

Die Gezeiten kann man nicht beeinflussen, man kann sie höchstens nutzen. Wir wissen heute, dass der Mond für das Naturwunder verantwortlich ist. Ob es Der Mond von links war, jener aus dem revolutionäre sowjetischen Theaterstück von Wladimir Bill-Belozerkowski von 1929, scheint eher fraglich, auch wenn es dem Interesse des Schöpfers sicher entgegengekommen wäre.

Die Auswirkungen dieser Corona-Wellen sind jedenfalls derart heftig, dass so mancher keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Da faselte doch neulich ein Bundespolitiker davon, dass es erst die „Volkswirtschaft“ und dann die „Volksgesundheit“ zu schützen bzw. zu retten gelte. Mal abgesehen von der Reihenfolge scheint mir der wackere Mann mit seinem Ratschlag doch mindestens 80 Jahre zu spät zu kommen. Und so sind die Begründungen für die neuerlichen einschneidenden Maßnahmen mannigfaltig und von Bundesland zu Bundesland recht unterschiedlich. Die Tatsache, dass die Einschränkungen auf keinen Fall die Wirtschaft, die Kinderbetreuung und die Schulen betreffen werden begründete ein sächsischer Kommunalpolitiker u.a. mit der Erkenntnis, dass man verlorene Bildung halt nicht aufholen könne. Eben…

Natürlich muss man Nachsicht üben. Wem ist schon zu Lebenzeiten so eine Katastrophe widerfahren, mal vom Krieg abgesehen? Und der ist auf deutschen Boden ja auch schon 75 Jahre her. In Kötzschenbroda jedenfalls ereignete sich die letzte große Seuche 1680. Damals wurden 279 Pesttote beerdigt. Gegenwärtig sieht es da wirklich entspannter aus. Es ist ja nicht so, dass überall die Lichter ausgegangen wären. Es blubbert und quabbert doch noch ganz schön, nicht nur in Radebeul. Dort gab es unlängst eine kleine Ausstellung von einer Berliner Künstlerin in der Wilhelmshöhe in Wahnsdorf. Der Kulturbahnhof in Radebeul-Ost machte mit einer Lesung mal wieder als Kulturbahnhof auf sich aufmerksam. Sogar den traditionellen Grafikmarkt in der Ballspielhalle in Radebeul-West konnte man besuchen. Aufzuzählen gäbe es noch manches. Alle Veranstaltungen fanden natürlich unter strengen Hygienebedingungen statt. Neulich war ich auswärts in einer Theatervorstellung. Auch wenn der Genuss etwas eingeschränkt war – auf meiner Reihe saßen nur zwei Zuschauer – die Schauspieler haben mit großer Freude gespielt. Die 85-Jahr-Feiern zum Radebeuler Stadtgeburtstag sind allerdings so leise begangen worden, dass man denken konnte, sie hätten am Ende gar nicht stattgefunden.

Es ist halt immer so: in Krisenzeiten wird zuerst dort gespart, wo man glaubt etwas entbehren zu können. Und Kultur ist ja für viele immer noch das berühmt-berüchtigte Sahnehäubchen auf der schon übersüßen Torte. Natürlich liegt hier der Fall etwas anders. Und weil wir gerade bei der Wirtschaft waren – die Kulturwirtschaft ist eben auch ein Teil dieser Volkswirtschaft und kein unerheblicher. Dessen Anteil am Bruttoinlandsprodukt liegt gleich hinter der Autoindustrie an zweiter Position. Drehte man hier vielleicht an der falschen Schraube, als beispielsweise alle Theater, Museen und Galerien abrupt geschlossen wurden? Selbst bei der Kulturstaatsministerin Monika Grütters kamen da Zweifel auf.

Nicht dass wir uns falsch verstehen: Die Gesundheit hat natürlich den Vorrang, nicht die Volkswirtschaft! Doch bei den teilweise chaotischen Krisenmanagements und den zahlreichen hilflos wirkenden Appellen an die Bevölkerung drängen sich schon Fragen auf. So zum Beispiel: Wie baut man in einer Ich-Gesellschaft auf Vernunft und gegenseitige Rücksichtnahme? Läuft hier vielleicht mehr als nur ein Rad im Dreck?

Euer Motzi

Ausblick auf die Titelbilder des Jahres 2021

Bärbel Kuntsches Grafiken haben dieses Jahr unsere Titelseiten geschmückt – hier Gruß und Dank an Frau Kuntsche. Die Redaktion will den Wechsel von Kunst und Fotografie (Fotografie kann auch Kunst sein) im Jahr 2021 beibehalten.
Ich hatte vorgeschlagen, für 12 Monate Bauernhäuser in Radebeul zu zeigen und das wurde so bestätigt. Eigentlich müßte man ja von ehemaligen Bauernhöfen sprechen, denn die meisten Häuser haben die eigentliche Funktion verloren. Ackerbau und Viehzucht wird hier noch in einem guten Dutzend Bauernhöfen betrieben, aus der überwiegenden Zahl von Bauernhäusern sind normale Wohnhäuser geworden. Die Landwirtschaft einschließlich Weinbau war mal der Schwerpunkt für Radebeuls Ursprungsgemeinden. Der Rückgang ist ein Prozess, den man seit etwa 1900 in unseren Dörfern beobachten kann. Was wir heute sehen, ist also meist nur der Typ eines Bauernhauses.
Es wäre langweilig 12x diesen Typ immer nur frontal zu fotografieren; ich werde mich bemühen, etwas Abwechslung zu zeigen. Außer dem Einzelgebäude will ich auch mal eine Reihe von Bauernhäusern fotografieren, vielleicht nur ein Detail an solch einem Haus zeigen oder auch mal ein noch nicht saniertes Bauernhaus bringen. Die Texte werde ich knapp halten, aber immer die Adresse bzw. den Ortsteil angeben.

