Eine persönliche Zeitreise ins Jahr 1963 – oder Aktennummer S 14.12

Hätten Sie, liebe Leserin und Leser, gewusst, was Sie vor fast 60 Jahren für Spuren in Radebeul hinterlassen haben? Ja, das ist eine schwierige Frage. Zu dem Zeitpunkt war ich Schüler an einer „höheren Töchterschule“, genauer gesagt der Radebeuler EOS (Erweiterte Oberschule) und ich erinnerte mich jetzt, dass ich damals mit einer Jahresarbeit, heute würde man vielleicht von Projektarbeit sprechen, beschäftigt war, die mir sogar Spaß gemacht haben dürfte, aber meine Erinnerungen daran waren eher schwach. Im Frühjahr 2022 fragte ich im Radebeuler Stadtarchiv an und siehe da …!

Deckblatt der Schülerarbeit


1963, da stand die Mauer in Deutschland schon zwei Jahre und ich ging in die 11. Klasse, waren wir mit einer Jahresarbeit beschäftigt. Das Thema konnte man sich selbst aussuchen, es sollte am besten für mehrere Fächer übergreifend sein, man musste es dem Klassenlehrer vorstellen und bestätigen lassen, dann konnte man loslegen. Ich hatte mich für das Thema „Städtebauliche Entwicklung der Stadt Radebeul“ entschieden, was die Fächer Geschichte, Geografie und Kunsterziehung berührte. Da hieß es erst mal Fakten sammeln. Es fing mit Besuchen im damaligen Stadtarchiv bei Herrn Paul Brüll an, dann waren Gespräche mit Fachleuten im Bauwesen und in der Stadtverwaltung nötig und Fotostreifzüge mit dem Rad durch Radebeul – alles neben der normalen Arbeit in der Schule. Die Faktensammlung und meine Schlussfolgerungen daraus wuchsen, als ich abgeben konnte, waren es 25 Blatt A4. Ich glaube, die Arbeit wurde mit einer „2“ bewertet. Genau weiß ich das nicht, denn das Original blieb in der Schule und existiert nicht mehr. Aber ich hatte ja auf eine Bitte von Herrn Brüll ein Duplikat meiner Arbeit im Stadtarchiv abgegeben. An dieser Stelle möchte ich ein Lob an das Radebeuler Stadtarchiv loswerden: ich hätte nicht gedacht, dass bei sicherlich viel höheren Prioritäten in dieser Einrichtung etwas so Nebensächliches wie eine Schülerarbeit unter der Registrierung S 14.12 so lange verwahrt und dann auch noch sofort gefunden würde, Dank dafür!

Wohnblock in Serkowitz


Nun liegt vor mir eine Kopie des Archivexemplars und ich überlege, wie ich das Thema heute, wenn es denn gefordert würde, bearbeitet hätte. Beim Durchlesen hatte ich tatsächlich so etwas wie ein Wechselbad der Gefühle. Da findet man doch Vieles, was heute durchaus noch Gültigkeit hat, da hatte der Schüler einiges richtig erkannt. Die Topografie, die Geologie und Bodenverhältnisse, die 10 Dörfer, die über die Jahrhunderte langsam zusammenwuchsen, all das sind gültige Fakten. Bei den Kapiteln Klima und Landwirtschaft erkennt man schon eine Entwicklung zu 1963 – damals wurde Radebeul als sächsisches Nizza bezeichnet, heute könnte man fast von sächsischer Sahara sprechen. Damals glaubte man an Wachstum, also dass die Einwohnerzahl kontinuierlich steigen würde – aber schon einige Jahre stehen wir bei 33 bis 34 000 Einwohnern. Der Schüler erkannte auch, dass Radebeul keine Stadt im klassischen Sinn ist, sondern aus einem Konglomerat von Dörfern entstanden ist, was das Fehlen eines ursprünglichen Rathauses, eines zentralen Marktplatzes und von Stadtmauern zeigt. Stattdessen stehen unsere Mauern in den Weinbergen. Das Fehlen eines Stadtzentrums wollte der eifrige Schüler künftig durch die städtebauliche Entwicklung der Stadtmitte kompensieren (zu dem Zeitpunkt entstanden, glaube ich, die ersten Hochhäuser in Frankfurt am Main). So weit, so gut, aber muss es gleich ein solches Hochhaus neben dem Lößnitzbach und dem „Weißen Roß“ sein? Den Ansatz hatte nach 1990 ein westlicher Berater in der Stadtverwaltung Radebeul auch gehabt, als dann die Sparkasse, die AOK und noch ein Gebäude entstanden.

