Eine Inschrift und viele Fragen

Spurensuche zu englischen Kriegsgefangenen in Radebeul

Eigentlich schon aussortiert und fast im Schrottcontainer gelandet, rettet ein Bauarbeiter im Jahr 2010 bei Sanierungsarbeiten im »Gewerbehof Alte Radebeuler Schuhfabrik«, Gartenstraße 70/72a, ein Fensterbankblech mit einer Inschrift. »J. T. Convery« ist dort eingeritzt, offenbar ein Name, dazu »Aylesbury?Bucks«, womit die Stadt Aylesbury in Buckinghamshire in Mittelengland gemeint sein dürfte, und schließlich die Abkürzung »P.O.W.« 10 Jahre liegt das verwitterte Stück Blech im Büro einer Baufirma, bevor es zum Gesprächsthema zwischen Großvater und Enkeltochter wird. Aus dem regen Austausch der Generationen entwickelt sich die Idee für eine Schülerarbeit am Lößnitzgymnasium, die 2024 als Besondere Lernleistung im Fach Geschichte bearbeitet wurde.  

Fensterbankblech mit Inschriften
Bild: J. Funke


Im Kontext der gemeinsamen Recherche erinnert sich der Großvater an ein englisches Buch aus der Reihe »The Shoe Repairer’s Handbooks«, welches er ebenfalls in der Radebeuler Schuhfabrik gefunden hatte. Bei näherer Betrachtung fallen darin mehrere Stempel auf. Einer dokumentiert, dass es mal dem britischen Roten Kreuz gehörte, genauer der »British Red Cross Educational Books Section OXFORD«. Ein weiterer Stempel belegt, dass das Buch Kriegsgefangenen zu Ausbildungszwecken zur Verfügung gestellt wurde: »International Bureau of Education Geneva – Service of Intellectual Assistance to Prisoners of War«. Ein dritter, deutscher Stempel lautet »Geprüft, 28, Stalag IV A«. Die Abkürzung Stalag steht dabei für Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager, die römische Zahl IV für den Wehrkreis Sachsen. Dieses von der Wehrmacht verwaltete »Stalag IV A« befand sich in Hohnstein in der Sächsischen Schweiz. Stehen also Inschrift und Schuhmacherhandbuch in einem Zusammenhang? Und wenn ja, wer war nun dieser J. T. Convery?  

Diesen Fragen gingen wir nach und gelangten durch frei zugängliche Onlinedatenbanken auf erste Hinweise. So fanden wir im britischen Nationalarchiv und später auch in den Akten des britischen »War Office« einen J. T. Convery, geboren am 24. Juni 1916 in Glasgow, der ab 1944 im Stammlager IV A Hohnstein registriert war.  Die mittelalterliche Burg Hohnstein, seit 1543 im Besitz der sächsischen Kurfürsten, war Jahrhunderte lang auch oder hauptsächlich Gefängnis gewesen, bevor hier 1926 die damals größte deutsche Jugendherberge eröffnet wurde. 1933/34 nutzten die Nationalsozialisten die Burg als frühes Konzentrationslager. 1939 wurde sie zum Lager für kriegsgefangene polnische Offiziere (Oflag IV A) und ab 1941 dann zum Stammlager IV A ausgebaut. Dieses diente zum einen als Lager für kriegsgefangene Mannschaftsdienstgrade aus verschiedenen Nationen. Zum anderen war es die Verwaltungszentrale für zahlreiche Arbeitskommandos (AK) im Raum Dresden, sodass die Registrierung eines Gefangenen wie J. T. Convery nicht zwingend bedeutet, dass er auch in Hohenstein untergebracht war. 

Weitere Recherchen im Internet zum Stammlager IV A führten zu einem englischen Blog (stalagiva.blogspot.com), in welchem sich eine Auflistung einiger AK befindet, die dem Lager Hohnstein administrativ zugeordnet waren. Die Forscherfreude war groß, als wir in der Liste auch ein gewisses »Arbeitskommando 1182« in der Schuhfabrik Fritz Keyl in Radebeul entdeckten. Plötzlich schienen mehrere Puzzleteile zusammenzupassen. 