Dietrich Lohse

Gemeinschaft trotz Abstand-Probe

42. Radebeuler Grafikmarkt in Zeiten von Corona

Wenn dieser Beitrag erscheint, befinden wir uns bereits zum zweiten Mal im Zustand der verstärkten kulturellen und sozialen Abstinenz. Museen, Kinos, Theater, Gaststätten, Konzert-, Vereins- und Kulturhäuser wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt oder bis auf Weiteres verschoben.

Dass der 42. Radebeuler Grafikmarkt vom 31.10. bis 1.11.2020, dem letzten Wochenende vor dem „Teil-Lockdown“, in der Elbsporthalle Radebeul-West stattfinden konnte, war mehr oder weniger Glück. Doch vom Grafikmarkt, wie wir ihn bisher kannten, unterschied sich dieser erheblich. Waren die Veranstalter in Vor-Corona-Zeiten immer sehr stolz auf die hohen Besucherzahlen, so versuchte man nun alles, um diese möglichst niedrig zu halten. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde auf das Notwendigste beschränkt. Die Erarbeitung von Hygienekonzepten hingegen kostete sehr viel Zeit. Bis zuletzt war man sich nicht sicher, ob diese Großveranstaltung würde stattfinden können.

Allerdings sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es immer wieder in der langen Geschichte des Radebeuler Grafikmarktes Situationen gab, wo dessen lückenlose Folge ernsthaft in Frage gestellt wurde. Das war z.B. 1990 durch die Auflösung der bisherigen Organisationsstrukturen (VUR 1990/12 „Grafikmarkt – nur noch eine Legende?“) und 2015 durch die brandschutzertüchtigende Umgestaltung der traditionellen Veranstaltungsräume (VUR 2015/10 „Der 37. Radebeuler Grafikmarkt zieht um von Ost nach West“) der Fall.

Das diesjährige Grafikmarktgeschehen konnte die Redaktion von „Vorschau und Rückblick“ aus unmittelbarer Nähe erleben. An beiden Tagen waren wir mit einem eigenen Stand vor Ort. Die Atmosphäre schien verständlicherweise ein wenig gedämpft. Einerseits freute man sich, dass der Grafikmarkt in Radebeul noch möglich war, andererseits lag über allem etwas Wehmut, wusste doch niemand, wie es danach weitergehen würde. Bei einem Großteil der freischaffenden Künstler ist die finanzielle Decke mehr als dünn. Das zweite Standbein, in Form von oftmals geringfügig vergüteten Tätigkeiten, brach für Viele ebenfalls weg.

Hatten sich in anderen Jahren bereits vor der Eröffnung des Grafikmarktes immer lange Schlangen gebildet, wartete diesmal nur eine Handvoll Interessierter unter Regenschirmen. Doch von Stunde zu Stunde trafen immer mehr Menschen ein. Trotzdem wirkte das Publikum in der 900 qm großen Elbsporthalle etwas verloren. Die Anzahl der Stände war deutlich reduziert. Auch sagten einige der angemeldeten Künstler kurzfristig ab.

Kamen in den Vorjahren an einem Tag in 8 Stunden ca. 4.000 Besucher, so wurden nun an zwei Tagen in 14 Stunden 887 Besucher gezählt. Es war nahezu paradox: Obwohl sich weniger Künstler präsentierten, wurden wesentlich mehr Helfer benötigt. Zusätzlich galt es die Besucher am Ein- und am Ausgang gewissenhaft zu zählen, denn es durften sich nicht mehr als 120 Besucher gleichzeitig in der Halle aufhalten. Außerdem war akribisch auf die Einhaltung aller Hygienevorschriften zu achten.

Die organisatorischen Fäden liefen beim zweiköpfigen Team der Stadtgalerie, Alexander Lange und Magdalena Piper, zusammen – erstmals auch unter Ober-Regie der neuen Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Lorenz. Spontan hatten sich viele ehrenamtliche Helfer gemeldet. Kollegen aus der Stadtverwaltung zeigten sich ämterübergreifend solidarisch. Kunstfreunde und Künstler halfen darüber hinaus beim Auf- und Abbau mit. Einige technische Neuerungen trugen zur Arbeitserleichterung bei. Dass es diesmal während des Grafikmarktes kein Gedränge gab, wurde als sehr angenehm empfunden. Die meisten Besucher kamen zielgerichtet, waren kauffreudig und sehr interessiert.

Fotos 1-5 Karin (Gerhardt) Baum

Zweifellos sind Grafikmärkte ganz besondere Märkte, bei denen – wie es der Name „Grafikmarkt“ besagt – das breite Spektrum der künstlerischen Druckgrafik im Mittelpunkt steht. Eine besondere Würdigung erfuhr dieses Genre im Jahr 2018 durch dessen Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.

Insgesamt hatten sich an zwei Tagen ca. 80 Künstler (je 40 Künstler im alphabetisch geordneten Wechsel) aus Radebeul, Dresden sowie der näheren und ferneren Umgebung mit ihren Werken präsentiert. Zum Verkauf wurden neben Grafiken auch Aquarelle, Collagen, Scherenschnitte, Fotografien, Künstlerbücher, Kalender, Karten u.v.m. angeboten. Unter den Teilnehmern befand sich in diesem Jahr der Fotograf Michael Lange aus Quoren, dessen Fotokalender von hiesigen Sammlern, als auch in Japan sehr geschätzt werden. Vertreten waren ebenso die Radebeuler Maler und Grafiker Markus Retzlaff und André Uhlig, bei denen man übrigens auch Kurse buchen kann, um verschiedene grafische Techniken einmal selbst auszuprobieren. Heiterkeit und Zuversicht strahlen die Cartoons des Radebeuler Karikaturisten Lutz Richter aus. Auch die einstige Mitbegründerin des Radebeuler Grafikmarktes, die 94-jährige Malerin und Grafikerin Lieselotte Poser, ließ es sich nicht nehmen, ihren Stand persönlich zu betreuen. Zusätzlich wurden Arbeiten aus den Nachlässen bereits verstorbener Künstler angeboten. Das diesjährige Grafikmarktplakat hatte der Freiberger Maler und Grafiker Holger Koch entworfen. Zu sehen sind darauf viele putzmuntere Vögel, die die fröhliche Botschaft verbreiten: Der Grafikmarkt lebt!