Blick vom »Weißen Roß« auf das künftige Zentrum


Es ist noch nicht so lange her, da hat man das höhere Haus von „Glasinvest“ wieder abgerissen. Andere Ideen sind dann aber Wirklichkeit geworden, wie eine S-Bahn durch Radebeul. Bei weit weniger Autos als heute (gut, ein paar Trabis, Wartburgs, Skodas und Moskwitschs gabs schon) fiel diesem Schüler schon auf, dass sich der Verkehr in der Längsachse Radebeuls nicht flüssig genug bewegte. Er meinte, dass mit einer neuen Elbtalstrasse dieses Problem zu lösen sei. Aber das Problem war bisher kaum zu lösen – wären weniger Autos vielleicht die Lösung? Fassen wir zusammen: mit der Analyse des Bestandes klappte es in seiner Arbeit besser als mit dem Ausblick! Na und von Radebeul als künftiger sozialistischer Stadt träumt heute auch keiner mehr.

Der Verfasser 1963


Die vielen Schwarz-Weiß-Fotos sind heute wichtige Zeitdokumente und geben den Charakter Radebeuls recht gut wieder. Dagegen sind die Skizzen des Schülers zwar informativ, zeigen aber noch eine kindliche Federführung, eben verbesserungswürdig.

Ach ja, im Vorwort fiel mir ein folgenschwerer Satz auf – ich wolle meine eigenen Pläne als künftiger Bauingenieur oder Architekt gern mit dem Wohl der Stadt Radebeul verbinden. Da war offenbar mein erster Berufswunsch als Oberförster schon vom Tisch! Der Satz war dann 1991 noch ein bisschen wahr geworden, als ich bis 2009 Verantwortung für die Radebeuler Kulturdenkmale übernehmen durfte.


Dietrich Lohse

Weinfesttraditionen an Saale und Unstrut

Die nicht nur im Wortsinn schwergewichtigste Neuerscheinung des Buchmarktes zur mitteldeutschen Weinbaugeschichte war im vergangenen Jahr der großformatige Band „Weinkultur an Saale und Unstrut“ des Historikers Wieland Führ. Der Autor, 1953 in Herrnhut geboren und seit 1991 in Naumburg ansässig, beleuchtet darin die Geschichte des traditionsreichen Winzerfestes in Freyburg an der Unstrut, das am 8. Oktober 1933 erstmals als öffentliches Volksfest gefeiert wurde und seitdem, mit Ausnahme der Jahre 1939 bis 1946, 1981 und der coronabedingten Zwangspause 2020/21, den festlichen Jahreshöhepunkt der Winzer und Weinfreunde unseres benachbarten Anbaugebietes bildet.

Das Einleitungskapitel blickt über den Tellerrand hinaus und zeigt auf, dass die großen jährlichen Wein- und Winzerfeste, wie wir sie heute in allen deutschen Anbaugebieten kennen, eine Erfindung erst des 20. Jahrhunderts sind. Das große „Winzerfest der Weinbaugesellschaft im Königreich Sachsen“ vom 25. Oktober 1840 in der Hoflößnitz bestätigt als eine Ausnahme diese Regel, denn es blieb, anders als damals intendiert, ein singuläres Ereignis. Weiter geht Führ in einem ausführlichen Überblick kenntnisreich auf die Geschichte des Weinanbaues an Saale und Unstrut von den Anfängen im hohen Mittelalter bis zur Gegenwart ein, die bis zur Teilung Sachsens nach dem Wiener Kongress 1815 Teil der sächsischen Weinbaugeschichte war und in ihrem Verlauf immer wieder vorbildlich in Richtung Elbe ausstrahlte.