Die Kontaktaufnahme mit dem Autor des Blogs, Dr. Peter R. Gregory, der binnen eines Tages antwortete, führte zu weiteren Ergebnissen. Es stellte sich heraus, dass sein Vater selbst Kriegsgefangener in Dresden-Übigau gewesen war und seinen Alltag in einem Tagebuch festgehalten hatte. Auch sein Arbeitskommando gehörte zum Stalag IV A. Über die nächsten Monate entstand ein reger Austausch mit Dr. Gregory. Unter anderem stellte er uns zusätzliche Dokumente zur Verfügung, die es ermöglichten, den Arbeitsalltag und die Haftbedingungen der P.O.W.s teilweise zu rekonstruieren. Es handelt sich zum Beispiel um Berichte des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes mit Sitz in Genf, das während des Zweiten Weltkriegs Kriegsgefangenenlager aufsuchte und über die Verhältnisse berichtete. Darunter fand sich auch ein Bericht über das AK 1182 in der Schuhfabrik Keyl in Radebeul vom 2. Mai 1944. Aus diesem Bericht geht hervor, dass in diesem am 20.10.1943 eröffneten Kommando damals 127 britische Kriegsgefangene arbeiteten und in die Schuhproduktion involviert waren. Somit liegt es sehr nahe, dass J. T. Convery einer von ihnen war.  
Wie kam er nach Radebeul? Dokumente des britischen »War Office« ergaben, dass J. T. Convery erst in Nordafrika im Kampfeinsatz war, dort gefangengenommen und dann über Italien nach Deutschland verschleppt wurde. In Radebeul verbrachte er das letzte Kriegsjahr. Die Frage, ob J. T. Convery nach England zurückgekehrt ist, lag auf der Hand. Unsere Versuche, weitere Dokumente oder einen Kontakt zu seiner Familie zu bekommen, waren leider nicht von Erfolg gekrönt. Fest steht jedoch, dass ein J. T. Convery mit genau demselben Geburtstag (24.06.1916) am 9. April 1975 in Buckinghamshire gestorben ist.  

Jedes gefundene Puzzleteil führte uns zu neuen Fragen: Wie kam J. T. Convery zurück nach England? Wie hat seine Gefangenschaft sein weiteres Leben geprägt? Gab es weitere Firmen in Radebeul, in denen britische Kriegsgefangene eingesetzt waren? Wie steht es um die Erinnerungskultur zur NS-Kriegsgefangenschaft heute? Die Recherchen ergaben, dass speziell über britische Kriegsgefangene in Radebeul bislang wenig bekannt ist. Das eher zufällig gefundene Zeugnis der örtlichen NS-Geschichte und die in unserem Projekt gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, diese Lücke ein Stück weit zu schließen. Auch wenn direkte Zeitzeugen kaum noch gefragt werden können, gibt es noch Quellen zu entdecken, die die historischen Vorgänge erhellen können. Weiterhin steht fest, dass sich der Austausch zwischen den Generationen lohnt! Beide Seiten können enorm gewinnen und dazulernen.

Julia Steimann und Joachim Funke

1. Medien.Kultur.Kunst.Börse

13.4.2025, 11 – 19 Uhr

Seit einigen Jahren entwickelt sich an der Radebeuler Stadtgrenze eine echte „Kreativzelle“. Hier haben sich Tänzer, Musiker, Maler, Konzertveranstalter, Filmemacher, Mediendesigner – also Kreativköpfe aller Art, auf einem Gelände zusammengefunden, und dabei entsteht viel Neues.

So wurde die Idee geboren, eine Veranstaltung ins Leben zu rufen, die das Kunst- und Kulturleben der Region in seiner ganzen Vielfalt sichtbar und erlebbar macht. Mit den Landesbühnen Sachsen und dem Radebeuler Kultur e.V. haben die Initiatoren Benni „Cellini“ Gerlach (Letzte Instanz), Silvana Mehnert (SMILLA), Felix „Rossi“ Roßberg & Philip Lehmann (The Saxonz) nun zwei starke Partner an ihrer Seite, sodass der ersten „Medien.Kultur.Kunst.Börse“ nichts mehr im Weg steht.

Regionale Künstler aller Sparten (Musik, Tanz, Literatur, Theater, Fotografie und Bildende Kunst) sowie zahlreiche Vereine, Initiativgruppen und Institutionen präsentieren sich an Ständen und auf drei Bühnen, eingebettet in eine Gemeinschaftsausstellung mit Exponaten aus den Bereichen Malerei, Grafik, Illustration, Fotografie, Design und Installation. Die Ausstellung wird am Börsentag eröffnet und kann danach noch bis zum Ende der aktuellen Spielzeit in den Landesbühnen Sachsen besucht werden.