Wie gesagt, der Radebeuler Grafikmarkt ist für die Region ein wichtiger kultureller Höhepunkt, wo Kontakte geknüpft werden können, wo man sich zum Schauen, Plaudern, Fachsimpeln, Kaufen und Verweilen trifft.

Allen, die zum Gelingen des diesjährigen Grafikmarktes beigetragen haben, sei an dieser Stelle gedankt. Was allerdings die digitale Präsens des Radebeuler Grafikmarktes anbelangt, sollte man sich u. a. an der vorbildlichen Homepage des Dresdner Grafikmarktes orientieren. Was einem kleinen Dresdner Verein gelingt, müsste doch erst recht für eine Große Kreisstadt möglich sein.

Bleibt zu hoffen, dass der 43. Radebeuler Grafikmarkt im nächsten Jahr wieder mit Schaudrucken, Mal-Ecke, Künstlercafé und all seinen spezifischen Besonderheiten vollumfänglich stattfinden kann.

Karin (Gerhardt) Baum

1. Edition KünstlerKartenBox Radebeul

Ein Mensch malt, von Begeisterung wild,
Drei Jahre lang an einem Bild.
Dann legt er stolz den Pinsel hin
Und sagt: „Da steckt viel Arbeit drin.“
Doch damit wars auch leider aus:
Die Arbeit kam nicht mehr heraus.
(Eugen Roth)

Foto: M. Kratschmer

Im Ergebnis des unvorhersehbaren Wirkens eines kleinen Virus ist ein neues Wort entstanden, das nun seinerseits mit einem Keil die Gesellschaft in Gefahr bringt: Wer „systemrelevant“ ist, hält das Rad der Geschichte am Laufen. Wer nicht, kann zu Hause bleiben.

Auf diese Weise – und das ist das Gute daran – sind Berufsgruppen ins Rampenlicht geraten, die bisher beinahe unbemerkt ihren in der Regel schlecht bezahlten Dienst geleistet haben.

Andere – und das ist die arge Seite – werden kaum noch erwähnt. Zu dieser Gruppe zählen die Künstlerinnen und Künstler.? Die vom Rotary Club Radebeul initiierte Künstlerbox soll dem ein ganz kleines Stück entgegenwirken. Ach ja – die Künstler – „… die Arbeit kommt nicht wieder raus …“ ?Ist dass das Schicksal der Kunst? Ist dass das berühmte „Künstlerpech“?

Kunst ist so alt wie die Menschheit selbst und schon von daher mit modernen Maßstäben nicht zu messen. Wie die Menschheit selbst, ist sie an keinen Zweck gebunden. Wann und wo immer Menschen aufgetreten sind, zeugt Kunst von ihrem Wirken. ?Auf diese Weise kündet Kunst vom Leben selbst. Das Leben aber ist nicht „systemrelevant“, es ist größer als das System, das zu aller erst für den Erhalt des Lebens zu sorgen hat. Oder wozu könnte das System sonst da sein?

So ist die „Box“ auch geeignet, neu oder überhaupt erst einmal darüber nachzudenken, was wir als Gesellschaft mit dem „System“ eigentlich anrichten in der Welt. Mit der Verengung des Blickes auf ökonomische Zweckerfüllung und also auf „Systemrelevanz“ haben wir uns bereits sehr weit von unserer eigentlichen Aufgabe als Menschen entfernt. Das kleine Virus kann uns nun helfen, uns zu uns selbst zurückzuführen. Der sprichwörtliche „Blick über den Tellerrand“ (englisch „out oft the box thinking“) wird zur Überlebensstrategie: Was ist wichtig? Worauf können wir verzichten? Auf Kunst jedenfalls nicht.

Die Box kann dieser Botschaft zu Aufmerksamkeit verhelfen. Geschickt verteilt und verbreitet, kann sie es Künstlern ermöglichen, ihrerseits „out of the box“ zu springen und neue Wirkungsfelder zu erschließen. Vielleicht kommt ja am Ende doch etwas „raus“.

Die Idee der KünstlerKartenBox entstand Ende des Jahres 2019 im Rotary Club Radebeul. Im Sommer 2020 wurden Künstler in und um Radebeul angefragt, ob sie Interesse an einer Präsentation in dieser KünstlerKartenBox haben. 34 Künstlerinnen und Künstler haben sich gemeldet und sind mit einer Faltkarte darin vertreten. Die Teilnahme war kostenfrei.

Je eine Faltkarte enthält neben Daten zum jeweiligen Künstler auch ein ausgewähltes Werk als Postkarte. Für 29 EUR eignet sich die Box somit zum Verschenken und Selberschenken. Insgesamt bietet die KünstlerKartenBox Radebeul einen Einblick in das vielfältige Kunstschaffen unserer Region.

Der Verkaufsstart der Box ist für das 2. Adventswochenende im Rahmen des „Adventszaubers“ auf Schloss Wackerbarth geplant. Dort wird sie auch im Verkaufs-Shop zum Kauf angeboten. Darüber hinaus ist geplant sie z.B. in der Radebeuler Tourist-Information, dem „touristischen Informationspunkt in Radebeul-West“, der Galerie Weitblick, im Shop der Hoflößnitz und der Weinhandlung Andrich anzubieten.

Das Staatsweingut Schloss Wackerbarth unterstützt das Projekt weitergehend: Es bietet u.a. den KünstlerInnen die Möglichkeit der Präsentation eines ihrer Werke, um diese zum Verkauf anzubieten. Eine weitere Ausstellung im 1. Quartal 2021 ist angedacht.

Der Verkaufserlös fließt zu 100% in Kunst- und Kulturprojekte oder kommen direkt Kunstschaffenden zugute. Die Erstauflage der KünstlerKartenBox beträgt 500 Exemplare.