Nach der verheerenden Reblauskatastophe des späten 19. Jahrhunderts begann der Wiederaufbau mit Pfropfreben auf Amerikanerunterlagen in der preußischen Provinz Sachsen mit staatlicher Unterstützung einige Jahre früher als im Elbtal, und hier wie dort reklamierten die 1933 an die Macht gelangten Nationalsozialisten die ihnen in den Schoß gefallenen Erfolge dieses neuen Weinbaues für sich und förderten ihn weiter. Mit der Gründung der Winzervereinigung Freyburg/Unstrut eG 1934 und vier Jahre später der Sächsischen Weinbaugenossenschaft (seit 1955 Winzergenossenschaft Meißen) wurden dort wie hier Strukturen geschaffen, die den Fortbestand der Weinkultur nachhaltig sicherten.

Die zentralen Kapitel des Buches beschäftigen sich mit der Vorbereitung und Durchführung des ersten Freyburger Winzerfestes 1933 als eines aus bürgerlichen, insbesondere Gastwirtskreisen initiierten und vom örtlichen Fremdenverkehrsamt und dem regionalen Weinbauverband mit großem propagandistischem Aufwand organisierten städtischen Volksfestes, dessen Erfolg die Erwartungen übertraf, sowie den in starkem Maße NS-ideologisch vereinnahmten Festen der Jahre 1934 bis 1938, seit 1936 im Rahmen der staatlich verordneten reichsweiten „Weinwerbewochen“ und 1938 schon deutlich durch die heraufziehende Kriegsgefahr überschattet. Bereits 1947 wurde in Freyburg an das Vorbild der 30er Jahre angeknüpft. Zunächst willkommene Abwechslungen in der Tristesse der Nachkriegsjahre, wurden die Feste seit Gründung der DDR zur steten Tradition und durch die staatlicherseits zur Verfügung gestellten Weinkontingente zur seltenen Gelegenheit, sich die schwierigen Zeiten mit heimischem Rebenblut zum Einheitspreis von 1 DM pro Schoppen ein verlängertes Wochenende lang schönzutrinken. Nicht von ungefähr fiel das Winzerfest 1953, dem ein eigenes Kapitel gewidmet ist, besonders opulent aus – panem et circenses.

Bis 1960 boten sich diese zentralen Winzerfeste der DDR zudem als Schaufenster für die offiziellen deutschlandpolitischen Ziele der SED an – „Unstrut und Saale, Mosel und Rhein gehören zusammen wie Wahrheit und Wein“. Unabhängig von ihrer Ventilfunktion und den mit den Zeitläuften wechselnden offiziellen Losungen waren und sind diese Feste immer auch Ausdruck echter Lebensfreude und des Stolzes auf den regionalen Weinbau und seine Erzeugnisse gewesen. Wieland Führ lässt die Umstände und Höhepunkte der Feste zu DDR-Zeiten und seit 1990 Revue passieren und zeichnet dabei stimmungsvolle Zeitbilder. Auch die bereits 1969 an der Unstrut begründete Tradition, im Arbeiter- und Bauernstaat eine Gebietsweinkönigin zu krönen – anfangs bestand die Krone aus geprägter Pappe und Velourspapier – kommt dabei nicht zu kurz.

Neben den lesenswerten Texten besticht der 292 Seiten starke Band im Lexikonformat, dem eine Reproduktion des Winzerfestplakates von 1954 beigegeben ist, vor allem durch die Fülle und hohe Qualität seiner mehr als 900 überwiegend farbigen Abbildungen, die der Autor in jahrelanger Recherchearbeit aus zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen zusammengetragen hat. Sein unternehmerischer Mut, dieses Mammutprojekt in derart gediegener Ausstattung im Selbstverlag zu stemmen (ISBN 978-3-00-070567-0, Preis 49,95 €), lässt ihm uns auch im Elbtal zahlreiche Leser wünschen. Dass es reizvoll wäre, auch die vielfältigen hiesigen Weinfesttraditionen der vergangenen 100 Jahre auf ähnlich breiter Quellenbasis fundiert unter die Lupe zu nehmen, bedarf darüber hinaus kaum der Erwähnung.