Mit der „Medien.Kultur.Kunst.Börse“ wird erstmalig ein Rahmen geschaffen, der die Möglichkeit bietet, mit den Künstler*innen ins Gespräch oder Geschäft zu kommen, sich zu informieren oder einfach nur die Vielseitigkeit der Radebeuler Kunst- und Kulturszene zu genießen.

Flyer ab sofort erhältlich!

Ticket 5 Euro an der Theaterkasse der Landesbühnen Sachsen, im DDV Lokal Radebeul-West und in der Tourist-Information Radebeul-Ost

Kontakt & Info: HOME https://medien-kultur-kunst-boerse.de, MAIL info@medien-kultur-kunst-boerse.de, FON 0176 380 95 910

Veranstaltungsort:
Landesbühnen Sachsen – Glashaus, Haupt- und Studiobühne
Meißner Straße 152, 01445 Radebeul

„Mein grafisches Tagebuch“

Matthias Kratschmer stellt in der Radebeuler Lößnitzbar aus

Bild: Repro: M. Kratschmer


Am Abend des 4. März waren selbst im weiteren Umfeld der etwas abgelegenen Lößnitzbar kaum Parkplätze zu finden. Der erfreuliche Grund hierfür war die Ausstellungseröffnung des Radebeuler Designers und Grafikers Matthias Kratschmer. Zahlreiche wohlkomponierte Grafikblätter zieren die Wände des geschmackvoll eingerichteten Lokals. Der Andrang kunstinteressierter Mitbürger und Freunde war so groß, dass es schwer fiel, sich den filigranen Arbeiten mit der gebotenen Konzentration widmen zu können. Dies kann jedoch über die Ausstellungsdauer bis Ende April zur Freude der Lößnitzbaristen gern nachgeholt werden. Wiebke Gerlach fand zur Begrüßung warme wohlgesetzte Worte, nachdem sich Thomas Gerlach in seiner Laudatio in gewohnter Weise dem Künstler und Werk näherte und sein Schaffen umriss. Für die musikalische Umrahmung sorgte der Saxophonist Peter Neidel.

»Abflug«, 2025
Bild: Repro: M. Kratschmer


Matthias Kratschmer, der seine Ausbildung als Designer an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle absolvierte, zeigt Ausschnitte aus seinen umfangreichen grafischen Tagebüchern von 2021-2025. In der coronabedingten Zurückgezogenheit entsprang die Idee für seine grafischen Notizen, die heute weit über tausend Blätter versammeln. So unterschiedlich die Befindlichkeiten der Tage waren, so verschieden sind die Farben und Formen der einzelnen Blätter. Die kleinformatigen Arbeiten, die im Hochformat immer die gleiche Größe aufweisen, sind geprägt durch linienbetonte, monochrome, teilweise auch colorierter Stilmittel. Strenge technisch-konstruktive Formen wechseln mit floralen Mustern und bieten in der Gesamtschau eine überbordene Fülle an Variationen.
Die Arbeiten sind käuflich zu erwerben. Eine Liste über die Titel- und Preisübersicht liegt vor Ort aus.

»Windflüchter«, 2021
Bild: Repro: M. Kratschmer

Sascha Graedtke
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Die Ausstellung ist bis Ende April in den Öffnungszeiten (Mittwoch bis Samstag 17 bis 22 Uhr) der Lößnitzbar zu sehen.
Fabrikstraße 47 | 01445 Radebeul
Tel.: 0172-8443575
E-Mail  Loessnitzbar@web.de
Kontakt Matthias Kretschmar: www.h-design.de – Instagram: georg_matthias_ak

Danksagung Spenden 2024

Liebe Leserinnen und Leser unseres Radebeuler Monatsheftes
„Vorschau & Rückblick“,

obwohl wir im vergangenen Herbst auf einen Spendenaufruf verzichteten, haben Sie in Verbundenheit mit unserem Monatsheft uns trotzdem tatkräftig, (oder besser „geldkräftig“) unterstützt.

Vielen, vielen Dank an alle Spenderinnen und Spender.

So konnten wir mit Elan und einem sicheren Polster unser 35. Jahr des Bestehens angehen.

Wir machen also mit Schwung und Zuversicht weiter!