Zur Titelbildserie

Vorangestellt sei ein Dankeschön an die Radebeuler Malerin und Grafikerin Bärbel Kuntsche, welche ihre Grafiken für unsere aktuelle Titelbildserie zur Verfügung stellte. Andererseits hat sie sich wiederum über die positive Resonanz von Lesern und Künstlerkollegen gefreut.

Das Titelbild (Offsetdruck 2001, überarbeitet 2020) der Dezember-Ausgabe zeigt einen ruhenden Engel. Obwohl dieses geflügelte Wesen eindeutig weiblich ist, sagt man noch immer „der Engel“ statt „die Engelin“ und niemanden scheint das zu stören. Erfrischend unbekümmert präsentiert er sich in seiner drallen Nacktheit, ungeachtet der winterlichen Temperaturen. Die weichen Rundungen stehen im Kontrast zu den streng strukturierten Weinhängen im Hintergrund. Es scheint, als wolle er träumend zwischen dem alten und dem neuen Jahr ein wenig innehalten, um für alles Kommende mit frischer Kraft gewappnet zu sein.

Es waren Künstler, die den Engeln eine Gestalt verliehen haben. Sie begegnen uns in Kirchen, auf Friedhöfen und in Museen als musizierende, singende, trauernde, verkündende, lobpreisende, gefallene, strafende oder tröstende Wesen. Die Faszination für Engel ist bis heute ungebrochen und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Als Schutzengel verschiedenster Art begleiten sie den Alltag vieler Menschen.

Auch im Schaffen von Bärbel Kuntsche finden sich Engel als Motiv. Fragen nach einer rationalen Erklärung beantwortet die Künstlerin mit einem Lächeln. Dass sich zahlreiche dieser Arbeiten in öffentliche und private Sammlungen befinden, spricht für sich.

Karin (Gerhardt) Baum

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Krüger–Villa, Neue Straße 12

Foto: D. Lohse

Flurstücks-Nr. 69-1, 69-2, Gemarkung Kötzschenbroda

Meine Tochter, eine aufmerksame Vorschau-Leserin, riet mir neulich, mal wieder was zu schreiben, was nicht so nach erhobenem Zeigefinger aussieht – vermutlich dachte sie dabei an meinen Artikel über die bauliche Entwicklung von Niederlößnitz.

Dieser Rat führt mich in direkter Linie zu einer Denkmalbeschreibung in meinem Wohnbereich, zur Krüger-Villa, was ich schon seit ein paar Jahren vor hatte. Für das Treffen mit dem Miteigentümer der Villa, Herrn Dr. Krüger, hatte ich einen kleinen Fragespiegel vorbereitet, darunter die Fragen, wie hängen die Initialen W und H im schmiedeeisernen Tor mit dem Namen Krüger zusammen und auch, warum hatte die gleiche Villa den eigenartigen Namen Berliner Villa?

Nordansicht, vor 1929 Foto: Fam. Krüger

Als ich zur vereinbarten Zeit am Tor klingle, ist der Arzt, der gerade frei hat, bei der Gartenarbeit. Nach freundlicher Begrüßung, möchte ich zuerst durch den Garten gehen, weil es am Nachmittag bald dunkel wird und ich gern noch ein paar Fotos machen möchte. Die weitere Unterhaltung findet in erfrischend ungezwungener Atmosphäre im Salon in der oberen Etage statt. Wir wollen erst mal die Eigentümerfolge mit seiner Hilfe in eine Reihe bringen, dabei werden schon die ersten Fragen beantwortet.

1858 Friedrich Wilhelm Jürgens, Drechslermeister aus Berlin, war der Erbauer und erster Eigentümer, daher Berliner Villa. Der Entwurf wird dem bekannten Architekten Adolf Neumann zugeschrieben.

1862 Erfolgt der Verkauf an Karl Friedrich Rost. Er veranlaßt den Bau der Remise.

1865 Ein neuer Eigentümer, Herr J. T. Stechlich, erscheint im Register.

1886 Erwirbt Frau Johanna Julia Weise das Anwesen.

1891 Kommt es zum Verkauf an Woldemar Herrnsdorf / Rentier und Privatier (ist der Urgroßvater der heutigen Eigentümer), da hin gehören die Buchstaben „W“ und „H“ am Tor. Es erben das Grundstück seine Tochter Johanna und sein Sohn Edwin mit deren Ehepartnern Rudolf Krüger (Landgerichtsdirektor) und Charlotte Herrnsdorf, geb. Krüger. (Rudolf Krüger ist der Großvater der heutigen Eigentümer).

Südansicht, 1968 Foto: H. Sparbert

1944 Erfolgt eine Erbteilung der Radebeuler Villa und anderer Immobilien
außerhalb Radebeuls. Ab da ist die Villa Eigentum von Horst-Rudolf Krüger
/ Arzt (Vater der heutigen Eigentümer) und Ursula Krüger.

1993 Werden Bettina Röder, geb. Krüger / Journalistin in Berlin und Rolf-Achim Krüger / Arzt die Eigentümer von Grundstück und Villa.

Bei der Eigentümerfolge lohnt es sich, die Zeit unter Woldemar Herrnsdorf etwas näher zu betrachten, in der das Grundstück, eine frühere Kötzschenbrodaer Feldflur, fast doppelt so groß war und im Süden bis an die Eisenbahntrasse reichte. Der Privatier mußte gute Verbindungen gehabt haben, heute würde man es als gut vernetzt bezeichnen, denn es genügte ein Anruf am Vortag zur Bahndirektion, wenn er die Absicht hatte mit dem Zug zu fahren. Dann hielt der Personenzug für Herrn Herrnsdorf kurz an seinem Grundstück auf freier Strecke – heute unvorstellbar! Später in seiner Aera wurde die heutige Bernhard-Voss-Straße vollendet und sein Grundstück zergliedert, es hat aber immer noch eine stattliche Größe. Das Grundstück teilte sich früher in einen an die Meißner Straße angrenzenden Park auf der Nordseite, einen Hofbereich in der Mitte und einen Obst- und Gemüsegarten im Süden bis zur Bernhard-Voss-Straße. Das änderte sich erst, als der Arzt Dr. Rolf-Achim Krüger 1993 die Absicht hatte, im südlichen Teil des Grundstücks einen Neubau für seine Praxis zu errichten. Dadurch wurde ein Teil des Gartens aufgegeben.