Am Samstag, den 8. Oktober – dem 89. Jahrestag des ersten Freyburger Winzerfestes –, ist Wieland Führ im Sächsischen Weinbaumuseum zu Gast und hält um 18 Uhr im Winzersaal der Hoflößnitz einen reich bebilderten Vortrag zum Thema seines Buches. Karten dafür, die auch zum vorherigen Besuch des Museums berechtigen, sind zum Preis von 3 Euro im Besucherzentrum der Hoflößnitz in Radebeul, Knohllweg 37 erhältlich (Tel. 0351.839 83 33).

Frank Andert

Karla Erlebach – Klasse 10 – Lößnitzgymnasium Radebeul

Gesellschaft

Jeder Schritt, den wir gehen, wurde schon gelebt.

Bestrebt, Neues zu sehen, gehen wir weite Wege.

Und doch enden wir am Rand unseres Geheges, verstehen nicht und bleiben uneinsichtig.

Verkriechen uns, verlieren uns, reden schöne Dinge und lassen Momente ausklingen, während im Verborgenen Menschen mit dem Tod ringen, einander in die Knie zwingen und ihr Leben in Hass verbringen.

Wir sehen Musik und hören Lieder, verpassen Chancen, sie kamen nie wieder. Wir knien nieder vor Gleichheit beim Anderssein und vergessen die Realität. Komisch, denke ich, kehre um und gleichzeitig tanze ich zu den Schreien von Kindern.

Verhindert, was zu tun, weil meine Zeit eilt.

Verkeilt und verpeilt zwischen tausend Möglichkeiten, eine davon, keine zu nutzen.

Jedes Wort, das wir sagen, wurde tausende Male gesprochen, verliert an Bedeutung, zerbrochen und gehäutet. Jeder Satz ist alt, verdreht und mal akzeptiert, mal verschmäht… Von all den Völkern der Erde vergeht und bleibt in Ewigkeit, solange jemand sich seiner bedient. Und damit werden Kriege begonnen, gewonnen oder verloren, Frieden wird geschlossen, gibt Hoffnung und wird beworben als Produkt deiner Gedanken, verwirrt und zerstört.

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Routine

Drei Schritte zur Treppe,
Siebzehn Stufen zum Weg,
zur Straße und schließlich
zur Bushaltestelle.

Rein aus der Kälte in den
viel zu lauten, vollen Bus.
Den Ranzen auf den Sitz,
sich selbst daneben werfen.

Danach etliche Straßen am Fenster,
vorbeiziehend. Häuser und Gärten.
Stopp. Weiterfahren. Anhalten. Los
immer weiter Richtung Ziel.

Letzte Haltestelle vor meiner.
Hektisches Zusammenpacken,
Ranzen schultern, hängengeblieben.
Drücken des Haltewunschtasters.

Vielleicht 50 Schritte bis zur Schule,
Rein aus der Kälte in das
viel zu laute, volle Haus.
Wissend, den Weg immer wieder zu fahren.

Lügenmuseum

Um die Zukunft des Lügenmuseums in Radebeul ging es bei der Feier zum Jubiläum der Kunsthalle am 12. September 2022. Denn das Lügenmuseum wird aktuell bedroht vom kulturellen Desinteresse einer Stadtverwaltung. Diese will ein Besucher aus aller Welt magnetisch anziehendes künstlerisches Gesamtkunstwerk auf dem Altar des schnöden Profits opfern. Doch am Horizont keimt Hoffnung für den Fortbestand des Museums.