Herzlichst
Ilona Rau

 

Spenderliste

Anderson, Uta
Anton, Frank
Bergner, Christian und Gislinde
Berndt, Thomas
Bose, Christina und Jörg
Buchmann, Ingrid und Wilfried
Christoph, Matthias
Cramer, Stephan
Dabow, Gisela
Dubrow, Margitta und Manfred
Föckel, Birgit und Hans-Jürgen
Frank, Marianne und Hans-Albrecht
Franke, Monika und Herbert
Gräbel, Renate und Siegfried
Grunewald, Ute
Günther, Hans-Christian
Haase, Karl-Heinz
Haußig, Rolf und Bettina
Helbig, Rolf-Falk
Henkler, Renate und Gerhard
Hickmann, Regina
Hoffmann, Michael
Jacob, Detlef
Kunze, Bettina und Berthold
Kuß, Hannelore Helga
Ludwig, Sabine und Werner
Madaus, Gabriele und Hans-Otto
Märksch, Tobias
Mitzschke, Heike und Michael
Ostritz, Werner und Heidelinde
Paditz, Karsten und Claudia
Pohlack, Rosemarie
Rattke, Wilfried
Rau, Steffen
Richter, Axel
Schadeberg, Thilo
Schaffer, Birgit
Schmalfeld, Petra
Schulze, Friedemann und Gesine
Sterndrogerie
Thomas, Frank
Tittelmeier, Margitta und Wilfried
Trentzsch, Maria-Iris
Weisbach, Helga
Welcker, Sigrid
Winkler, Gisela
Wittig, Gudrun und Michael
Woldmann, Jutta und Helge
Wolf, Christa
Zimmermann, Frank und Julia
Zschaler, Ingrid

Gespendet wurden Kleinbeträge in unsere Spendenkasse beim Grafikmarkt, unserem Leseabend, im Buchladen Kretzschmar, in der Blumenwerkstatt Radebeul und mit Überweisungen bis 300.- Euro. Insgesamt wurden ca. 3000.- Euro gespendet.

1990 – 2025

35 Jahre

Vorschau & Rückblick

Kunst – Kultur – Architektur
Rezensionen – Ausstellungen
Denkmalpflege – Heimatgeschichte

Im Mai 2025 feiern wir 35 Jahre von „Vorschau & Rückblick“!
Feiern Sie mit uns!
Schreiben Sie uns!
Was bedeutet Ihnen unser Heft?
Welche Wünsche oder Anregungen haben Sie?

80. Todestag von Käthe Kollwitz

Freundeskreis Käthe Kollwitz e.V. erinnert mit einer Sonderausstellung an die bedeutende deutsche Künstlerin

Käthe Kollwitz ist in den letzten Jahren in den Fokus der Kunstgeschichte gerückt. In Berlin Charlottenburg wurde bereits 2022 das neue Kollwitz Museum Berlin eröffnet. Das Städl Museum Frankfurt/Main widmete ihr 2024 eine große Personalausstellung und feierte sie als facettenreiche Vertreterin der Moderne und unzählige Kunstinteressierte besuchten die Ausstellung.

Käthe Kollwitz, 1937
Bild: Käthe Kollwitz Museum Köln, Archiv


Auch das MoMA in New York zeigte von April bis Juli 2024 eine große Ausstellung mit ihren Zeichnungen, Drucken und Skulpturen.

Hier in Sachsen verehrt die Kunstwelt bereits seit Jahrzehnten die bekannte Künstlerin. Prinz Heinrich von Sachsen sammelte ihre Werke.

Bereits 1899 hatte Käthe Kollwitz in Dresden ihren ersten Erfolg als Künstlerin. Sie zeigte ihren Zyklus „Ein Weberaufstand“ auf der Deutschen Kunstausstellung in Dresden. Hier erhielt sie die kleine Goldmedaille. Max Lehrs, Direktor des Dresdner Königlichen Kupferstichkabinetts, kaufte den Grafikzyklus für die Dresdner Sammlung an und war damit der erste Vertreter eines Museums, das ihre Werke erwarb. In der Folge kaufte er zahlreiche weitere Werke der Künstlerin und bildete so den Grundstock für die heute umfangreiche und bedeutsame Kollwitz-Sammlung im Dresdner Kupferstichkabinett.

Das Käthe Kollwitz Haus in Moritzburg ist das letzte existierende Wohnhaus der Künstlerin. Ihr Geburtshaus in Königsberg, in dem sie am 8. Juli 1867 geboren wurde, sowie ihr Wohnhaus in Berlin gingen im 2. Weltkrieg verloren. Hier hatten die Bomben fast alle ihre Erinnerungen, Briefe und Photographien zerstört.

Prinz Heinrich von Sachsen lud sie nach Moritzburg ein, wo sie am 20. Juli 1944 nach einem Zwischenaufenthalt in Nordhausen bei Familie Böning eintraf.