Südseite, Blick vom Tor, 2020 Foto: D. Lohse

Lange Zeit wurde die Villa, wie das üblich war, nur von einer Familie bewohnt. Nach 1945 jedoch fanden in einer Übergangszeit vier Familien (Ausgebombte, Umsiedler) Unterkunft.

Heute wohnt außer Familie Krüger hier noch eine Familie zur Miete.

Für die Villa liegt ein erster Entwurf aus dem Jahr 1858 mit einem flachen Walmdach vor. Die heutige, zweigeschossige Villa ist vierseitig abgewalmt und hat einen Flachdachbereich. Die Proportionen mit 7 x 3 Fenster- bzw. Türachsen sind ausgewogen, der Entwurf im Stil des Spätklassizismus entspricht der Dresdner Nicolai-Schule. Beide Längsseiten haben mittig einen dreiachsigen Risalit, der jeweils durch ein flaches Giebeldreieck abgeschlossen wird. Alle vier Fassaden sind gestalterisch gleich behandelt und haben horizontale und vertikale Gliederungselemente; zu den horizontalen zählen außer den leicht auskragenden Fensterverdachungen das Traufgesims, ein umlaufendes Putzband (Höhe Fensterbank OG), ein kräftiges Gesimsband (Höhe Geschoßdecke) und ein Sockelgesims, vertikale Putzquaderungen markieren die Haus-, bzw. Risalitecken, ebenfalls vertikale Gestaltungselemente sind die stehenden Fensteröffnungen. Die massiven Außenwände (wohl Naturstein und Mauerwerk) tragen seit der Bauzeit Glattputz. Die Fassaden haben, entsprechend der klassizistischen Villa, eine helle, zurückhaltende Farbigkeit, der Fond ein sehr helles Ocker, die Gliederungselemente ein helles Steingrau. Das Dach war und ist mit Schiefer gedeckt. Die oben dargestellte Dachform wird durch zwei Gaupen auf der Ostseite (hier dürften sich Zimmer für Hauspersonal befunden haben) und wenige Dachliegefenster aus jüngster Zeit ergänzt. Die Schornsteine stehen im Flachdachbereich und tragen keramische Rauchrohre, eine Gestaltung, die an englische Landhäuser erinnert und in Radebeul selten geworden ist.

Loggia und Balkon, Nordseite, 2020 Foto: D. Lohse

Während der kleine Altan auf der Hofseite von Anfang an besteht, erfolgen 1891 neben einem Umbau des Walmdachs an der Nordseite der Anbau einer Terrasse und eines großen Balkons. Auf der Hofseite entsteht ein Eingangspodest unter dem Altan. Dabei lehnt man sich außer der Farbgebung (die Villa wird grün gestrichen) gestalterisch an den Ursprungsbau an. Einen Unterschied erkennt man auch an der Gestaltung der Eisengeländer, das ältere ist schlichter. Das Haus ist voll unterkellert und die Kellerwände ragen etwa zur Hälfte über das Gelände. Dadurch sind zumindest die Kellerräume der Südseite gut nutzbar – da waren die Küche (mit Lastenaufzug) und der Aufenthalt für den Kutscher (zZ. von Herrnsdorf hieß der Kutscher Tamm, fuhr die Herrschaft zunächst mit Kutsche und zwei Pferden und später mit dem ersten Auto von Kötzschenbroda). Lange Zeit gab es keine Bäder auf den Etagen, da mußte man das Bad im Keller nutzen. Einen Weinkeller dürfen wir im ursprünglichen Keller auch vermuten. Die innere Ausstattung enthält außer der großzügig gewendelten Steintreppe noch einige Originalteile, deren Aufzählung diesen Rahmen sprengen würde. Es existieren noch zwei Kachelöfen aus der Entstehungszeit, die aber bei meinem Besuch leider nicht zugänglich waren.

Während unseres Gesprächs zeigte mir Dr. Krüger eine ältere Postkarte mit der Straßenansicht der Villa, wohl von 1929, die Ansicht erscheint auf den ersten Blick unverändert zu heute. Beim zweiten Blick allerdings offenbaren sich jedoch ein paar Veränderungen: heute fehlen die Dachreling, ein niedriges, oberes Geländer, ebenfalls ein Akanthusblatt (wohl Sandstein) und zwei Vasen (möglicherweise Zink) am Giebeldreieck, Jalousien mit Schabracken an allen Fenstern, Schmuckelemente auf der Balkonbrüstung und die beiden Postamente mit Vasen im Park sind inzwischen andere. 1962/63 erfolgte eine umfangreiche Sanierung des Hauses, bei der die Fassade unter Beratung von Architekt Dr. Bernhard Klemm, Dresden, wieder dem Originalzustand angenähert wurde.

Zur Remise, einem 1862 errichten Zweckbau, ist zu sagen, daß ursprünglich eine Kutsche, zwei Pferde und eine Waschküche zu ebener Erde und darüber ein Stauraum für Heu mit Lukarne und eine Kammer für den Pferdeburschen untergebracht waren. Da hat sich über die Jahre etwas geändert, heute sind hier zwei Garagen und darüber eine kleine Ferienwohnung für gelegentliche Aufenthalte für die Familie Röder.

Teil der Einfahrt mit südlicher Torsäule, 2020 Foto: D. Lohse

Der Praxisneubau wurde 1993 projektseitig von Architekt Bernd betreut und ist maßvoll modern, so daß hier insgesamt ein harmonisches Gebäudeensemble aus verschiedenen Bauzeiten entstanden ist.