Das 1990 vom Künstler Richard von Gigantikow begründete Sammlermuseum zog 2012 in den der Stadt Radebeul gehörenden ehemaligen Gasthof Serkowitz ein. Es ist seitdem Impulsgeber für die gesamte Region mit seinen ungewöhnlichen Exponaten sowie Träger künstlerisch gestalteter Stadtteilfeste und farbenprächtiger Beiträge zum traditionellen Radebeuler Herbst- und Weinfest.

Mit seinem eigenen maroden Charme bildet der Radebeuler Gasthof Serkowitz die ideale Bühne für den kunterbunten Kosmos fantasievoller Objekte, vieldeutige Licht und Klanginstallationen und eigenwillige Konstruktionen. Im Dienst der Wahrheit waschen Sir Richard von Gigantikow aka Reinhard Zabka und sein Team hier mit tausendundeiner Lüge den Staub des Alltags von den Sternen. Der schimmernde Spiegel, den sie der zwischen Unwahrheit und Wahrheit schlingernden Welt vorhalten, ist das erste und einzige Lügenmuseum der Welt.

Richard von Gigantikow aka Reinhard Zabka hat wieder Hoffnung, sein Lügenmuseum weiter im Radebeuler Gasthof Serkowitz führen zu können


Die Stadt Radebeul bietet kulturhistorisch einen ausgezeichneten Nährboden für Lügen. Hier lebte der Erzähler und Schriftsteller Karl May, einer der begabtesten und erfolgreichsten Aufschneider der deutschen Literaturgeschichte. Es spannt sich damit ein Lichtbogen der Lüge um den im Windschatten von Dresden liegenden Ort an der Elbe, den es auszunutzen gilt.

Von lokalen Politikern als störendes Sammelsurium von Sperrmüll und Trödelmarkt betrachtet, genießt das Lügenmuseum international höchste Anerkennung. Als Geheimtipp entwickelte sich das Haus der Heiterkeit zu einem Stern am Himmel der Kunstwelt.

Initiator Richard von Gigantikow wurde mit Kunstpreisen behangen. Er wurde zur Biennale nach Venedig eingeladen und stellte in Indonesien, Thailand, Burma, Italien, Frankreich, Polen, England und auf den Philippinen aus.

Augenzwinkernd beweist das Lügenmuseum, dass Humor, Ironie, Satire und Groteske hohe Akzeptanz beim Publikum finden. Das Paradoxon zwischen den oft schwerwiegenden gesellschaftspolitischen Ereignissen und deren künstlerischer Verarbeitung wird dabei sichtbar gemacht und auch aufgelöst. Schon aus diesem Grund ist es die Existenz des einzigartigen Museums wert, sich für seine Erhaltung als lebendiger Ort der schöpferischen Auseinandersetzung einzusetzen.

Dies wurde dann auch auf einem Podiumsgespräch deutlich, das anlässlich des Geburtstages geführt wurde. Kirstin Zinke, Geschäftsführerin Landesverband Soziokultur, Claudia Muntschick, Kreatives Sachsen, Juliane Vowinckel, Kulturgeografin, Stefan Wolle, Historiker vom DDR-Museum Berlin und Prinz Rupi aus Berlin sprachen über Wert und Bedeutung freier Kulturarbeit in einer polarisierenden Gesellschaft.

Dabei zeichnete sich als mögliche Lösung für den Fortbestand des Lügenmuseums ab, das Grundstück zum von der Stadt verlangten Preis von € 310.000,- zu erwerben und dem Museum damit langfristig eine Existenz zu sichern. Der Charme des Gebäudes in all seiner Morbidität würde auf diese Weise gewahrt bleiben, und die Künstler um Richard von Gigantikow könnten weiter an ihren anarchischen Projekten arbeiten.

Ein entsprechendes Angebot liegt der Stadt Radebeul vor. Es liegt nun an der Radebeuler Stadtregierung, eine zukunftsweisende Entscheidung zu treffen.