Arbeiten konnte sie hier in Moritzburg im Rüdenhof, welcher der Familie zu Münster gehörte, nicht mehr. Sie genoss den Blick auf Teich und Schloss von ihren zwei Zimmern und dem Balkon aus. Sie las Goethe und Schiller.

Käthe Kollwitz, »Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden«, 1941, Kreidelithografie
Bild: Käthe Kollwitz Museum Köln, Archiv


Kurz vor Kriegsende starb sie am 22. April 1945 und fand ihre erste Ruhestätte auf dem Friedhof Moritzburg. Ihr Ableben blieb durch die Wirren des Krieges weitgehend unbekannt und wurde erst im Juli 1945 durch eine Meldung in der Deutschen Volkszeitung öffentlich bekannt. Beim Begräbnis auf dem Moritzburger Friedhof am 24. April 1945 waren nur wenige Menschen anwesend. Pfarrer Seibt hielt die Predigt. Ihre erste Grabstelle an der westlichen Mauer des Friedhofes ist noch heute vorhanden und wird vom Freundeskreis gepflegt. Am 27. November 1945 fand in Meißen eine nachträgliche Trauerfeier mit Angehörigen und u.a. dem Vizepräsidenten der Landesverwaltung Dr. Kurt Fischer statt.

Es war ihr Wunsch, im Familiengrab auf dem Friedhof Berlin-Friedrichsfelde ihre letzte Ruhestätte zu finden. Dort wurde sie am 13.12.1945 beigesetzt.

In Moritzburg wurde bereits 1949 ein Denkmal für Käthe Kollwitz errichtet, geschaffen vom Architekten Schuchardt mit einem Relief der Dresdner Bildhauerin Etha Richter. Der Platz vor dem Denkmal erhielt ihren Namen. Zum 10. Todestag wurde im Schloss Moritzburg eine Kollwitz Gedenkstätte eingerichtet und am Rüdenhof eine Gedenktafel angebracht.

Der bereits 1988 entstandene Freundeskreis Käthe Kollwitz um Gisela Frei, noch unter der Obhut des Kulturbundes, eröffnete als „Freundeskreis Käthe Kollwitz in Moritzburg Rüdenhof e.V.“ in den beiden von Käthe Kollwitz bewohnten Zimmern am 5. August 1990 die erste Gedenkstätte im Rüdenhof.

Käthe Kollwitz, Selbstbild, 1934
Bild: Käthe Kollwitz Museum Köln, Archiv


Mit der Gründung der Stiftung KÄTHE KOLLWITZ Gedenkstätte Moritzburg im Jahr 1994 begann die Rettung des Sterbehauses von Käthe Kollwitz.

Vor 30 Jahren, am 22. April 1995, zum 50. Todestag der Künstlerin, öffnete nach umfangreicher Sanierung des alten Hauses die „Käthe Kollwitz Gedenkstätte Moritzburg“ im Rüdenhof in der Meißner Straße 7 seine Türen. Getragen wird das Haus von der Stiftung Käthe Kollwitz Haus Moritzburg.

Seitdem ist hier ein Ort der Erinnerung mit immer wieder neuen Begegnung mit Käthe Kollwitz entstanden, der mit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst und seiner Dauerausstellung über ihre Kunst und ihr Leben zum Ziel zahlreicher Kunstfreunde geworden ist.

Käthe Kollwitz und ich

Es ist also nicht nur ein Jubiläum, was im April 2025 begangen wird.

Wir würdigen den 80. Todestag einer der bedeutendsten deutschen Künstlerinnen und zugleich den 30. Jahrestag der Eröffnung der Käthe Kollwitz Gedenkstätte (heute Käthe Kollwitz Haus) in Moritzburg.

Im Käthe Kollwitz Haus Moritzburg, in dem sie am 22. April 1945 starb, gestaltet der Freundeskreis Käthe Kollwitz Moritzburg e.V., ihr zum Andenken eine neue Sonderausstellung. In persönlichen Beiträgen zeigen Mitglieder des Freundeskreises, in welcher Form sie sich mit der Kunst und dem Leben der Künstlerin verbunden fühlen und welche besonderen Erinnerungen sie an des Vereinsleben im Kollwitz Haus haben. Dabei erinnern wir auch an die Gründungsmitglieder. Durch eigene Kunstwerke und auch Kompositionen, Fotografien, Plakate vom Vereinsleben ect. entsteht ein vielseitiges Bild unseres Vereins.