Natürlich muß ich auch noch auf den Park und den Hof eingehen. Der Park in den Formen von 1858 ist das logische Zubehör zu einer Villa des 19. Jh. und wurde über die Jahre immer so beibehalten. Der Hof hat eine funktionelle Notwendigkeit und der Garten stellte früher die teilweise Selbstversorgung sicher. Das Rasenparterre bildet mit einem Springbrunnen und den zwei Vasen die Mitte, axiale Wege führen durch den kleinen Park. Verschiedene Bäume, darunter auch Exoten, stehen in lockerer Gruppierung an den Rändern, u.a. Nadelbäume, mehrere Linden, eine Rotbuche, eine stattliche Magnolie sowie ein Ginkgo nahe der Einfahrt. Das einladende Tor an der Neuen Straße besteht aus, zwei kräftigen Sandsteinpfeilern mit obeliskartigen Aufsätzen und schmiedeeisernen Flügeln, darin die o.g. Buchstaben W und H. Da die straßenseitige Einfriedung aus wechselnden Abschnitten von Sandsteinmauern und aufwändigen Eisenzäunen ein paar Einblicke gestattet, kann man sich als Vorübergehender das ganze Jahr über an dem schönen Park erfreuen – an der Magnolienblüte, dem Plätschern des Brunnens, der Laubfärbung oder einem Hauch von Raureif. Im Hof erkennen wir einen Geräteschuppen, eine Reihe von Linden, die früher auf Kopf gesetzt waren, sowie einen Brunnen mit Schwengelpumpe.

Wir finden hier ein Beispiel, wo das gesamte Anwesen über mehrere Generationen, auch in schweren Zeiten, erhalten und gepflegt wurde und höchsten denkmalpflegerischen Ansprüchen gerecht wird. Ich danke Herrn Dr. Krüger für ein gutes Gespräch und Unterstützung meiner Recherche.

Dietrich Lohse

Literaturhinweis:
Denkmaltopografie der BRD / Sachsen / Stadt Radebeul, Volker Helas u. Autorenkollektiv, Sax-Verlag, 2007

Lößnitzstadt Radebeul, Gottfried Thiele, Radebeuler Edition, wohl 2003

Abschied, Trauer und Dankbarkeit

Zum Tod von Matthias Henkel

Pressefoto Landesbühnen Sachsen

Seit 1994 schreibe ich in „Vorschau & Rückblick“ über Schauspielpremieren an den Landesbühnen Sachsen. Nicht alle konnte ich seither wahrnehmen – dazu waren es viel zu viele; nicht jede hat mich interessiert – dafür war die thematische Breite zu groß, aber ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass ich in den mehr als 25 Jahren aufmerksamer Begleitung eine intensive Beziehung zum Haus an sich und zu den Schauspielern im Speziellen aufgebaut habe. Die allermeisten von ihnen wissen das gar nicht, aber das ist kein Problem für mich. Ganz im Gegenteil: So konnte und kann noch immer meine Bewunderung im Stillen wachsen, konnte und kann diese einseitige Beziehung von mir als Zuschauer zu einzelnen Akteuren reifen und sich in der anonymen Begegnung zwischen dunklem Saal und heller Bühne ausformen. Unter all den Schauspielerinnen und Schauspielern, die ich im Laufe der Zeit kommen, bleiben aber vielfach auch gehen sah, ist Matthias Henkel einer derjenigen gewesen, dessen Auftritte ich immer besonders genoss. Er war schon da, als meine Theaterleidenschaft als junger Erwachsener erwachte. Eine meiner allerersten Begegnungen mit ihm hatte ich im November 1994 in seiner Rolle als Biff in Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“. Ich habe ihn noch immer vor Augen und in den Ohren, in dieser für ihn so typischen melancholischen Gebrochenheit, die eine Verletzbarkeit unter der mannhaften Oberfläche erfahrbar machte. Aber Henkel konnte natürlich auch ganz anders in seinen großen Rollen, so etwa als Draufgänger (Karl Mohr in Schillers „Räuber“), Zweifler (Hamlet) oder jugendlicher Naivling (Michael Kuppisch in „Sonnenallee“). Im März 2018 agierte Henkel – damals im 30. Jahr an den Landesbühnen und damit schon fast der Doyen unter den Akteuren – als König Theseus in der umjubelten Premiere von Shakespeares „Sommernachtstraum“ und überließ die stürmischen Rollen längst den jüngeren Kollegen. Es war eine seiner letzten Partien. Vor fast genau 14 Jahren wurde Henkel als Salieri in Peter Shaffers Erfolgsstück „Amadeus“ besetzt. In meiner Besprechung schrieb ich im Heft 12/2006: „Henkels Leistung verdient nicht nur wegen des enormen Textumfangs großen Respekt, sondern vor allem auch, weil er trotz sehr beanspruchter Stimme die Aufführung fabelhaft zu Ende brachte.“ Ja, Henkel war ein Profi durch und durch, aber er musste auch kämpfen, vor allem in den letzten Jahren, als seine Konstitution unter dem Einfluss einer hartnäckigen Krankheit litt. Deswegen war er seit vielen Monaten, auch schon vor Corona, nicht mehr auf der Bühne zu sehen gewesen, machten sich seine Fans schon Sorgen. Sie waren nicht unbegründet. Am 15. November verstarb Matthias Henkel in Dresden. Für die Landesühnen ist das ein großer Verlust an künstlerischer Kraft, dem Publikum ist ein Sympathieträger genommen. Es bleibt zurück in Trauer, aber in Dankbarkeit über viele beglückende Theaterabende.

Bertram Kazmirowski

Gemeinschaft trotz Abstand

42. Radebeuler Grafikmarkt in Zeiten von Corona

Wenn dieser Beitrag erscheint, befinden wir uns bereits zum zweiten Mal im Zustand der verstärkten kulturellen und sozialen Abstinenz. Museen, Kinos, Theater, Gaststätten, Konzert-, Vereins- und Kulturhäuser wurden geschlossen, Veranstaltungen abgesagt oder bis auf Weiteres verschoben.