Neue Karikaturenausstellung im Heimatmuseum Radeburg

Sieger des Heinrich-Zille-Karikaturenpreises 2022 zeigt seine besten Arbeiten

Markus Grolik hat viele Talente. Er schreibt Bücher, erfindet Figuren, fährt einen alten Dacia, ein noch älteres Fahrrad – und verliert dabei niemals den Humor. Das macht ihn obendrein zu einem gewitzten Cartoonisten, zu einem der besten Karikaturisten in Deutschland. Soeben hat er mit seinem Werk „Aufladen“ den renommierten Heinrich-Zille-Karikaturenpreis der Stadt Radeburg gewonnen, dotiert mit 1.000 Euro, ausgelobt von dem Ort, in dem der große Maler und Zeichner Zille zur Welt kam. Das Preisgeld stiftet in diesem Jahr das Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme IVAS. Kuratiert wird der Preis seit Anfang an von der Galerie Komische Meister Dresden.

Cartoon von Markus Grolik


In der exklusiven, am 17. September öffnenden Personalausstellung darf Markus Grolik sich von allen Seiten seines zeichnerischen Könnens zeigen. Vor allen Dingen mit seinen zeitlosen Karikaturen zu allen Lebenslagen, ob es nun um Liebe, Verkehr, Geld oder den ganzen Rest geht. Alles Menschliche und Alltägliche dient als Vorlage für den sympathischen Verdreher der Wirklichkeit – was in diesem Falle heißt: Markus Grolik stellt die Welt vom Kopf auf die Füße. Allein das reicht heute schon, um als gerissener Witzbold zu gelten. Seine Cartoons liefern den Beweis dafür.

Cartoon von Markus Grolik


Auch Illustrationen zu Groliks Kinderbüchern und seine Comiczeichnungen sind Teil der neuen Ausstellung im Heimatmuseum Radeburg. Beim Verlag Rowohlt heißt es über den 1965 in München geborenen Künstler, der nach einem Kunststudium seit 1995 freiberuflich arbeitet: „Neben dem Illustrieren und Schreiben von Kinderbüchern sind Comics seine große Leidenschaft. So erhielt er 2004 auf dem Comicsalon Erlangen bereits zum zweiten Mal nach 1995 den ICOM Independent Comic Preis und 2003 das Atelierstipendium des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Für seine Serie um den sympathischen Privatdetektiv Perry Panther wurde er 2003 für den Deutschen Kinderkrimipreis nominiert.“

Erwachsene und Kinder sollten diesmal unbedingt gemeinsam in die Ausstellung mit Werken von Markus Grolik gehen. Denn seine Ideen verbinden Alt und Jung. Ganz im Sinne des großen Zille, dessen Gesellschaftskritik immer mit einem Augenzwinkern einherging, so schwierig die Verhältnisse auch waren, die er mit dem Stift launig und wissend dokumentierte.

Mario Süßenguth
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Heinrich-Zille-Str. 9
01471 Radeburg
Tel.: 035208/96175 oder 035208/96170
Mail: museum@radeburg.de
Web: www.museum.radeburg.de
www.radeburg.de /www.komischemeister.de

Vereint und miteinander

Zum ersten Radebeuler Vereinstag hatte das TEAM RADEBEUL am 3.9. vor den Radebeuler Kultur-Bahnhof eingeladen. Von 10 bis 14 Uhr konnte man hier über den Platz schlendern, sich über die Angebote von 24 Vereinen informieren, dem Chorgesang lauschen, den Vorführungen von Sportvereinen zusehen, vieles ausprobieren und sich mit Kaffee, Kuchen, Getränken und einem Imbiss stärken.

Vereinstag vor dem Kultur-Bahnhof


Das Deutsche Rote Kreuz hatte beispielsweise einen Krankenwagen mitgebracht, den man von innen besichtigen konnte. Beim Astroclub konnte man durch ein Fernrohr die Sonne beobachten, beim Radebeuler Handballverein war man eingeladen zum Büchsenwerfen, beim Yorokobi e.V. zum Schminken. Der Deutsche Kinderschutzbund OV Radebeul füllte Helium in Luftballons, der RBC hatte einen Tischkicker dabei und der Förderverein vom Karl-May-Museum lud zum Lassowerfen ein.