Bereits zur Eröffnung der Käthe Kollwitz Gedenkstätte1995 hatte die Enkelin Jutta Bohnke-Kollwitz in der Festschrift geschrieben: „Dass wir heute die Einweihung einer so schönen und würdigen Gedenkstätte begehen können, geht in hohem Maße auf das lebendige Gedenken an eine Künstlerin hier in Moritzburg zurück.“

Petra Grubitzsch
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Am 22.4., 19 Uhr wird die Ausstellung „Käthe Kollwitz und ich“ eröffnet.
Der Urenkel Jan Kollwitz liest am 27.4.2025, 17.00 Uhr aus den Tagebüchern von Käthe Kollwitz.
Der Freundeskreis erinnert wie in jedem Jahr an ihren Geburtstag am 8. Juli 2025 mit einer Veranstaltung: 2025 mit Musik und Tanz mit dem Cellisten Ulrich Thiem.
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Käthe Kollwitz Haus Moritzburg, Meißner Straße 7, 01468 Moritzburg
Tel. 035207 82818
Freundeskreis Käthe Kollwitz Moritzburg e.V.
 

Editorial 4-25

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus!

1990 war nicht nur das Jahr der unerwartet schnellen deutschen Wiedervereinigung, sondern auch die Initialzündung eines wiedererwachten soziokulturellen Engagements. Man möchte fast frühlingshaft sagen: Überall regten sich Bildung und Streben …

In jenen Tagen entstanden im Umfeld einige monatlich(!) erscheinende Kulturzeitschriften, die bis heute tief im gesellschaftlichen Leben verankert sind.

So erfolgte in Dresden im April die erste Ausgabe der „SAX“, des legendären Stadtmagazins, das mit seinen fundierten Beiträgen und Informationen aus der Kulturszene der Landeshauptstadt kaum wegzudenken ist.

1992 gesellte sich auf der östlichen Seite der Stadt der renommierte „Elbhang-Kurier“ dazu, welcher nach eigener Aussage mit einer „bezaubernden Mischung aus hoher Kultur und banaler Nachricht“ als Spiegel verschiedenster Ortsteile der dortigen Elbhänge fungiert.

Hier in Radebeul, am Fuße der westlich gelegenen Weinberge, versammelte sich im Mai 1990 eine kleine Gruppe kulturinteressierter Bürgerinnen und Bürger, die – getragen von der neugewonnenen Freiheit – die Wiederbelebung bzw. Neugründung einer alten Radebeuler Kulturzeitschrift („Die Vorschau“, 1954–1963) vorantrieben: fortan nun „Vorschau & Rückblick“.

Allein unser Heft ist nach wie vor kostenlos, aber keinesfalls umsonst!

Am 5. Mai werden wir in den vertrauten Räumen der Familieninitiative Radebeul e.V., die bereits im März ihr 35. Jubiläum beging, unseren ebenbürtigen Geburtstag feiern!

Bitte beachten Sie hierzu gern die Einladung in diesem Heft!

Sascha Graedtke

Mit Michael Wüstefeld poetisch durch das Jahr



Zur Titelbildserie



Winzerhäuser
Wenige Schritte von Radebeuls westlicher Stadtgrenze befindet sich das alte Winzerhaus Talkenberger Hof, Am Talkenberger Hof 3, in Coswig. 1607 wurde es von Winzer Georg Talkenberg (vom ehem. Dorf Kreyern umgesiedelt) errichtet. Diese Zahl finden wir im Gewände der Rundbogentür auf der Südseite. Fenstergewände mit Phase und „S-Schnörkel“ deuten auf Renaissance. Über einem Rechteckgrundriss erhebt sich ein zweigeschossiger Bau, den ein steiles, mit roten Biberschwanzziegeln gedecktes Walmdach abschließt. Das EG hat massive Wände und das OG Fachwerk. 1607 war das Fachwerk wie heute auch wieder sichtbar. Ab etwa 1800 wurde das Fachwerk einer Mode folgend bis 1994 verputzt. Auf einem Foto von 1930 sehen wir, dass es auf der Südseite des Daches zwei Fledermausgaupen gegeben hat, wovon heute leider nur noch eine existiert. An den Hauptbau schließen sich nach Norden mehrere gereihte Anbauten an, die ursprünglich wirtschaftlichen Zwecken dienten, heute aber Wohnhäuser sind. Auf der Ostseite wurde um 1955 ein Garagentor eingefügt und damit zumindest die Schauseite gewahrt. Hier war früher der Preßraum mit niedrigerem Fußboden gewesen. Bis zur Reblauskatastrophe standen Weinstöcke im Steilhang hinter dem Haus – die heute dominierende, flach geneigte Weinfläche unterhalb des Talkenberger Hofs wird vom Staatsweingut Wackerbarth bewirtschaftet. Herr und Frau Burckhardt, denen das Anwesen seit 1979 gehört, sind keine Winzer. Wenn man sich von Süden her dem Winzerhaus nähert, kann man sich an der freien Lage des alten Hauses in der Lößnitzlandschaft erfreuen.