Dass der 42. Radebeuler Grafikmarkt vom 31.10. bis 1.11.2020, dem letzten Wochenende vor dem „Teil-Lockdown“, in der Elbsporthalle Radebeul-West stattfinden konnte, war mehr oder weniger Glück. Doch vom Grafikmarkt, wie wir ihn bisher kannten, unterschied sich dieser erheblich. Waren die Veranstalter in Vor-Corona-Zeiten immer sehr stolz auf die hohen Besucherzahlen, so versuchte man nun alles, um diese möglichst niedrig zu halten. Die Öffentlichkeitsarbeit wurde auf das Notwendigste beschränkt. Die Erarbeitung von Hygienekonzepten hingegen kostete sehr viel Zeit. Bis zuletzt war man sich nicht sicher, ob diese Großveranstaltung würde stattfinden können.

Allerdings sei in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass es immer wieder in der langen Geschichte des Radebeuler Grafikmarktes Situationen gab, wo dessen lückenlose Folge ernsthaft in Frage gestellt wurde. Das war z.B. 1990 durch die Auflösung der bisherigen Organisationsstrukturen (VUR 1990/12 „Grafikmarkt – nur noch eine Legende?“) und 2015 durch die brandschutzertüchtigende Umgestaltung der traditionellen Veranstaltungsräume (VUR 2015/10 „Der 37. Radebeuler Grafikmarkt zieht um von Ost nach West“) der Fall.

Das diesjährige Grafikmarktgeschehen konnte die Redaktion von „Vorschau und Rückblick“ aus unmittelbarer Nähe erleben. An beiden Tagen waren wir mit einem eigenen Stand vor Ort. Die Atmosphäre schien verständlicherweise ein wenig gedämpft. Einerseits freute man sich, dass der Grafikmarkt in Radebeul noch möglich war, andererseits lag über allem etwas Wehmut, wusste doch niemand, wie es danach weitergehen würde. Bei einem Großteil der freischaffenden Künstler ist die finanzielle Decke mehr als dünn. Das zweite Standbein, in Form von oftmals geringfügig vergüteten Tätigkeiten, brach für Viele ebenfalls weg.

Hatten sich in anderen Jahren bereits vor der Eröffnung des Grafikmarktes immer lange Schlangen gebildet, wartete diesmal nur eine Handvoll Interessierter unter Regenschirmen. Doch von Stunde zu Stunde trafen immer mehr Menschen ein. Trotzdem wirkte das Publikum in der 900 qm großen Elbsporthalle etwas verloren. Die Anzahl der Stände war deutlich reduziert. Auch sagten einige der angemeldeten Künstler kurzfristig ab.

Kamen in den Vorjahren an einem Tag in 8 Stunden ca. 4.000 Besucher, so wurden nun an zwei Tagen in 14 Stunden 887 Besucher gezählt. Es war nahezu paradox: Obwohl sich weniger Künstler präsentierten, wurden wesentlich mehr Helfer benötigt. Zusätzlich galt es die Besucher am Ein- und am Ausgang gewissenhaft zu zählen, denn es durften sich nicht mehr als 120 Besucher gleichzeitig in der Halle aufhalten. Außerdem war akribisch auf die Einhaltung aller Hygienevorschriften zu achten.

Die organisatorischen Fäden liefen beim zweiköpfigen Team der Stadtgalerie, Alexander Lange und Magdalena Piper, zusammen – erstmals auch unter Ober-Regie der neuen Kulturamtsleiterin Dr. Gabriele Lorenz. Spontan hatten sich viele ehrenamtliche Helfer gemeldet. Kollegen aus der Stadtverwaltung zeigten sich ämterübergreifend solidarisch. Kunstfreunde und Künstler halfen darüber hinaus beim Auf- und Abbau mit. Einige technische Neuerungen trugen zur Arbeitserleichterung bei. Dass es diesmal während des Grafikmarktes kein Gedränge gab, wurde als sehr angenehm empfunden. Die meisten Besucher kamen zielgerichtet, waren kauffreudig und sehr interessiert.

Fotos 1-5 Karin (Gerhardt) Baum

Zweifellos sind Grafikmärkte ganz besondere Märkte, bei denen – wie es der Name „Grafikmarkt“ besagt – das breite Spektrum der künstlerischen Druckgrafik im Mittelpunkt steht. Eine besondere Würdigung erfuhr dieses Genre im Jahr 2018 durch dessen Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes.

Insgesamt hatten sich an zwei Tagen ca. 80 Künstler (je 40 Künstler im alphabetisch geordneten Wechsel) aus Radebeul, Dresden sowie der näheren und ferneren Umgebung mit ihren Werken präsentiert. Zum Verkauf wurden neben Grafiken auch Aquarelle, Collagen, Scherenschnitte, Fotografien, Künstlerbücher, Kalender, Karten u.v.m. angeboten. Unter den Teilnehmern befand sich in diesem Jahr der Fotograf Michael Lange aus Quoren, dessen Fotokalender von hiesigen Sammlern, als auch in Japan sehr geschätzt werden. Vertreten waren ebenso die Radebeuler Maler und Grafiker Markus Retzlaff und André Uhlig, bei denen man übrigens auch Kurse buchen kann, um verschiedene grafische Techniken einmal selbst auszuprobieren. Heiterkeit und Zuversicht strahlen die Cartoons des Radebeuler Karikaturisten Lutz Richter aus. Auch die einstige Mitbegründerin des Radebeuler Grafikmarktes, die 94-jährige Malerin und Grafikerin Lieselotte Poser, ließ es sich nicht nehmen, ihren Stand persönlich zu betreuen. Zusätzlich wurden Arbeiten aus den Nachlässen bereits verstorbener Künstler angeboten. Das diesjährige Grafikmarktplakat hatte der Freiberger Maler und Grafiker Holger Koch entworfen. Zu sehen sind darauf viele putzmuntere Vögel, die die fröhliche Botschaft verbreiten: Der Grafikmarkt lebt!

Wie gesagt, der Radebeuler Grafikmarkt ist für die Region ein wichtiger kultureller Höhepunkt, wo Kontakte geknüpft werden können, wo man sich zum Schauen, Plaudern, Fachsimpeln, Kaufen und Verweilen trifft.