Der Männerchor „Liederkranz 1844“ eröffnete den Tag und auch der Lößnitzchor gab einige musikalische Kostproben seines Repertoires zum Besten. Zum krönenden Abschluss wurde die Darbietung der Nablus Circus School, die vom Kinder- und Jugendzirkus Sanro im Rahmen der KinderKulturKarawane nach Radebeul eingeladen worden war. „Being Seen“ ist eine beeindruckende Vorstellung der Zirkusartistinnen und -artisten über ihren Alltag in Palästina.

Viele Familien mit Kindern nutzten die Gelegenheit und verbrachten einen kurzweiligen Vormittag vor dem Kultur-Bahnhof. Auch Senioren kamen, um sich über Möglichkeiten des ehrenamtlichen Engagements zu erkundigen.

Der Vereinstag soll auch im kommenden Jahr wieder stattfinden und ein fester Punkt im jährlichen Veranstaltungskalender der Stadt Radebeul werden.

Anja von Bahder

Augusts Afrika – Zu zwei Ausstellungen in Moritzburg

Abbildung: August der Starke als »Chef der Afrikaner«, 1709, Kostümskizze


Noch bis zum 31.10.2022, oder über das kommende Sommerhalbjahr 2023 kann man im Schloss Moritzburg und im Käthe Kollwitz Haus in Moritzburg zwei Sonderausstellungen sehen, die sich mit der Faszination Augusts des Starken für Afrika beschäftigen. Seine Liebe für alles Fremdländische, wie das chinesische Porzellan ist hinreichend bekannt. Weniger bekannt ist, dass er sich selbst in höfischen Maskeraden und Festlichkeiten mehrfach in die Rolle eines „Chefs der Afrikaner“ begab um seine Gäste zu empfangen. Erstmals wird vorgestellt, was man bisher über das Leben der sogenannten „Hof-und Kammermohren“ in Dresden weiß, deren beachtliche Zahl von 80 Menschen dunkler Hautfarbe im Zeitraum von 1650 bis 1750 erstaunen lässt. Ein weiteres Kapitel berichtet über die Herrnhuter Missionare in Afrika im 18. Jahrhundert. Und es geht um die erste wissenschaftliche Expedition, die August der Starke nach Nordafrika entsandte um Tiere, Pflanzen, Mineralien und ethnografische Gegenstände zurück nach Dresden zu bringen. Einige wenige wilde Tiere, wie Löwen und Leoparden, aber auch Strauße kamen 1733 lebendig in Dresden an. Die Strauße fanden ihr Domizil im „Indianischen Vogelhaus und Straußenzwinger“ in Moritzburg, dem heutigen Käthe Kollwitz Haus auf der Meißner Str. 7. Dort lenkt uns die zweite Ausstellung mit Fotografien der bekannten Leipziger Fotografin Karin Wieckhorst auf das heutige Nordafrika. 1997 reiste eine Gruppe von Leipziger Wissenschaftlern und Künstlern auf den Spuren von Augusts Expedition durch Tunesien. Karin Wieckhorst war dabei und hielt interessante Aufnahmen mit ihrer Kamera fest.

Margitta Hensel

Informationen zu den Öffnungszeiten unter www.schloss-moritzburg.de und www.kollwitz-moritzburg.de
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Literaturhinweis: Eberhard Görner beschreibt in seinem Buch „Abenteuer Afrika“ anhand umfangreicher Recherchen die abenteuertliche Reise der sieben Männer, an der Spitze der Leipziger Mediziner Johann Ernst Hebenstreit. Allen, die das Wissen um diese Expedition noch vertiefen wollen, sei dieses Buch empfohlen. Erschienen ist es im Chemnitzerverlag, ISBN 978-3-944509-13-6.

Editorial

Wenn unsere geschätzte Leserschaft diese Zeilen liest, wird das 30. Herbst- und Weinfest und XXV. Internationale Wandertheaterfestival in Radebeul leider schon wieder Geschichte sein.