Dietrich Lohse

16. Thematischer Filmclubabend

Es ist kein Zufall, dass wir im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Film Club Mobil“ im 80. Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den DEFA-Film „Ich war neunzehn“ zeigen. Einen Film, der die Geschichte eines jungen Mannes in den letzten Tagen des Krieges beschreibt. Auch der Aufführungsort ist durchaus nicht ungewöhnlich, handelt es sich doch um einen Bunker, der von sowjetischen Kriegsgefangenen als Stollen tief ins Innere eines Oberlößnitzer Weinberges getrieben wurde und ab 1944 den benachbarten Anwohnern bei Fliegeralarm als Schutz vor Bomben diente. Heute werden die Räume von Thomas Teubert, dem Inhaber des Weinkellers „Am Goldenen Wagen“, nach einer aufwändigen Sanierung als Weinlager und für Weinverkostungen genutzt.

Zum Glück blieb Radebeul weitestgehend von Kriegszerstörungen verschont. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem Radebeuler Ehrenbürger Ilja Schulmann (1922–2014), der als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in der Sowjetunion lebte und als Dolmetscher mit der Roten Armee am 7.5.1945 in die Lößnitzstadt kam, um Kontakt zur Stadtverwaltung aufzunehmen. Das Ultimatum lautete sinngemäß: Entweder kampflose Übergabe oder massiver Artilleriebeschuss! Die nahezu kampflose Übergabe war das Ergebnis des besonnenen Handelns mehrerer Personen und Ilja Schulmann spielte dabei keine unwesentliche Rolle. Wenn hingegen der Plan von Martin Mutschmann (1879–1947) zur Ausführung gelangt wäre, würde in Radebeul wohl kaum ein Stein auf dem anderen geblieben sein, denn der NSDAP Reichsstatthalter wollte „bis zum Letzten“ kämpfen und hatte noch im April 1945 Dresden zur Festung erklärt und Radebeul als eine Art Bollwerk vorgesehen.

Der autobiografische Film „Ich war neunzehn“ basiert auf Konrad Wolfs (1925–1982) Tagebuchaufzeichnungen aus den letzten Kriegstagen. Mit seinen Eltern und Geschwistern emigrierte er 1933 nach Moskau. Wie die Hauptfigur des Films war er damals acht Jahre alt. Mit siebzehn trat er in die Rote Armee ein und gehörte 1945 als Neunzehnjähriger im Rang eines Leutnants zu den Truppen, die Berlin einnahmen. Und wie Gregor Hecker im Film, war Konrad Wolf für kurze Zeit im April 1945 der erste sowjetische Stadtkommandant von Bernau bei Berlin.
Für die Rolle des Gregor Hecker wurde der Schauspielstudent Jaecki Schwarz (geboren 1946) unter 80 Bewerbern ausgewählt. Nach seinem erfolgreichen Debut war er als Bühnen- und Filmschauspieler sehr gefragt. Über zwanzig Jahre stand er als Mitglied des Berliner Ensembles auf der Bühne und wirkte u. a. in erfolgreichen Kinofilmen wie „Die Schlüssel“ (1974) oder „Bürgschaft für ein Jahr“ (1981) sowie bis heute in zahlreichen Fernsehserien mit.
Der Film „Ich war neunzehn“ wurde 1967 in Schwarzweiß gedreht und schildert auf reportagenhafte Weise Episoden und Einzelschicksale. Ohne Pathos und Heldenverklärung werden die Schrecken des Krieges beschrieben. Menschen sind mit ihren Schwächen und Stärken in tragischen und grotesken Situationen zu erleben. Die Uraufführung fand 1968 im Berliner Kino International statt. Bereits in den ersten sechs Monaten sahen ihn etwa 2.5 Millionen Besucher. Es folgten zahlreiche Auszeichnungen. Der DEFA-Antikriegsfilm wurde zum Klassiker und gilt als eine der bedeutendsten deutschen Nachkriegsproduktionen. Umfangreiches Bonusmaterial trägt zum weiteren Verständnis bei.