Allen, die zum Gelingen des diesjährigen Grafikmarktes beigetragen haben, sei an dieser Stelle gedankt. Was allerdings die digitale Präsens des Radebeuler Grafikmarktes anbelangt, sollte man sich u. a. an der vorbildlichen Homepage des Dresdner Grafikmarktes orientieren. Was einem kleinen Dresdner Verein gelingt, müsste doch erst recht für eine Große Kreisstadt möglich sein.

Bleibt zu hoffen, dass der 43. Radebeuler Grafikmarkt im nächsten Jahr wieder mit Schaudrucken, Mal-Ecke, Künstlercafé und all seinen spezifischen Besonderheiten vollumfänglich stattfinden kann.

Karin (Gerhardt) Baum

Grußwort von Wenzel

Foto: S. Graedtke

Liebe Vorausschauende und Zurückblickende!

Gerne wäre ich heute an Eurem dreißigsten Geburtstag bei Euch. Ich feiere für mein Leben gern dreißigste Geburtstage. Meiner liegt leider schon eine Weile zurück. Es erfreut mich, wenn ich auf intelligente Dreißigjährige treffe oder, wie in diesem Fall, zumindest eingeladen werde zu ihrer Feier und also im Geiste dabei sein kann.

Es ist schön, dass es in diesen Zeiten, wo so viel gebrüllt und behauptet wird, kleine Vereine gibt, die eine sanfte Kultur am Leben erhalten und beleben. Schön, dass ich mit einigen meiner Texte dabei behilflich sein konnte.

Ich erhebe mein Glas Wein (natürlich aus Eurer Region!!!) auf Euch und leere es (in diesem Falle leider nur symbolisch) mit den besten Wünschen für die nächste Zeit. Haltet durch, ruft

WENZEL

Geburtstagsrede der Vereinsvorsitzenden zum 30.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Herr Wendsche, sehr geehrte Amtsleiterin für Kultur und Tourismus, Frau Lorenz, liebe Förderer des Radebeuler Monatsheftes „Vorschau & Rückblick“, liebe Mitglieder dieses Vereins, einschließlich der Redaktionsmitglieder, lieber Chefredakteur Sascha Graedtke, liebe Antje Herrmann, lieber Gastgeber Frank Andert,

was für ein Jahr! Na, wir feiern unseren 30. Geburtstag, genauso wie die Macher der Herbst-und Weinfeste oder die Familieninitiative, um nur zwei zu nenen. Das diese Feierlichkeiten stattfinden konnten, ist engagierten Menschen, vorwiegend aus der schönen Stadt Radebeul, zu verdanken. Menschen, die nicht müde werden, fast täglich ihre Kraft, ihre Ideen, ihren Elan einzusetzen, in Radebeul und Umgebung

Einmaliges Dauerhaftes zu schaffen. Ich denke, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, darüber können Sie und wir uns sehr freuen!

Und wir freuen uns heute darüber, dass wir bei der Stiftung Hoflößnitz zu Gast sein dürfen. Vielen Dank dafür! Mein Dank geht heute natürlich auch an alle, die sich, in welcher Form auch immer, am Entstehen und Bestehen von „Vorschau & Rückblick beteiligen. Das sind einmal das Redaktionskollegium mit Sascha Graedtke an der Spitze, das sind die zahlreichen anderen Redakteure, die durch ihre Beiträge das Heft bereichern, das sind die über 70 Mitglieder, die durch ihre Mitgliedsbeiträge die Herstellung des Heftes ermöglichen. Das sind die zahlreichen Annoncengeber, durch deren Geld das Layout und der Druck realisiert werden kann. Manche von ihnen sind treu fast vom ersten Heft an.

Last, but not least, die Stadt Radebeul, die uns von Anfang an mit Fördermitteln unterstützt.

Und wir können uns in diesem Jahr über ein ganz besonderes Geschenk freuen: Hanna Kazmirowski, die Tochter unseres verdienstvollen Vorstands- und Redaktionsmitgliedes Bertram Kazmirowski, hat sich in einer Dokumentation im Rahmen ihrer Abiturprüfung am Romain-Rolland-Gymnasiums unserem Monatsheft gewidmet. Mit dem Titel: „Vom Kampf um die Freiheit des Wortes: Eine Radebeuler Monatszeitschrift im Kontext gesellschaftlicher Umbrüche zwischen 1954 – 1963 und 1989 – 1993“ ging sie Entstehen und Niedergang und Auferstehung, wie „Phönix aus der Asche“, um mal das letzte Motto des Herbstfestes zu gebrauchen, für „Vorschau & Rückblick“ auf den Grund. Die vorliegende Arbeit von 84 Seiten zeigt uns einmal, dass wir uns über unser Durchhaltevermögen trotz Widrigkeiten in den Anfangsjahren, über die 30 freuen können, aber dass wir uns auch darüber freuen können, zu welchen Leistungen junge Menschen, hier Hanna, in der Lage sind, wenn sie sich für etwas interessieren.

Toll und danke Hanna!

Nun komme ich nochmal zu unserem Redaktionskollegium: Ein großer Teil unseres Teams schreibt ja mehr oder weniger seit unserem 1. Heft im Mai 1990. Aber keiner von uns hat so viele Beitrage geliefert, wie unser Wolfgang Zimmermann, genannt WOZI. Aus gesundheitlichen Gründen hat Wolfgang nun unsere Redaktion verlassen. Über eine Würdigung seiner Mitarbeit haben wir uns Gedanken gemacht und nun überreichen wir Dir, lieber Wolfgang, die Ehrenurkunde zur Ehrenmitgliedschaft im Redaktionskollegium. Ulrike, als Fachfrau, hat sie handgefertigt.

Mit dieser Würdigung beende ich meine kleine Rede und bitte Sie, auf unsere aller Wohl und Gesundheit mit mir anzustoßen. Zum Wohl!

Ich übergebe das Wort an den Oberbürgermeister.

Ilona Rau

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