Während diese Zeilen jedoch noch am Vorabend des Festes verfasst wurden, fiebern noch zahllose Menschen in freudiger Erwartung auf ein fulminantes Wochenende mit Kunst, Theater und natürlich Wein hin.

Nach den weitreichenden Entbehrungen der letzten beiden Jahre ist das zu feiernde Doppeljubiläum tatsächlich ein beachtenswerter Meilenstein in der Radebeuler Festkultur. Ein ausdrücklicher Dank sei an dieser Stelle nochmals an alle Verantwortlichen gerichtet, die einst und heute zum Wachsen und Gedeihen dieses nunmehr unverzichtbaren Kulturschatzes beigetragen haben.

Nun endlich werden auch wieder zahlreiche Künstler aus aller Welt den Weg nach Radebeul gefunden haben, um ihre Künste und Attraktionen dem staunenden Publikum zu präsentieren.

Und was wäre schließlich das Fest ohne das unvergleichliche „Finale Grande“ mit seinem magischen Feuerrausch auf den Elbwiesen? Immer wieder werden hier tausende Wünsche auf kleinen Zetteln mit dem Feuer hoch in den Nachthimmel getragen, die vielleicht hier unten ein kleines Stück für eine bessere und friedlichere Welt beitragen können.

Und so soll das Fest seinem diesjährigen Motto folgen: »VIVAT!«

Sascha Graedtke

Serkowitz.Neubau


Filmclub mobil präsentiert

3. Thematischer Filmclubabend
Donnerstag, 15.9.2022, Einlass 19.00 Uhr
Beginn 19.30 Uhr
in der Kunstscheune Altnaundorf 6
01445 Radebeul

Gezeigt wird
„Karbid und Sauerampfer“
1963, DDR, DEFA-Lustspielklassiker, P 16

Zum Inhalt: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges liegt Dresden in Schutt und Asche, darunter auch die Zigarettenfabrik. Die soll wieder aufgebaut werden. Doch beim Wiederaufbau muss man schweißen und zum Schweißen benötigt man Karbid. Also wird der Arbeiter Kalle, von seinen Kollegen nach Wittenberg geschickt, wo er sieben Fässer Karbid erhält. Allerdings gestaltet sich der Rückweg ohne eigenes Fahrzeug und nur mit Zigaretten als einzigem Zahlungsmittel ausgestattet, schwieriger als gedacht. Unterwegs lernt Kalle die junge Bäuerin Karla kennen. Gern wäre er bei ihr geblieben, doch in Dresden wartet man auf die Fässer mit dem Karbid. Mehrfach zwischen sowjetischen und amerikanischen Sektoren wechselnd, heißt es für Kalle sehr trickreich zu agieren. Hinzu kommt, dass er sich einer lüsternen Witwe erwehren muss und es zwei Diebe auf seine Fässer abgesehen haben. Trotz aller Turbulenzen bringt Kalle schließlich zwei Fässer Karbid ans Ziel und auch mit seiner Karla gibt es ein Happy End. Unter welchen Umständen die restlichen fünf Fässer abhandengekommen sind, das alles zeigt auf vergnügliche Weise der Film.

Erwin Geschoneck, der die Rolle des Kalle spielt, wirkt als Arbeiter sehr authentisch und beweist sein großartiges komödiantisches Talent. Als Karla ist die junge Dresdner Schauspielerin Marita Böhme zu erleben und in der Rolle eines schlitzohrigen Sängers der bekannte Sänger Rudolf Asmus. Sehr erfrischend werden die Lebensumstände und Alltagsschwierigkeiten unmittelbar nach Kriegsende aus einer heiteren Perspektive dargestellt. Das mit vielen Pointen gespickte Drehbuch von Hans Oliva-Hagen und Frank Beyer überzeugt durch soziale Genauigkeit und ironisch politische Untertöne.

Karin Baum und Michael Heuser, Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e.V.

Reservierungen erbeten!
Kontakt: 0160-1038663
info@radebeuler-kultur.de

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