Ich war neunzehn
1967/68, DDR, DEFA-Spielfilm, 115 Minuten, s/w, FSK 12

Regie: Konrad Wolf; Drehbuch: Wolfgang Kohlhaase, Konrad Wolf;
Kamera: Werner Bergmann; Schnitt: Evelyn Carow;
Besetzung: Jaecki Schwarz (Gregor); Wassili Liwanow: (Wadim); Alexei Eiboschenko (Sascha);
Galina Polskich (sowjetische Soldatin); Jenny Gröllmann: (deutsches Mädchen); Michail Glusski: (sowjetischer General) sowie in weiteren Rollen Rolf Hoppe, Wolfgang Greese, Kurt Böwe, Hermann Beyer, Dieter Mann, Martin Trettau

Der Film wird aus Sicht des russischen Leutnants Gregor Hecker erzählt und umfasst die Tage vom 16. April bis zum 2. Mai 1945. Verschiedene Ereignisse werden, wie in einem Tagebuch, chronologisch datiert und dokumentarisch-nüchtern erzählt.
Zu Beginn des Filmes sieht man wie am 16. April im Gefolge sowjetischer Truppen an vorderster Front ein alter Lautsprecherwagen durch die weite winterliche Landschaft ruckelt. „Deutsche Soldaten! Kämpfen ist sinnlos“, tönt eine junge deutsche Stimme. „Ergebt euch, rettet euer Leben!“. Der das ruft, ist Gregor Hecker. In der Uniform eines Leutnants der Roten Armee kommt der 19-Jährige in seine Heimat zurück, aus der er mit seinen Eltern als Kind emigrieren musste. Der kleine Agitationstrupp ist auf dem Weg von der Oder über Bernau und Sachsenhausen nach Berlin. Der Krieg ist entschieden aber noch nicht vorbei. Als die Truppe nach Bernau kommt, wird Hecker kurzerhand zum Kommandanten der Stadt ernannt. Mit einer Handvoll Leuten versucht er, eine Kommandantur einzurichten.

Widersprüchlich sind Heckers erste Begegnungen mit den Deutschen. Da sind Bauern, Flüchtlinge, Überläufer, Faschisten, Antifaschisten… Gregor beginnt zu begreifen, dass es „die Deutschen“ ebenso wenig gibt wie „die Russen“.
Die Fassungslosigkeit darüber, wie aus einem kultursinnigen Volk, ein Volk von Barbaren werden konnte, ist im ganzen Film zu spüren. In einer Szene, die aus dem Dokumentarfilm Todeslager Sachsenhausen (1946) von Richard Brandt übernommen wurde, berichtet der als „Henker von Sachsenhausen“ bekannte Paul Sakowski, wie er Häftlinge in der Gaskammer mit Blausäure-Gas sowie einer als Messlatte getarnten Genickschussanlage ermordete.

Durch Verhandlungsgeschick gelingt es, dass die Zitadelle Spandau am 30. April 1945 ohne Blutvergießen übergeben wird. An den Erfolg in Spandau schließt sich ein weiterer Freudentag an, der 1. Mai. Am Abend findet eine große Feier statt. Dabei kommt es zum Gefühlsausbruch eines befreiten deutschen Kommunisten, der lautstark fordert, alle Nazis aufzuhängen, da sich ansonsten alles in zwanzig Jahren wiederholen würde. Ein sowjetischer General beschwichtigt ihn: Rache ist kein guter Ratgeber, schon gar nicht für die Zukunft.

Inzwischen herrscht fast schon Normalität, doch die Ruhe trügt. Während die einen zu begreifen beginnen, dass der Krieg verloren ist, kämpfen die anderen verbissen weiter. Nachdem sich Adolf Hitler bereits am 30. April 1945 seiner Verantwortung durch Suizid entzogen hatte, verlieren noch zehntausende Menschen ihr Leben.

Auch Gregors Freund Sascha stirbt bei einem letzten Kampfeinsatz. Und Hecker ahnt, wie schwer ein Neuanfang sein wird. Der Film endet mit den Worten „Ich bin Deutscher. Ich war mal zehn Jahre alt.“

Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht trat am 8. Mai 1945 um 23 Uhr in Kraft.

Karin Baum und Michael Heuser
Sprecher der Cineastengruppe „Film Club Mobil“ im Radebeuler Kultur e. V.
Anmerkung: unter Verwendung von verschiedenen Filmbegleitmaterialien und Wikipedia-Eintragungen.


Am 13. März 2025, um 19 Uhr, im Bunker Oberlößnitz, Hoflößnitzstraße 82, 01445 Radebeul, Reservierungen ab sofort unter 0160-1038663

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